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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.11.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190111240
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19011124
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19011124
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
- Tag1901-11-24
- Monat1901-11
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.11.1901
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Bezug-»Preis 1» der Hauptexpeditiou oder den im Stadt- bezirk und den Vororte» errichteten Aus- gabestellen abgeholt: vierteljährlich.ch 4 50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in- Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. L-esierreich: dierteljährl. .M 6. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postaufschlag bet den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzbaud durch di« Expedition diese» Blatte» möglich. Di« MvrgeiEu»gabe erscheint um '/,? Uhr, die ALend-AuSgabe Wochentags um S Uhr. Ledluiio« rmL ErpeLitiorr: JohanniSgaffe 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm'» Sortim. LuwersitLtSstraße 3 (Pauliaum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und KöuigSplatz 7. Nr. 5SS. MWger.TagMaü Anzeiger. Ämtsvlatt des Äöniglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes und Volizei-Ämtes -er Lta-L Leipzig. Sonntag den 2^. November 1901. Anzeige«'Pret- die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedoetionSftrich (4 gespalten) 7V H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühr«» für Nachweisungen und Offrrtenannahme SS H (exel. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbesSrderung ^l SO.—, mit Postbeförderuug ch sO.—. 21«»ahmfchluß für Aiyeigr«: Ab«ad-Au»gabr: Vormittag» lv Uhr. Morgeu-Au»gabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzeigen find stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend« 7 Uhr. Druck »nd Verlag von E. Pol» in Leizyi-. -5. Jahrgang. Aus der Woche. Auf dem Parteitag der westfälischen Nationalliberalen bat ein Mitglied den interessenpolitiscken Standpunkt in einer Weise vertreten, wie e» in unserer Partei nicht üblich ist. Er blieb bierin allein und der letzte oder vorletzte Redner betonte, nicht obne einer auf den Ausgleich enlgegenstebcnder Ansprüche bedachten Jnteressenpolitik das Wort zu reden, nachdrücklich die idealen Aufgaben deS deuticken Volkes und der Partei, die über „Notb und Brod" nickt vergessen werden dürften. Man darf wobl sagen, die verflossene Woche habe den Beweis geliefert bat, daß Deutschland von den Engländern noch nicht gelernt bat, in rein materiellen Fragen vollständig aufzugehen. Der Ruf Tbeodor Mommsen'« bat weit über die akademischen Kreise binau« die Bevölkerung bewegt. Im Wesentlichen wird dennoch diese Angelegen heit dem Kreise der Hochschullehrer überlassen bleiben müssen. Aber die Allgemeinheit bat ein Recht darauf, auch in der TageSprefse die Feststellung zu vernehmen, daß de« Berliner Forscher« Anspruch an Wissenschaftlichkeit und Ueber- lieferunz der Wissenschaft von den Gegnern entstellt worden ist. Mau deutet katholischen und evangelischen Gläubigen an — manchesmal sagt man e« geradezu —, daß Mommsen nur Atheisten für geeignet ansebe, deutsche Lehrstühle zu besetzen. In Wahrheit bat der Gelehrte nur die, nicht nur wissenschaftliche, sondern, wenn ein Gegensatz überhaupt construirt werden könnte, auch ethische Forderung gestellt, daß kein Lehrer seinen Schülern sagt, wa« er nickt selbst glaubt: Gebt au«, wovon ibr eurer konfessionellen Ucberlieserung nach auSgeben müßt, aber wenn ibr an einen Punct gelangt, wo das Uebeikommene mit dem von euch Erforschten nickt mehr zu vereinbaren ist, dann sagt ent weder der Kirche oder dem Ansprüche Valet, den Schülern von euch selbst verworfene Lebren als Wabrbeit vorzutragen. Mehr ist nickt verlangt worden. Professor Frbr. v. Hertling proiestirt dagegen, daß Lehrer auf Grund der Bestimmung, daß gewisse Professuren an gewissen Universitäten mit Katholiken besetzt werden müssen, ver pflichtet seien, ibrer Arbeit dort eine Grenze zu ziehen, wo da« Ergebniß einem kirchlichen Dogma unbequemwcrden könnte. Aber nicht auf Grund dieser Bestimmung, sondern auf Grund einer kirchlichen Forderungen muß nickt der Katbolik, aber der philosophische und historische Forscher, der mit der herrschenden Kirche im Frieden bleiben will, die Ueber- schreitnng jener Grenze vermeiden. Da« ist der wirklich wissenschaftlich Strebenden, aber innerlich nicht gegen den Bannstrahl de« Ultramontanismu« Gefeiten „ewig Web und Ach*. Und an dem einen Punkte, aus dem da« Uebel zu curiren, machen sie Halt, und wenn sie nicht Halt machen, so sind sie anderen Tage« entweder nicht mehr Katholiken" oder — sie kehren wieder um. Was Freiherr v. Hertling sagt, wird mit einem Namen umgeworsen: Schell! Und er ist der Letzte nicht, so wenig wie er der Erste war. Wie ist es denn beim Unfehlbar keilSvozma gewesen? Die besten Geister haben eS bekämpft und als es proclamirt war, da acceptirten die Einen, die Rauscher, die Hefele, die Siroß- mayer, wa« sie noch gestern Sünde wider den heiligen Geist genannt, und die Anderen schieden aus der Kirche au« oder wurden excvmmunicirt. Tas war der Verlauf gegenüber einem neuen,bekämpstenDogma; wie erst muß dieKirckenpolizei wirken, wenn e« sich um überkommene, vor ihrer verbindlichen Festlegung von Zeitgenoffen nickt bekämpfte Lehrsätze bandelt! Die von Mommsen nicht entfachte, aber aufgenommene Febte wird mit blanker Waffe geführt — nur die „Germania* benimmt fick ordinär, indem sie von einer „Mommsen- Komödie* spricht —, und damit das so bleibe, ist es am besten, wenn die TageSprefse ibn als „localisirten* behandelt. Die Berliner Professoren, die von der NeutralitäiSpflicht oder dem Neutraliiäisreckte der Laien aus geschlossen sind, haben den Begriff der Localisirung vielleicht zu weit aufgefaßt. ES ist zwar richtig, daß in Bavern der ConfessionaliSmuS bei der Besetzung von Lehrstühlen am bedrohlichsten ist, aber die dermalige matoria xoocaiw, die Straßburger GeschichtSprofeffur, ist in Berlin erzeugt worben. E« ist zudem recht fraglich, ob die Sorglosigkeit, wie sie zwar nicht ofsiciell, aber akademisch-officiös in der Reichshauptstakt an den Tag gelegt worden ist, auch nur für die Berliner Hochschule beibebalten wird. Dort besitzt vielleicht schon der Propst an der HebwigSkirche, jedenfalls aber der Cardinal-Erzbischof von Breslau, dessen Delegat er ist, größeren Einfluß als alle evangelischen Pastoren der Mark Branden burg zusammen genommen. C« wäre — persönlich genommen — eine Beleidigung, dem Auftreten de« Freiherr» v. Hertling gegenüber die Wreschener Vorfälle, über die wir an anderer Stelle eingehender berichten, in» Feld zu führen. Aber eine Verwandtschaft mit dem Grundproblcm, um da» es sich bandelt, bestebt. Die Unwabrhaftigkeit des UltramontaniSwuS ist iu diesem Proceß mit erschreckender Deutlichkeit zu Tage getreten. Er springt mit dem „Nationalitätenprincip* mit ruchlosestem Opportunismus um. AlS Deatschland und Italien um die Einheit rangen, ver warf er eS al» — das Wort wurde unzählige Male ge druckt und gesprochen — „gottlos*. In Posen, da« lehrt der Proceß wiederum, wird dasselbe Princip mit rohester Ur sprünglichkeit angewendet. WaS sich offenbarte, ist die nakte Negation der Katbolicitäi der Kirche. Daß Gott nur polnisch spreche, daß CbnstuS polnisch gesprochen und der „heilige Vater* auch nur polnisch rede, das haben diese Frauen, die alle ohne Ausnahme deutsch sprechende Priester kennen und zumeist noch einen Gnesener Erzbischof deutscher Natio nalität gekannt baben, nickt aus den Fingern gesogen. Es ist auch keine ungebildete Frau, sondern ein polnischer Kleriker gewesen, der da» da» Cbristentbum schändende Wort sprach, deutsche» Gebet sei Sünde. Ein Wort, um so uackristlicker, al- e» weniger bestimmt war, polnische Kinder beim polnischen Gebete zu halten, al« dieSprößlingr deutscher Eltern vor dem Gebrauche der Muttersprache beim Gebete abzusckrrcken. Conservative und auch einig« liberale Organe — von den klerikalen nickt ru reden — baben den Schwerpunkt zu verschieben versucht, zudem sie da» Hauptgewicht auf die Schulstrafen legten, die an Kindern, die in dem ihnen geläufigen Deutsch den Lehrern zu ant worten sich weigerten, vollzogen wurden. Die Absicht war aber nickt, ihnen Deutsch „einzubläuen*, was nicht nöthig war, sondern vielmehr, einer Renitenz mit dem einzigen Mittel zu begegnen, das der Volksschule gegenüber einem Schülerstreik zur Verfügung steht. Gegen die Hetzer freilich hatte man Mittel finden sollen und können, ehe es zu diesem Aeußersten kam. Für die Zukunft schlägt ein Blatt statt der körperlichen Züchtigung Aus schluß aus der Schule vor. Das Auswachsen in vollständiger Unwissenheit, so lautet die Begründung, würden die Ellern nickt wollen, und für Privatunterricht würden der polnischen Propaganda bald die Mittel auSgehen. Letzteres glauben wir nicht. Bon deutschen Ultramontanen und deutschen Socialisten einmal abgesehen: den französischen Ultramontanen und Radikalen wird kein Opfer zu groß sein, wenn sie hoffen dürfen, dem deutschen Reiche ein Irland einzuimpfen. Und der aus Deuischland bekannt lich besonders reich fließende PeterSpfennig wird auch seinen Weg zurückfinden, wenn cS gilt, den Rom verhaßtesten Staat zu schädigen. Im Allgemeinen ist in der deutschen Oeffentlichkeit die Bedeutung der Gerichtsverhandlung über die Wreschener Vorgänge richtig erfaßt worden. Die ungeheure Verrohung der Seelen, die die geistlich-polnische Agitation gezeitigt hat, wird erkannt und demgemäß begriffen — hoffentlich auck im Süden und Westen begriffen —, daß Preußen in den Ost marken nickt nur eine nationale, sondern eine Cultur-, eine auch vom Standpunkte der gejammten Menschheit ideale Auf gabe zu erfüllen hat. Daß auch die — in willkommenem Umfange fortgesetzten — Kundgebungen gegen die Cbamberlain'schen Be schimpfungen einer idealen und nickt einer pöbelhaften Regung entspringen, darüber hat nun die — „N. AUg. Ztg.* die — „Nauonalztg." belehrt. Und das ist der Humor von der sonst nicht humoristischen Geschichte. Oer Wreschener Lchulcrawall vor Gericht. Der AuSgang des Wreschener Crawallprocesses vor der Gnesener Strafkammer ist bekannt gegeben und hat bei manchen Leuten Weyen der Höhe der Strafen Erstaunen her vorgerufen, denn es ist Gott sei Dank -in Deutschland noch etwas Auffälliges, Angeklagte wegen solcher Delikte zu zweieinhalb- und zweijährigem Gefängniß, einen sogar zu einem Jahr Zuchthaus verurtheilen zu sehen. Immerhin meinen wir, daß das Erstaunen nicht ganz am Platze sei. Wer die polnische Bewegung verfolgt hat, muß erkannt haben, daß gerade in letzter Zeit die jahrzehntelange Agitation im Großen und im Kleinen Giftfrüchte schlimmster Art getragen hat und daß die ganze Bewegung einen immer gehässigeren und aufsässigeren Cha rakter angenommen hat. Durch diesen Proceß wird hoffentlich manchem lauen Auchdeutschen die Erkenntniß kommen, daß wir im Osten Deutschlands einen Brandherd besitzen, dessen stete Beobachtung und Eindämmung nicht allein Sache der Regie rung, sondern auch jedes einsichtigen Staatsbürgers ist. Die Genesis des Wreschener Falles ist kurz folgende: Die Regierung hatte in der begründeten Ueberzeugung, daß die Schulkinder in Wreschen genügend Deutsch verstehen, die Ein führung der deutschen Sprache, die bei den anderen Lehrgegen ständen angewendet wird, auch für die Religion angeordnet. Dabei war mit aller Rücksicht vorgegangen, wochenlang waren die Kinder in den betreffenden Stunden nicht befragt, son dern ihnen nur Vorträge gehalten worden. Schließlich aber verweigerten sie jede Antwort in deutscher Sprache, und zwar nicht etwa, weil sie nicht Deutsch verständen, sondern direct mit der Begründung, daß sie nicht deutsch sprechen wollten. Nach sitzen und Schläge, mit denen versucht werden mußte, die Dis- ciplin durchzuführen, halfen nichts; «in Mädchen faßte z. B. den deutschen Katechismus als etwas Unreines nur mit der Schürze an. Die Züchtigungen gaben den Anlaß zu dem Straßenauf lauf, bei dem Männer und Weiber gewaltsam in das Schul- hauS «indrangen, den Schulinspector und die Lehrer bedrohten und sich auch an den herbeigeeilten Polizeimannschaften ver griffen. Das Zeugenverhör hat aufs Klarste ergeben, wie die ganze Sache aus nationalen, nicht religiösen Motiven herausgewachsen ist; freilich zeigte sich von Neuem, wie für die Polen und von den Polen Nationalismus und KatholiciSmus identificirt wird. Die überzeugten Aussagen verschiedener El tern betheiligter Kinder, daß Christus und der Papst polnisch sprächen, sind «in Gegenstück zu der Muttergottes als Königin von Polen. Man darf sich über solche Früchte in der wenig gebildeten polnischen Bevölkerung nicht wundern, wenn katholisch-polnisch« Priester, wie das vorqekommen ist, das deutsch« Gebet al» eine Sünde erklären. Man kann mit den fanatisirtcn Kindern Mitleid haben; Diejenigen, welche sie so wahnsinnig verhetzten, tragen ungeheuer viel mehr Schuld; von diesen muß nun ein Theil, welche daS Urthril trifft, hart büßen. Leider kommen die Uebrigen, besonders die geistlichen Verhetz«, ungestraft davon, wenn sie nicht wenigsten« ihr Ge wissen brennt. In dieser Beziehung ist folgend« Stelle auS der Begründung deS UrtheilS charakteristisch und verdient, allgemein bekannt zu werden: „Es muß zum Ausdruck gebracht werden, daß ein großer Theil der Schuld dem Vikar LaSkowSki zur Last gelegt werden muß. Er hatte mit den Schulkindern gesprochen, er hatte ihnen schließlich den Rath gegeben, den Lehrer Kovalewsk zu bitten, von der Ertheilung de« Religionsunterrichte» in deutscher Sprache Abstand nehmen zu wollen. Er wurde dann weiter um Rath angegangen von den Kindern, und er hat selbst angegeben, daß er zunächst mit sich zu Rath« gegangen sei und sich die Antwort unter Berücksichtigung seiner Stellung und Ueber- zeuguirg lange überlegt habe- Er ist dann zu dem Entschlüsse gekommen, den Kindern keinen Rath zu geben, sondern ihnen zu «rtlären, daß er ihnen nicht rathen könne, da sie ihn falsch verstehen und fälschlich beschuldigen könnten. ES mag dahin gestellt Vleib«n, ob der Rath genau so gelautet hat, so hat er j-doch unter seinem Eide auSgesagt, und an feiner eidlichen Aussage darf nicht gezweifelt werden. Daß er aber wegen seiner Haltung, die er in sich beschlossen haben will, -wie er sich vorsichtig ausgedrückt hat, von den Kindern mißverstanden worden ist, kann kaum einem Zweifel unter liegen. Dir Kinder kamen zu ihm und suchten in dem schweren Conflict, in dem sie sich befanden, di« Hilfe des Seelsorgers. Sie fragten sich: Sollen wir den Eltern folgen, die von dem deutschen Religionsunterrichte nicht» wissen wollen, und damit unseren Lehren ungehorsam werden, oder sollen wir den Lehrern folgen, -die von uns Gehorsam.verlangen? Der Herr Vikar ist nun nicht eingedenk gewesen deS Wortes der heiligen Schrift: „Seit unterthan der Obrigkeit, di« Gewalt über Euch hat!", sondern er hat zu den Kindern gesagt: „Ich gebe Euch in dieser Sache keinen Rath!" Damit hat er den Widerstand, den dieKinder ihren Lehrern leisteten oder leisten sollten, gewisser maßen s a nc t i o n i rt, er hat die Kinder in ihrer Auflehnung gegen die Gesetze und die eingesetzte SchuNchörde befestigt. Und er stärkt« mit dieser Auflehnung der Kinder, die er gu tg-eheißen hatte, zugleich auch den Widerstand der Eltern gegen die Einführung und die weitere Ertheilung des deutschen Religionsunterrichts." „Gebt mir mein Kind heraus! Ich will mein Kind lieber todt sehen, als daß es Euch deutsche Antworten giebt"; „die Deutschkatboliken sind die gefährlichsten Hunde, denen müssen wir zuerst zu Leibe gehen und die Bäuche aufschlitzen". So haben sich in Wreschen an dem Krawall B.-theikigte geäußert. Das sind die Früchte, welche zumeist die polnisch-katholische Geistlichkeit groß gezogen hat. Sonderbar berührt auch die Thatsache, daß vor der Verhandlung polnische Zeugen in das Wreschener Pfarrhaus berufen wurden und dort vom 'P r o b st R a l e w s k i Geld erhielten. Und alles das geschieht unter den Augen deS Erzbischofs von Gnefen-Pofen, des Herrn v. Stabl-ewsti, -der ganz gewiß diese Vorgänge mit der größten Aufmerksamkeit verfolgt, und z. B- -einen Pfarrer, der im deutsch-nationalen Sinne in eine Wahlbewegung eingriff, auf der Stelle zurecht wies. Es ist bereits von einem Briefe berichtet worden, den der Erzbischof an das Landgericht in -Gnesen gerichtet hat; die bedeutsamste Stelle dieses äußerst geschickten und doch so deut lichen Briefes verdient wörtlich -wiedergegeben zu werden; sie lautet: Ein jeder Katholik, selbst mit elementaren Religionstennt- niss«, muß wissen, daß ein „Imprimatur" der geistlichen Be hörde auf einem Buche nichts Anderes bedeutet, als daß in demselben nichts gegen den Glauben, noch gegen die Sitten AnstößlicheS sich befindet. Das „Jmpriinatur" auf dem für die Kinder mit polnischer Muttersprache bestimmten polnischen Kate chismus, ebenso dass-elbe auf dem für die Kinder mit deutscher Muttersprache bestimmten deutschen Kate chismus kann deshalb zu keinen Schlüssen führen, daß darin «ine Genehmigung oder Gutheißung läge, beide Katechismen entgegen ihrer kirchlichen Bestimmung und dem kirchlichen Verlangen (!) zu benutzen. Hiernach kann es auch den gutgläubigsten Leuten nicht mehr zweifelhaft sein, auf welcher Seite die Sympathien des Erz bischofs in dem Nationalitätenkampfe der Ostmark sind. Das sogt zwar dem ernsthaften Politiker nichts Neues, aber es ist doch ein wichtiges Document. Der Gerichtshof hat auch als erwiesen angesehen, daß die polnische Volksversammlung, die am 16. Mai in Wreschen stattfand, die Erregung steigerte. Die drei Mit glieder der polnischen Fraction, die in jener Ver sammlung sprachen, haben zwar nur zulegalem Widerstande aufgefordert. Aber die Herren hätten wissen müssen und können, daß sie ein sehr gefährliches Spiel wagten. Ferner sagte ein polnischer Arzt, der sonderbarer Weise im Proceß als Sach verständiger fungirte und ein Uebcrmaß von Züchtigung bc hauptete, auf Befragen auS, daß er der polnischen Partei nicht angehöre; sofort aber wurde festgestellt, daß er Ehrenmitglied des fanatisch polnischen „Sokol" ist, dessen Vorsitzender er bis vor drei Jahren war. Die Nutzanwendung aus dem Proteste ist nicht schwer zu ziehen, wenigstens sollte man das meinen, und wir wollen nur wünschen, daß sie an den maßgebenden Stellen so gezogen wird, wie das im „Posen. Tgbl." folgendermaßen geschieht: „Wenn in einem Theile der deuischen Presse das Strafmaß als zu hoch angesehen wird, so mag dies hauptsächlich auf eine völlige Verkennung der Lage im Osten zurück zuführen sein. Nach all' dem, was wir hier in den letzten Jahren erleben mußten, kann man nur Gcnuythuung darüber empfinden, daß man diesmal dem Ernste der Dinge entsprechend sich auch zu ernsteren Strafm entschlossen hat. Die einzelnen mißleiteten Opfer gewissenloser Hetzer be sitzen auch unser menschliches Mitgefühl. Gefühle und Leiden schaften können und dürfen aber keinen Einfluß auf die Rechtsprechung haben! Bedauerlich ist eS nur, daß die wirk lichen Schuldigen, die gewissenlosen Verführer des Volkes, die sich immer klug im Hintergründe hakten, von der Schwere deS Gesetzes nicht getroffen werden können — aber moralisch sind und bleiben jene in den Augen aller rechtlich Empfindenden mitverurtheilt! Der Staat wird sich in Wahrung seiner unbezweifelbaren Rechte zunächst darüber zu entscheiden haben, wie er seine Autorität in der Wreschener Schukfragrzu vertreten gedenkt. Er wird sich dann weiter klar werden müssen darüber, waS angesichts der jüngsten Er fahrungen auf dem Gebiete der polnischen Agitation nothwendig ist zum Schutze des Deutschthums und des Staatsgedankens überhaupt. Wir haben daS volle Ver trauen zur Regierung, daß sie mit Ruhe und Ern st, aber auch mit deutscher Festigkeit und Gründlichkeit alle Bestrebungen zurückweisen wird, die dem deutschen Volk und Vaterland ebenso feindlich gegenüberstehen, wie sie dem Staat« gefährlich sind!^ Der Krieg in Südafrika. Lte Raffern tn Rttchcner'S Armer. 6. X. General Viljoen hat vor einiger Zeit in einem Fort in Letlageveld am Krolodilrivier 23 weiße Soldaten über wältigt, unter deren Führung eine größere Zahl bewaffneter Kaffern gegen ihn gekämpft hatte. Nachdem er dem Völkerrecht lichem Brauche gemäß die Kaffern hatte erschießen lassen, fragte er bei Kitchener an, ob er die Weißen, mit denen die Kaffern Schulter an Schulter gefochten, für Marodeure kalt«, oder als seine Soldaten reclamire. Im letzteren Fall« wurde er sie als Kriegsgefangene behandeln. Die schriftliche Antwort Kitchener's lautet, er erkenne- sie als Soldaten der regulären englischen Armee an. Damit ist die Bestätigung der immer wieder ge leugneten Thatsache gegeben, daß die englische Heeresleitung Kaffern nicht nur bewaffnet, sondern sogar ihren regulären Truppen einreiht. Das Schreiben Kitchener'« befindet sich als Beweisstück in den Händen der Borrenregierung. RriegSc-ntrebande im Londoner Hafen. * Die Corespondenz „Nederland" schreibt: Die englischen Behörden haben bekanntlich vor einigen Tagen im Victoria-Dock einen Dampfer mit Beschlag belegt, der KriegScontrebande für Südafrika an Bord haben soll. Wr sind zu der Erklärung ermächtigt, daß -di« Repräsentanten der Boerenrepubliken in Europa d:e Charterung eines Dampfers und die Anbordnahme von Kriegsmitteln weder selbst veranlaßt, noch von irgend welcher Seite die Mittheilung erhalten haben, daß ein Dampfer mit Munition oder Proviant für die Boeren nach Südafrika abgehen soll. Die Beschlagnahme ist eine lächer liche Komödie der englischen Behörden, in ihrem letzten Ziele vielleicht darauf gerichtet, neue Willküracte gegen neutrale Schiffe berechtigt erscheinen zu lassen. Ltetjn'S Anklage. Präsident Steijn fährt in seinem Brief an Kitchener fort: Ich bemerke weiter, daß Eure Excellenz annimmt, daß uzffer Kaikipf hoffnungslos sei. Ich weiß nicht, worauf Eure Ex- cellenz Ihre Anschauungen gründet; lassen wir unS einmal einen Augenblick unsere gegenseitige Lage von heute und vom vorigen Jahre, nach der Uebergabe General PrinSIoo, vergleichen. Dor einem Jahre, nach der Uebergabe von General Prinsloo, war die Capcolonie voll ständig ruhig und frei von unseren Comman- d o s. Der Oranje-Freistaat war fast ganz in Ihren Händen, nicht allein die Hauptstädte, die Eisenbahnen und einige Dörfer, sondern auch das ganze Land, mit Ausnahme der Gegend, wo Commandant Haasbroek mit seinem Commando war. In der Südafrikanischen Republik war es ebenso der Fall, sie war bei nahe ganz in Ihren Händen, mit Ausnahme der Gegend, wo General de la Reh mit seinem Commando, und da, wo General Botha mit dem seinigen war, hinten im Buschfeld. Jetzt da gegen ist die Capcolonie so zu sagen mit un seren Commandos überzogen und wir sind im vorübergehenden Besitz vom größten Theil der Capcolonie und ziehen in demselben ganz nach unserem Be lieben herum, wobei sich uns noch Viele von unseren Landsleuten und anderen anschließen, um sich auf diese Weise gegen das grausame Unrecht, das den Republiken angethan, aufzulehnen. Ich gebe gerne zu, daß Eure Excellenz im Oranje- Freistaat, im Besitze unserer Hauptstadt, unserer Eisenbahnen und einiger kleiner Dörfer ist, die nicht an den Eifenbahnen liegen, aber das ist auch Alles, was Eure Excellenz besitzt. Der ganze übrige Freistaat, mit Ausnahme des oben Ge nannten, ist in unserem Besitz und in den meisten bedeutenden Städten sind Landdrost en an gestellt, und wo wir nicht im Besitz solcher Städte sind, sind unsere Landdrosten in den betreffenden Districten angestellt. Ordnung und Ruhe werdendurch uns und nicht durch Eure Excellenz aufrecht erhalten. Im Transvaal ist es ebenso. Auch da werden Landdrosten durch die Regierung eingestellt und wird für .Handhabung von Recht und Ordnung gesorgt. Mit Erlau bniß zu sagen. Eurer Excellenz Macht er st reckt sich nicht weiter, als Ihre Kanonen reichen. Wenn Eure Excellenz die südafrikanischen Republiken vom militärischen Standpunct aus betrachten, müssen Eure Excellenz anerkennen, daß unsere Sachen im letz ten Jahre trotz der gewaltigen Neber macht, die gegen uns aufgebracht wurde, verblüf sende Fortschritte gemacht hat und daß hier von Hoffnungslosigkeit keine Rede sein kann, und wenn Sie Ihre Proklamation darauf stützen, hat dieselbe heute weniger Existenzberechtigung als voriges Jahr. Es widert mich an, daß ich in solcher, scheinbar großsprechc rischen Weise schreiben muß, aber die Behauptung in Ihrer Pro clama'ion zwingt mich dazu. Um nun auf die 35 000 Männer überzugehen, die Eure Excellenz in Händen zu haben behaup ten, ist es mir unmöglich, über die Zahl derselben etwas zu sagen. Doch will ich betonen, daß mit Ausnahme der Männer, die entweder durch Proklamation Ihres Vorgängers von ihren Pflichten gegen unsere Regierung abgeleitet wurden oder durch Verrath oder aus anderem Grund rum Feind übergegangen sind, die aber Gott sei Dar.: verhältnißmäßig wenig waren, der Rest aus ehrlichen Kriegsgefangenen besteht, die noch gefangen gehalten werden, und außerdem aus alten kranken Män nern und jungen Knaben, die noch nicht dienst pflichtig waren und welche durch Eurer Excellenz Trup pen mit Gewalt von ihren Farmen weggeführt und gegen ihren eigenen Willen in Lagern gefangen gehalten werden. Das zu beweisen, daß die Personen, die unter die letzten zwei Kategorien fallen, freiwillig in diesen Lagern bleiben, wird Niemand im Ernst unternehmen. Ich kann der Wahrheit ge maß erklären, daß mit Ausnahme der Kriegsgefangenen und der Wenigen, die zum Feinde übergegangen sind, die über große Mehrzahlder streitbaren Bürger noch unter den Waffen steht. Wa» die Wenigen anbelanat, die von uns zum Feinde übergegangen sind (waS jetzt kaum mehr vorkommt), kann ick sagen, daß unser« Erfahrung hierin nickt allein steht, denn die Geschichte lehrt, daß es in allen Frei heitskriegen, beispielsweise in Amerika und anderen Ländern, solche Leute giebt. und wir müssen trotzdem danach trachten, auch ohne diese auszukommen. WaS die 74 000 Frauen und Kinder anbelangt, die, wie Eure Excellenz behaupten, in den Lagern unterhalten werden, so scheint Eure Excellenz nicht zu wissen, auf welch grauenhafte Weis« die armen Wehrlosen durch Eure Excellenz Truppen aus ihren Häusern weggerissen wurden, während all ihr Hab und Gut durch die Truppen vernichtet wurde. Ja, die armen unschuldigen Schlachtopfcr des Krieges flüchten sogar bei Wind und Wetter, Tag und Nacht beim Anmarkch einer feindlichen
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