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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.11.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011128027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901112802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901112802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
- Tag1901-11-28
- Monat1901-11
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AmtsvMt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes nnd Nolizei-Ämtes der LLadl Leipzig. Donnerstag den 28. November 1901. Anzeigen-Preis die Ogespaltene Petitzelle 25 H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (»gespalten) 75 H, vor den Familieanach- richten («gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen nnd Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Eitra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./t «0.—, mit Postbesörderung 70.—. Äunahmeschluß für Äuzeigen: Abend-Ausgab«: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Dle Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Man schreibt unö aus London unter dem 27. November: Neber den Guerillakrieg ichreibt der bekannte Politiker und Staatsmann Sir Charles Dilke in der „Fortnightly Review" einige für cie Engländer recht beherzigenSwerthe Wahrheiten, indem er seinen Landsleuten zu Gemiithe führt, daß selbst die Ansicht deö großen Napoleon, wonach ein Gucrillafeldzug für die schwächere Partei niemals erfolgreich sein könne, ganz und gar nickt stichhaltig ist. Napoleon selbst mußte in Spanien die bittere Erfahrung machen, daß trotz seiner persönlichen Führung und derjenigen von sieben seiner besten Mar schälle eine französische Armee von 335 000 Mann die spanischen Guerillas nickt niederzwingen konnte. Aehnlich erging es den Franzosen bekanntlich in dem mexikanischen ötnege, wo die irregulären Eingeborenen im Kleinkriege die feindliche reguläre Armee vollständig zum Zusammenbruche und zur Auflösung brachten. Sir Charles Dllke tadelt es rückhaltlos, daß die englische Feldarmee in Südafrika die Eigenheiten deS Guerillakrieges immer noch nicht erfaßt habe und deshalb noch fortwährend böse Nackenschläge er leiden müsse. Es ist allerdings Thatsache, daß weder die britischen Generäle in Südafrika, noch die Londoner Regie rung sich über den Umfang und die Bedeutung deö Kleinkrieges, welchen die Boeren mit so großem Ge schick führen, auch nur annähernd klar sind oder klar sein wollen, denn trotz aller von Woche zu Woche wiederkchrenden englischen Mißerfolge und Niederlagen fährt mau hier in London und auf dem Kriegsschauplätze ruhig fort, in hoch- müthigster und bornirtester Weise von dem „allmählichen und sicheren Zusammenbruche" des Widerstandes der Boeren zu sprechen und die eigene Tüchtigkeit und Schneidigkeit immer aufs Nene mit rem NuhmcSscheine der glorreichsten Erfolge zu umgeben. Diese kindische und lügenhafte Lieb haberei ändert natürlich nichts an der Thatsacke, daß in Wirklichkeit die kriegerische Tbätigkeit der Boeren nirgendwo im Nachlassen begriffen ist, sondern im Gegentheil fortwährend neue Erfolge gegen die Engländer zu verzeichnen hat. Es kann ebenfalls keinen Einfluß auf die wirkliche Kriegs lage ausüben, wenn das britische Hauptquartier in Pretoria von Woche zu Woche und von Monat zu Monat mit seinen summarischen Angaben über die große An zahl der unschädlich gemachten Boeren fortfährt und derartige osficiclle Statistik» künstlich sabricirt, daß an Hand der letzteren eigentlich heute schon längst kein einziger Boer mehr existiren oder gar im Felde stehen könnte. Eine soeben erschienene ofsicielle Zusammenstellung aller kriegsamtlichen Angaben über die Verluste der Boeren in der Zeit vom l. Juli bis lO. November besagt, daß in diesen fünf Monaten 965 Boeren getödtet, 735 verwundet und 5336 (???) gefangen genommen worden seien, während 1724 (??) sich freiwillig ergeben hätten. Das macht zusammen die stattliche Ziffer von 9310 Mann aus und da nach Kitckencr Anfangs Juli höchstens noch 13 000 Boeren im Felde standen, so wären es heute nur noch etwa 4000 Burghers, die den 225 000 englischen Sol daten in dem endlosen Kleinkriege das Leben sauer macken. Es ist wirklich zu verwundern, daß Lord Kitchener und daS Londoner Kriegsamt sich dieser sie über die Maßen lächerlich machenden Ziffernkunststücke nicht schämen und lieber etwas näher der Wahrheit bleiben. Im Uebrigen liegt noch ein weiteres Resumö vor, welches officiell besagt, daß von Mai bis Anfang November im Ganzen 11 950 Boeren unschädlich gemacht wurden, während die Eng länder nicht weniger als 44 550 Pferde, 4852 Wagen aller Art und die Kleinigkeit von 128 359 Stück Vieh von ihren Feinden erbeuteten. Diese ungeheuren und unglaublichen Ziffern sollen nun jenen leichtgläubigen Tbeit der britischen Nation, der so gerne Alles, was von Kitchener oder vom Londoner Kriegsamt kommt, als baare Münze nimmt, glauben macken, daß eS mit den Boeren bald ganz zu Ende geht, uud daß man sich nur noch kurze Zeit zu gedulden braucht, bis daS „unbedeutende Bischen von Guerillakrieg" endlich vorüber ist. Allerdings steht mit solchem faden Geschwätz die Thatsache im grellsten Contrast, daß selbst der „eiserne nnd unbezwingliche" General Lord Kitchener heute kaum noch weiß, wie er den „Guerilla-Banden" der Boeren wirksam cntgegentreten soll, denn die paar hundert Manu, die augen blicklich gerade noch hier in England zusammengesuckt und dann nach Südafrika gesandt werden können, dürsten schwer lich von irgend welchem Einflüsse auf die allgemeine Kriegs lage sein. * London, 27. November. Vor dem Obcrhofgericht wurde heute über die Klage der Niederländischen Südafrikanischen Eisen- bahngesellschaft gegen Garret Fischer wegen der in seinem „Trans vaal und der Krieg" betitelten Buche enthaltenen Anschuldigungen verhandelt. Der Vertheidiger wies darauf hin, daß, als jene An schuldigungen veröffentlicht wurden, die Kläger sich unter der Herr- schäft uud dem Schutze eines feindlichen Staates, nämlich der Südafrikanischen Republik befanden. — In den Anschuldigungen, welche zu der Klage Anlaß gaben, hieß es, daß die Concessionäre durch Bestechung ihre Concession erlangt hätten, daß die Eisenbabn« gesellschaft Geld nach allen Seiten hin austheilte, um die Mit glieder der Regierung zu beeinflussen u. s. w. Nach dem Zeugen- verhör wurde Fischer freigesprochen mit der Begründung, daß die Kläger dieselbe Stellung wie ein auswärtiger Feind einnahmeu. Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. November. Zur selben Stunde, in der gestern im Reichstage der Kriegsminister von Goßler die Interpellation des Abg. Bassermann wegen des Jnsterburger Duells beant wortete, schrieben die „Hamb. Nachr.": „Wir halten die Interpellation nach jeder Richtung hin für verfehlt, ja schädlich. Es ist absolut kein Grund er sichtlich, der dazu genöthigt hätte, die wochenlang in den Zei tungen nach allen Richtungen hin erörterte Angelegenheit, in der außerdem die Gerichte bereits erkannt hatten, in der sen sationellen Form einer Interpellation im Reichstage noch mals breitzutreten. Tas Vorgehen ist wohl aus das Bestreben der Parteien, einander den Rang in der Stellung populärer Anträge abzulaufen, zurückzuführen; von staatsmännischem Sinn zeigt es jedenfalls nicht. Auch sonst ist einiger- maßen unverständlich, wie den Interpellanten gerade der Jnsterburger Fall geeignet erscheinen konnte, ihre Anfrage zu stellen. Die betr. königliche Verordnung vom Jahre 1897 hat lediglich den Zweck, solche Duelle zu vermeiden, die auf „Anlässen gering fügiger Natur" brruhen und „bei denen ein gütlicher Ausgleich ohne Schädigung der Standesehre möglich ist." So heißt es wörtlich in der Verordnung, deren Eigenthümlichkeit überhaupt gerade darin besteht, daß sie ihre Vorschriften nur angewendet wissen will, „soweit die Standesehre und die gute Sitte es zulassen". Die Neuerung, die durch die Cabinetsordre herbei- geführt wurde, bestand lediglich darin, daß, während schon früher von jedem Ehrenhandel dem Ehrenrathe Anzeige gemacht werden mußte, dieser nun grundsätzlich bei dem Aus trag von Ehrenhändeln mitzuwirken hatte, und zwar in bestimmter, in der Ordre näher bezeichneten Weise, auf die wir hier nicht einzugchen brauchen, da die Sachlage im Jnsterburger Falle derart war, daß von irgendwelchem „Aus gleich" (Art. II, 2, 3) nicht die Rede sein konnte, denn das wäre in diesem crassen Falle, wo es sich um grobe Insulten, Ohr feigen und dergleichen handelte, gegen die Standesehre und Standes- sitte gewesen, welche die Verordnung ausdrücklich schützen will. Es giebt gewiß Fälle, in Lenen die Vorschriften der Verordnung Duell verhüten können, aber ein solcher lag in Insterburg leider nicht vor." Nun, Kriegsminister v. Goßler hat die Interpellation nicht für verfehlt und nicht für schädlich erachtet; er hat auch nicht gefunden, daß in dem Jnsterburger Falle ein Aus gleich nicht möglich gewesen wäre. Im Gegentheil: er hat erklärt: da BlaSkowitz bereit gewesen sei, um Verzeihung zu bitten, so hätte ein Ausgleich gesunden werden müssen; diese vor dem Ehrenrathe bekundete Bereitwilligkeit hätte die Grundlage zu einem ehrengerichtlichen Verfahren gegeben, bei dem sich hätte Herausstellen müssen, ob gegen Blaskowitz auf schlichten Abschied oder Entfernung aus dem Officierstande zu erkennen wäre. Ja, noch mehr: Herr v. Goßler eröffnete dem Hause, der Kaiser sei nach ein gehendem Studium des Falles zu der bestimmten Entscheidung gekommen, „daß den Absichten und dem Willen der Verordnung vom Januar 1897 nicht enl- iprochen worden sei; er habe Lieser Willensmeinunz dm „ernstesten Ausdruck" gegeben und den Befehl ertbeilt, der Verordnung volle Geltung zu verschaffen". Auf den Wortlaut des „ernstesten Ausdrucks" der kaiserlichen Willenömeinung ging Herr v. Goßler nicht ein; aber darüber kann kein Zweifel bestehen, daß der Kaiser an der Tbätigkeit des betr. Ebrenrathes, sowie an der Bestätigung deö chren- rätblichen Spruches durch den Reginientscommaudeur eine scharfe Kritik geübt und die ernste Erwartung ausge sprochen hat, es möchten künftig von den Ehrenräthen auch Fälle wie der Jnsterburger nicht als schlechterdings unausgleichbar angesehen, sondern vor die Ehrengerichte gebracht werden, von denen der oberste Kriegsherr verlangt, sie möchten schwere Betrunkenheit als unvereinbar mit den Standespflichten der Ofsiciere ansehen und dadurch Zwei kämpfen zwischen unwürdigen und würdigen Angehörigen dieses Standes Vorbeugen. Ob die „Hamb. Nachr." nun auch die Erklärung des Kriegsministers und seine Mitlhei- lungen über die Entscheidung des Kaisers für verfehlt, ja schädlich erklären werden, bleibe dahingestellt. Es ist auch gleichgiltig, denn die Interpellation Hal erreicht, was sie er reichen wollte. Es hat ja allerdings gestern im Reichstage nicht an Stimmen gefehlt, die mit dem Erreichten nicht zu frieden waren und eine Ergänzung der Cabinetsordre von 1897 forderten. Sie läßt auch in der Thal noch einige Lücken, aber bei der großen Verschiedenheit der möglichen Einzelfälle wird schwerlich eine Fassung gefunden werden können, die jeden Zweifel ausschließt. Wenn, was nicht zu bezweifeln ist, die kaiserliche Willensmeinung in den „ernstesten Aus drücken", in die sie gekleidet worden, in der ganzen Armee dekaunt gemacht wird, so wird dadurch ebensoviel, wenn nicht mehr erreicht werden, als durch neue Verordnungen. Die ArbettSlosigkcit die in Folge des Nachlassen» der iricth- schaftlichen Conjunctur eingetreten ist, aber nach dem unbe fangenen Urtheile des „Arbeitsmarkts" in mehreren wichtigen Branchen erfreulicher Weise nicht besteht, wird nicht nur von dec socialdemokratischen Presse agitatorisch verwerthet, sondern soll auch im Reichstage entsprechend ausgenützt werden. Im Hinblick auf die socialpolitischen Debatten, die in dieser Be ziehung zu erwarten sind, gewinnen Ausführungen ein erhöhtes Interesse, die Pwf. vr. Schm oller über einschlägige socia- listische Grundanschauungen macht. Es geschieht das in einer principiellen Erörterung des Arbcitsverhältnisses undves'Arbeits- vcrtrages, die der demnächst erscheinendeL.Bano oonSchmoller's Grundriß der Volkswirthschaftslehre enthält und aus der die „Sociale Praxis" die in Frage kommenden Ab schnitte bereits jetzt wiedergiebt. Schmoller äußert sich hier über das vom Socialismus behauptete Recht auf Existenz und über die neuere socialistische Forderung des „vollen Ar beitsertrages". „Das Recht auf Existenz", schreibt Schmoller, „ist die ältere bescheidenere socialistische Forderung. So weit sie eine Berechtigung hat, ist sie durch unser Armen wesen und durch eine vernünftige staatliche Wirthschafts- und Lohnpolitik realisirt. Das Recht auf Arbeit, wie es gewisser maßen das preußische Landrecht anerkennt und Bismarck 1884 vertheidigt hat, kann sehr Verschiedenes bedeuten: es hat Sinn und Verstand, wenn man darunter die Pflicht von Staat und Gesellschaft versteht, möglichst heute jedem Arbeitsfähigen durch Arbeitsnachweis, durch Nothstandsarbeiten, durch richtige Ge werbe- und Handelspolitik eine leidlich bezahlte Beschäftigung zu verschaffen. Das Recht auf Arbeit aber in dem Sinne, das; der Staat Jedem in seinem Beruf eine Stelle und auskömm lichen Lohn garantiren müsse, geht viel weiter; es ist unausführ bar ohne Aufhebung aller freien Orts- und Berufswahl, ohne staatliche Ordnung der Bevölkerungsbewegung, ohne staatliche Leitung der ganzen wirthschaftlichen Production. Es enthält einen wirthschaftlichen Widersinn, wenn man damit den Ar beitern einer sinkenden Industrie auf die Dauer Beschäftigung und hergebrachten Lohn in ihr garantiren will. Das Recht auf den vollen Arbeitsertrag — statt des Arbeit» v e r t r a g s — ist eine von Lassalle und feinen Vorgängern aufgestellte Formel, welche von der Fiction ausgeht, alle wirthschaftliche Production ssi von den Lohnarbeitern allein geschaffen, also gehöre von Rechtswegen der volle Ertrag der Arbeit auch ihnen; Unternehmergewinn und Rente sollen damit als unberechtigt bezeichnet werden. Die Vorstellung ist: der socialistische Staat, der vom Gesammtertrag der Arbeit wohl einige Ab züge für seine Beamten und das Nationalcapital machen dürfe, solle den ganzen Rest an die Arbeiter nach ihrer Stundenzahl oder nach ihren Leistungen oder nach ihren Bedürfnissen oer- thetlen. Die Formel ist so unklar, daß Marx sie von Anfang an verurtheilte, daß auch die socialdemokratische Partei sie aus ihrem Programm 1891 strich. Sagt doch selbst Kautsky neuer dings: „Die Vertheilung der Güter dürfte in absehbarer Zeit nur in Formen vor sich gehen, welche eine Fortentwicke lung der heute bestehenden Lohnformen dar stellen."" lieber die englischen Küstenbefestigungen, über die schon kurz berichtet wurde, schreibt man uns aus London vom 27. November: Das englische Kriegsamt hat sich, wie der „Daily Telegraph" sagt, in sehr befriedigender Weise darüber geäußert, wie die Fort» neu bewaffnet worden Feuilleton. Die Marmorliebe. Eine Hofgeschichte von Jean Bernard. Nachnuck »krbotkU. Di« große Eonferenz war zu Ende und Eder beauftragt wor den, daS Weitere zu veranlassen, insonderheit den Künstler nach H . . . eiuzuladen, wo für ihn ein Atelier eingerichtet werden sollte. Man verabschiedete sich, und auch Eder wollte sich zurück ziehen; bei Prinz hielt ihn jedoch noch zurück. „Wissen Sie, Baron, welchen Klatsch man in H . . . wieder über mich vom Stapel gelassen hat? Ich erfuhr durch Vesan davon . . „O, wahrscheinlich das dumme Gerede wegen dieser Verser!" „Ja, ja, also Sie wissen auch davon? Es ist freilich, wie Sie sagen, dummes Gerede, aber ich hätte es lieber von Ihnen ge hört, als von diesem Vesan, der seit seines Onkels Tode gar nicht weiß, wie er den Kopf tragen soll- An der Sach« ist natürlich nichts; ich wechselte mit der lieblichen Theaterdame nur Höflich keitsphrasen. Für einen Mann ist eben jedes schöne und geist volle Mädchen von Interesse; aber Interesse und Liebe sind himmelweit verschiedene Begriffe. Ich würde dies Gerebe gar nicht erwähnen, wenn nicht meine Mutter dieser Tage davon ge sprochen hätte!" „Ah, in der That!" „Jawohl, und zwar in recht besorgtem Tone, gerade, als ob ihr irgend Jemand für gewiß versichert hätte, ich wolle die Verser heirathen. Wenn man nur den Erfinder dieses unsinnigen Ge rüchtes ausfindig machen könnte!" „Wenn man das könnte! Meist ist eS jedoch ganz unmöglich, solches festzustellen." „Wir wollen uns auch weiter keine Mühe geben. Mama sprach indes; noch mehr, wahrscheinlich auf väterliche Inspiration hin . . ." kann es mir Wohl denken." s Gespenst, vor dem ich mich die ganze Zeit gefürchtet, rückt näher, kurz, der Gedanke, mich zu verheirathen. hat bereits Ausdruck bekommen." „Schon fetzt?" „O, mein« Frau Mutter ist sehr klug, st« sprach von meiner melancholischen Stimmung, und daß hierfür eine weitere Reise sehr heilsam sei." „Ganz dasselbe hatten Hoheit auch vor." „O, es kommt noch besser. Meine liebe Frau Mutter hat für Alles schon vorgesorgt, einen ganzen Reffeplan hat sie aus gedacht. Ich soll einige benachbarte Höfe besuchen und dann die große Reise antreten . . . Wohin denken Sie?" „Je nun, vielleicht nach dem Süden?" „Nein, nach Rußland!" „Und hat Ihre Hoheit diesen ungewöhnlichen Vorschlag nicht mit Gründen belegt?" „Darum war sie nicht verlegen. Sie wies auf den mit uns entfernt verwandten russischen Hof hin, der zwar keine directe Einladung gesandt, aber schon früher einmal habe durchblicken lassen, daß ein gegenseitiges Kennenlernen am besten durch einen vorherigen Besuch eines Mitgliedes des H . . . schen Hauses in Petersburg eingeleitet würde." „Also Rußland! Da >haben Hoheit nun Alles, was Sie wünschen. Es ist sogar brillant, daß der Borschlag zu einer russischen Reffe von Ihrer Hoheit auSging." „Das dachte ich mir auch, allein zum Schein sträubte ich mich und wies überhaupt eine weitere Reise von der Hand. Da kam Mama denn mit dem albernen Gerüchte von meiner Neigung zu Fräulein Verser heraus, und es gab ein ganz nettes Wort gefecht, dessen Scssluß meine Erklärung war, ich sei, um dieses ein fältige Gerede tatsächlich zu widerlegen, bereit, zu reisen, auch nach Rußland zu geben, welches ein hochinteressantes Land sei. O, da hätten Sie sehen sollen, wie «in freudiger Glanz über ihr Antlitz dahin strahlt«, wie beseligt sie mich auf die Stirn küßte! Ei ja — gehorsame Söhne hat man immer lieb. — Ich meinte freilich, mit meinen russischen Sprachkenntnifsen sehe es schlecht aus; allein, auch dafür wußte sie Rath. Erstens, sagte sie eifrig, kann man das Nöthi-gste bald leinen, dann hast Du ja den Herrn Hofrath, und endlich im Lande selbst lernt man die Umgangssprache übeelaschend schnell; übrigens thut es im All gemeinen das Französische auch. Kurz, ich gab ihr recht und willigte ein, erbat mir aber noch vier Wochen Zeit zu den Vor bereitungen. Damit war sie einverstanden. Im Hintergründe aller dieser Liebenswürdigkeiten lauert wie unter Rosen die giftige Schlange: Standesgemäße Heirath!" „Die Ebenbürtigkeit, würde Excellenz von Gawindt sagen." „Diese Ebenbürtigkeit, die bei einer fürstlichen Heirath ver langt wird, ist in absehbarer Zeit das Verderben der fürstlichen Stämme Europas, denn alle diese Ebenbürtigen sind ja bereits mehr oder weniger von verwandtem Blute. Din ich ein Fürst, der Anderen den Adel verleihen kann, dann muß ich auch die Macht haben, die von mir erwählte Gemahlin zu mir, das heißt, zu meinem Stande zu erheben und kraft meines Willens eben bürtig zu machen. Die complicirte Lehre von der Ebenbürtigkeit ist eine veraltete Ansicht, mit dec man je eher je besser aufräumen sollte!" „Ich möchte gerne „Bravo" dazu rufen, wäre die Sache nicht gar so ernst. Diese veraltete Ansicht gehört leider zu den Gründ ung Hausgesetzen der fürstlichen Regentenhäuser und kann nicht ohne Gefahr durchbrochen werden." „Ich, Prinz Frazzilo, durchbreche sie auf jede Gefahr hin, lieber Baron-, das wiederhole ich Ihnen! Uebrigens, wie weit sind Sie in JhreNNschcrkessischen Studien?" „Meinen Hoheit die allgemeine Geschichte Tscherkessiens oder die Frage des Ranges, den Prinzessin Verowna Tscherkinsa ein nimmt? In jener spielt das Geschlecht Tscherkinsa zweifellos eine hervorragende Rolle, allein das Kriegsglück hat gegen dasselbe entschieden, es ist aus der Reihe der regierenden Familien er barmungslos ausgetilgt worden. Da das Land unter russische Herrschaft kam, ist auch das Geschlecht Tscherkinsa in dem ein zigen überlebenden Sprössling russisch geworden, das frühere, eigene Recht und Rangverhältniß ist untergegangen und an seine Stell« ist dasjenige getreten-, welches der Sieger dem Geschlechte einräumen "wollte. Man Hai freilich allmählich die blutige Ge walttat der Eroberer wieder gut gemacht und den Tscherkinsas Güter und «inen gewissen Rang staatsrechtlich zurückerstattet, aber gerade in letzterer Beziehung ist man nicht allzu weit ge gangen. Man hock mit Rücksicht auf die verwandten Sarihins und Gallitschins den Tscherkinsas fürstlichen Rang mit dem Titel „Durchlaucht" zuerkannt, allein sie stehen dem Range nach hinter den Großfürsten — und sind daher, was für Hoheit jedenfalls das Wichtigste sein dürfte, leider nicht ebenbürtig im Sinn« unseres Staatsrechts. Ich kann mich freilich auch irren, aber ich habe aus meinen Studien diese Meinung gewonnen!" „Ich danke Ihnen sehr für Ihre Bemühungen. Nach meinem Dafürhalten kan-n einem einmal an der Regierung gewesenen Ge schlecht die Ebenbürtigkeit nicht durch Kriegsunglück genommen werden. Das ist aber erst eine Frage zweiten Ranges. Ich habe darüber nachgedackst, wie es anzustellen wäre, etwas von Vera Tscherkinsa zu hören. Ich habe mir Alles vergegenwärtigt, was uns die liebenswürdige Baronesse Nutkorow von Vera erzählte. Sie erinnern sich doch auch, daß sie mittheilte, sie empfinge bis weilen einig« Zeilen von der tscherkessischen Prinzessin! Wie wäre es, wenn Sie als ein Mann von Wort Ihr der Baronesse und Frau von Weraschek gegebene» versprechen erfüllten und den Damen Nachricht über Ihr jetziges Leben — natürlich in vor sichtiger Weise — gäben? Die Damen würden sich gewiß darüber freuen, und vielleicht -antwortet Ihnen Feodorowna. Wäre dies der Fall, dann könnten Sie so ganz nebenbei einmal fragen, ob die Baronesse neuerdings Nachricht von Vera Tscherkinsa em Pfangen habe. Sie wissen, auf was es mir ankommt; es gilt, zu erfahren, ob Vera noch frei ist." „Sicher könnte man auf diesem Wege etwas erfahren, allein, es ist ein gefährlicher Weg. Ich müßte mich sehr täuschen, wenn die Damen einen -directcn brieflichen Verkehr von solcher In timität sofort genehmigten; eher ist anzunehmen, daß sie diesen Versuch durch Schweigen scheitern machen." „Glauben Sie? Ich meine jedoch, bemerkt zu haben, daß die Baronesse eine gewisse Vorliebe für Sie gefaßt hat . . ." „Hoheit, ich bitte, da» muß auf Täuschung beruhen." „Nein, Sie haben in Ihrem Herzen eine sympathische Saite berührt; die anderen Saiten dieses kleinen Instruments werden mitklingen, und ver liebliche Accord wird „Liebe" heißen." „Wenn so etwas der Fall wäre, was könnte es uns in Bezug auf unseren Zweck nützen? Möglicher Weise würde die Baronesse auf einen Briefwechsel eingehcn- sobald sie gewahrte, was meine wahre Absicht ist. Denn wenn Sie mich, wie Hoheit anzunehmeu scheinen, wirklich liebt, so kann cs ihr doch nicht gleichgiltig sein, wenn ich mich fortwährend, dringend und bis in die Details nach einer anderen Dame erkundige. Sie müßte kein Weib sein, wenn sie nicht eifersüchtig werden würde naiv es lieber vorzöge, Len brieflichen Verkehr ganz abzubrechen, statt dein ungetreuen Lieb Haber möglicher Weise die Brücke zu einer neuen Liebe zu schlagen. Das thun die Frauen so leicht nicht. Gewisse Fragen aber, auf deren Beantwortung es uns doch ankom-mt, sind so delicater Natur, daß sie den, der sie stellt, unfehlbar in den Verdacht der Liebe bringen müssen. Stellt man jedoch solche Fragen verblümt, so bekommt man nie die richtige Antwort, und der Zweck ist ver fehlt." „Das ist fatal, aber richtig. Ich wollte sagen, was läge daran, wenn sie dächte, Sie seien in Vera verliebt, wenn sie nur über den bewußten Punct Auskunft gäbe; allein die Wirkung wäre dieselbe, Feodorowna würde indignirt den Verkehr abbrcchen und schweigen. Es ist zum Verzweifeln! Wie wäre es, wenn Sie sich dem Bankier entdeckten, offen Ihre Liebe zu Dera be- kenn-ten und ihn direkt bäten, Ihnen ehrlich als Mann dem Manne gegenüber zu sagen, ob Dcra noch frei sei." „Für Sie, Hoheit, würde ich ja gern auch das thun; aber würde Herr Weraschek an mein« überschwängliche Liebe gl-auben? Er müßt« an meinem verstand« zweifeln . . /
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