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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.11.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011108019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901110801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901110801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
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Anzeigen »Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen uuter dem Redactiousstrich (4 gespalten) 7K vor deu yamiliennach- richt« (6 gespalten) KO H. Tabellarischer und Ktffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisung« und Offertenannahme LS H (exrl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen.Au-gabe, ohne PostbefSrdernug X 60.—, mit Postbefördernug ^l 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend«Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-LuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags uunuterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz la Leipzig. Nr. 570. Freitag den 8. November 1901. 95. Jahrgang. Kaiser Wilhelm und die «or-amerikanischen Milliardäre. v. Die Gefahr der nordamerikanischen Concurrenz ist eine zwiefache; sie besteht einerseits in der nordamerikanischen Zoll politik gegen die europäische Einfuhr und andererseits in dem Bestehen von T ru st g e s e l l s ch a f t e n, wie sie in solch geschloffener Organisation und mit so gewaltigen Capitalien irgendS in Europa zu finden sind. Beide Faktoren wirken zusammen. In Folge der Schutzzölle können die Trustgesell- schaften auf dem nordamerikanischen Markt höhere Preise nehmen und den Ueberschuß ihrer Erzeugung zu billigeren Preisen, zu den Selbstkosten, ja unter Umständen mit Verlust auf die euro päischen Märkte werfen. Bei der Neuregelung ihrer Handels beziehungen muffen die mitteleuropäischen Staaten in erster Reih« drefe Gefahr vor Augen haben und auf ihre Abwehr bedacht fern. Der neue deutsche Zolltarif bekundet dieses Be streb«, was von freihändlerischer Seite stets mit Stillschweigen Übergang« wird. In der „Revue de Paris" hat bekanntlich Pierre d« SSgur über einige Aeußerungm Kaiser Wilhelm'» zu dieser Frage berichtet. Im Juli ankert« die „Hohenzollern" im Odde « Fjord und einige Franzos« erbaten und erhielten die Erlaubnis, zur Besichtigung des Kaiserschiffes. Kaiser Wilhelm hatte die Liebenswürdig keit, diese Franzosen zur Tafel einzuladen, und einer von ihnen, Herr Pierre d« SSgur, macht jetzt Mittheilungen über den In halt deS Tischgespräches, insbesondere über die Aeußerungen deS Kaiser» in Betreff der nordamerikanischen Gefahr. Ob diese Aeußerungen inter pooula getreu wiedergegeben worden sind und nicht etwa, auS dem Zusammenhang« gerisien, einen un gewollten Eindruck Hervorrufen, muß dahingestellt bleiben. In den gewaltigen Trustgesellschaften der Nankeemilliardäre, die eine Industrie, einen internationalen Handel, in die Hände eine» einzigen Menschen oder einer Hand voll Individuen zu bring« streben, erblickt der Kaiser eine Drohung für di« Zu kunst. Wie erinnerlich, wurde damals von der Möglichkeit ge sprochen, daß die nordamerikanischen Milliardäre emeS TageS die Aktien europäischer, insbesondere deutscher, Dampfschiff- fahrtrgesellschaften ankaufen, sich zu Herren dieser Gesellschaften mach« und sie in ihre Dienste zwingen könnten. Diese Mög lichkeit war in der That nicht ausgeschlossen. Die Aktien der großen deutschen Seeschifffahrtsgesellschaften sind auf dem off«« Markte käuflich und für die nordamerikanischen Groh- capitolifien besieht kein Hinderniß, diese Aktien unmittelbar oder durch Zwischenhändler an sich zu bringen. DaS erschien als eine Gefährdung nationaler Interessen, und Niemand war im Stand«, ein Mittel anzugeben, um solcher Gefährdung vor zubeugen. Kaiser Wilhelm faßte zunächst die völkerrechtliche Seite der Sache ins Auge und meinte, wenn in solchem Unter nehmen, in interoceanischen Schifffahrtsgesellschaften, die ein Morgan erworben hat, ein Zwischenfall einträte, in den eine fremde Macht verwickelt würde, daß man dann mit ihm nicht verhandeln und sich noch weniger an Nordamerika wenden könnte, da Nordamerika keinen Antheil an der Sache hat und seine Verantwortlichkeit ablehnen würde. An wen sich also wenden? frug der Kaiser. Wenn eine solche Gefahr einträte, sagte der Kaiser nach dem französischen Bericht, müßte man ihr mit einem europäischen Zollverein begegnen, mit einer Zollliga gegen die Bereinigten Staaten, ähnlich der Blockade, die Napoleon gegen England versuchte. Im Falle d«S Zustandekommens einer solchen Liga wäre England vor die Nothwendiakeit gestellt, sich entweder der Blockade gegen Nordamerika anzuschließen oder sich mit Nord amerika gegen die festländischen Mächte ins Einvernehmen zu setzen. Wir haben den Eindruck, daß der französische Berichterstatter den Gedankengang deS Kaiser» nicht recht erfaßt und sein« An deutungen unzulänglich wiederaeaeben habe. Wenn ein Aankee- milliardär interoceanische Schifffahrtslinien unmittelbar an kauft, so müssen sie unter nordamerikanischer Flagge fahren. Erwirbt er fremde Schifffahrtsgesellschaften nur mittelbar, nur durch Ankauf ihrer Aktien, so findet in den äußeren Verhält nissen dieser Gesellschaften keine Aenderung statt und sie fahren nach wie vor unter der Flagge derjenigen Staates, dem sie an gehörten. Unter irgend einer Flagge müssen die Schiffe fahren, und für sie ist derjenige Staat verantwortlich zu machen, dessen Flagge sie fuhren. Der Conflict bei dem mittelbaren Erwerb europäischer Seeschifffahrtsgesellschaften durch Ankauf ihrer Aktien von Seite der Nankeemilliardäre liegt darin, daß diese Schifffahrtsgesellschaften genöthigt werden können, unter einer europäischen Flagge nordamerikanischen Interessen zu dienen. Sollte ein solcher Conflict in Erscheinung treten, so würde der betreffende europäische Staat rechtzeitig wirksame Vorbeugungs maßregeln ergreifen müssen. Die Berechtigung dazu dürfte ihm am allerwenigsten in Nordamerika aberkannt werden, wo man sicherlich jedem fremden Staat das Recht zugcstehen wird, was man selbst beansprucht, daS Recht, seine nationalen Interessen zu schützen. Auch die Andeutung des Kaisers, gegenüber Nordamerika einen europäischen Zollverein, eine Zollliga, ins Leben zu rufen, die im Stande ist, gegen Nordamerika nöthigen Falls eine Handelsblockade zu verhängen, scheint von dem französischen Be richterstatter nicht präcise erfaßt worden zu sein. Der Ge danke an sich ist ja nicht neu, er schwebt schon seit Jahrzehnten in der Luft und er liegt sehr nahe, wenn man einerseits die nordamerikanische Republik betrachtet, die mit ihrer einheitlichen Zollpolitik so erstaunliche Erfolge erzielt hat, und andererseits das europäische Festland, daS in einer Reihe verhältnißmäßig kleiner Gebiete zerfällt und. in sich uneinig, ja vielfach feind selig, nicht im Stande ist, der nordamerikanischen Handels politik geschloffen und wirksam gegenüberzutreten. Ein Zu sammengehen der europäischen Festlandsstaaten gegenüber Nord amerika in irgend einer Form erscheint, so große Schwierig keiten ihm auch vorläufig noch entgegenstehen, nur als eine Frage der Zeit und wird sicher über kurz oder lang ermöglicht werden müssen. Mit oder gegen England, wie Kaiser Wilhelm sagt. Und die Leiter der europäischen Festlandsstaaten werden dazu gedrängt werden, wenn die Nankeemilliardäre mit ihrer un geheuerlichen Capitalskraft immer weiter greifen und sich selbst über anscheinend günstige Zollabmachungen hinwegsctze». Denn wie zwecklos wären Handelsverträge mit Nordamerika, wenn die nordamerikanischen Trustzesellschaften mit ihrer Capitalsüber- macht noch zielbewußter und erfolgreicher als bisher den Ueber schuß ihrer Erzeugung zu Schleuderpreisen auf die europäischen Märkte werfen und die europäischen Schutzzölle argen die nord amerikanische Concurrenz unwirksam machen wollten! Der Krieg in Südafrika. Die „Times" veröffentlichen folgende interessante „Schilderung eine» urtheiissStztgen Skvililten" über die Kriegslage, die in London jetzt recht pessimistisch be- urtheilt wird: Der Krieg schleppt sich in unbefriedigender Weise weiter und die Civilbevölkerung bis auf den letzten Mann kann nicht begreifen, was die im Felde stehenden 250 000 Mann mit den höchstens noch ihnen gegenüberstehenden 10000 Boeren eigent lich anfangen. An einem Orte stehen 25 000 Mann innerhalb eines Radius von wenigen Meilen, und doch erklärt man den Leuten amtlich, man könne innerhalb eines Radius von 15 Kilo meter nicht für unsere Sicherheit einstehen. Wir sehen eine von unseren Colonnen ihres Weges ziehen — die Wege liegen stets in der Ebene und die Thäler entlang —, und so weit wir sehen und wissen konnten, hätten die Hügel an der Straße voller Boeren stecken können, die ihr Feuer sorgfältig aufsparen und dann alle Nachzügler u. s. w. abfangen und sich auf unsere Kosten mit Waffen und Pferden ausrüsten. Eine schlimme Folge unserer Art, den Soldaten je 300 Patronen aufzubiirden, ist die, daß die Mannschaften ihre Patronen abwerfen, wie die Bäume ihre Blätter, sobald sie müde werden. Die Koffern lesen diese hernach sackweise auf. Das ist mir sehr oft erzählt worden, allein die Officiere, mit denen ich darüber sprach, er klärten es cinfack für unmöglich. Vor wenigen Tagen kreuzte ich dann o!e Straße einer Colonne und stieß kurz darauf auf zwei Kaffer», die hinter der Colonne hergewandert waren. So fort kam einer von ihnen zu mir und bot mir 35 frische Patronen für einen Schilling an. Er sagte, er habe sie auf dem Wege der Colonne aufgelesen. Man erzählt, daß die Boeren diese Patronen zu Zehntausenden sammeln und gegen uns verwenden. Fast Alle sind sie heute mit unseren Gewehren bewaffnet, auf unseren Pferden beritten und feuern auf uns mit unseren Patronen. In A verlor B den Kopf und befahl sofortige Räumung des Ortes auf das Gerücht vom Herannahen einer Boerenabtheilung, die nie zum Vorschein kam. Wir ließen dort 1000 vollständige Khakimontirungen und Vorräthe im Werthe von 8000 Pfund Sterling zurück, von denen die Boeren seither Gebrauch gemacht haben. "In C rückten wir ebenfalls in einigem Schrecken aus und ließen 25 000 Patronen und Vorräthe im Stich. Jetzt nun ist B nicht etwa in Ungnade abgerufen, sondern anderswohin auf eine hohe Stelle verseht worden. Wahrlich, die Wege des Heeres sind wunderbar! Die Londoner Presse sollte darauf be stehen, daß Schlappen gemeldet werden. Wir haben auch das Wort von Mannschaften und Händlern an Ort und Srelle ge hört, daß innerhalb des letzten (nach der Post also vorletzten) Monats 75 Mann von einem Regiment in der Capcolonie, 60 Mann von einem zweiten, 90 von einem dritten und ein ganzes Bataillon im weiland Oranjestaate die Waffen gestreckt haben und dazu noch Hunderte von einzelnen Mannschaften. Bei uns ist aber in den Zeitungen davon keine Erwähnung ge- than worden. Als wir von- E nach F gingen, begegnete uns halbwegs ein Mann und hielt uns an mit der Auskunft, daß etwa 15 Kilometer weiter ein Boerencommando liege. Ich fragte ihn, wie 'die Leute aussähen. Es ist die zerlumpteste Bande, die Sie je gesehen haben, erwiderte er, alle, bis auf zwei Colonialrebellen. Etwa 40 ritten auf Eseln, weitere 40 auf Fohlen und nur der Rest ist gut beritten. Die letzteren thun den Nachhutdienst und prahlen, sie könnten einer ganzen bri tischen Colonne aus dem Wege gehen und hätten es in der That aethan. Die englischen Colonnen seien zu ängstlich, sie zu überrumpeln. Sie würden sie nie «inholen, weil sie zu sehr besorgt seien, daß ihnen etwas Unangenehmes begegnen könnte. Und so geht die Erzählung des Gewährsmannes der „Times" weiter. * Lands», 7. November. (Telegramm.) In eines Depesche Lord Kitchener'S aus Pretoria werd« weitere Einzelheit« über daS Gefecht bei Berkenlaagte gemeldet: Hiernach erreichte die Colonne Benson den Lagerplatz bei heftigem Regen. Die Boeren erhielten Verstärkungen durch Louis Botha, der mit 600 Mann im Eilmarsch bis dicht an die Nachhut Benson's heranrückte. Nach zuverlässigen Nachrichten (?) sind auf Seiten der Boeren 44 Mann getödtet und 100 Mann verwundet worden. Deutsches Reich. -t- Berlin, 7. November. (Lilesin tarn cks, se.) Der Sprachschatz unserer Politiker ist um «in neues Schlagwort be reichert worden; gemünzt vom „Kuryer Poznanski", lautet es: „Silosin karü clu so.'' Ueber die politische Bedeutung dieses Schlagworts geben Artikel des genannten polnischen Blattes nnd der „Germania", sowie eine Erklärung der ober schlesischen Polenblätter Auskunft. Der „Kuryer PoznanSti" spricht sich dahin auS, baß dort, wodieMehrheitpolnisch sei, man den Wählern daS Recht nicht abstrkiten dürfe, pol nisch« katholische Candi baten aufzustelftn. „LUesi» knrL cka se", so heißt es im „Kuryer Poznanski", „aber auf der Grundlage der Verständigung der dortigen Polen mit der localen Organisation des CentrumS". — In wesentlicher Ueberein stimmung hiermit geht die Erklärung der oberschlefischen Polen blätter dahin, daß die Polen bei den Wahlen nur flir solche CentrumSleute eintreten werd«, zu deren Aufstellung sie ihre Zu stimmung ertheilt haben. Da di« „Germania" die obig« Aus lassung des „Kuryer PoznanSkt" als Beginn für daS Einlrnken der polnischen Presse gegenüber dem Centrum bezeichnet, dürfte nicht zu bezweifeln sein, daß hinter allen diesen Kundgebung«» der Presse Abmachungen führender Politiker aus dem klerikale» und dem polnisch« Lager stehen. ES wird Niemand in Er staunen setzen, wenn die „Germania" die Rückkehr deS „Kuryer Poznanski" auf «inen „correcten Standpunkt" „mit Genug- thuung" begrüßt. Daß die Centrumspartei auf Grund deS neue» Abkommens für Oberschlesien auf ihre Selbstständigkeit im Puncte der Candidaturen verzichtet, übergeht die „Ger mania" begreiflicher Weise mit Stillschweigen. Mit demselben Stillschweigen übergeht sie den Umstand, daß das polnische Element innerhalb der Centrumsfraction auf Grund des neuen Abkommens für Oberschlrsien ganz erheblich verstärkt werden wird. Jedenfalls dürften di« Polen von den zwölf oberschlesischen Wahlkreisen etwa die Hälfte in An spruch nehmen. Vom Standpunkt der nationalen Politik auS be trachtet, sind beide Momente allerdings nicht darnach angrthan, besondere Bedenken hervorzurufen. Gerade die der Herkunft nach deutschen, für oberschlesische Wahlkreise gewählten Crntrums abgeordneten sind in den letzten Jahren mit der weitestgehenden nationalen Selbstlosigkeit für die nationalpolnischen Forderungen eingetreten. Noch am 11. Oktober d. I. haben di« Abgeordneten Erzpriester Frank, Dekant Starte und Rentner Bolik auf einer großen, inRatibor abgehaltenen Versammlmm mit einem wahren Feuereifer die Polen daran erinnert, daß sie in den oberschlesischen Centrumsabgeordneten «in« unbedingt füg same Hilfstruppe erblicken dürfen. AIS Frucht dieser öffentlich nochmals bekräftigten Unterwürfigkeit des CentrumS unter die Polen ist wahrscheinlich das neue Abkommen für Oberschlestrn anzusrhen. Di« Freude über dasselbe scheint aber selbst bei der „Germania" einigermaßen durch die Aussicht getrübt zu werden, daß die Ansprüche der Polen gar zu hoch gesteigert werden könn ten. So erklärt sich zwanglos der Hinweis der „Gerinania" auf unbefugte Einwirkungsverjuche von Posen oder, was noch schlim mer sei, von Lemberg aus. Die polnischen Herren in Posen und in Lemberg müßten aber ganz gegen ihre Natur handeln, falls sie den schönen Aug«n der „Germania" zu Liebe auf die befürchteten Einmischungsversuche verzichten wollten. /?. Vertin, 7. November. (Oefsentlich rechtliche Creditorganisation für den Wohnungsbau.) Landrsrath B r a n d t s - Düsseldorf, der auf dem Gebiete der praktischen Wohnungspolitik mit Eifer und Erfolg thätrg ist, tritt in der „Socialen Praxis" dafür ein, daß eine öffent lich rechtliche Creditorganisation für den Wohnungsbau geschaffen wird. Brandts geht davon aus, den Grundbesitz nicht in di- schwachen Hände von Angehörig« des Baugewerbes kommen zu lassen. An die Stelle des Haus besitzes durch das Baugewerbe soll der Hausbesitz entweder der Consumenten oder kapitalkräftiger Personen, die den HarrSbesitz als Capstalanlage betracht«, treten. Ein Mittel zur Erreichung dieses Zieles ist die Errichtung staatlicher oder kommunaler Bau danken für di« Beleihung des .Hausbaues. Daudanken im. Neben - amre nennt Brandts mit Recht die Alters- und Jnvakiditäts- anstalten; sie können ihrer Hauptaufgabe wegen, ferner wegen ihrer Beschränkung auf Versichert«, endlich wegen ihres nicht aus reichenden Vermögens Baribanken im Hauptamte nicht weiden. Line Wette. Skizze von E. Fahrow (Neuruppin). ?i»a>enick Eie hatte« sich immer auSaezeichnet verstanden, Franz Berk, gewöhnlich nur der botanische Franz genannt, und Liesel Brand, die wohlbekannte Hundemalerin. Der Grund ihrer guten Kameradschaft war hauptsächlich di« begründet« Ueberzeugung, daß sie mchtS, aber auch rein gar nicht» von einander wollt«. DaS war so beruhigend, so be haglich! Zuletzt hatten sie sich gegenseitig eingefianden, daß gerade diese ungewöhnliche Anspruchslosigkeit ihre Freundschaft zu einer ausnahmsweise hohen und seltenen machte. Diese» Gespräch fand, wie immer, in Lieft!'» Atelier statt. Der Profeffor der Botanik Franz Berk saß auf einem gelb seidenen, unbequemen Sopha und verharrte fest zehn Minuten regungSlo» in der Stellung eine» hüftlahmen Invaliden, weil er die Vorderpfoten «ine» Teckels festhalten mußte, der von Lie» Brand gemalt wurde. „klebrigen»", sagte die Malerin, indem sie versuchte, die Frechheit de» Dackel» in seiner Physiognomie frstzuhalten, „übrioen» bin ich gar nicht so sicher, daß unsere Freundschaft eine so ruhige bleiben würde, wenn man Sie auf die Probe stellte." „Auf wa» für ein« Probe?" „Nun, z. v., daß Sie mir zu meiner Verlobung gratuliren sollten." Der Profeffor sprang auf, und der Teckel fuhr ihm kläffend an die Beine. „Grundgütiaer Gott!" sagte LieL mit hochgedrehten Augen, „ist «» wohl möglich, daß «in Mann und ein Teckel zehn Mi nuten auf demselben Platz sitzen bleibens Lieber Profeffor, nehm« Sie Platz, bitte! Kusch Dich, Manne, marsch — hopp — auf» Sopha!" Man gehorchte ihr indessen nicht. „Liesel!^ sagte Franz, „wie können Sie mir so «inen nieder - trachtiaen Schreck einjaaen? Sie hab« sich verlobt?" „Wer sagt da»? Nein, ich hab« mich noch nicht verlobt. Ich setzt« nur den Fall — seh« Eie, da» brave Vieh liegt schon wieder in seiner Ecke — Himmel, diese wundervolle Miene! Wie wütbend er au»sieht — daS muß ich fir malen — Sie sehen übrigen» genau so wüthend au» — Herrschaft, nun setzen Sie sich doch endlich mal wieder hin!" „Lieft!", sagte der Professor von dem Gelbseidenen her, „was machen Sie heute für Witze? „Noch nicht verlobt", sagen Sie? Ist denn überhaupt so etwas denkbar?" „Nanu?" sagte Lies entrüstet, indem sie ihr dickes Näschen mit Würde erhob. „Glauben Sie etwa, mich will Keiner mehr, veil ich jetzt dreißig bin?" „Ach!" sagte der Professor kleinlaut, „so meine ich das nicht. Natürlich wollen die Kerls Sie alle, die Sie kennen — ich meine die Jüngeren. Sie sind hübsch, Sie haben einen Namen und etwas Geld — aber Sie waren doch bisher immer so ver nünftig!" „Bin ich ja auch noch. Nur wissen Sie — man soll nichts verschwören." „Oh — oh — und wissen Sie noch, was Sie mir vor fünf Jahren sagten, als wir uns kennen lernten? Es war an meinem vierrigsten Geburtstag, und wir standen an der Capelle auf der Naifhöhe bei Meran." „Hm! Gratulirt kann ich Ihnen doch nicht haben, da wir un» eben erst kennen lernten. WaS sagte ich denn Schlaues?" „Sie sprachen von der Mystik im katholischen Glauben, von der Bauart der Capelle und von der schönen Entwickelung de» heutigen weiblichen Geschlechts." „Da muß ich ja furchtbar geschwätzig gewesen sein!" „Sie schwatzten aber lauter Vernünftiges; zuletzt sagten Sie, wie froh Sie wären, ein unabhängiges, deutsches Mädchen zu sein, und daß Sie nie, aber auch niemals diese Unabhängig keit aufgeben würden." „Gott, ja, man redet so Viele»! — Ueberhaupt diese Capelle! Sie hatte so was Merkwürdiges, Aufregende» für mich, wie alle gothischen vautrn —" „Gothisch? Aber liebe- Liesel, sie war ja romanisch." „WaS? Haha, haben Sie den spitzen Thurm vergessen?" „Spitz? Der Thurm war kantig — ich glaube sogar mit Zinnen versehen." Lie» legte den Pinsel weg und sah den Professor mit leidig an. „Haben Sie schon mal einen kleinen Eaprllenthurm mit Zinn« gesehen? So was giebtt nicht, mein Herr." „Ich weiß aber ganz genau, daß er nicht spitz war." „Wetten, daß?" „Um wa» voll« wir wett«? Mir ist Alles recht. Und ich reift sa sowieso übrrmorg« ab, da kann ich auch den klein« Umweg über Meran machen — kommen Sie mit?" „Männe", sagte Lie» zu dem knurrenden Teckel, „sieh Dir mal den botanischen Franz an, Männe! Fragt mich, ob ich mit ihm 'ne Reift machen will! Nein, Herr Professor, so west bin ich noch nicht vorgeschritten in mnner Entwickelung. — Aber nächste Woche reise ich, wie Sie wissen. Zwar nicht nach Italien, wie Sie, aber doch nach Laders bei Meran. Da hab' ich dann die Capelle ganz in der Nähe nnd kann meine Wette ge winnen." Sie sah sehr niedlich aus, als sie jetzt aufstand, die Arme in die Seite stemmte nnd dem Freunde einen herrenmäßigen Diener machte. „Also, um was habe» wir gewettet?" fragte der Profeffor lachend, indem er seinen leicht ergrauenden Bart streichelte. „Ich weiß nicht — das ist ja egal, die Hauptsache ist mir doch, daß ich Recht habe. Sie können mir nachher schenken, was Sie wollen." Als der Professor gegangen war, »ahm Liesel ihren Teckel in die Arme, drückte ihn an ihre Brust und rief: „Oh, Männe, treuester, verschwiegenster und verständniß- vollster Freund meiner Seele! Giebt es einen eigensinnigeren, gutmüthigeren und unpraktischeren Mann, als den botanischen Franz? Nein, Männe, den giebt es nicht! Und darum ist es Zeit, daß es anders wird — besonders mit mir." Trotz der rathselhaften Wendung dieser Ansprache jagte der Teckel, kläffend vor Freude, im Atelier umher, als ihn seine Herrin niedergesctzt hatte. Darin sah die letztere ein Zeichen seines tiefen Verständnisses für ihre Worte und lachte vergnügt; ja, sie lachte sogar noch, als das vandalische Thier, dem nichts heilig war, zehn Minuten später beim Verzehren ihrer Hausschuhe betroffen ward. Acht Tage später stand das Freunvespaar auf der Naif höhe im wunderschönen Südtirol und schaute hinüber nach den Burgen und Villen, die sich überall erhoben. Der Professor war heute Morgen angekommen, er hatte seine Abreise absichtlich so lange verschoben, um Liesel Brand dann in Schloß Laders, der unvergleichlichen Pension, besuchen zu können. „Wissen Sie, liebe Freundin", sagte er, „ich bin ganz un brauchbar gewesen, seit meinem letzten Besuch bei Ihnen." „Wieso?" „Ihre angedrohte Verlobung geht mir nicht aus dem Sinn. Sie dürfen mir das nicht anthun, Liesel, ich kann Sie nicht entbehren!" „Aber das brauchen Sie doch auch nicht? Wir können doch immer Freunde bleiben!" „Was? Und ich soll es ruhig mit ansehen, daß Sie einem anderen Manne ongehören? Daß Ihre schöne, edle Selbst, ständiakeit, Ihre Freiheit, einem Tyrannen geopfert wird?" „Ach, ach, ach! Ich denke, der Mann ist kein Tyrann?" „Der andere Mann ist es immer. Ich selbst wäre S natürlich nicht — aber sehen Sie, da schimmert ja schon die Capelle herüber." Sie gingen schneller und standen gleich darauf vor dem einfachen, kleinen Bau. Aber erstaunt blickten sie sich gegenseitig an. Die Capelle hatte gar keinen Thurm. Rechts am Giebel er hob sich eme runde, kleine Kuppel, unter der das Glöckchen hing, das war Alles. Beide brachen in ein Helles Gelächter aus. „Verloren!" rief der Professor. „Sie haben Ihre Weite verloren, Liesel! Was bekomme ich nun?" „Und Sie haben sie nicht minder verloren! Was bekomme ich also?" „Natürlich!" sagte der Professor galant, „den Damen ge» bührt ja der Vortritt. Die Evolution des weiblichen Geschlechts ist noch nicht so weit vorgeschritten — zum Glück —, wie ich fürchtete. — Ich werde Ihnen etwas schenken, was ich Ihnen schon lange zugedacht hatte, nur getraute ich mich nicht, es Ihnen zu geben." „Ei, Sie Held!" spottete Lies mit klopfendem Herzen. „WaS ist's denn?" „Erst beantworten Sie mir eine Frage — würden Sie sich wirklich zur Ehe entschließen können?" „Ich bin sogar fest dazu entschlossen." „Aber — aber wissen Sie denn schon mit wem?" „Noch nicht ganz genau." . .. , „Na, dann", sagte der Profeffor eilfertig, „dann nehmen Sie wenigstens mich! Ich bin zwar kein Knabe mehr, aber da für habe ich Sie auch ganz polizeiwidrig lieb!" . . . Als Lies aus dem weiten ManteUragen des plötzlich so kühn gewordenen wieder auftauckte, sagte sic athemlos: „Na, endlich!" „Herrgott", sagte Franz Berk verdutzt, „wieso denn?" „Weil ich seit zwei Jahren auf diesen Moment gewartet habe!" „Was? Und davon hast Du mich nie was merken lassen? „Ihr Götter! Kann ich dafür, wenn Du mein zarte» Ent gegenkommen nicht verstandest?" „Aber, ich denke, ich habe Dich gerade immer so qnk ver- standen!" „Ja, das dachtest Du! Du kennst mich noch lange nicht in meiner ganzen Schlechtigkeit! Weißt Du denn, daß ich — daß ich die ganze Wette blos inscenirt habe, um Dich hierher zu locken?" „Aber Liesel! Der Thurm ist doch wirklich nicht da!" „ Na ja — aber — das hab' ich ja grwuß t! "
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