Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.01.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020108019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902010801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902010801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-01
- Tag1902-01-08
- Monat1902-01
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
' Bezugs-Preis st, der Hauptexpedition oder den im Stadt- bezirk und den Bororten errichteten Aus gaoestellen abgehvlt: vierteljährlich 4.50, — zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: virrtrljährl. 8. Man abonuirt serner mit entsprechenden, Postaufschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem bürg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischer Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese- Blatte- möglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint um >/,7 Uhr, die Abend-AuSgabe Wochentag- um 5 Uhr. Lrdartion und Expedition: Iohannisgasse 8. Filiale«: Alfred Hahn vorm. O. Klemm'» Sortim. Universitätsstraße S (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. MorgenMudgabe. eipMer TMblalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Zisfernsatz entsprechend höher. — Vebührrn für Nachweisungen und Offertrnaunahme 25 H sexcl. Porto). Extra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. ^unahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen find stet« au die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 12 Mittwoch den 8. Januar 1902. W. Jahrgang. Zur Reform -es Aktienrechtes. in. Man wird aus der kurz resumirenden Darstellung unsrer voraufgegangenen beiden Artikel dock sicher den Eindruck erhalten haben, daß der Gesetzgeber mit Scharf- sinn, ja man möchte sagen mit Raffinement bemüht gewesen ist, dem Schwindel jede Ritze, durch die er eindringen könnte, zu verstopfen. Und wenn dennoch wieder großes Unglück geschehen, woran liegt die Ursache? Muß man überhaupt auf die Hoffnung verzichten, etwa- Wirksame« durch die Gesetzgebung leisten zu können, oder hat doch vielleicht die Gesetzgebung einigen Antheil an der Schuld? ES kann natürlich hier nicht unternommen werden, an alle die oben mitgrtheilten Punkte, Cautelen und Straf vorschriften die Kritik anzulegen, eS sollen nur einige, wie es scheint, wichtige Fragen zur Diskussion gestellt werden: 1) Die Gesetzgebung hat, wie sich auS der histo rischen Entstehung des Gesetzes von 1884 leicht erklären läßt, den Schwerpunkt darauf gelegt, den bei den Gründungen vorgekommenen Täuschungen de- Publicum« vie Wege zu verlegen; aber ist der Erfolg der erwartete gewesen? 2) Sind die in Bezug auf die Organisation der Ver waltung und Controle getroffenen Bestimmungen glückliche gewesen? 3) Hat die Gesetzgebung mit Recht die Forderung der Specialisirung für einzeln« Unteroehmung-gebiet» zurück gewiesen ? Zu t. Die Mängel, die der heutigen Gesetzgebung an- haften, sind wohl vorwiegend auf den unter 2 und 3 berührten und zu erörternden Gebieten zu suchen, und dennoch bedarf eS der reiflichsten Prüfung, namentlich durch die berufenen Handelsorgane, ob nicht der Sitz des Nebel» zum Theil auch in den Bestimmungen über die Gründung und da«, was damit zusammenhängt, zu suchen sei? ES wird sich dabei namentlich darum bandeln, ob der Gesetzgeber gut gethan hat, da- englische System der Grün dung zu verlassen und dafür dem französischen sich an- zuschließen. Da« erstere, wie eS damals durch die gründ- legende Companies ^ct von 1862 festgelegt war, unterschied sich namentlich dadurch von dem französischen, in Deutschland angenommenen Systeme, daß die Eintragung in da« Gesell- schaftSregister, durch welche die Gesellschaft entsteht, nicht die Zeichnung des ganzen statutenmäßigen Grundkapital« voraus setzte, vielmehr für sie nicht« weiter forderte, al« die Unter zeichnung einer Gründungsurkunde, des sog. momoranckum ok associutiou, durch mindestens sieben Aktionäre, von denen jeder wenigsten« eine Aktie übernehmen muß. Dieser Gesell schaft wurde nach dem Gesetze von 1862 die Rechtspersönlich keit verliehen, und der so errichteten Gesellschaft blieb es überlassen, das weiter« Capital durch Actienzeicknungen zu erlangen. Die citirte Denkschrift de» BundeSrathe« erhob gegen diese« System hauptsächlich folgende Bedenken: „Grundkapital und SesellschostSzweck stehen in einem unlöslichen Zusammenhang«; zeigt es sich, daß das erstere nicht aufgebracht werden kann, so ist der letztere unerreichbar; dl« Gründung war dann völlig verfehlt und dir Gesellschaft frlbst ohne Existenzberech- tigung. Denjenigen, welche Aktien zeichnen oder kaufen, bevor das für den Zweck erforderliche Capital gedeckt ist, fehlt es an jeder Sicherheit. Mit der den Grsellschaft-organrn auferlegten zeitweisen Veröffentlichung de- Capitalzuwachse« ist ein« Sicherheit nicht ge- geben, und mit dem Recht« der Einzahler, sofern innerhalb be- stimmter Zeit nicht das Capital beschafft oder der Geschäftsbetrieb begonnen ist, di« Liquidation zu verlangen, ist es keineswegs identisch, daß durch dieselbe der eingezahlte Betrag unverkürzt in di« Hände des Einzahler« zurückgelangt. Auch ist nicht abzusehen, wie die Gründer deshalb, weil sie nicht mit der Rolle der Zwischen- Händler, sondern schon mit der Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft bekleidet sind, sich für da- Risiko der Unterbringung der Aktien eine geringere Prämie bedingen sollten; umgekehrt scheint eS, als ob die Prämie höher fein müßte, da die Zwangslage und dos Risiko für die Unternehmer, das Publicum zur Betheiligung zu gewinnen, an- gesicht« der drohenden Wiederauslösung und Restitutionspflicht größer ist. Entbehrt so die Aktiengesellschaft jeder sicheren Grund lage für die Betheiligten, so schädigt sie zugleich den öffentlichen Credit, indem sie den Geldmarkt ohne Garantie sür die Erreichung des vorgestecktrn Gesellschaft-Zweckes in Anspruch nimmt, mit nutz- losen Aktien überschwemmt und die ihr zugewendeten Capitaliea unproduktiv frstlegrn oder verwenden muß. E« haben sich deshalb auch die neuesten Resormbestrebungen in England dahin geäußert, diesen hrrvorgetretenrn Mängeln Abhilfe zu lchaffeu, ohne daß S bisher gelungen ist, eine gesetzliche Regelung herbeizusühren." Die Einwendungen, die sich gegen dirse Bedenken machen lassen, liegen nahe. Und von Bedeutung ist eS doch gewiß, daß auch die neu« englische BerbesserungSacte zu der Gesell- schaftSacte vom 8. August 1900 (mitgetheilt m der Gold- schmidt'schen Zeitschrift für da« grsammte Handelsrecht, Bd. 50, Iahrg. 1900, S. 526 fg., mit Uebersetzung) zwar mancherlei Verschärfungen bringt, aber an dem Grundgedanken doch festbält. Man darf und muß wohl annehmen, paß der Grund dafür nickt in einer Unfähigkeit, gesetzaeberisch neue Bahnen einzuscklagen, ließt, sondern da» Ergevniß der Er fahrungen ist, die man seit 40 Jahren gemacht bat. Aber auck vom allgemeinen Gesichtspunkte auS muß man poch sagen, dadurch, daß da» Grundkapital für eine Aktien gesellschaft voll gereichnet ist, ist deren Existenzberechtigung ja nicht bewiesen. Man braucht nur an die Trrbergesell- schaft zu erinnern. Und ist es denn für den Eapitalmarkt besser, wenn nur ein vergeblicher Versuch gemacht worden ist, da« Publicum zu Zeichnungen «inzuladrn, oder wenn da» ganze Capital gezeichnet und die Aktien in da« Publicum gebracht sind, oder die Effectenbestände der GründungSbanken füllen? Dock jedenfalls da« Erster». Da» vom brutschen Gesetzgeber angenommene System scheint an znri grundsätzlichen Mängeln zu leiden. Einmal: «S verstößt gegen da« Naturgesetz der Entwickelung und sodann: treibt ungewollt da» w<»ss«r auf die Mühlen der GründungSbanken. Dadurch, daß es Vollzeichnung der Aktien verlangt und daß gegen spätere Erhöhungen des Aktienkapitals erschwerende Cautelen ein geführt sind, werden die Aktiengesellschaften genöthigt, das Aktienkapital von vornherein reichlich zu bemessen; da« Capital will verzinst sein, also muß ein dem reichlichen Capital entsprechender Betrieb eingerichtet werden. Dazu kommt eine gewisse Widerstandslosigkeit des Kaufmanns gegen den Techniker; der Letztere imponirl leicht dem Ersteren durch an scheinend geniale Pläne, neue, noch nicht erprobte Erfindungen und dergl., und so werden leicht großartige Anlagen für Unternehmungen hergestellt, die ihre Existenzberechtigung wohl durch Betrieb im Kleinen hätten beweisen, da« unver meidliche Lehrgeld im Kleinen hätten zahlen, sich ihre Kund- chast allmählich hätten erwerben sollen. Der Schaden solcher Internehmungen kann aber ein großer sein sowohl ür die bestehende Industrie, die unter den kranken Internehmungen leidet, wie der solide Handel unter den Ausverkäufen, al« auch für da« Publicum und den Capital- markt. Die geschilderten Gefahren sind aber um so größer, al« diese Schöpfungen vielfach von GründungSbanken auS- gehen. E« ist absolut unmöglich, daß die Leiter derartiger Banken ein eindringendeS sachliches Verständiß für die ge planten Unternehmungen, ihre Voraussetzungen, ihre For derungen haben; sie müssen sich begnügen, einen für gut gehaltenen Techniker zu gewinnen, und wie oft werden darin Fehlgriffe gethan; die Gründungsbank hat auch kein Interesse daran, die Aclien der neuen Gesellschaft lange im Portefeuille zu behalten und die Entwicklung des Unternehmens fürsorglich zu überwachen. Sie bat nur Interesse daran, daß bald eine Hohe Dividende vertheilt wird, damit si« ibrer Aktien zu hohem Course sich entledigen und neue GründungS- objecie suchen kann. Gerade manche von den Cautelen, die der deutsche Gesetzgeber gegen den GründungSunfug ge sucht hat, dürsten dazu geführt baden, die Simultangründung zur Regel, die Successivgründung zur Ausnahme zu macken und damit die hauptsächliche GründungSthätigkeit in die Hände der Gründungsbanken zu bringen, und dazu gehört das Er- fvrderniß der Vollzeichnung. Es dürfte von Interesse sein, feftzustellen, inwieweit diese Vermuthung zutriffl. Allerdings wirken dazu auch nock andere Umstände mit, so der Minimal betrag der Aktien, 1000 während in England keiner fest gesetzt ist, und die Höhe der Einzahlung 25 Procent; in England nur 5 Procent. Werden aber Simultangründnngen durch Gründungsbanken zur Regel, dann werden auch die Cautelen, die man in den Zeichnungsscheinen als Formalacten in der successiven Verantwortlichkeit der Zeichner rc. suchte, hinfällig, die Prüfung über die GründunqSvorgänge und der Bericht darüber verliert an praktischer Bedeutung, die bei Successivgründungen vorgeschriebene constituirende Versamm lung fällt weg; die Hoffnung also, die die Denkschrift, wie oben erwähnt, aussprach, daß die Gründer bloS nach wirtb- schaftlicken Rücksichten prüfen würden, welcher Weg, Simul tan- oder Successivgründung, zu wählen sei? dürfte wohl nicht in Erfüllung gegangen sein. ES erweisen sich sonach die gegen das englische System ausgestellten Bedenken in manck>er Hinsicht als fragwürdig, die Mittel, um die Mängel des zur Grundlage angenommenen französischen Systems zu mildern, als nicht erfolgreich. Die deutsche Gesetzgebung hat sich ja auch inzwischen durch da« Börsengesetz vom 22. Juni 1896 HK 36 fg. dem Prospectsystem wesentlich genähert, und es käme nur darauf an, das System auf die Entstehung der Aktiengesellschaft selbst zu übertragen. Dabei ist andererseits zu beachten, daß das betr. neue englische Gesetz sich bemüht hat, die dem englischen System anhaftenden Mängel möglichst zu beseitigen. ES kann hier auf das Einzelne nickt ein gegangen werden, es soll nur erwähnt werden, daß sür den Prospekt, den jede das Publicum zu Zeichnungen einladende Aktiengesellschaft auszugeben hat, wesentlich verschärfte und speciellere Vorschriften gegeben worden sind (8 0 und 10), die einer Täuschung de- Publikums vorbeugen sollen; ferner sind Einschränkungen gegeben sür die Zutheilung von Actien (8 4 und 5), für den Geschäftsbeginn (8 6) rc. Die Zuthei lung von Aktien darf nur erfolgen, wenn der etwa in dem GründungSplan oder in dem GesellschaftSstatul festgesetzte und in dem Prospekte al« der Mindestbetrag von Zeichnungen namhaft gemachte Betrag, aus Grund dessen die Direktoren zur Zutheilung der Actien schreiten können, oder fall- ein solcher Be trag nicht festgesetzt oder namhaft gemacht ist, der ganze Betrag des zur Zeichnung aufgelegten Aktienkapitals gezeichnet worden ist. Ein charakteristischer Zug de« englischen Rechtes ist aber der, daß da- Moment der Person nickt so hinter der Capital- vereinigung znrücktritt wie bei uns. Man hält deshalb fest an der NamenSactie. Zwar kann nach einem Gesetze von 1867 die NamenSactie in eine Inhaberaktie nach Vollzabluug ver wandelt werden, aber doch nur, sofern die« in» Statut oder durch Specialbeschluß vorgesehen ist, und der Inhaber einer solchen Actie (sdru-e vmrrants) ist nicht befähigt, solche Aemter der Gesellschaft zu bekleiden, zu deren Ausübung der Besitz von Actien vorgeschrieben ist. Darauf aber legt da« englische Recht da« größte Gewicht, daß die Personen, welche die Gesellschaft leiten sollen, in der Regel persönlich mit ihrem Vermögen dabei intrrrsstrt sind und daß diese Personen gleich bei der Gründung hervortreten. Nach 8 2 soll Niemand in dem GesellschastSstatut einer Gesellschaft zum Direktor ernannt werden, noch al« Direktor oder vorgeschlagener Director in dem von einer Gesellschaft herau-gegebenen Prospekt namhaft gemacht werden, wenn er nicht vor drr Eintragung ve« Statut« oder Veröffrntlickung de« Prospekte» ersten» rin« schriftlich« Einwilligung, als solcher Direktor tbätig zu sein, gezeichnet und bei dem Registerbeamten hinterlegt bat und entweder den GründungSplan für eine Anzahl von Actien, welche nicht weniger, al» für die Stellung erfordert wird, fall» die« der Fall, betragen darf, gezeichnet hat oder eine schriftliche Erklärung gezeichnet und bei dem Register beamten hinterlegt bat, nach wrlckrr er fick verpflichtet, von der Gesellschaft seine OualisieationSactien, fall« solche erfordert werden, zu entnehmen und dafür zu zahlen; «in Director geht s«inrS Amte« verlustig, wenn er nicht innrrhaib zwei Monaten von seiner Anstellung an seinen Aktienbesitz er langt bat oder wenn er nach zwri Monaten aufhört, drn rrsordrrlichra Lcti«ab»sitz tnrr« zu haben Ist auch die Vorschrift noch nicht ganz Zwang-Vorschrift, so vertraut man doch darauf, daß das Publicum sehr bald lernen wird, diejenigen Gründungen mit Mißtrauen zu be trachten, die eine Actionärbetheiligung für ibre Direktoren nicht vorschreiben. DaS hängt nun freilich Alles zusammen mit der Stellung, die den Organen der Gesellschaft im eng lischen Reckte und bei uns gegeben ist, und da- führt uns zu der oben angeregten zweiten Frage: Sind die in Bezug auf die Organisation der Verwaltung und der Controle getroffenen Be stimmungen glückliche gewesen? Der Krieg in Südafrika. Mene Tekel. Die Londoner „Finanz-Chronik" bringt eine weitere Fort setzung aus dem interessanten Tagebuche einer deutschen Frau, die kürzlich aus Transvaal zurückgekehrt ist. Wir lesen da: Die Ereignisse der letzten drei, namentlich aber der letzten zwei Jahre haben dieses Mißtrauen in und die Unzufriedenheit mit der Staatskunst der britischen Regierung weiter erhöht und da» Vertrauen in die vollstreckende Macht und Kraft de« Mutter landes bedenklich erschüttert. Jedem Einzelnen in Südafrika, die Schwarzen nicht ausgenommen, ist es tm Verlauft des Krieges klar geworden, daß, mit einem Wort«, die Engländer den Boeren nicht gewachsen sind. Allgemein sagt man, daß, wenn die Boeren bei Ausbruch des Kriege« ihre Uebermacht und die errungenen Bortheile auigenützt hätten und statt sich vor Mafeting und Kimberley mit einer Armee festzulegen, in die Capcolonie vorgedrungen wären, England keine Aussicht gehabt hätte, die Einnahme von Capstadt, Port Elisabeth und der an deren Hafenstädte verhindern. Die ganze Boerenbevölkerung der Capcolonie wäre in einem solchen Falle wie ein Mann auf gestanden und Südafrika wäre dann für England so gut wie verloren gewesen. Das „Wenn" spielt dabei freilich seine große Roll«. Allein, mit der Absperrung der freien Landung, hätten Truppen in solchen Massen gelandet werden können? Man sieht, was die Boeren jetzt noch ohne Artillerie und ury 30 000 Mann schwächer fertig bringen. Was hätten sic im Besitze ihrer vor züglichen Artillerie, vollzählig und von anderen 30 000 Cap- boeren verstärkt, Landungsversuchen an der schwer zugänglichen südafrikanischen Küste gegenüber fertig bringen können? England hätte Südafrika nie wieder zurückgewonnen. Wie, wenn Eng land außerdem mit einer außereuropäischen Macht in Verwicke lung gerathen, z. B. von Rußland in Assen bedroht und an gegriffen worden wäre? Es hätte keine Truppen für Südafrika übrig gehabt; es hätte, was dort war, zur Rettung des werth volleren Besitzes Indiens zurückziehen müssen. Darauf rechneten die Boeren und, wenn sie jetzt auch in der augenblicklichen Krise nicht länger darauf zählen, so werden sie doch wieder darauf rechnen. Glaub« Niemand, daß mit dem Ende des jetzigen Krieges auch das Ende der südafrikanischen Frag« gekommen sei. Wenn sich auch die aus der Gefangenschaft zurückgekehrten Boeren und die zur Unterwerfung gebrachten tapferen Männer, die bis zu Ende im Felde blieben, ruhig auf ihren Farmen verhalten und sich in die neugeschaffene Lage fügen werden, so wird in ihnen und in ihren Nachkommen der Entschluß nie ab sterben, die verhaßte Fremdherrschaft abzustreifen und die Selbst ständigkeit wieder zu gewinnen. Sie werden die Gelegenheit ab warten, wenn England anderweitig mit allen seinen Kräften en- gagirt ist, und dann wird der neue und endqiltigc Kampf um Südafrika ausgefochten werden. Fester als je wird das ganze Boerenclement nach dem Kriege zusammenstehen und seine Ge legenheit abwarten. Südafrika kann daher keinem dauernden Frieden entgegensehen. Die einzige Möglichkeit läge darin, die Boerenbevölkerung zu anglisiren. Dazu ist aber so gut wie keine Aussicht vorhanden. Der Boer ist zähe; hängt mit jeder Faser an seinem Taal und seiner Eigenart, und überall zeigt es sich, daß der Engländer weit eher Verholländert, als daß der Boer anglisirt wird. Sein ererbter .Haß gegen England hilft da mit. Er ist Boer und wird Boer bleiben, und alle Freiheiten und Segnungen, die überall der englischen Regierung folgen, wo das britische Banner entfaltet wird, werden daran nichts ändern. Der Capboer ist der beste B«w«is dafür. Er ist unter der bri tischen Regierung wohlhabend geworden, ist gebildeter, auf geklärter, civilisirter als der Transvaal«!; genießt als britischer Bürger alle Freiheiten, und doch ist er mit England unversöhnt, ein geheimer Feind und — Boer geblieben. Ohne Boer wird man aber in Südafrika nicht fertig, und der britische Afrikander fängt jetzt mit dem Boer an, den Gedanken an «in Vereinigtes Südafrika hoch zu halten — ein Afrika, frei von aller Bevor mundung, das die britische Constitution als Erbe behält, sonst aber als freie Vereinigt« Staaten von Südafrika «in selbst ständiges Dasein führt. Für diesen Gedanken werden beim nächsten Freiheitskriege die Boeren nicht wieder allein stehen — der jetzige Krieg schmiedet die Bande der Zusammengehörigkeit aller Afrikander, die «rkennen, daß nur im Zusammenstehen das künftig« Heil ihres Landes liegt — der innere Friede, ohne den kein Gedeihen denkbar ist, und der nur auf dem Wege der Los trennung von England möglich ist. * Utrecht, 7. Januar. (Reuter.) Die Nachricht, daß Präsident Krüger Schalk-Burger gebeten hab«, di« Ansichten der Boeren- general« hinsichtlich der Möglichkeit «ine» Fri«d«u-fchlusseS zu sammeln, ist vollständig erfunden. Deutsches Reich. -r- Verltn, 7. Januar. (Da- bayerische Lentrum, Italien und drr Dreibund.) Da» officielle Organ drr bayrrischen Centrum-partrt hat «s von jehrr für seine Aufgab« gehalten, Italien zum Aus tritt aus dem Dreibund« anzustacheln. So schrieb die „Neue Bayr. Ztg." im Frühling« de» vergangenen Jahre» wört lich: „Die wirthschaftlichen Interessen Italern» weisen e» zweifellos aus Frankreich hin.. . . S^in Bündniß mit Oesterreich und dem deutschen Rriche ist ganz widernatürlich." Dasselbe Organ benützt jetzt das italienisch-französischrAb- kommen üb«r Tripoli» dazu, den Italienern folgenden Rathschlag zu geben: ,,S» ist doch unbrstrrttbar, daß Jtalirn, nnnn r» srine Jntrrrffen durch Frankreich »sicht mehr lndroht, sondern gewahrt ft«ht, kein Interesse daran hat, sein« schwer» Rüstung für d«n Drribund zu t«g«n. Da» Bündniß der beiden romanischen Staaten ist das einzig naturgemäße." — So schließt «in deutsches Blatt «inen Artikel, dessen leitender G^ danke ganz zutreffend der Absicht Frankreichs gilt, den Dreibund zu sprengen! Ist eine derartige Stellungnahme für eine deutsche Zeitung im Allgemeinen ein Skandal, so scheint es im Besonderen geradezu als frevelhaft, daß die „Nerre Bayr. Ztg." durch va» Auftischen einer nackten Unwahrheit Italien zum An tritt- aus dem Dreibunde anreizt. Diese Unwahrheit besteht in der Behauptung, daß Italien „seine schwere Rüstung" „für den Dreibund" trage. Me eS hiermit in Wahrheit bestellt ist, hat die „Nordd. Allg. Ztg." am 26. März 1901 in einer halbamtlichen Darlegung festgestellt, in der wörtlich gesagt wurde: „Der Dreibund vertrag läßt allen drei Verbündeten voll« Freiheit hinsichtlich der Festsetzung ihrer Land- und Seestreitkräfte. Falls einer der Verbündeten eine Verminderung seiner Armee durch seine eigenen Interessen für geboten hielte, würde dies weder dem Geiste, noch dem Buchstaben deS Vertrages wider sprechen. Jeder der drei Theilnehrner am Dreibunde hat, sowohl für sich, wie auch für 'die beiden Verbündeten, an dem Grundsätze festzuhalten, daß die Bestimmung der Heeresstärke lediglich eine innere Angelegenheit des betreffenden Staates ist. Es ist zeit gemäß, auch dies« Thatsache hervorzuheben, gegenüber der von mancher Seite geflissentlich verbreiteten Legende, daß die finan ziellen Schwierigkeiten Italiens mit den vom Dreibunde auf erlegten Verpflichtungen zusammenhängen. Solche Ver- pflichtungengiebtesnich t." — Es ist nicht überflüssig, angesichts der erneuten falschen Anschauung des officiellen Organs der bayerischen Centrumspartei die vorstehende Kundgebung des deutschen Regierungsblatt«-, di« selbstverständlich ven wirklichen Sachverhalt klarlegt, ins Gedächtnis zurückzurusen. Daß die „Neue Bayr. Ztg." sich über j«ne Kundgebung skrupellos hinweg setzt, beleuchtet grell die Art, in der die bayerische Centrumsparte: deutsch- Interessen wahrnimmt. 6. Berlin, 7. Januar. (WennEiner eine Reise thut . . . .) Der alten und der neuen Welt ist großes Heil widerfahren; denn d«r Herr Geh. Commerzienrath LudwigMaxGoldberger ist über da» balkenlose große Wasser gefahren und unterrichtet durch „Privat-Kabeltelegramme via Azoren-Emden" seine näheren Mitbürger über die Eindrücke, oie er dort gewonnen, und über die Empfänge, mit denen er dort g«. fei«rt wurde. Man hört, daß die New-Uorker Handelskammer den genannten Herrn begrüßte und daß Letzterer in demselben Kreise „betonte": „Die Erde biete Raum für Alle". — Außer dieser Offenbarung, die den ganzen Erdkreis ihrer Originalität wegen ohne Zweifel verblüffen wird, hat Herr Goldberger „drüben" indessen auch wirklich nützliche Erfahrungen gemacht Dahin gehört seine einem Wiener Blatte übermittelte Ansicht, daß die glänzend« wirthschaftliche Entwicke lung derVereinigten Staaten in den letzten Jahren „erleichtert war durch die Zollgesetzgebung, die man zunächst hier in keinem Puncte revidiren wird". — Herr Goldberger hat seiner wirthschaftspolitischen Ansichten wegen im freisinnigen Lager Freunde genug. Was werden diese zu der im Vorstehenden erkennbaren Würdigung des amerikanischen Schutzzolls durch Herrn Goldberger sagen? Und wird Herr Goldberger selbst nachträglich nicht darüber erschrocken sein, daß er das Schutzzollsystem der Vereinigten Staaten so günstig Leurtheilt Hot? Mit Stillschweigen an dieser Auslassung des Herrn Goldberger vorüberzugehen, dafür liegt um so weniger Anlaß vor, je größer die Wichtigthuerei des H«rrn Goldberger mit seinem Ausfluge nach der Union ist. * vkrltn, 7. Januar. Der deutsche AerztevereinS- bund bereitet eine allgemeine Kundgebung der Aerz te zur Durchsicht des Krankencassengeseyes vor. An die ärztlicken Vereine, die dem AerztevereinSbunde angehören, ist vom GeschäftSauSschnß deS Bunde« folgende« Rundschreiben versandt worden: „Es ist erforderlich, daß die unserem Bunde angehörenden ärzt lichen Vereine diejenigen Forderungen bestimmt und klar fonnu- liren, welche, abgesehen von der Forderung drr freien Arzt wahl, ausgestellt werden müssen für die zu erwartende Revision deS Krankrnversicherung-gesehes. Die Gesichtspunkte, unter welchen diese Formulirung zu erfolgen haben würde, müßten in erster Linie sein: standeSwürdige Stellung der Cassenärzte den Cassenvorständeii gegenüber, standeSwürdige Behandlung selten» der Letzteren und standeSwürdige Honorirung der kassenärztlichen Leistungen an Cassenkranken brzw. deren Familienangehörigen. Zur Stützung der aus diese drei Hauptpunkte sich gründenden Forderungen würde durch thatsächlicheS Material, welches so umfänglich und so specialisirt wir möglich sein müßte, der Nachweis zu er bringen sein, daß sowohl die ärztliche Honorirung ein« viel zu niedrige, und sonach standeSonwürdlge ist, al- daß auch Las Abhängigkeitsvrrhältniß, in welchem eine sehr große Anzahl der Cassenärzte zu drn Cassenvorständen steht, zusammen mit drr grsetzlichrn Schutzlosigkeit, in welcher die Lassen- ärzte den Cassenvorständen gegenüber sich befinden, nicht vereinbar ist mit der Stande-würde und mit drin Berufe eine- Arztes. Die ärztlichen Vereine werden gebeten, bei ihren Mitgliedern uod innerhalb ihrer VereinSbezirke Erhebungen nach diesen Richtungen hin zu veranstalt«», das eingehende Material zu sammeln vnd zu fichten, ihre Forderungen bezüglich der Revision de» Kraakrnversicherung-grsetzr« aufzustrllen. Die weitere Brarbeitnug der Eingänge wird der Generalsekretär in dir Wege leit«»." T Berlin, 7. Januar. (Telegramm.) Zur gestrigen Mittagstafel beim Kaiser»a»re im Neuen Palais bei Pots dam war der Major Prinz Albert zu Schleswig-Holstein geladen. Zur Abendtafel waren keine Einladungen ergangen. Um 8'/, Uhr fand die Schlußbesprechung de» KriegSfprelS statt. Nach derselben blieb der Kaiser mit den Theilnehmern nock längere Zeit zusammen. — Heute Morgen hört« der Kaiser von 9 Uhr ab den Vortrag de< General- v. Einem vom Krirg-ministerium uod im Anschluß daran die Vorträge deS Chef« deS Admiralstabe« der Marine und de» Chef» deS Marine-Eabinet«. Um 11'/, Uhr begab da» Kaiserpaar sich nach dem Mausoleum in Eharlottenburg, um dort am heutigen Todes tage drr Kaiserin Auausta «iurn Kranz nirderzulegen Um 1 Uhr «mpfina drr Kaiser im königlichen Schloß zu Bcrl n zur Meldung ven Aineral Fr-rn. von Gatzl, Eommanktur
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite