Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.11.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190111170
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19011117
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19011117
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
- Tag1901-11-17
- Monat1901-11
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.11.1901
- Autor
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezrrgS-Prett 1» der Hauptexpeditiou oder de« t» Bkadt» dezlrk und den Vororten errichtete« L«4- aabestellen ab geholt: vierteljährlich 4 50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Lau» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. L-esrrrrrich: virrteljährl. 6. Man abonnirt seruer mit entsprechendem Postausschlag bet den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem» bur» Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staate« ist der Bezug nur unter Kreuzband durch di» Expedition diese» Blatte» möglich. Die Morgen-ÄuSgabe erscheint um '/,? kkhh di« Lbeud-AuSgabe Wochentag» um 5 Uhr. Nr-action und Lrve-Mou: Johannisgasse 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemmt Sorttm. UnwersitLISstraße 3 (Paulinum), Loui» Lösche, Kathariuenstr. 14, Part, uud Kü«iL»platz 7. eip)MrTagtblail Anzeiger. ÄNttsVlatt des Köttigtichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rattzes und Votizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen »Pre<S die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reclamen unter dem Redaction-strich s4 gespalten) 7b H, vor den Familiennäch- richten («gespalten) 50 Ls. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechens höher. — Gebühren fiir Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschluk für Änzeizen: Abend-AuSgabe: Bormittag» 10 Uhr. Margen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr- Druck und Verlag von E. Polz i« Leipzig. 95. Jahrgang. Nr. 587. Sonntag den 17. November 1901. Aus der Woche. Am selbe« Tage, an dem die Zollgesetze, wie der BundeSrath sie vorscklägt, bekannt gegeben worden sind, ist der sächsische Landtag mit einer Thronrede eröffnet worden, die nach Erwähnung der leider in Sachsen besonder» stark empfundenen Rückschläge de» WirthschaftSieben» die Zollpolitik in den Vordergrund schiebt und zwar in einer Weise, die stark und mit dem Accent der Be friedigung hervorgeboben zu werden verdient. Im klebrigen bedarf die königliche Kundgebung, die leider nicht durch den Mund de» Monarchen der Volksvertretungen zu Gebör gebracht wurde, keine» Commentar». Wir wissen es dem König angesichts der elenden Verleumdungen, die von der Socialdemokratie gegen die deutsche» Kämpfer in China auSgehen, doppelt Dank, daß die Thronrede den Stolz auf die Tapferkeit, Pflichttreue und Manneszucht der sächsischen Theilnebmer an der Expedition einen gedeckten rlennt, und e» verdient bobe Anerkennung, daß bei der Betonung der Unumgänglichkeit einer Reichsfinanzreform frank und frei herausgesagt wird, daß eine solche nicht ohne die Erschließung neuer ReichSeinnabmeqnellen, d. h. neuer Steuersätze — neue Steuerobjeete brauchen e» nicht zu sein — durchgesührt werden kann. Da» versteht sich zwar von selbst, aber die Regierenden manche» anderen Bundesstaate» geben gern in negativem Muth um diese Selbstverständlichkeit wie die Katze um den heißen Brei herum. Die Reichsfinanzreform kann in dem bevorstehenden SessionSabschniite nicht Wohl zum Vorschein kommen, denn die Handelspolitik ist und bleibt der alle» beherrschende Gegenstand. Bei seiner Erwähnung bedient sich die Tbronrrde zweier — willkommener — sprachlicher Neuerungen. Sie spricht von Maßnahmen der „ReickS- regierung" und räumt damit bundeS-officiell mit einer reich-verfassungsrechtlichen Altjüngferlichkeit auf, die zwar juristisch durch den Buchstaben gerechtfertigt werden kann, aber praktisch nur «ine lästige Pedanterie ist. Al» Bismarck einmal den Ausdruck bemängelte, war eS ihm, dem großen Real politiker, nicht um die Wahrung einer Form zu thun, sondern um den Geist der deutschen Föderativverfassung, der zur Zeit viel leicht nicht vollkommen ungefälscht ist, aber gewiß nicht dadurch bedroht wird, daß man ein seit Begründung des Norddeutschen Bunde» lebendes und seitdem natürlich gewachsene», keines wegs nur künstlich gestrecktes Kind beim rechten Namen nennt. E» giebt eine Reichsregierung. DaS sei hiermit auf die Autorität der sächsischen Regierung bin mit reichepolitiscker Geuugtkuung und vom Standpuncte journalistischer Deutlich keit und Bequemlichkeit mit beionderem Vergnügen festzestellt. Eine zweite sprachliche Neuerung glauben wir in der Thronrede dort — e» ist übrigen» derselbe Satz — zu finden, wo sie von der geplanten Zollpolitik einen „nach haltigen Schutz" für die „nationale Arbeit und Productiv»" zu erbosten ei klärt. Bisher redete man immer von dem Werthe „langfristiger Handelsverträge". Im Grunde wird der, der eine« guten Willens ist, mit der einen wie mit der anderen Wendung dasselbe meinen. Aber bei der Betonung der Nützlichkeit — den Ausdruck „Noth- wendigkeit" wird sich hoffentlich kein deutscher Unter händler aneignen — hatte man doch stets Industrie und Handel im Auge, und nun macht die sächsische Thronrede sehr zutreffend geltend, daß die Land- wirthschaft an einer gewissen Stetigkeit de» Schutzes der Production ebenso stark interessirt ist, wie die beiden anderen Gewerbe an der Stetigkeit deS Absätze«. Der Begriff der Parität wird dadurch scharf berauSgearbeitet, und daß dir« von Seiten SawsenS, des — jeder Staat als Ganzes betrachtet — industriereichsten Lande» geschieht, begrüßen wir um so freudiger, al» da» „Leipziger Tageblatt" stet» den Standpunct der handelspolitischen Gleichberechtigung ver trete« hat. Es ist uns darum — weniger in Sachsen, al» aus dem höheren Norden — nicht selten Ver wunderung zu Ohren gekommen und man bat gelegentlich gefunden, uniere Haltung wäre in Ansehung de» Erscheinung«, orte» unserer Zeitung, einer größeren Handels- und In dustriestadt, nicht recht verständlich. Wir sind uns jedoch stets unserer reichspolitischen Pflichten bewußt gewesen und im Hinblick auf das des Frieden» unter den Patrioten bedürftigen und einer vollkommenen Wehrbaftigkcit nach außen bedürftigen Reiche», nicht minder im Hinblick auf Vie Socialdemokratie, sind wir da, unbekümmert um die gleich zeitig den „Junkern" zukommende Hilfe — dafür einzetrete«, daß der Bauernstand lebenefähig erbalten bleibe — und dies uicht nur in der Nähe der die Rentabilität der benachbarten Landwiribschaft begünstigenden großen Städte. Die Zoll geseye liegen also vor. Sie sind im BundeS- rath mit großer Mehrheit und obne daß ein größerer Staat hatte maiorisirt werden müssen, angenommen worden. Damit sind viele Hoffnungen enttäuscht, auch eine schwache, auf Sachsen gesetzte, dem man noch in letzter Stunde zu ver stehen gab, daß e» mit seiner Industrie „steht und fällt" und daß es also mindesten» nicht dem Doppeltarife für Getreide rü st,mmen dürfe. E» bat dafür gestimmt, weil die Einfügung eines theilweise« Maximal- und Miounaltarif» mit den Interessen der Industrie nicht unvereinbar ist und weil r» auch mit seiner Landwirthsckaft „steht und fällt". Mit dem Doppeltarif ist auch die von agrarischer Seite stark angefochtene Be stimmung über da» Inkrafttreten des Gesetze» erhalten gedliebrn und diese Tbatsache zerstreut die vom Central vorstande der nationallibrralen Partei noch vor Wochen geäußerte Befürchtung, daß, fall» neue Handelsverträge nicht zu Stande kämen, auf die Consumenten ein übermäßig hoher Zolltarif drücken würde. Wa» wir schon bei Ver öffentlichung de» Tarife» im Juli sagen zu dürfen glaubten, daß er namttch al» Grundlage für dicNeugestaltung der handels politischen Beziehungen Deutschland- dien«» könne, gilt nun mehr erst rech«. Die vom BundeSraih beschlosienenErmäßigungen und Erleichterungen bei landwirtbsckaftlicden Erzeugnissen sind nicht unbeträchtlich und die von Bayern angeregte Eidöbnug de» Hopsenzolle» ist nicht allzu bedeutend; da» letzte Woit ist übrigen» vo« den Regieruuge« zu keiner Position des Tarif gesprochen. Nun gilt e», bi» zur zweiten Lesuug eine Einigung der MebrheitSparteien deS Reichstag» zu erzielen. Die Aussichten sind nicht ungünstig. Zwar nennt die„Deutsche TageSz."den Tarif- entwuif, wie er aus dem BundeSrath hervorgegangen ist, „schlecht hin unannehmbar für die Vertreter der Landwirlbschafl". Aber die Anmaßung der Handvoll Nicht«- al« LandwirlbS- büiidler im Reichstag, sich als die Vertreter der Landwirtb- scbaft zu bezeichnen, bringt wohl nicht einmal mehr ein Lächeln hervor. Für sie war auch va» Flrischbeschaugesetz schlechthin „unannehmbar", und e« ist angenommen worden und zwar unter der Führung deS conservativen Agrariers Grafen Klinkorvsttöm, des FiactionSgenossen deS RevacteurS Der „Deutschen Tagesztg." Die Conservativen werden auch diesmal wollen, vorzüglich weil sie müssen. Ein in vergangener Woche veranstalteter Parteitag der Partei für die Provinz Brandenburg hat rS schon verschmäht, bestimmte Zollsätze für Getreide zu verlangen, er begnügt sich mit der Forderung von Zöllen, „welche einen im richtigen Ver- bältniß zu den Produciiouekosten stehenden Getreideprei« sichern." In den so gezogenen Rahmen kann man Zollsätze hineinschreiben, die sehr viel niedriger sind, als die von der Berliner Leitung deS Bundes der Landwirthe als — „schlechterdings" natürlich — unannehmbar bezeichneten. Tie deutsche Eunüstung über die Beschimpfung seiner Helden von 18 70/71 durch den Compagnon Iameson's ist noch nicht zum Schweigen gebracht. Sie wird eS auch nickt durch den englischen Versuch werden, den Spieß um zukehren und England als das von Deutschland her beleidigte Land hinzustellen. Noch weniger durch Drobungen, wie die von einem jenseits deS CanalS angesehenen Publicisten sehr deutlich ausgesprochene mit der Ausweisung aller in England und seinen Colonien lebenden Deutschen. Die deutsche Regierung wird sich schon in die Kundgebungen zur Wahrung deutscher Ehre finden müssen; eine« ihrer Sp ach- rohre hat es, vielleicht in richtiger Schätzung rheinischer Derbheit, schon einigermaßen gethan. DaS officielle Unbehagen über die Protestbewegung in unserm Lande ist kaum verständlich. Wenn eS den englischen Ministerpräsidenten Lord Salisbury politisch nicht im Mindesten genirt bat, daß ein Minister, einer seiner College«, die KriegSführung Wilhelm'» I. beschimpft hat, wa« braucht es den deutschen Reichskanzler Grafen Bülow zu „tangiren", wenn deutsche Privatpersonen jene Beleidigung zurückweisen? Ober wird e» etwa in Berlin officiell anerkannt, daß Deutschland nicht auf dem Fuße der Gleichberechtigung mit Großbritannien stehe» dürfe? Fast scheint eS so. Jeden- fall« zeigt e« sich, daß alle die außerordentlichen Aufmerksam keiten, die England in den letzten Jahren von Seiten der Reichsrepräsentanz erwiesen wurden, pro nidilo gewesen sind. Eine Lehr« hat man daraus gezogen und deshalb möchten wir nochmals dringend rathen, bei Kundgebungen gegen Chamber- lain'S freches Wort den südafrikanischen Krieg als solchen auS dem Spiele zu lassen. I)r. Leyd'S weilt noch auf deutschem Boden. Seine Ausweisung würde im Auslands in einer Weise beurtheiit werden, die auch diejenigen Deutschen peinlich berühren müßte, die sich sonst aus fremdländischen Urtbeilen wenic; machen, und die reichspolitische Wirkung im Innern wäre eine verheerende. Man biete also keinen Vorwand. Ein WelfenjubilSum. Seit Wochen wird in welfischen Blättern zur Teilnahme an einer Gedenkfeier für König Ern st August von Hannover aufgefordert, dessen 60. Todestag auf den 18. No vember d. I. fällt. Man könnt« diese welfische Feier mit Still schweigen übergehen, wenn nicht für die welfische Partei eine gerade zu Ehren Ernst August's veranstaltete Feier so ungemein charakteristisch wäre. Dieselbe Partei, die sich emphatisch ihrer Vorkämpferschaft für das „Recht" rühmt, verherrlicht jetzt einen Fürsten, >der seinen Platz in der Geschichte den unerhörten RechtSbrüchen verdankt, die «r begangen. Am bekanntesten unter ihnen ist der Um stürz der hannoverschen Ver fassung im Jahre 1837, der sowohl mit dem hannoverschen Landesrechte, wie mit der Wiener Schlußacte in schreiendem Widerspruche stand. Ein zweiter Gewaltstreich Ernst August's traf die sieben Göttinger Professoren Dahlmann, E. Albrecht, di« Brüder Grimm, GervinuS, W. Weber und H. Ewald, die ihrem VerfassungSeide treu zu bleiben erklärten, dafür kurzerhand abgesetzt und zum Theil aus dem Lande gejagt wurden. Ein dritter RechtSbruch war die Beseitgunz des „Geheimraths collegiums", um die letzterem zustehende Competenzentscheidung in der Klage der Göttinger Sieben auf Gehaltszahlung aus der Welt zu schaffen. Von den Gesetzwidrigkeiten, mittels deren für di« Ständeversammlung «ine beschlußfähige Anzahl zu sammengebracht wurde, und von den Maßregelungen gegenüber den Opponenten reden wir nur andeutungsweise: genug, mit einer einzigen Stimme Mehrheit wurde die neue Verfassung vom 6. August 1840 durchgesetzt, welchc d« Domänen in königliches Eigenthum verwandelte, das Gesehgebungsrecht der Stände zu einer bloßen Begutachtung herabdrllckte, die Oeffentlichkeit der Sitzungen und die Verantwortlichkeit der Minister beseitigte. Politische Maximen hätten den Umsturz der hannoverschen Verfassung einigermaßen zu entschuldigen vermocht. Aber nicht sie waren die Triebfedern für Ernst August, sondern, wie Flathe in seinem „Zeitalter der Restauration und Revo lution" sich scharf, aber zutreffend auSdrückt, neben der hoffärtigen Verachtung des hannoverschen Volkes „die allergemeinste Habsucht". Weil die hanno versch« Verfassung den tiefverschuldeten Mann hinderte, sich der Staatsdomänen zu bemächtigen und sich dadurch aus den Händen englischer Wucherer zu befreien, deshalb mußte sie fallen! Damit über die wahren Beweggründe seines Vorgehens jeder Zweifel beseitigt werde, begleitet« Ernst August die Einberufung ider Ständrvrrsammlung nach dem Patente von 1819 mit der Aufhebung de» einen Bestandtheil der Verfassung von 1810 bildenden Schatzcollegiums. Daß dem König« Ernst August Souveriinitiitsrechte für Geld feil waren, zeigte sich bei den Verhandlungen mit Preußen über den Beitritt Hannovers zum Zollvereine. „Der Hof von Hannover", schreibt Heinrich von Sybek im 2. Bande der Volk-ausgabe seiner „Begründung des deutschen Reiche»", „sah in dem Beitritte zu dem Zollverein« eine schwere Beeinträchtigung königlicher Souveränität und forderte zur Entschädigung für ein solches Opfer so große finanzielle Vorrechte vor allen übrigen Vereinsmitgliedern, daß Preußen dieselben stets für unzulässig erklärte." — Hielt mithin der Souveränitätsstolz Ernst August's von der Aus sicht auf Geldgewinn nicht Stand, so war der selbe auch von der Furchtlosigkeit weit ent ¬ kernt. Nachdem die Frankfurter Nationalversammlung am 28. Juni 1848 das Seseh über die Einsetzung der provisorischen Centralgewalt zum Abschlüsse gebracht hatte, ließ Ernst August seinen Ständen amtlich erklären, er werde abdanken, 'wenn man an wesentliche Rechte seiner Krone greife; als aber darauf in der Paulskirch« beantragt wurde, Hannover zum Reichslande zu machen, lenkte er ein, schickte einen Gesandten zur Begrüßung des Reichsverwesers nach Frankfurt und schwieg dazu, daß der Ge sandte ohne Auftrag die vom Parlamente geforderte Anerkennung des Gesetzes vom 28. Juni amtlich vollzog. Wie wenig Ernst August von dem berechtigten Selbstbewußtsein eines deutschen Fürsten hatte, zeigt; sich im Jahre 1843. Damals ist er nach England gereist, Hai der Königin Victoria den U n te r t h a n e n- e i d geleistet und ist als Peer von England im Oberhause erschienen. Dieser Schritt deS Königs von Hannover lenkt den Blick ganz von selbst aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Unwillkür lich gedenkt man oer Möglichkeit, daß ein Ernst August, getrieben von der Gier nach Gold und von der Verachtung auch des klarsten Rechtes, die englische Südafrika-Politik billigen und als englischer Peer im Oberhause einen Joö Chamberlain Vertheidigen könnt«! Daß den deutschen Fürsten und dem deutschen Volke eine solche Schmach erspart geblieben ist —, dafür wenigstens sollten selbst die Welsen der geschichtlichen Entwickelung Dank wissen. Der Krieg in Südafrika. Küstenwacht der Barren. Es ist längst bekannt, daß die Boeren Meister im Abfangen von britischen Transport-Colonnen sind und sich seit recht langer Zeit fast vollständig auf englische Kosten für die weitere Fortsetzung der Campagne mit allem nur denkbaren Kriegs material, sowie den nöthigen Lebensmitteln für Mann und Pferd ausrüsten. Auch in der eigenen Colonie haben die Eng länder ihren Feinden dieses lukrative Handwerk nicht legen können, und so kam man in Capstadt denn schließlich auf die gute Idee, in Zukunft so viel als nur möglich größere Trans porte nach dem Norden nicht mehr auf den ohnehin in jeoer Hin sicht überbürdeten Eisenbahnen zu befördern, sondern den sicheren Seeweg zu wählen, speciell an der Westküste, wo denn auch ein regelrechter Dampferverkehr eingerichtet wurde, mit Hilfe dessen die im Norden und Westen dec Capcolonie operirendcn Truppen schneller und besser mit allem Erforder lichen an Lebensmitteln, Fourage, Munition u. s. w. versorgt werden sollen. — Diese neue Einrichtung, die den in die Colonie eingedrungenen Boeren selbstverständlich nicht verborgen ge blieben ist, scheint denn auch eine sehr zutreffende Erklärung des großen Eifers abzugeben, mit welchem kleinere Commandos sich bemühten, mit der Seeküste in Berührung zu kom men und zu bleiben und speciell die verschiedenen von britischen Schiffen frequentirten Häfen scharf im Auge zu behalten. Es erschien wenig glaubwürdig, als vor einigen Wochen von Cap stadt aus gemeldet wurde, die so weit südwestlich vorgedrunge nen Boeren hätten den Auftrag und die Absicht, in der Lamberts-Bai, in der Bucht von Saldanha oder überhaupt an der Westküste europäische oder amerikanische Schiffe zu er warten, welche neue Kriegszufuhren für die Burghers und Cap rebellen ans Land zu schmuggeln versuchen sollten. — Nein, die kühnen Reiter der Commandanten Maritz und Thcron erwar teten keine von Boerenseite bestellten und bezahlten Zufuhren, — sie hielten nur scharfen Lugaus nach den oben erwähnten britischen Schätzen an reichem Kriegsmaterial, die speciell in der Lamberts-Bai gelandet und von dort nach Clanwilliam, Vanrhynsdorp, Picketberg, Calvinia u. s. w. Uber Land unter guter Bedeckung weiter transportirt wurden, um von diesen Plätzen aus wieder an die verschiedenen mobilen eng lischen Colonnen vertheilt zu werden, die in den felsigen Küsten bezirken sich nutzlos damit abquälen, die «ingedrungenen Boeren zu „Hetzen und zu jagen", wie es in der officiellen Sprache der britischen Schwindelberichte vom Kriegsschauplätze heißt. Die Boerenreiter unter Theron und Maritz müssen bereits recht gute Erfolge auf ihrer Küstenwacht zu verzeichnen gehabt haben, denn schon wiederholt erschienen in den officiellen Ver lustlisten des Londoner Kricgsamtes Abgänge von Officieren und Mannschaften, die immer wieder aus dem äußersten Westen der Capcolonie datirten und meistens kleinere Bedeckungs- cvlonnen betrafen, ohne daß aber die entsprechenden Gefechte in den amtlichen Depeschen des Lord Kitchener figurirt hätten resp. vom Kriegsamt publicirt worden wären. — Neber Capstadt kommt nun aber endlich doch eine von uns schon kundgegebene Meldung, die einen derartigen Erfolg der Boeren unter Maritz zugestehen muß. Ein stattlicher Convoi von ca. 30 schwer be packten Wagen war von Lamberts-Bai unter Infanterie-Be deckung nach Clanwilliam unterwegs und wurde in der Nähe von Bovendam vom Commandanten Maritz und seinen Reitern überfallen. Nach kurzer Gegenwehr der Engländer wurden diese zur Uebergabe gezwungen und mutzten dann zusehen, wie die Sieger von der reichen Beute eine sorgfältige Auswahl aller wünschenswerthen Vorräthe u. s. w. auf einem halben Dutzend vorher geleerter Wagen verluden, alles Uebrige auf grotze Haufen warfen und verbrannten, die Waffen der gefangenen Colonial-Soldaten sammelten und dann wieder auf und davon ritten, natürlich nicht, ohne den Engländern durch Fortnahme der Uniformen und des Schuhzeuges u. s. w. eine schnelle Fort bewegung unmöglich gemacht zu haben. Die Folge von solchen kühnen Boerenstückchen ist natürlich, daß die britischen Garnisonen und Colonnen im Westen der Colonie wieder für einige Zeit auf halbe Rationen gesetzt wer den müssen, was wahrscheinlich die Aktivität derselben nicht ge rade fördern wird. Das Gefühl der Hilflosigkeit und der Ohn macht soll im Caplande überhaupt immer mehr überhand nehmen, und die selbstbewußten Versicherungen vom Gegentheil, die Lord Kitchener allwöchentlich nach Hause telegraphirt, direct Lügen strafen. * L«n»«n, 16. November. (Telegramm.) AuS den in Lein Blaubuchr eathaltenrn amtlichen Berichten über die Tonern- trationSlaqer geht weiter hervor, daß die Sterblichkeit in hohem Matze dem geschwächten körperlichen Zustande zuzuschreibeii ist, in welchem die Mehrheit der Flüchtlinge in den Lagern eintras, andererseits aber geht auch auS den Berichten hervor, datz die Lager in der ersten Zett in vielen wichtigen Punkten mangelhaft em» gerichtet waren, namentlich hinsichtlich der Ausstattung für den Fall des Auftretens ansteckender Krankheiten; an einigen Plätzen war die Wasserversorgung unzureichend, an anderen war Las Wasser ver unreinigt. Tie Nahrungsmittel waren eine Zeit lang unzureichend uud zum Genuß ungeeignet. Diese Mängel waren jedoch in alle» Fällen nur zeitweilig, und die Ausbreitung der Krankheiten war überall hauptsächlich Lein körperlichen Zustande und den Lebens gewohnheiten der Flüchtlinge zuzuschreiben. Deutsches Reich. * Leipzig, 16.November. „DieSchleifenderunfere» verstorbenen . . . gewidmeten Kränze werden am Mittwoch, den 20. November (Bußtag), von Vormittags l/zil Ukr ab im Saale des . . . auSgelegt werden. Der Saal wird diesem Zwecke entsprechend hergerictttet werden." — „Wie weit bei der heutigen verrotteten Gesellschafts ordnung die Stumpfsinnigkeit der von einer schlauen und in der Corruptbcit sich mästenden Vourgeoissübrerclique genas- sührten Ortnungswählermenge geht, das zeigt die in vor stehender Bekanntmachung anaezeigte Veranstaltung, welche die gesunkene Begeisterung für Thron und Altar durch einen plumpen PersonencultuSact wieder heben soll. So etwas sollte man unserer aufgeklärten, zielbrwußten Arbeiterschaft bieten!" — So oder äbnlich hätten sich sicher der „Vorwärts" und seine Ableger, die „Leip ziger Volkszeitung" u. s. w., geäußert, wenn die ersten drei Punkte den Namen eines Staatsmannes, Generals oder eines bürgerlichen Parteiführer» bedeuten sollten. Da e» sich in dieiem Falle aber um die dem ver storbenen „Genossen" vr. Schoen lank gewidmeten Kränze bandelt, so ist die Ausstellung natürlich nur die sinnige Ebrung eines theureu Verstorbenen und die „Leip;. DolkS-Ztg." macht den Tamtam dafür in der oben abgedruckten Anzeige. -4- Berlin, 16. November. (Jesuitenpaker Aschenbrenner.) Das Organ der bayerischen Centrums partei berichtet seit einigen Tagen über religionsphilo- sophische Vorträge, die in München von dem Jesuitenpater Aschenbrenner vor einem großen Publicum gehalten werden. In den Berichten des Ccntrums blattcs macht eine Berichtigung einen recht seltsamen Eindruck. Dieser Berichtigung zufolge hat Pater Aschenbrenner wörtlich das Nachstehende gesagt: „Wenn eine gewisse Persönlichkeit, statt freiwillig einen tragischen Tod zu nehmen, Artikel gc schrieben hätte in die Tägliche Rundschau der Reichs Hauptstadt Jerusalem, um seinen Aus tritt aus der Gesellschaft Jesu zu rechtfertigen, so wäre wohl das von ihm entworfene Bild über den Meister (gc. Christus) und die Collegen (so. Apostel) auch kein objectiv getreues und wahres Bild geworden." — Da die vor stehenden Worte von dem Münchener Centrumsblattc ausdrück lich zur Berichtigung eines früheren Berichts wiedergegeben werden, ist jeder Zweifel daran ausgeschlossen, daß der Jesuiten pater Aschenbrenner die obigen Worte gesprochen hat. Mithin steht Folgendes fest: Pater Aschcnbrenner vergleicht den aus dem Jesuitenorden ausgetretenen Grafen v. Hoensbroech mit Judas Jscharioth und ferner den Pap st oder den Jesuitengeneral mit Jesus Christus, die Mit glieder des Jesuitenordens aber mit den Aposteln. Ueber den Charakter aller dieser Vergleiche braucht im Grunde genommen kein Wort der Kritik verloren zu werden. Der erste Vergleich zeugt von namenloser Ge hässigkeit gegen den Grafen Hoensbroech und zugleich, ebenso wir oie folgenden Vergleiche, von ungeheuerlicher, um nicht zu sagen blasphemischer, Ueberhebung. Dabei ist Jesuitenpater Aschcnbrenner nach der Schilderung des Münchener CentrumS blattes ein Mann von der außerordentlichsten Bedeutung. Pater Aschenbrenner ist hiernach — die überschwängliche Schilderung seines Aeutzeren übergehen wir — „der Typus be deutender Menschen, die an Geistes- und Herzens bildung jede Umgebung thurmhoch überragen und an Charakter unvergleichlich sind." — Für eine Geistes und Herzensbildung, sowie für einen Charakter, die der obigen Leistung fähig sind, dürfte außerhalb deS kleri kalen Bannkreises einstweilen nicht das bewundernde Ver- ständnitz zu finden sein, welches das Münchener Centrumsblatt ihnen entaegcnbringt. Hat Pater Aschenbrenner durch seine religionsphilosophischen Vorträge den Eindruck erwecken wollen, als seien Jesuiten besonders befähigt, Herrn Professor Spahn in Straßburg den Collegen für den Lehrstuhl der Philosophie zu stellen, so hat er hiermit kein Glück gehabt! * Berlin, 16. November. (Einheitliche deutsche R e ch t s cb r e i b u n g.) Von einem Mitglied« der zur Berathung einer cinbcitlichen deutschen Rechtschreibung eingesetzten Com Mission erhält die „Schl.'s. Ztg." Mittheilunzen, denen wir das Folgende entnehmen: „Sowohl auf der Berliner, wie auf der voraufgegangenen Wiener Confevenz war ja von vornherein die Erzielung einer einheit lichen Schreibweise als die .Hauptsache hingestellt worden, und dementsprechend bewegt sich auch die beschlossene Reform in sehr engen Grenzen. Weitaus die Mehrheit der von der preußi schen und der österreichischen Regierung zur Berathung der Reform Berufenen zeigte sich überhaupt nicht sehr Neuerung» fuchtig. Aus historischen und ästhetischen Gründen lehnte man alle radikalen Aenderilngen und Vereinfachungen ab, ganz be sonders aber wurde mit Erfolg geltend gemacht, daß die neu« «in heitliche Rechtschreibung um so eher Allgemeingut werden werde, je weniger sie sich von der gegenwärtig allenthalben geltenden Schreilnvrise entferne. Man beschränkte sich mithin darauf, eine Reihe orthographischer Widersprüche zu beseitigen und einige hier und dort bereits eingefühlten Vereinfachungen zu sanctioniren. Im Großen und Ganzen lassen sich die vereinbarten Neuerungen folgendermaßen skizziren: Die besonders für einzelne deutsche Sprachgebiete wichtigste Neuerung ist die vollständige Beseitigung des th aus allen
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite