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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 12.10.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190010125
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19001012
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19001012
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-10
- Tag1900-10-12
- Monat1900-10
- Jahr1900
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 12.10.1900
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1S2 Ahne- Scheuerbesen bearbeitete kräftig den Fußboden in Kn geheimnitzvollen Zimmern, welche in meinen kindischen Träumen eine so große Rolle gespielt hatten. Unwill kürlich wandte ich den Kopf, als ob es eine Entweihung sei, hineinzusehe«. „Willkommen, Georg! Sieh dich nur ordentlich in der Bohnung um! Hier ist gemalt und tapezirt; meine krankhafte Grille habe ich überwunden; Freude und Glück sollen wieder in diese Wohnung einziehen!" Er hielt inne, als ob er. zu viel gesagt hätte, und fügte trocken hinzu, „ich meine, hier kann es ein behagliches Absteige quartier für unsere Gäste werden, für den Monat, den sie im Lande bleiben." Je mehr sich di« Zeit ihrer Ankunft näherte, umso mehr Schwierigkeiten fand Onkel Georg heraus. Er sah es, glaube ich^ für seine Pflicht an, mich auf das Schlimmst« vorzubereiten, und hatte tausenderlei Bedenken. Er ging so weit, daß er einmal fragte: „Bist Du auch gewiß, daß Du sie wirklich liebst?" „Aber Onkel!""- „TS sind jetzt sechs Jahre vergangen, sie ist nun drei undzwanzig, ganz sicher hat sie sich verändert, vielleicht sehr verändert; hast Du es recht bedacht und Dich dahin ein versetzt?'" Das hatte ich unleugbar nicht; ich hatte sie mir stets als das sanfte kindliche Mädchen mit dem bewegten Aus druck gedacht. Aber Onkel hatte recht; wahrscheinlich war sie verändert, doch, hoffte ich, nicht viel. Es war am 27. Mai; nie gab es einen klarern Sonnen tag; wir erwarteten sie am Nachmittag mit dem Zuge. ,M freut mich, daß Du so ruhig bist!" sagte Onkel E'rorg. während wir die Treppe zum Bahnsteig hinauf stiegen, und dann sah er mich verstohlen an, als ob er doch nicht recht auf meine Ruhe baute. Sie wurde auch auf eine harte Probe gestellt, lvährend wir warteten, aber endlich kam dec Zug doch; die Passa giere stiegen eilig aus. „Georg, mein Freund!" Otto drückte wich warnt an feine Brust; er war stärker geworden, sah männlich und gut aus. An feiner Seite stand eine hübsche blonde Tarne, feine junge Frau. Ich sah mich nach Clara um; war sie das, die in Onkel Georgs Armen lag? War sie es wirklich? Das hoch- Awachfene Mädchen mir den rothen Wangen und den freudestrahlenden Blicken, war es die bleiche, betrübte kleine Clara? - „Sennen Sie mich nicht mehr'?" sagte sie und reichte mir ihre beiden Hände. Ja, ich kanntx*sie, das dunkle Auge war unverändert, ihre Stimwe und ihr Herz waren unverändert. Sie gab mir ihren Arm. Meine Stimmung war zu gleich peinlich und glückselig. Ungeduld, Unruhe, Furcht und Freud« kämpften in meiner Brust um die Herrschaft. „Mein Herz ist so voll," sagte sie, „ich kann kaum wie ein vernünftiger, ordentlicher Mensch gehen; ich könnte den Erdboden küssen und alle Leute umarmen; werden Sie es gsäuben, — ich fühle mich fast enttäuscht, denn die Vorübergehenden sehen mich so gleichgiltig an; ich bin wie ein Hdld, das zu seiner Familie zurückgekommen ist. D, es ist Musik für meine Ohren, überall die gute, alte, däuische Sprache zu hören. Sind Sie nun auch froh darüber, MS wieder hier zu haben?" „Nneichlich froh!" „Sie And fast unverändert, ein wenig dunkler, ein wenig ^rrftswr." Sie stH mir liebevoll und freudig ins Gesicht; ihre Hand rUhk^ vertrauensvoll in der meinen, und doch kam «s mir vor, als wären wir uns einander ferner, als da >»» Meer MS treppst. Ich liebte sie, sie hielt etwas von mir, was stand da Mischen anS? Denn etwas stand da. „Wie herrlich," begann sie wieder, „wie hellgrün und freundlich ist'S hier in der Mer. Sehen Sie die kleinen, wohlbeleibten Leute mit den vielen Kindern und dem furchtbar großen Ranzen; sie wollen gewiß hinaus, um sich im Freien zu amüsiren. So glückselig gutmüthige Gesichter sieht man nicht zwischen den berechnenden Ameri kanern. — Welche herrliche Narzissen, und Sirenen! Aber sollen wir hier hinein ins Pförtchen? Ist dies hübsche Haus Onkels Haus?"" Die alte Frau saß am Fenster und sah sie an; die Katze sah sie an; sie nickte und warf ihnen Kußhände zu. „Um Verzeihung," sagte sie zu mir, „es war gewiß garnicht passend, aber ich konnte nicht anders!" Sie war sehr hübsch, als sie in der Gartenstube stand, nachdem sie das Reisezeug abgelegt hatte; sie war ganz reizend, als sie den steifen, alten Herrn herumschwenkte, in dem sie sagte: „Geben Sie mir einen guten Rath, Onkelchen, soll ich lachen oder soll ich weinen; ich habe das innigste Ver langen nach beidem!" Ahne kam in ihrem besten Putz herein und meldete, daß der Theetisch gedeckt sei. Sie sah Clara verstohlen an, als wollte sie sagen: „Kennen Sie mich noch?" Ob sie es that! Die glückliche Ahne wurde umarmt, mit Dank überschüttet und gelobt für die guten Winke und Rathschläge, welche sie mit Rücksicht a uf die Haushaltung und Oekonomie gegeben hatte. Es wurde nicht viel gegessen, aber erzählt desto mehr; sie erzählten alle drei zu gleicher Zeit, und Clara hatte außerdem tausend Dinge zu fragen. Es war mir zu eng da drinnen; ich ging hinaus in den Garten. Run war's geschehen, was ich so lange gewünscht hatte; sie war zurückgekommen; warum mischte sich ein Gefühl der bittersten Hoffnungslosigkeit in meine Freude? Ich hörte sie in der Gartenstube lachen und reden; einen Augenblick später wurde die Thür geöffnet, leichte Schritte wurden im Wege laut; Clara trat zu mir, legte ihre Nein« Hand auf meine Schulter und sah mir fragend in die Augen. „Es macht mich so herzlich unglücklich: ich hatte ge hofft, sie hier zu treffen!" ,>Sie! Wen?"" „Ihre Cousine, Ihre Braut; Sie müssen nicht böse sein, daß Otto mir's längst anvertraut hat. und nun hoffte ich, daß es kein Geheimniß mehr sei?"" Ich antwortete ihr keine Silbe, sondern eilte hinein und rief Otto. „Du hast Deiner Schwester eingebildet, daß ich ver lobt sei?" „Ja, das habe ich! Hör' mich doch, Mensch, bevor Tu mich verdammst. Claras Enthusiasmus für Dich nahm bei der Abreise einen so hohen Flug, daß es mir fast ängstlich vorkam. Doch Du hattest zu viel für uns ge- than, als daß ich ihn dämpfen konnte oder wollte; aber unschädlich tpollte ich ihn gern machen, und so erzählte ich, daß Du heimlich mit einer Cousine verlobt seist. Ver- gieb mir, Georg; ich that es, um den Herzensfrieden meiner Schwester zu bewahren. Außerdem hielt ich es für höchst wahrscheinlich, daß Du einmal eine Deiner vielen Cousinen heirathen würdest. — Liebst Du wirklich Clara, kann das Mißvcrständniß ja leicht aufgeklärt werden!" „WB hast Du gethan, Otto!" Sie stand auf demselben Fleck, wo ich sie verlassen hatte. Als ich kam, sagt« sie furchtsam: * — ISS — „Sie müssen nicht glaube», daß ich mich in Ihr Ver trauen drängen will; ich bitte nm Verzeihung, wem» kch übereilt und indiskret gewesen bin; meine innige Freund schaft möge mich entschuldigen!" „Sie sollen gern mein Vertrauen haben; ich bin wirk lich unglücklich; denn zwischen mir und dem Weibe, welches ich liebe, steht ein Schattenbild. Sie glaubt, daß mein Herz einer, andern gehört!" „O, das Hinderniß wird sich leicht beseitigen lassen; sie wird sich überzeugen lassen, sie wird Ihnen glauben!" „Gebe Gott, daß Sie die Wahrheit prophezeien! — Die Cousine, von welcher Otto erzählt hat, ist daS Schattenbild, welches zwischen Sie und mich gestellt ist!" Sie zitterte, sie wurde bleich: ihre Augen nahmen einen Ausdruck von Angst an; sie sah ganz so aus, als da ich sie zum ersten Mal sah. „Da sehen Sie, Clara, daß Sie nicht den Muth dazu haben, das Hinderniß zu beseitigen; Sie sagen mir nein!" „Ich kann nicht ja und nicht nein sagen. — Sie müssen Nachsicht, Geduld mit mir haben; es kommt so plötzlich, es ist so unbegreiflich; haben Sie also nie mals —?"" „Niemals eine andere als Sie geliebt; gehen Sie noch nicht! Versprechen Sie mir erst, daß die Ver pflichtung, welche Sie glauben, gegen mich zu haben, durchaus nicht auf ihren Entschluß einwirken soll!" „Das verspreche ich!" Sie senkte ihr Haupt und eilte hinein. „Was ist geschehen?"'fragte Onkel Georg. Als ich ihm den Zusammenhang erzählte, wurde er ganz rasend. „Hatte ich nicht recht, daß ich den Kerl nicht leiden konnte? Kommt er nun mit seinem Hirngespinst von Lüge und verdirbt uns unsere ganze Freude. Ach! Ich habe keine Lust, ihn jetzt noch zu sehen; ich geh' jetzt zu Bett, da magst Du zusehen, wie Tu mit ihm fertig wirst!"" Und Onkel ging zu Bett, und ich mußte mit gequältem Gemüth das junge Paar unterhalten. Es wurde Nacht; ich ging im Garten auf und ab; es war keine Ruhe und Rast für mich; ich konnte das Haus nicht verlassen. O, wie haßte ich diese Cousine! Die wirklichen Cousinen hatten mir genug-Zu thun gemacht. Sie hatten mich, als ich klein war, geneckt und mein Spielzeug ver- darben; als junger Mensch hatte ich pflichtschuldigst mit Ihnen getanzt, wenn sie auf den Bällen sitzen geblieben waren, hatte sie aus Gesellschaften heimgeleitet, ja zu weilen Kommissionen für sie außer der Stadt eingerichtet; sie hatten mir nie etwas anderes atS Verdruß gemacht, und nun sollte noch obendrein diese eingebildete Cousine, das ganze Glück meines Lebens verderben. Ich dachte an Claras Betragen; nun verstand ich ihr offenes, ungezwungenes Wesen, ihre entgegenkommende Freundlichkeit. Und die Sterne funkelten und leuchteten, aber meine Seele war nicht für die trostlose Sprache empfänglich, die sie redeten; die Qual des Augenblicks war zu groß, als daß ich mich zu dem Unendlichen hätte emporheben, können. Endlich graute der Tag, es wehte kühl; dann be gannen die Vögel zu zwitscher»; die Sonne war aufge gangen. Ich ging auf und nieder und sah auf das Haus; sie schlummerten gewiß Alle ruhig darinnen. Doch nein! Tie Gartenthür wurde geöffnet — konnte ich meinen Augen trauen? Sie stand darin. „Ich kann es nicht ertragen," sagte sie verschämt, „daß Sie meinetwegen so unruhig sein sollen! Dazu haben Sie gar keinen Grund. Unser Herrgott weiß am besten, welchen Platz Sie in meinem Herzen haben, aber Sie müssen sich erinnern, daß ichSie al» einer Ander» ge hörend betrachtet habe. Nm» bitte kch nur um eia wenig Zett, mit meinem Glück vertraut zu werden!" Ihr Glück! Ich eilte zu ihr hin, aber sie war PH« wieder hineingeschlüpft „Währte das lange mit Georg! « sagte man k» «einer Familie; und dann geschah eS wieder allzu plötzüch «D es geschah; „das junge Mädchen war ja eben «ist tz« Amerika gekommen;" und dann schüttelten sie ihre MM. Sie hielten nichts davon, daß sie in Amerika -«WM« war: eS war so apart, so ungewöhnlich. Indessen ge wann ihr weibliches, anspruchsloses Besen, als sie vor- - gestellt wurde, aller Herzen. Es konnte nicht geleugnet werden, daß sie sehr niedlich war, und dann brachte sie Zwanzigtausend als Mitgift; das war gerade passend, weder zu wenig, noch zu viel. — Es war ein entzückender Jullmorgen; der Dust der Rosen und des Jasmin drang in die Stube hinein, der blanke Theekessel summte und summte; Onkel Georg säst an einem Blumentisch und gab dem kleinen Bogel frische» Grün, meine hübsche, junge Hausfrau stand in der Gar tenthür, und es'spielte ein halb schelmische-, halb weh- müthiges Lächeln auf ihren Lippen. „Woran denkst Du, meine theuerste Freundin?" „Ich denke daran, wie kurzsichtig die Menschen find; - sechs lange Jahre hindurch habe ich jeden Lag zum Herr» für Dich und Deine Cousine gebetet, für da» Weib, da» Du liebtest, und ich sandte meine Gedanken zu dem ferne» < Land mit dem Gebet, daß sie Dich glücklich machen möchte. So habe ich also für mich selbst gebetet, Georg! Möchte ich doch nur einigermaßen die hohen Forderungen er füllen können, welche ich an sie stellte; denn da- that ich!" „Hört, Kinder," rief der alte Onkel lebhaft an-, i»-' dem er zu uns eintrat: „eS ^iebt nicht-, wa» ich mchr hasse, als Traumgesichte, Nebelbilder und Gespenster; wollt Ihr deshalb, daß ich mich glücklich in Euer« Hause fiMe» soll, so muß es das letzte Mal gewesen sein, daß ihr vo» der Cousine gesprochen habt!" de» Mekchkhum» der gsamilie NochphM» Als die Franzosen über den Rhein gingen, ließ der Kurfürst von Hessen-Kassel seine Juwelen und Schätze nach Frankfurt am Main schaffen. Di« allgemeine Ach« tung, in welcher der dort lebende alte Geldwechsler Most» Rothschild stand, bestimmte den Fürsten, bei ihm einige Millionen Thaler niederzulegen. Kurz darauf aber rückte» die französischen Truppen in Frankfurt am Mat» et», Rothschild wurde geplündert, da- heißt, nur sein eigene» > Vermögen wurde ihm geraubt. Tie ihm anverttaute» Gelder hatte er noch im letzten Augenblick glücklich bei seite zu bringen verstanden. Tiefe geschäftliche Treue rührte den Kurfürsten so, daß er dem Geldwechsler du» Geld noch einige Zeit gegen geringe Zinsen ließ, und da gerade nun ein allgemeiner Geldmangel war, war es möglich, mit dem Vermögen des Kurfürsten schnell et» eigenes Vermögen zu erwerben. Rothschilds fünf SSH«, welche bis dahin Waarenhandel getrieben hatten, ver einigten sich dann zur Leitung dieser Wechselgeschäfte, und als die Tage von 1813 mannigfache politische Veränder ungen brachten, gelang es ihnen durch eine ununter brochene Reihe großer Geld- und Anleihegeschäfte jene Vermögen anzuhäufen, die dem Hause Rothschild poli tische Wichtigkeit und Bedeutung verliehen. Sie verteil ten sich in die verschiedenen Hauptstädte Europa-, Nach« Meyer Rothschild, der fähigste und älteste der Brüder^ ging nach England, Karl Rothschild ging nach NeapÄ, Jakob ließ sich in Pari- nieder, einer zog «ach Wie«, und der letzte blieb in Frankfurt am Mai«. Und dadurch, daß sie gemeinschaftlich operirte«,' wäre« ihre Geschäfte
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