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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.01.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020103019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902010301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902010301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-01
- Tag1902-01-03
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Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 85 H. Reclamen unter dem Redactiousslrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familirnnach» richten («gespalten) SO H. Tabellarischer nnd Ziffernsap entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 35 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderung 60.—, mit Postbrsörderung 70.—. Anuahmeschluß für Anzeigen: Abend »Ausgabe: Bormittags IO Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 4. Freitag den 3. Januar 1902. 96. Jahrgang. Militärischer Rückblick auf IM. n. Die Aussichten, die sich beim Beginn des Jahres 1901 für den Frieden eröffneten, waren gerade keine günstigen, denn während in China die Beilegung der Wirren noch in weiter Ferne schien, schließlich aber nach den großen Gefechten gegen die reguläre Armee im Februar und April bei Touphtng und Huolu ihrer Lösung zugeführt wurden, wüthete der Guerilla krieg in Südafrika ungeschwächt weiter. Auch in Südamerika leuchtete die Kriegsfackel zwischen Columbien und Venezuela auf, aber das Einsetzen einer empfindlichen Kälte wird wohl beruhigend auf diese kläglichen Armeen wirken. Die Ver wendung ansehnlicher Streitkräfte aller Mächte in China hatte einen Einfluß auf die Heeresverstärkungen, welche in allen Staaten in nur geringem Maße betrieben wurden, am kräftigsten noch in Deutschland. Hier wurden fünf Escadrons Jäger zu Pferde (Meldereiter) neu aufgestellt und zu einem Regi- mentsverbande vereinigt; ferner gelangten zur Errichtung fünf Maschinengewebr-Abtheilungen, ein Fuhartillerie-Bataillon für das neu gebildete Regiment Nr. 13, ein Pionier-Bataillon Nr. 21, eine Compagnie bei der Luftschifferabthettung, welche dadurch zum Bataillon erweitert wurde, eine Compagnie beim Trainbataillon Nr. 25, das die Nummer 18 erhielt, und auS dem Bereiche der 25. (großherzoglich hessischen) Division zum XVIII. Armee corps übertrat. Bei den Verkehrstruppen wurde eine besondere Dersuchsabtheilung, bei den Jnfantrrieschulen eine neue Unter- osficirrschule in Treptow a. R. errichtet; beim Sanitätscorps gingen die Oberstabsärzte 2. Claffe ein und eS giebt nur noch Oberstabsärzte mit dem Dienstgrad und den Uniformabzeichen der Majore, auch erhielten die Sanitätsofficiere die bisher feh lenden Ehrengerichte, gleich den Offioieren des Heeres. Da» Feuerwerkspersonal erhielt eine anderweitige Organisation und wurde vollständig der Feldzeugmeisterei unterstellt. Bei den Kaisermanövern fand eine außerordentliche Betheiligung der Flotte statt, di« namentlich durch ein großartiges Landungs manöver unter dem Prinz-Admiral Heinrich von Preußen Aus sehen erregte. Oesterreich-Ungarn war mit Heeresverstärkungen nicht sehr bei der Hand; es beschränkte sich auf eine Neuorga nisation der Traintruppe, die sortan in drei Regimentern formirt wird, deren jedes in drei bis sünf Divisionen mit den Nummern 1 bis 14 zerfällt. Die Divisionen gliedern sich in Escadrons und stellen bei der Mobilmachung alle Trainforma tionen für die Divisionen u. s. w. Bei der Feldartillerie wurde an die 3^. 4. und 10. Brigade je eine Batterie von sechs Ge schützen 6/99 Hur Probe ausgegeben. Diese neuen 7,65-Centi- meter-Feldgeschütze sind aus veredelter Schmiedebronze hergestellt, auch wurden zum Vergleich solche aus Nickelstahl in Versuch ge nommen, desgleichen wurden 10,5-Centimeter-Feldhaubitzen auS Schmiedebronze erprobt. Wenn man auch zu einer Ein heitspatrone bei der Feldtanone noch nicht gelangte, so wurde doch die Metallkartusche mit Bodenzündung eingeführt; das Geschoß wird besonders eingesetzt. Auch geht man in Oester reich damit um, die Feldartillene, wie bei uns, den Divisionen zu unterstellen. Auch in Italien ist man mit einer Neubewaffnung der Feldartillerie beschäftigt und ist über die einzuführenden Ge schütze zum Schluß gekommen. Es sollen im Ganzen 90 leichte 7-Centimeter-Batterien, 225 schwere 9-Centimeter- und 32 Ge birgsbatterien beschafft werden, was bis zum Jahre 1906 durch geführt sein muß. Bei der Infanterie wurde die Bewaffnung mit dem Gewehr K/91 fortgesetzt; dieses hat nur 6,5-Milli- meter-Caliber, was bis jetzt als daS kleinste Caliber für ein Jnfanterieaewehr gilt, selbst die modernen Faustfeuerwaffen haben 7,5-Millimeter-Caliber. Für die Territorialmiliz (Land wehr) bleibt vorläufig das Vetterli-Regulirgewehr als Ordon- nanzwaffe bestehen. Die Heeresverstärkungen in Frankreich haben auch ein langsameres Tempo angenommen; es fehlt eben dort an dem nöthigen Menschenmaterral, das sich durch einfache Decrete nicht beschaffen läßt. Zwei noch rückständige Radfahrercompagnien wurden beim 132. Linienrearment in Reims und beim 147. in Sedan aufgestellt; sie erhielten Falträder und als Waffe ein mit der Bezeichnung Mousqueton versehenes Kurzgewehr, einen verbesserten Lebel. Bei den Colonialtruppen wurde rin neues Bataillon Nr. 35 für die Insel Kreta errichtet. Die Feld artillerie soll auch unter die Divisionen gestellt werden, jedoch will man dabei die Corpsartillerie beibehalten. Das neue Feld geschütz hat sich für die reitende Artillerie als diel zu schwer er wiesen; der Kastenschutz für den Rohrrücklauf und die Panzer- schutzschildc gaben dem Geschütz das hohe Gewicht von 1890 Kilo gramm, so daß es auf dem Manöver in weichem Boden mehrfach stecken blieb. Beim 5. Jägerbataillon in Remiremont wurde ein Versuch mit einem Maschinengewehr von Hotchkiß gemacht, das aber dem System Maxim erheblich nachstehen soll. Aus Rußland lauten Nachrichten über das Heer immer nur spärlich; aber die Verpflichtungen in Asien und vorab in der Mandschurei haben nur wenig Veränderungen ermöglicht. Aber auch Rußland hat ein Maschinengewehr eingefllhrt und versuchsweise fünf Compagnien ausgestellt, wovon je eine der 4., 6., 8. und 16. Infanterie-Brigade, sowie der 3. ostsibirischen Schützenbrigade auf der Halbinsel Kwantun zugewiesen wurden. Nur die letztere wurde in Kriegsstärke aufgestellt. Zur Aus bildung an diesen Gewehren wurden Officiere und Mann schaften der Artillerie commandirt; auch waren acht Maschinen gewehr-Batterien für die Truppen in Ostasicn bereit gestellt worden. Das neue Jahr findet England noch immer im Kampfe gegen das tapfere Boerenvolk, aber seine Heeresorganisation ist trotzdem seine schwächste Seite. Mit dem Werbesystem ist heut zutage nichts mehr zu machen, und auch das große Jnselreich wird sich zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ent schließen müssen, die allerdings bei den Briten auf gar keine Sympathien zu rechnen hat. Die Neuorganisation der Aeo- manry, wie sie eingeleitet wurde, ist nur eine papierne Maßregel, die kaum etwas helfen wird. Auffallend hat es berührt, daß England sich neue Feldbatterien aus Deutschland beschafft hat, was doch darauf hindeutet, daß man zu der englischen Geschütz fabrikation weniger Zutrauen hat — oder aber daß der Bedarf größer war, als die augenblickliche Leistungsfähigkeit der ein heimischen Geschühfabriken. Mit ihren Maschinengeschützen von 3,7 Centrmeter Caliber haben sie aber gegenüber den Boeren ebensowenig Erfolg erzielt, wie mit dem Lyddit, das mit so viel Reclame in Scene gesetzt wurde. Schließlich müssen wir noch die Schweiz erwähnen, welche auf dem Schießplatz zu Thun die eingehendsten Versuche mit nmen Feldgeschützen vorgenommen hat, auf die alle Artillerien der ganzen Welt, einschließlich der Geschützconstructeure, ge richtet waren. Die Ergebnisse sind noch nicht bekannt, aber daS neue System der Federspornlaffete scheint doch durch das neueste Rohrrllcklaufgeschlltz ganz bedeutend überholt zu sein. In allen Staaten ist aber den Heeresverhältnissen die vollste Aufmerk samkeit auch im verflossenen Jahre zugewendet worden, nach dem Spruch: 81 vis pacsru puru bellum i Der Krieg in Südafrika. Die angebliche Vermittelung Deutschlands tm voerenkriege. I. 0. Brüssel, 30. December. Seitens der hiesigen Trans vaalgesandtschaft wird erklärt, daß die zu Weihnachten gebrachte Meldung der „Birmingham Daily Post", Kaiser Wilhelm werde mit Zustimmung der englischen Regierung die Ver mittelung zwischen den Boeren und England übernehmen, nur ein Versuchsballon gewesen sei. Das genannte Blatt vertrete offenkundig die Politik Chamberlain's, welch' Letzterer gerne die deutsche Regierung veranlassen wolle, auf die Boeren im Sinne der gewünschten bedingsungslosen Unterwerfung einzuwirken. Dem vr. Leyds sei jedoch von deutscher Seite wiederholt ver sichert worden, daß Deutschland, wenngleich es auch nichts zu Gunsten der Boeren thun könne, doch niemals denselben die Verzichtleistung auf ihre staatliche Unabhängigkeit empfehlen werde. Ein Schweizer über den Krieg in Südafrika. Ein Schweizer, der eine Reihe von Jahren in Trans vaal gelebt hat und nun nach der Schweiz zurückgekehrt ist, schreibt der „Neuen Zürcher Zeitung" u. A. Folgendes: Bei meiner Abreise von jenem unglückseligen Lande, dessen Friede und Wohlfahrt durch imperialistischen Ehr geiz und schrankenlose Habsucht schon Jahre vor dem Kriege untergraben wurden, litt der größte Theil der nicht kämpfenden weißen Bevölkerung an einer nagenden Verzweiflung. Kein Wunder, wenn man bedenkt, daß schon vor beinahe zehn Monaten Eng lands Obercommissar seiner Regierung berichtend gestehen mußte, daß man des Krieges todtmüde sei, obwohl die Loyalisten dessen Fortsetzung bis zum erwünschten Ende seiner späteren Wiederholung vorzögen. Aber das Ende ist noch nicht da, und deshalb begreift man vielleicht in Europa die in un befangenen Kreisen Südafrikas ganz unwillkürlich entstandenen Fragen, was eigentlich die so viel gepriesene und besungene abendländische Cultur gegenüber einem nicht enden wollenden Kriegszustände bedeute und ob diese Gescrmmtcultur (die ja den Spott 'späterer Geschlechter erregen könne) so ohnmächtig sei, um nicht durch eine versöhnliche Vermittelung dem Rechte zum Recht zu verhelfen? Diesen Fragen kann man eine gewisse Berechtgiung um so weniger absprechen, als es in Südafrika voraussichtlich auf Jahre hinaus keinen wirklichen Frieden geben wird, wenn Europa die ihm durch die Gesetze der Humnaität zugcwiesene (Friedens-)Mission nicht er füllt. Der Krieg durchläuft nun schon seine vierte Phase und die Gefahr besteht, daß, wenn er sich zwischen Brite und Boer noch lange hinschleppt, weitere Phasen hinzutreten. Außer den kriegerischen« Zulu- und Basuto-Völkern giebt es in Südafrika ungefähr 2^2 Millionen Kaffern, die zum Theil auch schon Pulver gerochen haben, und was kann schließlich diese Schwarzhäute, denen Weiße das Evangelium gepredigt haben und sich nachher zum Gaudium Jener selbst bekriegen, abhalten, ihren Lehrmeister auf eigene Art „Mores" zu lehren? Man hat schon vor Monaten von einer Kaffernerhebung ge munkelt, die durchaus nicht zu den Unmöglichkeiten gehört. Was dann? Nun, dann werden die gesitteten Großmächte wieder eine Gelegenheit haben, um vereint in einem anderen Welttheile mit der kostspieligen Waffengewalt Friede und Ord nung zu schaffen, wie weiland in China. Schöne Aussichten, nicht wahr? lieber die englischen Militärbehörden, unter deren Standrecht ich in Transvaal etwa 16 Monate verweilte, habe ich keine Ursache, mich persönlich zu beklagen. Im Gegeniheil, so oft ich mit ihnen in Berührung kam, wurde ich mit höflicher Aufmerksamkeit behandelt, woraus ich niemals ein Hehl gemacht habe. Die den englischen Soldaten zur Last gelegten Grausamkeiten sind/ meines Wissens, meistens unwahr. Was sie mitunter schroffer Weise auf Befehl von Vorgesetzten thun mußten, dafür sind sie nicht verantwortlich. Der englische Durchschnitts soldat ist gemllthlich und gutmüthig, denn er hat auch ein Herz und zeigt es, wenn man ihn als Mensch behandelt. Das haben auch seine Gegner, die Boeren, wacker gethan, und gäbe es morgen Frieden, so würden sich Boer und Soldat umarmen. Mit dm irregulären Truppen dagegen stehen die Boeren auf einem weniger guten Fuße. Vor dem Kriege lebte ich mehrere Jahre unter den Boeren. Was sind die eigentlich für ein Volk? Im großen Ganzen kann ich sie nur als ein ritterliches be zeichnen; sie sind meistens von hoher Statur, sechs Fuß und darüber, breitschulterig, mit einem von der südafrikanischen Sonne gebräunten und von einem Bart umrahmten Gesicht, frugal und abgehärtet, höflich im Umgang, gastfreundlich, der Rohheit und dem Fluchen abhold, bitter und zornentbrannt im Streite, doch edelmüthig nach dem Sieg und beseelt von einem unerschütterlichen Vertrauen in die unwandelbare Gerechtigkeit Gottes, vor dem der Boer und seine Familie allabendlich im Gebet niederknietxn. Daß es auch unter den Boeren ein minder- werthiges Element giebt, ist unbestreitbar; aber wenn es wahr ist, daß der Charakter eines Menschen großentheils aus seinen Jugendeindrücken und der Umgebung, in der er ausgewachsen ist, beruht, dann kann doch keine wirklich christlich gesinnte Nation dem Boerenvolk ihre Sympathie versagen, selbst wenn dies ein akademisch so hoch gebildeter Mann wie Lord Rosebery nicht zu begreifen scheint. Zum Schluffe spendet der Schweizer den beiden deutschen Konsuln in Transvaal reiches Lob, da sie sich nicht nur der Schweizer stets bestens angenommen, sondern im Anfänge des Krieges auch noch die Interessen der Oesterreicher, Ungarn und Italiener vertreten haben. Deutsches Reich. * Zittau, 2. Januar. Die „Zitt. Morg.-Ztg." veröffentlicht folgende „V ertrauliche Mittheilung an die Mit glied er des Bundes der Landwirthe": Gegen die Getreidezölle und somit gegen die Aufbesserung des landwirthschaftlichen Gewerbes haben fol gende Zittauer Herren öffentlich Stellung genommen: Herr 'Getreidehändler M. Glaser, „ Stadtrath und Kaufmann C. Eiselt, am Markt, „ Uhrmacher Klimek, am Markt, „ Glasermeister Jeratsch, am Rathhaus, „ Kaufmann Neumann (Alkier), Bautzner Straße. Wir theilen Ihnen dies mit dem Bemerken mit, daß vor genannte Geschäftsleute ihre landwirthschaftliche Gefchäfts- tundschaft sehr niedrig zu achten scheinen. Der Bundesvorstand im Zittauer Wahlkreis. Jul. Förster. Dieses gedruckte Circular ist allen Mitglievern des Bundes der Landwirthe im Zittauer Wahlkreise zugesandt worden. Dem citirten Blatt« zufolge haben die Veranstalter des Boykotts zu erst beabsichtigt, die Action öffentlich durch Zettungen in Scene zu setzen, haben dann aber, der Warnung eines Rechtsanwalts folgend, hiervon abgesehen. Dieser vertrauliche Boycott, den gelehrige Bundesschüler ihren ostelbischen Meistern abgeguckt haben, ist ein so trauriges Zeichen von politischem Fanatismus und damit verbundener Verständnißlosigkeit, daß wir uns schämen, ihn aus einem sächsischen Orte datiren zu müssen. Wenn die sächsische Regierung und alle nichiagrarischen sächsischen Parteien «ine ähnlich« egoistisch« Geldbeutel- politik betrieben, so hätte die Zittauer Bünvlerei zwar noch keine Berechtigung, aber doch vielleicht eine Entschuldigung für ihre destruktive Thätigkeit. Wie die Verhältnisse aber in dem Jn- dustriestaate Sachsen liegen, bezeugt das Vorgehen des Bundes in Zittau eine Anmaßung, für die überdies wegen des unver meidlichen Rückschlages die Bezeichnung „unschlau* immer noch als ein opitdetou ornaus gelten kann. Berlin, 2. Januar. (Die Polen und die deutsche Sprache einst und jetzt.) Das Polenblatt am Rhein läßt sich aus Posen berichten, daß die polnischen Volksblätter Zu schriften erhielten, in denen Uber die gegenwärtigen Schul- ver hält nisse in der Provinz Posen bitter geklagt werd«. Alle diese Stimmen klängen dahin aus: „Früher war es besser mit der Schule bestellt. Wir haben polnisch, aber wir haben auch deutsch gelernt, denn damals hat uns der Lehrer Alles, was wir nicht verstanden, polnisch er klärt. Unsere Kinder gehen schon viele Jahre in die Schule und sie können weder polnisch noch deutsch." Die schärferen Maßnahmen gegen das Polenthum datiren bekanntlich — von dem Caprivi'schen Intermezzo 1890—94 abgesehen — aus der Mitte der achtziger Jahre. Diejenigen also, Vie Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre in dem Alter zwischen 20 und 50 Jahren standen, also die Mehrheit der er wachsenen polnischen Bevölkerung ausmachten, hatten also ihren Schulunterricht zu einer Zeit genossen, in der nach der „Köln. Volksztg." und den polnischen Blättern die Kinder gut deutsch gelernt hatten. Wer aber zu jener Zeit in der Ostmark amtirt hat — und es fehlte damals nicht an aus dem Rheinlande und Westfalen stammenden polnischen Richtern, bei denen sich ja die „Köln. Volksztg." erkundigen könnte — hat oft genug mit Schmerz die bis ins Unendliche hinausgezogene Dauer der Ge richtssitzungen empfunden, weil aller Augenblicke polnische Zeugen oder Parteien mit Hilfe des Dolmetschers vernommen werden mußten. Wenn diese Leute also, die vor dem Jahre 1885 die Schule besucht hatten, der deutschen Sprache nicht mächtig waren, so waren doch nur zwei Möglichkeiten vorhanden: entweder sic hatten das auf der Schule erlernte Deutsch wieder vergessen — und dann konnte es mit der Vortrefflichkett des Unterrichts nicht weit her gewesen sein, denn die polnischen Kinder lernen doch nicht die deutsche Sprache, um sie als Kinder, sondern um sie als Erwachsene sprechen und verstehen zu können —, oder aber sie wußten mit der deutschen Sprache ganz gut Bescheid und der leugneten nur demonstrativ deren Kennttttß. Beides mag gleich häufig gewesen sein, aber es verlohnte nicht, eine Statistik darüber aufzumachen, denn der Effect war ja praktisch ein und derselben: es mußte vor einem deutschen Gerichtshöfe mit deut Fettttlrtsn. Vie LwMi. Ein Bild auS dem südruffischen Leben. Von Hedda von Schmid (Sternberg in Esthland). lialvrni»' verpulim. Die Zeit zwischen dem Weihnachtsabend und dem Tage der heiligen drei Könige nennt man in Rußland „die Swjätki". In diesen zwei Wochen versuchen Hoch und Gering, civilisirt« Leute und unwissende Steppenbauern daS Schicksal zu er forschen. Natürlich sind eS in erster Linie die jungen Mädchen, welche gern erfahren wollen, wen di« Vorsehung einer Jeden zum Manne bestimmt. Im Steppendorf, in Südrußland, wo ich mein« Kindheit verbracht«, gab ei wohl kaum Ein« unt«r der weiblichen Jugend, die nicht in der Swjätki daü Schicksal befragt, und ich selbst bin als halber Backfisch eifrig dabei gewesen, wenn die älteren Schnxsiern meiner Spielkameradin, der DoctorStochter, — mit der zusammen ich damals mein« kindlichen, in Reimen verfaßten Lustspiel« auffühxte — fiebernd vor Aufregung und Erwartung ihre Fragen an Vie Zukunft stellten. Der Abend war frofiklar, und der spärlich g«fall«ne Schnee knirscht« leise unter unseren Füßen, al« wir vor da» Haftbar eilten und lauschend stehen blrebin, um festzustellrn, tn welcher Richtung ein Dorfhuttd bellte. „Dort wohnt dir Zukünftige", hieß eil dann. Ob di» Dockorltöchter sich von einem Bauerndurschen gern hätten hrimslthrrn lassen, bleibe dahingestellt — übrigen» rin Steppendoctor mit acht lebendigen Kindern darf sich sein« Schwiegersöhne »richt gerade lang« auswählen, und von der hsheren BÜbuag hatten bi, dravrn, fletßtgen Mädchen, di« so nüchtern und hausbacken wie nur irgend möglich waren,-keinen Schimmer. Und schlug wirklich irgendwo — während wir gespannt lauschten, «in Hund an, so ahnte daS gute Thier natürlich nicht, daß sich an sein Gebell, das vielleicht an d«n Mond gerichtet war, kühne Hoffnungen, welch« in einem Mädchenherzen Wurzel schlugen und in Brautkranz und Schleier gipfelten, geknüpft wurden. Oft vermummten wir uns Abends bis zur Unkenntlichkeit mit Pelzen und Tüchern, und dann ging es lachend und flüsternd die breite Dorfstraße entlang und in «in oder das andere Bauern gehöft hinein mit der rasch hervorgestoßenen Frage: „Wie heißt der Bräutigam?" Die Namen, welch« man zur Antwort erhielt, waren nicht immer gerade wohlklingende, denn der Hauptscherz lag darin, einen reckt wenig gebräuchlichen oder besonders häßlichen Namen zu vernehmen. Wir beiden Kleinen, meine Freundin und ich, hielten immer voll Eifer mit, wir fanden dieses Schicksalsbefragen interessant, und wenn dann unser kalmückischer Diener, d«r mich von meinen Besuchen bei Doctors abzuholen Pflegt«, erschien, so rief die» bei mir stet» «in lebhafte» Bedauern hervor, denn in der „Swjätki" fand ich es ganz besonders schön, wenn die drei großen Mädchen uns kleinen erlaubten, an ihrem theils scherz haft, theil» mit vollstem Ernst betriebenen Zukunstserforschen theilzunehm«». Besonder» beliebt war dar Holztragen. Man eilt« zum Holzstapel, der sich auf dem Hof« befand, raffte einen Arm voll Scheit«, um dieselben in der Stube auf di« Diele fallen zu lassen. Nachher zählte man, wie viel «» ihrer waren — so diel Scheite, so vi«l Jahre noch muh die Braut warten, bi» der ihr bestimmt« Gatte sie heimholt. Di« Bermuthung lieat nah, daß di« Mädchen, um dem Schicksal ein wenig naHuhelfin, sich nicht g«rad« mit Holzscheitin über- kästet««. v Dann kam gewöhnlich das Pantoffelwerfen an die Reihe. Man stellte sich vor die Hausthür, zog seinen Schuh aus und schleuderte denselben, während man auf einem Bein balan- cirte, rückwärts über den Kopf. In der Richtung, in welcher der Schuh den Erdboden be rührte, wohnte der Bräutigam. Es sind dies alles Gebräuche, wie sie in den Dörfern der Astrachanschen Steppe üblich sind, doch auch in den Städten kennt man sie. In der NeujahrSnacht baut sich manches junge Mädchen eine Brück«, d. h. legi «inen dünnen Holzspan über eine mit Wasser gefüllte irdene Schüssel. Im Traum erscheint alsdann der Zukünftig« und schreitet über diese Brücke. Es gehört allerdings viel lebhafte Phantasie dazu, um sich diesen Vorgang als wahrscheinlich auszumalen, viel Phantasie und viel Aberglaube, und trotzdem liegt in diesen, seit Tradi tionen herrschenden, in der „Swjätki" üblichen Gebräuchen ein gewisser Reiz. Ein weiterer Brauch ist, einen Badestubenofen anzuheizen, um sich alsdann vor denselben zu setzen und dort auf vas Er scheinen des Zukünftigen zu warten. In unserem Dorfe harte ein junge» Bauernmädchen, seine Zaghaftigkeit besiegend, sich vor den brennenden Badestubenofen gesetzt, in Erwartung der Dinge, di« da kommen würden. In der That ging ein junger Bursche, nächtlich aus der Schenke kommend, in der Näh« der Badestube vorüber, und den Hellen Feuerschein, der aus ihr drang, gewahrend, trat er ein, und, auf der Thürschwelle stehen bleibend, sah er sich zu seinem Erstaunen dem Mädchen gegenüber, da» ihm von allen Dorf« schönen am meisten gefiel. Die grenzenlos Ueberraschte schrie vor Schreck laut auf beim Gedanken, daß die Gestalt in der niederen Thür am Ende «lnr vkston und kein Mensch von Fleisch und Blut sein könne. Bewußtlos sank sie zu Boden. Langi-schwebte sie zwischen Leben und Tod, denn durch den heftigen Schreck hatte sie sich eine Gehirnentzündung zugezogen. Aber, nachdem sie glücklich genesen, schickte der Bursch, der sie in der Neujahrsnacht überrascht, die „Saracha", d. h. die Heirats vermittlerin, zu ihren Eltern, und als im Frühjahr die ersten Hyazinthen auf der St«ppe blühten, wurde im Dorf eine fröh liche Hochzeit gefeiert. Ich muß gestehen, daß ich noch jetzt, wo meine eigenen Töchter bald in dem Älter sind, in welchem ich mich damals in der Steppe während der Swjätki so intensiv für das geheimnißoolle Schicksalsbefragen begeisterte, in der Zeit zwischen dem Weih nachtsabend und dem Tag der heiligen drei Könige, gern die alten lieben Kindheitserinnerungen auffrische. Der Steppen doctor ist inzwischen gestorben — vielleicht ans stiller Verzweis lung darüber, daß seine Töchter — wie ich mir habe sagen lassen — trotz aller Bemühungen, den Schleier, welcher die Zukunft verhüllt, zu lüften — bis jetzt noch keine Bewerber ge funden. Ich erinnere mich, daß, als ich eickst am Scharlachficbcr krank lag und der alte Doctor mich besuchte, er auf meine theilnehmende Frage nach seinen Töchtern, welche gleich mir den Scharlach hatten, trocken erwiderte: „Ach Gott, noch denen braucht man gar nicht zu fragen — die sind auch mit einem Beil nicht umzu bringen." Dieser liebevoll« Vater besaß für all' unsere Versuche, die Zukunft zu ergründen, ebenfalls kein Nerstiindniß. „Hundegebell kann man das runde Jahr hindurch hören — Ihr holt Euch im Schnee nur den schönsten Schnupfen." Wenn letztere» auch dazwischen der Fall gewesen sein mag — ich habe mir doch noch etwas Andere» geholt: dl« liebe Erinne rung an di« Zeit der „Swjätki* In der sudrusstschen Steppe.
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