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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011125016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901112501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901112501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
- Tag1901-11-25
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Die Morgen-AuSgabe erscheint am V,7 Ubh di« Lbeud-AuSgabe Wochentag» am v Uhr. Lr-artiou und Erveditiou: JohanniSgaffe 8. Filialen: Alfred Hab» vorm. O. Klemm'S Sortim LuroersttätSstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Aakbarinenltr. 14, pari, and KSniqSvkatz 7^ Mo vgen-Ausgub e. WiMgcr Taysblalt Anzeiger. ÄmLsUatt des Äönigtichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Votizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen anker dem RedacttonSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Famitiennack- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer nad Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für »Nachweisungen und Offertenannahme L5 H (excl. Porto). Ertra - veilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./L SO.-, mit Postbesörderung 70.—. Ännatimeschtuk für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag» lO Uhr. Morgea-AaSgabe: Stachmttlag» 4 Uhr. Bet den Filialen and Annahmestellen fe eine halbe Stunde früher. Anzeigen stad stet» au die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet voa früh 8 br» Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pokz in Leipzig. Nr. 60V. Montog den 25. November 1901. 95. Jahrgang. Eine Schulvisttalion in der Leipziger Ephorie zu Beginn -es 30 jährigen Kriegs. Die großen Kirchenvisitationen, die der deutsche Reformator als das beste Mittel zur Erreichung eines gesunden Fortschrittes auf kirchlichem Gebiete erkannt hatte, richteten von jeher ihr Augenmerk auch auf das unter kirchlicher Aufsicht stehende Schulwesen und bildeten somit für dieses Zeitpunc/e der Grund legung oder Neuordnung, späterhin zum wenigsten Marksteine in der Entwickelung, Tage, wo alle betheiligten Faktoren zum Wohle des Ganzen in unmittelbare Verbindung traten. Nur unter Vater August, zu dessen Zeit nach den Bestimmungen der großen Kirchenordnung jährlich zwei Visitationen stattfanden, nahmen diese zeitweise den Charakter der regelmäßigen Beauf sichtigung des Schulwesens an; sonst fanden sie in unregel mäßiger Folge und nach jahrzehntelangen Zwischenräumen statt, je nachdem innere oder äußere Gründe ihre Nothwcndigteit be dingten. Besonders wichtig im 17. Jahrhundert ist di« Visi tation, die auf Befehl Georg's I. im Jahre 1614 begann, sich mehrere Jahre lang mit den Konsistorien, Universitäten und Fürstenschulen beschäftigte und dann den einzelnen Gemeinden des Landes sich zuwandte. In der Leipziger Superintendentur fand sie in der Haupt sache im Jahre 1618 statt; der hiesige Superintendent Schmuck war mit der Rcvisionsarbeit beauftragt; zur Erleichterung der mühsamen Geschäfte hatte man jedoch die Ephorie in drei Theile gctheilt und dem Genannten die Pfarrer von Rötha und von Liebertwolkwitz als Adjunctc zur Seite gestellt. Die Haupt arbeit freilich lag in den Händen des Superintendenten, der von 28 Kirchspielen allein 17 auf sich genommen hatte. Diese drei Visitatoren bestimmten nun für jede Parochie einen gewissen Tag, an dem wie bei Ablegung der Kirchenrechnung die Ge- richtsherren und Collatoren der Dörfer, die Pfarrer, Schul meister, Kirchväter und Gemeindevertretungen zur Stelle sein mußten. Die Revisionstermine zogen sich vom März bis in den August hinein. Zu festgesetzter Zeit erschien der Visitator im Ort«, und nun begann ein umfangreiches Verhör der einzelnen 'Parteien über das Verhalten der anderen, bei dem diese nicht gegenwärtig sein durften. Zur glatten Erledigung waren von vornherein zahlreiche Fragepuncte fcstgelegt worden. Dieses Verfahren batte neben seinen Vorzügen sicher auch den Nach theil, einer kleinlichen und heimlichen Angeberei Thür und Thor zu öffnen, wie denn auch in der That gar manche Klagen der Bevölkerung sich auf recht nebensächlich« und längst vergangene Sachen erstreckten. Zunächst wurde gewöhnlich der Pfarrer vor geladen. Neben sonstigen auf das kirchliche Leben bezüglichen Fragen hatte er zu berichten, ob der Schuldiener des Ortes vom Consistorium examinirt und bestätigt sei. ob er in seinem Lehr amte den nöthigen Fleiß zeige, ob er ein ärgernißerregenves, lasterhaftes Leben führe, verbotene Beschäftigungen, wie Bier- und Branntweinhandel, treibe und auch dem geistlichen Amte die schuldige Ehrerbietung erweise. Die Gemeindeältesten und Kirchväter wurden ausgeforscht, ob der Pfarrer die Aufsicht über Lehrer und Schüler nicht versäume, ob der Küster sein Amt ordentlich in Kirche und Schule verrichte, oder ob sie sonst über ihn zu klagen hätten. Der Schuldiener endlich hatte anzu geben, was er gegen des Pfarrers Person und Wandel zu er innern habe, ob die Kinder fleißig zur Schule geschickt oder etwa von verdächtigen Personen Unterweisungen der Jugend abge halten würden. Alle dabei vorgebrachten Klagen und Irrungen wurden sorgfältig protokollirt; die Visitationsberichte füllen stattliche Bände, die im Dresdner Hauvt-Staats-Archiv wohl erhalten werden. Bei der Visitation erscheint uns heute auf fällig, daß man an eine Prüfung der Jugend und der Lehrer ebenso wenig dachte, wie an die Festsetzung eines bestimmten Lehrzieles. Der ganz« innere Betrieb des Unterrichtes blieb un berührt und darum auch unbekannt. Trotzdem erzählen uns die Acten gar mancherlei aus Schul- und Culturgeschichte Uber Leipzig und seine Umgebung. Im Flecken Liebertwolkwitz, damals ein „Städt- lein" genannt, fand der Visitator einen wohlgebildcten Lehrer vor, der seine Vorbildung auf der Fürstenschule zu Grimma ge nossen haite und dem Pfarrer wie Gemeinde ein rühmliches Zeugniß gaben. Das Schulhaus jedoch war so baufällig, daß ein Neubau angeordnet werden mußte. Die Gemeinde bat noch um einige Jahre Frist; da ihr jedoch Zuschüsse zugesichert wur den, begann man 1619, eine neue Schule zu erbauen. Bei der Visitation beklagte sich der Lehrer, daß ihm die Einwohner die Brode, die sie ihm als Besoldung zu geben hatten, allzu klein backen ließen; es erfolgte darum die Verordnung, nur 16 Brode aus einem Leipziger Scheffel zu backen; auch mußte die Ge meinde dem Lehrer 4 fl. Umzugskosten, die er ausgelegt hatte, zuriickcrstatten. In Rötha wurde das Schulwesen in bester Ordnung angetroffen. An der Schule waren zwei Lehrer thätig, da dem Ludimoderator der Küster als Kollaborator zur Seite stand. Die Schülerzahl überstieg ein halbes Hundert; als Schulgeld gab jeder Knabe vierteljährlich einen Groschen und ein Ei. Der Lehrer bezog 37 fl. Gehalt; außerdem stand ihm zu „alle Tage ein Mahlzeit auf der P'arrc, so gut es der Herr Pfarr mit den Seinigen hat". Wenn ein Hauswirth starb, hatte der Schulmeister den Haushahn, beim Tove der Wirthin eine Henne zu fordern. Auch an der Schule zu Taucha wirkten zwei Lehrer mit Universitätsbildung. Von hier wird berichtet, daß jedes Quartal ein Schulexamen abae- haltcn wurde, an dessen Schluß für die besten Schüler Papier ausgetheilt wurde. Bei dieser Prüfung und Belohnung waren die Geistlichen und einige Rathspersonen zugegen, doch kamen die Letztgenannten ihrer Verpflichtung oft sehr saumselig nach. Die Lehrer beklagten besonders, daß das Schulgeld, das doch einen wesentlichen Theil ihrer Besoldung bildete, sehr nachlässig und oft gar nicht bezahlt würde. Daraufhin wurde angeord net, daß die Kirchväter des Städtchens gleichsam als eine Art Schulvorstand das Schulgeld von den Eltern einforvern und an die Lehrer abliefern sollten. In Magdeborn war ein junger Lehrer angestellt worden, der nach dem Urtheil der Ge meind« „mit dem Maule zu geschwinde" war; er wurde in der Visitation zur Besonnenheit ermahnt. Der Lehrer zu Eutritzsch war ein geborener Leipziger, der durch seinen Fleiß und seine Fähigkeiten die Schule wesentlich gehoben hatte; er trieb nicht nur Katechismus und Gesang, Lesen und Schreiben, sondern hatte auch das Rechnen eingeführt, eine Sel tenheit in den Dorfschulen jener Zeit. Trotz der unbestrittenen Verdienste des Lehrers bemängelten die Bauern, daß er häufig in die Stadt spaziere und gern in der Schenke zu Gohlis sitze; allzu schlimm mochten indeß diese Uebelthaten nicht sein, da man ihm in der Visitation 4 fl. Zulage aus dem Kirchenver mögen bewilligte. Schlimmere Klagen über nachlässige Amts führung wurden über den Plaußiger Küster vorgebracht; obgleich sich derselbe durch jahrelange Krankheit entschuldigte, erhielt er eine Vermahnung unter Androhung der Amtsent setzung. Der Küster zu Dewitz war arm, hatte aber nichts zu klagen und lobte vor Allem die Güte des Landesfürsten, der seinen Schuldienern die Tranksteuerfreiheit gewährt hatte; wenn diese Freizettel nicht wären, so könne er nicht eine Kanne Bier das ganze Jahr hindurch trinken. Die Schönefelder Schule wurde 1618 nur von 5—6 Knaben besucht. Nach An gabe des Lehrers liefen die Kinder zur Sommerzeit im Freien herum und fanden sich erst in der Winterkälte ins Schulhaus; dann aber konnte er durch das Schulgeld kaum die Heizungs kosten aufbringen. Er bat in der Visitation um Zulage, da er „mit Wahrheit und gutem Gewissen" jährlich gegen 10 fl. aus seinem Erbtheile hatte zusetzen müssen. In Hohenheida lebten Pfarrer und Schullehrer schon jahrelang in Fehde. Der Letzter- sollte die Freunde des Ersteren P'af'ensrcunde, Brief träger u. ä. m. gescholten haben; er wurde bei der Visitation seines Amtes entsetzt. Seehausen war eine Filialkirche von Großwiederitzsch, gehörte aber richt wie dieses ins Hoch stift Merseburg, sondern nach Leipzig. Diese eigenartigen Ver hältnisse legten den Wunsch einer Schulgründung nahe, und diese wurde denn auch in der Visitation beschlossen. Zum Schulhaus wollte die Gemeinde die Lebmwände ausführen, Holzwe.k und Zimmerlohn aber die Kirche tragen. Der Gehalt des anzustellenden Küsters, zu dem jeder Nachbar und jede Hufe des Dorfes beizusteuern hatten, wurde mit 64 Ortsgulden ge nehmigt und das Schulgeld auf 3 H wöchentlich festgesetzt. In Baalsdorf war der Schwiegersohn des Pfarrers Schul meister. Er batte, um nur sicher wohnen zu können, Uber 26 fl. in Vas baufällige Schulbaus verbaut, die ihm die Bauern nicht zurückerstatteten; auch sonstige Bezüge wurden ihm vorent halten. Die Visitation verhalf ihm zum Recht; dafür wurde er angewiesen, die Kinderlehre regelmäßig auch in der Filial ¬ kirche abzuhalten. Kröbern mit Wachau wurden wegen Krankheit uns Tod des Pfarrers erst 1620 vom Superinten denten visitirt. In Kröbern liefen gegen den Schuldiener die verschiedensten Klagen ein, deren Richtigkeit er nichl in Abrede stellen konnte. Da seine Angelegenheiten nicht günstig standen, bat er um kurze Geduld und wandte bald darauf seinem Wir kungsfelde freiwillig den Rücken. In Gerichshain gab es nichts zu klagen; ebenso erfreuliche Zuständr wurden in Groß- Pötzschau, Engelsdorf und Probstheida ange troffen. Die Pfarrkirche zu Zweinaundorf war erst vor Kurzem aufgerichtet worden und die Schuloerhältnifle noch recht dürktig. Der Küster bezog nur 10 fl. Besoldung von seinen Collatoren; dafür besorgte er das Läuten, die Schule hielt der Pfarrer. Die größte Dorfschule des Bezirks war in Groß- zschocher; besuchten doch dort nicht weniger als 85 Knaben und 20 Mädchen den Unterricht, und sicher kamen hiervon gar Viele aus fremden Dörfern. Der Lehrer war nicht wie die meisten seiner Amtsbriider ein gelernter Handwerker, erhielt auch von Pfarrer und Gemeinde im Allgemeinen ein gutes Zeugniß. Namentlich hatte er seine Knaben und Mädchen im Gelange gefördert, und verschönte nicht selten den Gottesdienst durch an sprechende Figuralgesänge. Da er sich trotz seiner 32jährwen Dienstzeit nur kümmerlich mit Weib und Kind durch's Leben schlagen konnte, bat die Gemeinde selbst in einer schriftlichen Eingabe um Erhöhung seines Einkommens, allerdings nicht auf ihre Kosten, sondern auf die der reich dotirten Pfarrstelle. Da der Pfarrer damit nicht einverstanden war, ging die Angelegen heit vor das Consistorium. Knauthain hatte ebenfalls einen gelehrten Lehrer, der in Leipzig studirt hatte und früher an beiden städtischen Schulen Kollaborator gewesen war. Auch hier waren „genugsam" Knaben in der Schule, die in der Kirche eine „feine Önntoroi und ^luküonru" zusammenbrachten, auch in der rlritllmetioa unterrichtet waren. Vom Pfarrer wurde der Lehrer mangelnder Ehrerbietung beschuldigt, von der Ge meinde jedoch aufs Beste gelobt. An Opferwilligkeit maß sich Knauthain jedoch mit den übrigen Dörfern; der Lehrer klagte, daß er seine 344 Brode nur mühselig und in entsetzlicher Be schaffenheit bekomme, daß die Leute im Backhause vorwändlen, sie backen Brode für ihre Hühner, um sie dann in die Schule zu bringen. Die Garben für den Lehrer ließ man auf dem Felde liegen, und ehe dieser davon erfuhr, hatte das Vieh sie aus einander gerissen oder Wind und Wetter sie bcschädigi. In der Visitation setzte der Lehrer eine Erhöhung des Schul geldes von 4 auf 6 H durch, jedoch mit dem Vorbehalt, die Armen nicht zu drücken. Ungetheiltes Lob erhielt anläßlich der Visitation auch der Schul- und Kirchendiener von Gautzsch. Aber auch er führte Klage über die Bevölkerung, die für die Schule besondere und natürlich kleinere Garben binden ließ. Ferner mußte er für seine geringe Anzahl Vieh gleich den Nach barn des Dorfes V? Scheffel Korn als Lohn an den Gemeinde hirten zahlen; er bat, von dieser Abgabe befreit zu werden. Erst nach vielfältigen Verhandlungen wurde der Widerstand der Gemeinde besiegt und des Küsters Bitte erfüllt. Der Schul lehrer zu Groß-Städteln war schon 60 Jahre alt, wirkte aber noch in seinem Amte zu Aller Zufriedenheit. Lösnig war eine sehr arme Gemeinde. Der Visitator traf hier keinen Lehrer an, da der bisherige sein Amt aufgegeben hatte und des dürftigen Einkommens wegen nicht sogleich ein neuer zu erlangen war. Nach Aussage des Pfarrers konnte sich nur eine Person auf der Stelle erhalten, die als Nebenwerk ein Handwerk auS- üben konnte. Als Kuriosum sei mitaetheilt, daß der jeweilige Küster auch das Recht hatte, „eine Kuh zu gebrauchen", weil er das Kirchcngeräth waschen zu lassen verpflichtet war. Mit den besten Schulen im Bezirk wetteiferte die zu Markklee berg, obwohl das Lehramt ein ehemaliger Schuster verwaltete. Gewiß war dieser ein Mann von guter Begabung, der sich selbst ständig weitergebildet hatte und nun mit Eifer sich seinem Be rufe widmete. Ausdrücklich wurde neben seinem Amtsfleiß auch sein ehrsam stilles Leben rühmend hervorgchoben. In Zeh- men wurde wie in den meisten Dörfern des Bezirks nur im Winter Schule gehalten, und auch zu dieser Zeit stieg die Zahl der Schüler nicht über ein halbes Dutzend. Ausnahmsweise trug hier nicht die Lässigkeit der Eltern die Schuld, sondern es war die Pest, die 1613 in einem gewaltigen Sterben besonders auch die Jugend dahingerafft hatte, so daß im ganzen Kirch ¬ spiel überhaupt nicht mehr schulpflichtige Knaben vorhanden waren. Das ungefähr sind die wichtigsten Ergebnisse, die durch da- Visitauonsverpör festgestellt wurden. Den würdigen Adichlw fand die Jnspecrion in jedem Orte durch ein festliches Mahl, das zu erheblichen Kosten Anlaß gab, die Halo vom Vermögen der Kirche, halb von der Gemeinde getragen wurden. Mitunter richtete wohl auch der Lehnsherr des Dorfe.' das Festmahl auf seinem Hofe aus. In Liebertwolkwitz wurden über 21 fl. bei der Visitation aufgewendet; neben anderen Braten und Leckerbissen gaben ein halbes Kalb und ein halbe: Schöps die stark gewürzte Hauptlast ab; 29 Kannen Torgauer Bier, ein Viertel einheimisches und 3^ Kannen Wein bilde en dazu das trinkbare Gegengewicht, ein Zeichen, daß man schon zu jener Zeit die Feste feierte, wie sie fielen. Besonders wichtig wurde die Visitation von 1618 durch Aufstellung einer neuen Matrikel des gesammten Kirchen- und Schul einkommens. Zu diesem Zwecke hatte jeder Schuldiener ein genaues Verzeichniß über die Höhe und die Quellen aller seiner Einkünfte aufzustellen, das er nebst dem Pfarrer und Collator mit Unterschrift und Siegel beglaubigte. Dadurch wurde eine feste Norm geschaffen, die man in Zweifeln und Streitfällen zu Rathe zog und nach der man alle künftigen Irrungen beilegen konnte. In ihrer Form giebt diese Matrikel ein interessantes Bild von den Lehrer persönlichkeiten jener Zeit; hier der akademische Stadtlrhrer, der in kalligraphischen Zügen gern und oft mit seiner lateinischen Wissenschaft in Sentenzen prunkt, dort der Dorfküster, der mit der Sprache noch in Fehde lebt und dessen Hand mit Acker- geräth und Handwerkszeug wohl besser umzugehen verstand als mit dem Gänsekiel. Der Schuldiener zu Oelzschau, seines Zeichens ein früherer Schuster, hatte sein Jnventarium von fremder Hand abfassen lassen; den Grund merkt man aus den ungelenken Schriftzügen der Unterschrift: „Christof Heuer, Schuldiener, mein Hand." Ihrem Inhalte nach giebt uns die Matrikel von 1618 ein klares und im Allgemeinen ein nicht unfreundliches Bild von den ökonomischen Verhältnissen; mochte auch hier und da noch Vieles zu bessern sein, so zeigten sich doch überall bedeutsame Ansätze und freundliche Ausblicke auf die Zukunft. Das war in jenem Jahre, wo in Böhmen die Kriegs fackel aufflammte, die drei Jahrzehnte lang das deutsche Vater land versengen und verbrennen sollte und die auch allen Cultur- zweigen unserer engeren Heimath tiefe und schwer verheilende Wunden schlug. vr. S. ?? Kunst und Wissenschaft. Musik. La» vierte Philharmonische Loncert findet heute Abend 7'/, Ubr^ in der Älberthalle statt. A>» Solisten treten aus Carl Scheidelmantel, kgst Kammerlänger an» Dresden, sowie der Pianist Louis Elb et mit Tschaikowsky'» ömoU- Concert. Da- Orchester trägt die ^.woU-Sympbonie von Mendelssohn, „Frithzof" von Langenbeck und 8nits i4rI4zielwe von Bizet vor. 6. L. »Der Siegfried von morgen" ist ein hochtrabender Artikel überschrieben, in welchem ein Mitarbeiter des „GauloiS" einen Besuch bei Jean de ReSzke schildert. Der polnisch-fran zösische Tenor, der sich in Amerika ein Millionenvermogen er- jungen hat, ist natürlich „fürstlich eingerichtet", und sein drei stöckiges Haus in der Nue dc la Faisanderie zu Paris strotzt von Kunstwerken aller Art. Tatz sich Jean de Reszke in Vielem Hause ein kleines Lpernthearcr (Platz für 100 Personen) mir einem verdeckten Orchester ii I» BaUreuth bat bauen lassen, ist auch schon wiederholt berichtet worden. Ter Künstler will in diesem Mlniaturrheater zur Ergötzung seiner Freunde einige Vorstellungen veranstalten, wobei er natürlich selbst als hellster Stern glänzen wird. Und wenn er einst von dem Schauplatz seiner Triumphe abgetreten sein wird, will er sich ganz der Lehrthätigkeit widmen. Einstweilen ist aber Jean de ReSzke noch lange nicht so weit; er ist sange-freudiger als j« und widmet sich „voll und ganz" dem „Siegfried", der am 18. De- ccmber in der Pariser Oper in Scene gehen soll. Und nun offen barte sich in der Unterhaltung der ganze dünkelhafte National stolz des französischen Polen und seines französischen AuS- fragers. Wagner's Werk ist natürlich noch auf keiner Bühne Fenrlleton Der Muff. Eine Skizze von L. Schubert, i.aäiruck vtricic i. Er ist einer der ersten Boten des Winters und einer der liebenswürdigsten. Es ist reizend, wenn wir zum ersten Male wieder eine Dame mit einem Muff bewaffnet sehen. Hundert Erinnerungen steigen dann in uns auf. Wir denken unserer Jugendliebe: wie wir mit unserer Angebeteten über Vie spiegel glatte Fläche flogen und an einer einsamen, dunklen Stelle sich in diesem coquettcn Nestchen die Hände zu einer heimlichen, schnellen Liebkosung begegneten. Wie wir in unseren Geständ nissen gar zu kühn und feurig wurden und sie ihr Näschen er- röthend in den weichen Pelz des Muffs versteckte; aber die Augen versteckte sie nicht, und die sagten uns: sprich weiter. Damals waren wir eifersüchtig auf den kleinen Muff, der das Vorrecht hatte, .Hand und Wange und Nase unserer Schönen zu liebkosen; aber andere Male waren wir ihm dankbar. Ein Istctionnair«! aux nmoui eux definirt den Muff schlechtweg als einen Briefkasten; und fürwahr, Niemand ist bereitwilliger und geeigneter, gewisse zarte Briefch«n, die sich für den ordinären Postbriefkasten wenig eignen, anzunehmen und zu befördern. „Der Muff!" Wir sind nicht teutoman genug, um nicht zu be kennen, daß dies Wort wenig von dem zarten, coquetten, molligen, eleganten Dinge ausdrückt. Das licbenswürdlge, hüpfend« Wort der Franzosen „lv wanestvo" paßt da viel besser — nur weiblich hätte es sein müssen. Denn etwas fürs Weib und vom Weibe ist und bleibt er nun einmal, der Muff. Für den Schriftsteller hat aber der Muff noch eine besondere Annehmlichkeit. Er braucht seine Geschichte nicht mit de', üb lichen feierlichen Worten einzuletten: „Schon bei den alten Griechen und Römern . . ." Kurz und gut, das Alterthum wußte nichts vom Muffe und das Mittelalter ebenso wenig: die Ritierfrauen waren wohl nicht so empfindlich und gaben sich mit Pelzhandschuhen zufrieden. Der Muff ist ein Kind des Luxus, der Verfeinerung der Sitten, wenn man will: der Verzärtelung, und er taucht zuerst auf in dem galanten, üppigen Venedig, wo nach Octavc Ilzaune's Untersuchungen dre vornehmen Damen und die gefeierten Schönheiten gegen das Ende des 15. Jahr hunderts allerliebste kleine Müsse aus Sammet, Brokat oder Seide mit Pelz trugen. Diese Müsse dienten ihren winzig kleinen Lieblingshündchen als Nest. Da war er also noch eme Spielerei, aber im 16. Jahrhundert wird es ernst mit ihm. Unter dem Nachlasse einer französischen Präsiventenwittwe fand sich und wurde gewissenhaft verzeichnet: „Ein Sammetmuff mit Marder gefüttert". Von da ab hat die Mode diesen liebens würdigen Findling nicht mehr freigegeben und hat ihn, wie so viel Anderes, zu einem Spiclballe ihrer wechselnden Launen ge macht. Wenn man die Stiche von Hollar, von Sandrart, von Bonnard und Anderen durchsieht, dann macht man oft genug seine Bekanntschaft und lernt, wie in Paris, der Hauptstadt der Mode, die würdige Matrone, die Dame von W«lt, die Prezwsc Moliöre's und die Kokette den Muff trug. Die Mufsmode macht« die verschiedensten Wandlungen durch: bald war er lang und eng, bald kurz und hoch. Auf einem reizenden Stiche der Encyclopädie erblicken wir einen Pelzladen, in dem die Ver käuferinnen einer Besucherin ganz ungeheure Müsse vorlegrn. Zeitweise waren die aus dem Fell der Angoraziege beliebt, die bis zur Erde reichten; um 1720 war er wieder ganz eng und lang, so daß die Arme darin nur gerade Platz fanden. Aber auch die Männer wollten an den Freuden des Muff» theilnehmen. Unter Ludwig XIV. trugen die eleganten Herren Müsse, die mit Schleifen von kostbaren Bändern geziert waren. Auch sie mußten sich darin d«n Modelaunen fügen, aber im All gemeinen hielten sich die Herrenmüffc in bescheidenem Formate. Allmählich hörte dann der Muff auf, «in Lestandtheil der Herrenmode zu sein, und heute, im Zeitalter de» Sport» und der Vorliebe für die kräftige Ausbildung des jugendlichen Kör pers, würden wir wohl in einem Manne mit einem Muff ein recht humoristisches Bild sehen. Es giebt einige berühmte Kunstwerke, deren Schöpfer es ver- stanven haben, den Muss als eine feine Ingredienz, «ine Folie ver Fraucnschönheit zu behandeln. So jenes „reizende Mädchen nlit dem Muff" von Joshua Reynolds, bas dem Marquis von Hertford gehört oder wenigstens noch in den 80er Jahren ge hörte. Es ist ein junges englisches Fräulein von entzückender Frische, sic scheint auf einem Spaziergang begriffen, die Hände hat sie in einem ziemlich großen Pelzmuff verborgen, und ob wohl das Porträt nur ein Brustbild ist, so sehen wir doch dies gesunde liebreizende Geschöpf ganz vor uns, wie sie in der Frische eines schönen WintertagcS hurtig und anmuthig ihres Weges dahinschreitet. Raffinirter hat Reynold's Landsmann Gainsborough den Muff in seinem wundervollen Porträt der berühmten und schönen Schauspielerin Siddons in der National Gallery in London verwandt. Aus diesem Bilde ist Mrs. Siddons in der ganzen Blüthe Ihrer 29 Jahre vargestcllt, auf ihren Knieen hält sie mit der Linken einen Muff von Fuchs oder von sibirischem Wolf, und indem sie ihn mit der rechten Hand streichelt, tritt die Schönheit und Weiße ihrer schlanken Finger besonder» wirkungsvoll hervor. Endlich erinnern wir noch an daS aller Welt bekannte Selbstbildniß der Vigve- Lrbrun im Louvre zu Paris, auf dem sie den Muff fast bis zum Gesicht gehoben hält; auch hier bildet er entzückende Folie für den Reiz dieses lebendigen Gesichte» mit den sprechenden Augen. Seit den Tagen Ludwig's XVI. beginnt eine Epoche, die für enorme Muffe eine Vorliebe hatte. Damals sah man die Damen selbst in der Oper zu Pari» mit dem Muffe. Kurz vor der Revolution trugen die Pariser Elegants beiderlei Ge schlechts derartige Riesenmüffe, und die Revolution hat zwar das Königthum, aber nickt diese Mode gestürzt und auf den Modebildern der Directoireepoche paratrren die Jncroyadle» wiederum mit diesen gewaltigen Dingern. Di« Restauration führte zuerst den Chinchillamuff ein, der bis heute seine Be liebtheit gewahrt hat; später nahm ver Muff zuweilen geradezu abenteuerliche Formen an. Seitdem das Princip ausgestellt ist, daß der Muff dem Schnitte, dem Charakter, den Farben der Toilette überhaupt angepaßt sein muß, ist es nicht mehr mög^ lich, seine Geschichte zu verfolgen, ohne eine Geschichte der ganzen Mode zu schreiben. Haben die Künstler es nicht versckmäht, den Muff zur Er höhung der Frauenschönheit heranzuziehcn, so können wir auch einen Dichter nennen, der an den Muff eine seiner poetischsten Inspirationen angeknüpft hat. Es ist Henri Murger, der geniale Verfasser der Lovovs 6o In vi« as Lotröwe, und in diesem unverwüstlichen Buche giebt es keine ergreifendere Episode, als die, die „Francinen's Muff" betitelt ist. Die arme Francine iß dem lustigen Zigeunerleben entrissen, sie lieg* auf dem Kranken lager und das Urtheil des Arztes lautet: hoffnungslos! Sie aber will nichts davon wissen, sie denkt an den Winter; dann will sic mit ihrem Jacques ausgehen, und einen Muff mochte sie haben, denn sie fürchtet sich, zu frieren. „Nimm einen guten*', sagt sie, „daß er lange hält." Und Jacqucs bringt ihr den Muss und er gefällt ihr. Da tritt die Agonie ein, die Unglückliche bebt am ganzen Körper. „Ich friere in den Händen", murmelt sie; „gieb mir meinen Muff." Die Hände in den Muff versteckt, verscheidet sie allmählich; man will ihr den Muff nehmen, sie aber sagt: „Nein, nein, laßt ihn mir; wir sind im Winter, e» tst kalt . .Und sie stirbt, ohne den Muff zu lassen. Der Maler Haquette hat vor beiläufig 20 Jahren diese er greifende Scene gemalt. Man sicht da das unglückliche abae- magertc Geschöpf, vom Lichte eines Mansardeinensters or- lcuchtet, erschöpft in ihrem Lehnstuhle sitzen; ihr ganzer Körper drückt Kraftlosigkeit aus, aber ihre Häns- halten den Muff fest und sie träumt vielleicht von lustigen Wintertagen, an denen Nr in der Gesellschaft ihres Jacques mit dem schönen neuen Muff« paradiren will. keeuvrv krimoine! . . . E» sind nicht nur lustig« G«» schicht«n, di« d«r Muff erzählt.
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