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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.11.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011121018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901112101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901112101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
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- Monat1901-11
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Nr. 594. Donnerstag den 21. November 1901. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reclameit unter dem Rtdactionsskrich (-gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zissernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertenannahme 35 H (excl. Porto). Ertra-Veilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung .St 70,-. Annahmeschluk für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Dir Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Nachdem gevad« in der vergangenen Woche nach der pompösen, aber sonst verfehlten Rede de- Premierministers Lord Salisbury in der Euilkchall sich in mancher Hinsicht trotz des Widerspruches der Presse «ine gröbere HoffnungSfreudiakeit und Zuversicht mit Bezug auf die Situation in Südafrika geltend gemacht hatte, tauchen jetzt mit einem Mal« wieder allerhand directe Mel dungen vom Kriegsschauplätze auf, welche einen ganz entgegen gesetzten Effect hervorzurufen im Stande sind. Es soll vor allen Dingen in der Capeol-nie ganz anders cmSsehen, als Salisbury oder Kitchener die britisch« Nation glauben machen möchte, und es verlautet neuerdings, daß der Aufstand der Capholländer, der als «in solcher in London officiell immer noch abgeleugnet wird, thatsächlich mit jedem weiteren Tage an Umfang zunimmt und den in der Colonie noch vorhandenen Doerencommandos fortwährend neuen werth vollen Ersatz zuführt. Nach den Berichten des britischen Haupt quartiers oder, besser gesagt, nach den Veröffentlichungen des Londoner Kriegsamtcs sollen bekanntlich nur noch ein paar hundert Boeren in undisciplinirten kleinen Banden auf eng lischem Territorium von den britischen Truppen hin- und her gehetzt werden; in Wirklichkeit jedoch lassen die letzten vorliegen den Meldungen von Capstadt erkennen, daß mindestens zwei- bis dreitausend Feinde, ob sie nun Boeren oder Capholländer sind, in den verschiedenen Distrikten der Colonie so ziemlich nach Gut dünken schalten und walten und die englischen Colonnen nach Herzenslust nasführen, wobei die Letzteren sich dann immer unter dem wohlthuenden Eindrücke befinden, als ob sie die Boeren rbutsächlich fortwährend in die Flucht schlügen und allmählich zum Land hinausjagten. Die ofsiciellcn Verlustlisten reden jedoch eine andere Sprache, und verkündeten erst am Montag wieder, daß eine englische Colonne bei T'weefontein vom Feinde an gegriffen und in di« Flucht gejagt wurde, nachdem 2 Offi- ciere getödtet, 3 verwundet und 7 Mann getödtet und 16 verwundet, sowie eine Anzahl gefangen genommen worden waren. r-ristiim De Wet soll übrigens schon wieder mehr als 2000 Mann unter seinem Commando haben, welch« Ziffer sich noch jeden Tag beträchtlich vergrößert, während Botha mindestens 4000 und Delarey Alles in Allem weit über 3000 Mann verfügt, die allerdings selbst verständlich nicht immer respective nur höchst selten zusammen operiren, sondern in getrennten Abtheilungen den von den eng lischen Truppen so gefürchteten Mosquitokrieg erbarmungslos und mit größter Kühnheit und Tapferkeit weiterführen. Obige Ziffern decken sich natürlich ganz und gar nicht mit den geflissent lich entstellenden englischen Kalkulationen, wonach die Boeren im Ganzen höchstens noch 6000 Mann im Felde stehen haben sollten. Nach einer anderen Meldung soll General De Wet allein sogar weit über 0000 Mann unter seinem Befehle vereinigt haben, wo von ungefähr die Hälfte aufständische Capholländer sind. Es ist natürlich schwer, sich ohne Weiteres aus diesen widersprechen den Angaben «in klares Bild über die wirkliche Stärke der Boerencorps zu machen, und es müssen zunächst noch einige weitere Gefechte abgewartet werden, welche, wie gewöhnlich, die Dislocation und Stärke der boerischen Streitkräfte bekannt geben werden. Hand in Hand mit den Meldungen von dem stetigen An wachsen des Ausstandes in der Capcolonie gehen gewisse Ge rüchte, di« letzthin wiederholt in südafrikanischen Kabel meldungen auftauchten, wonach Abtheilungen gewisser colonialer berittener Schützen schon auf weite Entfernung ihre ganze Munition verschossen, trotz deS Einspruchs ihrer Offici«re dann das Zeichen der Capi- tulation gaben, und dann auch richtig von den Boeren in fried lichster Weise gefangen genommen wurden, um nachher wieder laufen gelassen zu werden, oder, wie eine andere Meldung wahr haben will, nach der Gefangennahme den feindlichen CommandoS einfach als Mitkämpfer für die Sache der Boeren beitraten. Diese für daS britische Hauptquartier so sehr beschämenden und verdrießlichen -Vorkommnisse sollen durchaus nicht vereinzelt da stehen und es kommt sogar vor, daß bei einem Zusammenstöße oie britischen Officiere und Unterofficiere solcher Colonial- truppe auffallend schnell kampfunfähig werden, worauf dann die Kapitulation der ganzen Abtheilung ohne weitere Umstände vor sich geht. Das ist natürlich Hochoerrath, im Uebrigen aber kenn zeichnend für die ganze Lage. Vr. Krause. * London, 20. November. In der heutigen Verhandlung gegen Dr. Krause beantragte der Vertreter der Staats anwaltschaft, wie bereits gemeldet, Krause wegen Auf reizung zum Morde dem Central - Kriminal gerichtshöfe in Old Bailey zu überweisen, fügte jedoch hin- zu, er behalte sich daS Recht vor, später di« Anklage aus Hoch- verrathzu erheben, wenn er es für gegeben erachte. Die An klage wegen Aufreizung zum Morde gründet sich auf Krause's Briefe an Broeksma, in welchen er die Ermordung des englischen Advocaten Foster anräth. vr. Krause's RechtSbeistand betonte von Neuem, daß gegen Krause in Eng- land nicht wegen Hochverrats verhandelt werden könne. Nach dem Verhör von Zeugen wurde der Fall vertagt. Der Polizei richter genehmigte die Haftentlassung Krause's, wenn eine Kaution von 2000 Pfund für ihn gestellt wird. Mehr Truppe»: * London, 20. November. („Reuters Bureau".) Das Kriegsamt soll beabsichtigen, die Territorialarmee zu vermehren» indem es mehrere neue Bataillone Miliz in England und Schottland schafft. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2l. November. Nachdem wir unsere Meinung über den Jnsterburger Zweikampf dabin geäußert batten, daß vor Zulassung deS Duelle» mindesten- bätle geprüft werden müssen, ob der Ge forderte nicht an» dem OfsicierSrange auSzuscheiden habe, ging durch die Presse eine menschlich tiefdewegende Dar stellung der Vorgeschichte de- unglückseligen Kampfe- und ähnliche Schilderungen folgten ihr. Es wäre ein natür lichen Regungen stark zuwiderlaufendes Beginnen ge wesen, der Tendenz dieser, offenbar von nächsten An gehörigen deS Gelödteten berrührenden Erzählungen vom Sachverballe entgegenzuwirken. Zudem enthielten sie Modifikationen LcS bis dabin Berichteten, denen wir ent scheidende Bedeutung zwar nicht beizulegen vermochten, deren Aufklärung durch da- Kriegsgericht aber abgewartet werden konnte. Diese ist nun erfolgt und sie verstärkt leider die M.inung, daß Leutnant Hildebrandt außer Stand hätte gesetzt werden müssen, mit Bla-kowitz Kugeln zu wechseln. ES hat etwa- BersöbnendeS, nachdem nun einmal Blut ge flossen, daß der Angreifer e- ist, der sein Leben eindüßte. Dieser AuSgang beruht aber auf einem bloßen Zufall und kann bei der Beurtbrilung deS Falle- nicht in Betracht ge zogen werden. Wie, wenn Hildebrandt getödtet worden wäre? Dann hätte dieser Ofsicier sterben müssen, weil der Mann, der ihn angetastet, Ofsicier war, al- er die verhäng- nißvolle Handlung beging, e- aber nicht geblieben wäre, wenn, wie nicht zu umgehen, nach dem Tode deS Leutnant- Hildebrandt das Verhalten BlaSkowitz' Auf hellung gesunden hätte. ES besteht nicht der mindeste Zweifel, daß nach einem solchen Verlaufe der Ehrenratb, der trotz Kcnntniß deS Sachverhalte- da- Duell unvermeidlich werden ließ, von oben deSavouirt worden wäre, und zwar, wie hervorgehoben werden mag, keineswegs unter dem Drucke der öffentlichen Meinung. So wohlfeil erscheint hoben und höchsten Stellen da- Leben eines braven OsficierS jedenfalls nicht, daß eS Billigung erfübre, wenn erwiesen würde, daß ein Ofsicier sich um seines Rockes willen mit einem anderen habe schlagen müssen, der daS Tragen des gleichen Rocke- verwirkt batte. Ter Bericht über die kriegsgerichtliche Ver handlung läßt Zweifel zu, ob Bla-kowitz, als er Kameraden angriff, sinnlos betrunken gewesen; nach Ansicht der Zeugen wie auch des Staatsanwalts war er es nicht. Aber die Frage hätte nur Bedeutung, wenn die Repression auf anderem Wege als dem eines Ehrenhandels, auf gerichtlichem also, gejuckt worden wäre. Dann würde sie auf die Beurtheilung der Absichtlichkeit und Zurechnungsfähigkeit von Einfluß ge wesen sein. Für den Ebrenrath durfte aber der Grad des Zustandes des Leutnants BlaSkowitz nicht ins Gewicht fallen. Nach der Anordnung de- Jnstrrburger Kriegsgerichts konnte nicht Alles berichtet werden, waS BlaSkowitz unternommen bat und was er, entsprechend seinem Verhalten, zu hören bekommen mußte. WaS nicht mit gericht licher Genehmigung berichtet wurde, soll auch nicht erörtert werden. Aber Leutnant BlaSkowitz befand sich auf der Straße, in Uniform und mit dem Säbel umgürlet, in einer Ver fassung, die bei Vorübergehenden zueist die Bermulhung erweckte» man habe einen eingeschlafcnen Nachtwächter vor sich, er wird in einer öffentlichen Gastwirthschaft von NichtmilikärS zwar nicht für „betrunken", nur für „animirt" gehalten, aber doch so befunden, daß man vom Weilertrinken „allseitig" abrieth. Der Ratb war in den Wind gesprochen und die Folge war, daß der Ofsicier öffentlich „Streit mit dem Kellner hatte". Daß das Nichtberichlete das Schlimmere gewesen, beweist das Schweiggebot, daS ter Gericktsbof den Vertretern der Presse auferlegt hat. DaS in die Oeffentlichkcit Gelangte genügt jedoch, nm daS Betragen deS Gelödteten als ein solches zu kennzeichnen, wie eS sich mit der Angehörigkeit zum Officier- siande nicht verträgt. Sinnlos betrunken oder nur halb be trunken: die Grenze kann kein Arzt und kaum der erfahrenste Zechcumpan feststellen. ES kommt auf den allgemeinen Eindruck von dem Verhalten, den die Sehenden und Hörenden gewinnen müssen, an. Der Brief Mommscn'S über Confesfionalität und Wissenschaft bat nicht nur in ultramontanen, sondern auch in gewissen evangelischen Kreisen Aergerniß erregt und die Beivrgniß erweckt, die durch diesen Brief in akademischen Kreisen hervorgerufene Bewegung ziele auf die Verdrängung aller gläubigen Lehrer von den akademischen Lehrstühlen. So schreibt die „Kreuzztg.": „Der Mommsen'sche Standpunct fuhrt dahin, daß Gelehrte, die fest auf dem Loden ihres Bekenntnisses stehen, an unseren Hochschulen nicht geduldet werden können, weil sie nicht vor- auSsetzungSloS sind. Bisher hat man in einzelnen Gelehrtenkreisen diese Folgerung nur bezüglich derjenigen, die auf streng römisch- katholischem Boden stehen, zu ziehen gewagt. Die Kundgebung Mommsen'S zeigt aber, daß man bei Anerkennung des in ihr rer- tretenen Grundsätze- auch zum Ausschlüsse von streng gläubigen evangelischen Gelehrten von den Universitäten kommen müßte." Ultramontane Blätter drücken dasselbe noch schroffer aus. So schreibt die „Schles. Volksztg.": „Wer aus confessionellem Standpunkte steht, hat nach Mommsen nicht die Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit des Forschers .... Ec- ist die Religion überhaupt, die er als unerträglich mit der „voraussetzungslosen Forschung" verfehmen will." Ein anderes ultramontanes Blatt läßt sich also ver nehmen: „Das Christ ent hum soll in der Wissenschaft und vor Allem an unseren Universitäten keine Berechtigung mehr haben. Wer wissenschaftlich forschen und lehren will, soll seinen Glauben völlig abstreifen." Erfreulicherweise tritt auch die freiconservative „Post" diesen irrigen Auffassungen entschieden entgegen, indem sie ausführt: „Gröbere Mißverständnisse sind wohl kaum möglich, als sie hier vorliegen. Der religiöse Unglaube und die Religionslosigkeit müßten hiernach an unseren Universitäten eine geradezu enorme und be- ängstigende Höhr erreicht haben. Es ist aber noch gar nicht lange her, daß die Behauptung, unsere Universitätslehrer seien größlentheils Gottesleugner, statistisch widerlegt worden ist. Mommsen aber zutrauen, er wolle alle akademischen Docenten, die auf confessionellem Stand punkt stehen, aus ihren Stellungen entfernt wissen, hieße eben, ihm Unmögliches in die Schuhe schieben. Die Religions- und Kon fessionslosigkeit gehört in Deutschland gottlob zu den ganz ver schwindenden Ausnahmen und wird es voraussichtlich immer bleiben, denn sie hat in den langen Jahren ihrer Freiheit eher ab- al- zugeuommen. Wo steckt also der Fehler obiger RaisonnementS? Er besteht darin, daß man den Eon- fessionali-mu- mit seinem unrichtigen Gebrauch, seiner An wendung an der unrichtigen Stelle verwechselt. Mommsen ver- urtheilt nicht den ConfessionaliSmus als solchen, sondern denjenigen ConsessionaliSmuS, der von der Wissenschaft verlangt, daß sie ihm „dienstbar" sei, und er versteht darunter die Forderung einer Konfession, den Mann der Wissenschaft zu verpflichten, „seiner Arbeit da Grenzen zu setzen, wo die Ergebnisse riarm consessio- nellen Dogma unbequem werden könnten". Die ultramontane Rich tung in der katholischen Kirche geht bekanntlich noch weiter; sie ver langt, daß der Mann der Wissenichaft die sicheren Resultate seiner Arbeit al- Jrrthümer verwirf:, wenn sie ihrer konfessionellen Lehre widersprechen. DaS heißt der Kirche, die Loch nur religiöse Wahrheit zu verkündigen, aber keine Wissenschaft zu lehren hat, daS Richteramt über die Wissenschaft beilegen und ihr das Recht zuschreiben, die Wissenschaft zu corrigiren. Diese Ausfassung ruht aus der falschen Vorstellung von dem Verhältnis deS Glaubens zur Wissenschaft, wie sie in ultramontanen Kreisen gang und gäbe ist uod auch unter Evangelischen al» lein Rest katholischen Wesens noch vor kommt. Glaube und Wissenschaft können friedlich und schiedlich selbstständig »eben einander hergrhrn, sobald sie sich aber gegenseitig n Die Marmorliebe. Ein« Hofgeschichte von Jean Bernard. Nall>tru<i vkrtelk». Der Prinz mochte den Gedankengang des Alten errathen, denn er fügte lächelnd hinzu: „Mein Vorschlag stieß auf einige Schwierigkeiten. Vorerst war man gegen Herrn v. Eder etwas verstimmt, weil er eine ihm angetragene Hofstellung höflich, aber bestimmt, zurück gewiesen; dann hieß eS, Herr v. Eder sei ein Ausländer, wäh rend er doch ein ebenso guter Deutscher ist, als wir Beiden; ferner gab man mir zu bedenken, daß ein gewisser Graf Vesan sozusagen Ansprüche auf diesen Vertrauensposten habe." Der alte Graf bemerkte kein Wort, obwohl der Prinz eine Pause machte und sich einer Cigarre bediente. „Die letzte Borhaltung machte mich bedenklich, denn ich bin dem Grafen Ferdinand sehr zugeneigt; aber ich fand einen Ausweg. Mein neuer Vorschlag ging dahin, den Hofmarschall o. Bär zum Oberhofmarschall zu ernennen, dem Grafen Vesan den Titel Hofmarschall zu verleihen und den Baron v. Eder mit dem Titel Hofrath meinem persönlichen Dienst zu attachiren mit der Beschränkung, daß der Gehalt des Letzteren vorläufig aus meiner Privatschatulle zu bestreiten sei. Die Sache ist perfect, der Minister hat den Erlaß bereits ausgefertigt, daß er morgen früh zur Veröffentlichung gelangen kann. Da Graf Vesan vorläufig als Hofmarschall wenig zu ihun haben dürfte, soll er in seiner Function als Adjutant einstweilen belassen werden, zumal da ich für etliche Wochen nach Potsdam zurück kehren will. Sind Sie nun zufrieden, Graf Edwin?" „Ich wußte eS ja, Hoheit, daß Sie meinen Neffen nicht ver stoßen würden. Ich danke von ganzem Herzen." „Und Sie, Herr Hofrath, freuen Sie sich nicht?" „O, gewiß, Hoheit, Ihr Vertrauen entzückt mich . . . aber ich möchte doch genau wissen, waS e- . . ." „In der neuen Stellung zu thun giebt? Lien. Sobald Sie Ihre hiesigen Verhältnisse geordnet haben, reisen Sie nach München, um di» bewußte Angelegenheit aufzuklären; da» Weitere wird sich dann finden. Briefe und gewöhnliche Mit- «Heilungen können Sie an Graf Ferdinand richten; dagegen bitte Schreiben oder Telegramme, oie unsere geheime Angelegenheit betrifft, an den Grafen Edwin oder an Osenmann zupfenden. Sie erlauben doch, lieber Graf, Tie auch fernerhin al» Mittel-- Person zu benützen; e» giebt so viele Neugierig« in H , , „Stets zu Ihren Diensten, Hoheit." „So wäre unsere Konferenz für heute beende!; ich will noch ins erbprinzliche Palais." „Soll ich . . .?" „Nein, nein, lieber Graf, keine Begleitung nöthig; ich ent ferne mich durch den Garten. Hoffentlich kann nun Graf Fer dinand bald Berlobungskarten versenden. Es ist doch etwas Wahres an dem Gerücht . . .?" „Eleonore von Gawindt?" „Ja, ja, ich sehe schon, Sie verstehen mich." Graf Edwin lachte. „Ich alaube, es ist etwas daran." „So, freut mich sehr! Auf Wiedersehen, lieber Graf, lieber Hofrath, gute Nacht!" Die Herren verneigten sich tief und geleiteten den Prinzen die Hintertreppe nach dem Garten hinab. Dann sahen sie einander an, schüttelten sich die Hände und gratulirten sich gegenseitig. „Ein prächtiger Herr, der Prinz", sagte Graf Edwin, „schade, daß er den Spleen mit der Marmorbüste hat; die Idee ist zu absurd und kann zu nichts Gutem führen. Seien Sie sein guter Engel!" Sie kehrten nach dem unter«» Stock zur Festgesellschaft zurück. Graf Edwin bemerkte gleich, daß irgend eine Störung vorgefallen war. Was war geschehen? Da kam schon Graf Ferdinand auf den Oheim zu. „Auf ein paar Worte, Onkel." „Ja, bitte. WaS giebt eS denn?" „Eleonore von Gawindt ist von dieser Sängerin, nun der Bielau, beleidigt worden. Höre. Ich habe mit der Person überhaupt nicht getanzt, trotzdem kommt sie bei der Damenwahl auf mich zu und fordert mich zum Tanz auf." „Da- ist doch nicht schlimm." „Laß mich au-reden. DaS wäre nicht schlimm, wenn auch auffällig; aber zu gleicher Zeit kam Eleonore bei mir an, mit demselben Vorsatze ..." - „Nun?" „Ich bot Eleonoren den Arm, selbstverständlich . . ." „Ei, gut, das würde ich auch gethan haben." „Diese Bielau wurde jedoch wüthend, behauptete, zuerst da gewesen zu sein, bedankte sich für ein Geschenk, von dem ich nichts weiß, und warf mit Redensarten um sich, die für Eleonore beleidigend waren. Du kannst Dir dal Aufsehen denken und da» Gerede." „Wo ist di« Sängerin?" „Tie hat den Ball derlaffen . . ." „Gut so — — und Eleonore?" „Sie weint bei ihrer Mutter in einem Seitengemach und will nicht wieder tanzen. Da muß doch etwas geschehen." „Ja, Du hast Recht, aber was? Wie wäre es, wenn Du Dich mit ihr verloben würdest?" „Die Sache verträgt keinen Spaß, Onkel; Du weißt . . ." „O gewiß, ich weiß, daß Du sie liebst. So heirathet Euch doch!" „Scherze nicht; sie ist arm." „Aber ich bin reich . . ." „Du wolltest?" „Aber natürlich, wo sind sie?" Graf Ferdinand führte den Onkel klopfenden Herzens nach dem Nebenzimmer. Der alte Graf befand sich in merkwürdig guter Stimmung und fand die Situation der zwei weinenden Damen und dcs ernst dreinblickenden Minister» einfach komisch. „Nun, Excellenz«, sagte er resolut, „ich habe Alles gehört. Es ist ja unausstehlich von dieser . . . Na, cs ist eben eine Theaterfee, wer wird das so schwer nehmen . . ." „Schwer nehmen. Wer sagt Ihnen denn, Excellenz, daß wir den Fall schwer nehmen? Wir nehmen ihn nicht anders, als er genommen werden muß. Wir konnten freilich nicht wissen, Excellenz, daß auf Ihrem Balle auch solche Elemenle zu finden wären. Man kommt nur einmal in einen solchen Fall . . ." „Ich bedauere unendlich, daß unserer lieben Eleonore da» passiren mußte; sie hätte eben nicht gar so hartnäckig auf ihrem Schein beharren sollen. Leute vom Schlage der Bielau ignorirt man am besten. Aber verlassen wir diese mißliche Sache, die einmal nicht zu ändern ist. Ich möchte gern eine Art geschäft licher Angelegenheit mit Eurer Excellenz besprechen, sind Sie bereit?" „Wenn es heute noch sein muß", sagte der Minister ver drießlich, „so sei es." Beide Excellenzen zogen sich in eine Fensternische zurück, wo sie leise verhandelten; die Parteien im Vordergründe blieben deswegen nicht stumm; Eleonore und Ferdinand hatten sich Manches zu sagen, der leidende Theil war dabei der junge Graf, der nur bisweilen bei den Borwürfen Eleonoren- kurz hinwarf: „Aber nein, daran dachte ich nicht im Entferntesten, da- Benehmen der Künstlerin ist mir noch jetzt räthselhaft, ich gab ihr nie Anlaß dazu." „Aber Eleonore", flüsterte dann wieder die Mama, „wie kommst Du dazu, dem Herrn Grafen deshalb Vorwürfe zu machen? Der Herr Graf ist Dir keine Rechenschaft schuldig." „O doch, Excellenz, in meiner Eigenschaft al» Tavalier muß mir daran gelegen sein, die Sache aufzuklären, aber der Vor gang ist mir selbst räthselhaft ... E» ist ,u fatal!" Die alten Herren kehrten zu der Gruppe zurück; der Minister schien seine schlimme Laune verloren zu haben. Er wandle sich an seine Frau: „Denke Dir, der Herr Graf hatte vor, uns morgen einen Besuch zu machen oder vielmehr er hatte einen solchen Besuch für nothwcndig erachtet. Nun aber . . . Du weißt doch, Excellenz ist schon seit Jahren der frischen Luft entwöhnt, es könnte dem Gesundheitszustände schaden . . ." „Aber natürlich, das ist ja bekannt." „Sehr dankbar", sagte Graf Edwin, „deshalb, Excellenz, habe ich mir erlaubt, hier mit Ihrem Herrn Gemahl zu reden." „Bitte, Excellenz, wozu diese Entschuldigungen, die Sach: ist kaum der Rede Werth und für uns abgethan." „Ei doch, sehr der Rede werth . . ." „Eh, hm", unterbrach ihn der Minister, „daß ich's kurz sage, Excellenz hat bei mir für seinen Herrn Neffen um die Hand Eleonorens angehalten. Graf Ferdinand wird morgen persönlich in aller Form anhalten, nur Excellenz kann nicht persönlich kommen . . ." „DaS hast Du gethan, alter, guter Onkel?" rief Graf Ferdinand und fiel dem Onkel um den Hals. „Hurrah, Lore, — o Pardon, ich weiß nicht, was ich sage!" „Ja, stehst Du, mein Junge", drohte Graf Edwin, ..das hast Du wiener verkehrt angefangen. Sei doch still, bis Mama ge sprochen. Deine Werbung soll ja erst morgen statffinden, ge dulde Dich doch bis morgen. Morgen paßt die Sache auch besser; meinetwegen kannst Du auch heute schon fragen, ob Du morgen keinen Korb bekommst. Also, Ercellrnz Mama, w!« nehmen Sie meine Werbung für den Sausewind auf?" „O, die Werbung an sich ist uns eine Edre aber die Haupt person hat bisher noch nickt gesproßen ch -r-eiß r:cht, wt« Eleonore darüber denkt. Rede back -r ». Ka-.d." „Wie ist'S. Eleonore?" frag:« der Vörausier. „Ich habe mir mein« Verlobung ander- gedacht. Erst der große Aergcr und gleich darauf unerwartet die große Freude, da» ist ja gar nicht zu ertragen . . Tie kellcn Thränen liefen ihr aus den Augen. „Du willst also meine Frau werden, Lore? Ja?" Die Blondine nickte nur mir dem Kopfe, aber das genügt« Ferdinand; er umfing und küß:« sic. Sie aber sagte weinend und lachend: „Deshalb muß: Du dock morgen vorfahren!" „Natürlich komm« ick liebe- Larcken!" Graf Edwin hatte au? e:ne elekrriscke Klingel gedrückt, et» Diener erschien und verkckwaud wieder rasch, aber er hatte trotz, dem gesehen, daß Graf Ferdinand vor der Minister-tochtri kniete und von ihr wieder geküßt wurde. Der Diener kehrt« zurück, brachte fünf Gläser und entkorkt« den mitgrtrachten Pommery, dann entfernt, er sich schweigsam.
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