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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.01.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020113029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902011302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902011302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-01
- Tag1902-01-13
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292 LandeSauSschusseS und dem angeblichen Mißverhältnisse zwischen katholischen und uichtkatholischen Professoren in Straßburg Rechnung zu tragen, was man dem Vatikan für seine Zustimmung zur Errichtung einer katholisck-tbeologiscken Facultär in Straßburg versprochen — über das Alles schwieg Herr v. Köller wie das Grab, und nach alledem hat nach seiner Ansicht auch kein ReichStagSabgeordneter zu fragen. ES nahm sich denn auch keiner der Abgeordneten die Mübc, danach zu fragen; eS würde vergebliche Mühe gewesen sein. Am wenigsten dachte natürlich der Centrumsabgeordnetc Bachem daran, weitere Auskunft zu fordern. Für ihn war cS höchst erfreulich, zu erfahren, daß für den reichsländischen Staats sekretär bei der Berufung von Professoren nach Straßburg in erster Linie die Wünsche des LandeSauSschusseS und das Ver- hältniß der Consessionen in Elsaß-Lothringen maßgebend sind. Hieraus entwickelte er die absolute Nothwendigkeit, noch viel, viel weiter aus dem betretenen Wege fortzugehen. Daß vr. Spahn durch seine Veröffentlichungen den Zorn der Jesuiten und der von den Jesuiten geleiteten katholischen Kreise erregt bat, machte Herrn Bachem keinen Kummer. Warum auch? Von irgend welchem staatlichen Schutze der Lehrfreiheit hatte ja der Staatssekretär nichts gesagt. Mit Herrn Spahn und seinen wissenschaftlichen Gesinnungsgenossen darf also der Ultramontanismus fertig zu werden hoffe». Das ist daS Facit der vorgestrigen Spahn-Debatte! Daß es den Ge- sinnungSgenossenMommsen's keinen Anlaß giebt, die von ihnen angeregte Bewegung im Sande verlaufen zu lassen, ist selbstverständlich. — Der übrige Theil der Sitzung am Sonnabend war hauptsächlich China gewidmet. Zn einer wie üblich zweistündigen Rede verbreitete sich der Abg. Bebel hquptsächlich über diese Angelegenheit und verharrte dabei bei der Versicherung, die sogen. „Hunnenbriefe" seien echt. Auch der Fall des Hauptmanns v. Feilitzsch wurde nnter schärfster Kritik an der bayerischen und der preußischen Armee verwaltung in den Kreis der Betrachiung gezogen. Zum Schluffe kündigte Bebel eine Obstruction gegen den Zolltarif mit allen gesetzlichen und ge- schäftSordnungsmäßigen Mitteln an. Um die Aus führungen und Angriffe des socialdemokratischen Führers auch nicht eine Minute unwidersprochen zu lassen, erhob sich der Reichskanzler sofort zur Widerlegung, die theilweise auch wieder eine hochpolitische Bedeutung dadurch gewann, daß Graf Bülow sich in der Lage sah, eine ihm zugegangene Depesche des italienischen Ministerpräsidenten Prinetti zu ver lesen, worin dieser versichert, er könne jedes Wort unterschreiben, daS der Reichskanzler am Mittwoch über den Dreibund gesagt habe; auch in Oesterreich - Ungarn haben sich autoritative Stimmen ähnlich geäußert. Einen wirkungsvollen Eindruck brachte der Schluß der Reichskanzlerrede hervor, indem er Len Abgeordneten Bebel wegen seiner unerhörten Angriffe auf das deutsche Heer dem Urtheil des deutschen Volkes über ließ. Während daS Haus die Rede des Abgeordneten Bebel sehr ruhig und mit bewundernSwerther Resignation an gehört hatte, lärmten die Socialdemokraten wiederholt bei den Ausführungen des Kriegsministers von Goßler, der actenmäßiz bewies, daß alle Schmähungen Bebel's gegen die China-Expedition durchaus haltlos sind. Sehr werthvolle Auf klärungen gaben sowohl der Kriegsminister, wie der bayerische Militärbevollmächtigte über den „Fall Feilitzsch", der nun hoffentlich aus der öffentlichen Discussion schwinden wird. Zn einer persönlichen Bemerkung gestand endlich Bebel unter großer Bewegung des ganzen Hauses zu, daß er nicht die Echtheit des ZnbalteS der sogen. „Hunnenbriefe", sondern die Echtheit der Briefe selbst behauptet habe. — Für heute stehen auf der Rednerliste u. A. noch die Abgg. v. Roon, Werner und vr. Hasse. Die Interpellationen über die Polenfrage werden heute im preußischen Abgeordnetenhause, was die allgemeinen Fragen der Polenpolitik anlangt, vom Reichs kanzler und Ministerpräsidenten beantwortet werden, während der Cultusminister die Wreschener Vorgänge und die daran geknüpfte Frage der Anwendung der deutschen Sprache im Religionsunterrichte behandeln wird. Die Staatsregierung erwartet, hoffentlich nicht mit Unrecht, daß bei der Besprechung der Interpellationen ihre Absicht, das Deutschthum in den Ostmarkcn in seiner poli tischen und wirthschaftlichen Stellung zu erhalten, die nach drückliche Zustimmung der großen Mehrheit des Landtages finden werde. Wie staatsgefährlich die großpolnische Be wegung ist, wird auch durch neuerliche Vorkommnisse und Kund gebungen erwiesen. Zm Anschluß an die Mittheilung, daß infolge der Wreschener Vorgänge in Rzeschow, einer Stadt im gleichnamigen galizischen Bezirk (Oesterreich) und Station der galizischen Karl-LudwigSbahn, die Gründung eines natio nalen Vertheidigungssonds beschlossen worden sei, auS dem „Opfer der deutschen Cultur" unterstützt werden können, schreibt nämlich der „Goniec Wielkopolski": „Den Rzeschower Bürgern sind wir für ihg: Mitgefühl und Interesse für uns sehr dankbar. Es ist dies ein Beweis dafür, daß die Grenze nur für die TheilungSmächte besteht, daß aber der Pole die Grenze weder anerkannt hat, noch sie^znerkennt; eS beweist dies, daß die Vorkommnisse in einem der Theilungs» möchte keinen localen Charakter haben, sondern ganz Polen und das Ausland berühren." Aehnliche Kundgebungen finden sich in allen Organen der in Westpreußen und Posen erscheinenden national polnischen Presse, und, wie der „Przeglad WszechpolSki" stolz und rühmend hervorhebt, „fast jedes galizische und Warschauer Blatt enthält gegenwärtig eine ständig auSgefüllte Rubrik für Angelegenheiten deS preußischen AntbeilS, und die Ereignisse uusereS Lebens unter der preußischen Regierung schallen in einem weit hörbaren Echo in ganz Polen wieder". Zn diesen Aeußerungen ist offenkundig und bedingungslos ausgesprochen, daß die polnische Bevölkerung in den zweisprachigen Gebiets- theilen der preußischen Ostmarken entschiedener als je die Anerkennung der staatlichen Oberhoheit Preußens und ihrer eigenen Zugehörigkeit zu der preußischen Monarchie verweigern will oder auf Befehl der großpolnischen Agitatoren verweigern soll, und die Thatsache, daß die ausländische, in polnischen Diensten stehende Presse alle ibr unliebsamen Maßnahmen der „OccupationSmacht" Preußen in gehässigster und leidenschaftlichster Weise ausbeutet, dürste als eia weiteres und in seiner Bedeutsamkeit schwer wiegendes Moment dafür angesehen werden müssen, daß zwischen den Kundgebungen der großpolnischen Agitation innerhalb und außerhalb der preußischen Grenze ein verbindendes Glied besteht, eine systematisch geübte Taktik obwaltet, die erbitterten Haß gegen deutsches Wesen und deutsche Cultur zur Ursache und die Wiederherstellung der ehemaligen Selbstständig keit Polen« zum Ziele bat. Mit welchen Hoffnungen oder richtiger Wahnideen die polnischen Widersacher des Deutsch- tbumS sich bereits tragen, enthüllt ein Aufruf deS „Przeglad wszechpolSki" zur Inangriffnahme der „polnisch-nationalen Aufgaben im preußischen Antheil". Da heißt es u. A.: „Wenn wir aus diesem Kampfe (gegen die Deutschen) siegreich hervorgehen werden, so werden die Deutschen nicht nur das Groß- herzogthum Posen, sondern auch das ganze polnisch, sprechende Schlesien und das baltische Pommern verlieren; gleichzeitig werden sie ihre ganze Macht auf der Ostsee und alle Aussichten aus die jemalige Besitzergreifung der baltischen Provinzen Rußlands verlieren. Dann wird das Uebergewicht Preußens im Reiche sehr fallen und Berlin, nach seiner geographischen Lage an der Grenze des Staates liegend, wird als Hauptstadt unmöglich werden." Schärfer und rückhaltloser kann der Gegensatz zwischen Deutschthum und PoloniSmuS nicht wohl betont, eindringlicher die StaatSgefährlichkeit der großpolnischen Be wegung nicht wohl dargestellt werden. Der französische Ministerpräsident WalSeck- Ronsseau hielt bei einem Banket in Saint Etienne, das ihm die Republikaner des Departements Loire gaben, eine R e d e, in der er auf die durch die Agitation der Nationa- list en hervorgerufene unsichere Lage beim Amtsantritte des gegenwärtigen Ministeriums hinwies. Die gegenwärtigen Mi nister, unter denen alle republikanischen Parteien vertreten seien, wären gemeinsam thätig gewesen, ohne daß seit bald drei Jahren eine einzige Meinungsverschiedenheit ihre Action ge lähmt habe. Ruhe und Sicherheit seien bald zurückgekehrt, und eine Periode republikanischer Thätigkeit sei der Periode der republikanischen Vertheidigung gefolgt. Der Ministerpräsident zählte die seither genehmigten Gesetze auf und fuhr fort, die nationale V ertheidigung sei auf vernünftiger Grund lage organisirt, durch ein Programm der Vertheidigung der Küsten und Häfen, der allmählichen Umbildung der Kriegs flotte und der Vertheidigung der Colonien. Das energische Vorgehen in China habe dem französischen Einflüsse ein neues Gewicht gegeben. Die Anwesenheit eines italienischen Geschwaders in Toulon habe gezeigt, daß die Regierung es verstehe, Sympathien einzuflößen, die Anwesenheit des Kaisers von Rußland habe bekundet, daß sie es verstehe, die Bünd nisse Frankreichs zu befestigen. So habe die Regierung, indem sie die Republik befestige, für den Frieden gearbeitet. Waldeck-Rousseau betonte die auswärtigen Beziehungen und sagte, er glaube, die gegenwärtige Regierung habe den Interessen Frankreichs besser gedient, als cs die Politik der Volksredner und Prahler hätte thun können. Er blicke vertrauensvoll in die Zukunft und hoffe, die nächsten legislativen Wahlen würden dem Parlamente wieder eine Mehrheit geben, die keine ver dächtigen Schutzherrschaften habe und ihre Stärke nur in der Unterstützung der Republikaner suchen werde. Der Minister präsident schloß, das zwanzigste Jahrhundert sei erstanden auf den für immer zerstreuten Trümmern des Königsthums und des Kaiserreichs. Die französische Demokratie bereite sich vor, ein Strafgericht abzuhalten über die groben Nachahmungen des wahren Patriotismus und deS Geistes der Revolution. Deutsches Reich. * Berlin, 12. Zanuar. Eine eindringliche Warnung an den Bunp der Landwirthe richten die officiösen „Berl. Polit. Nackr.", indem sie schreiben: „Die socialdemokratischen Anträge in der Zolltarif commission zeigen deutlich, daß die Partei die Verhand lungen nicht LloS wesentlich unter dem Gesichtspunkte der Agitation nach außen führt, sondern daß sie von vornherein mit offenen ObstructionSbestrebungen hervortritt. Um so unerläßlicher wird eS sei», daß die schutzzöllnerifche Mehrheit nicht nur unter sich, sondern auch mit den verbündeten Regierungen zur vollen Verstän digung über die wichtigsten Fragen deS Zolltarifs gelangt. Dabei wird nickt unbeachtet bleiben dürfen, daß die verbündeten Regierungen nur solchen Beschlüssen des Reichstages würden zustimmen können, bei denen die be rechtigte Hoffnung bestehen bleibt, zum Abschluß langfristiger Handelsverträge, wie sie den Interessen unserer Industrie ensprechcn, zu gelangen. Es wird ferner nicht unerwozen bleiben dürfen, daß die Frage, wie weit unter diesem Gesichtspunkte mit der Verstärkung des ZollschutzeS für die Landwirthschasl gegangen werden kann, bereits bei Feststellung des Zolltarifs Seitens der verbündeten Re gierungen der sorgsamsten Prüfung unterzogen worden ist und daß die Vorschläge, welche in dem Zolltarif und dem dazu gehörigen Gesetze in Bezug auf die Höhe und Bindung der landwirthschaftlichen Zölle gemacht sind, das Ergebniß dieser eingehenden Prüfung bilden. Die Schluß folgerungen aus diesen beiden Vordersätzen in Bezug auf die Linie, auf der eine Verständigung zwischen der Mehrheit des Reichstages und den verbündeten Regierungen erreichbar erscheint, liegen auf der Hand." * Berlin, 12. Zanuar. (Der Socialdemokrat als Höfling.) Es ist schon ost festgestellt worden, wie sehr die iocialdemokratischen Abgeordneten geneigt sind, auf thörichte Ausstreuungen hereinzufallen und die Tribüne des Reichs tages zu ihrer Verbreitung zu mißbrauchen. Auch ihr neuestes parlamentarisches Licht, der Abgeordnete vr. Südekum, hat gleich in seiner Jungfernrede von diesem socialdemo kratischen Sonderrechte Gebrauch gemacht. Er hob in seinen großartigen Auslassungen über die auswärtige Politik ganz besonders hervor. Laß, „während der Zar dem Präsidenten Loubet unaufgefordert als Erster seine Glückwünsche zum neuen Zahre sandte, so viel er wisse, zwischen den Höfen in Deutschland und Rußland nicht einmal ein Neujahrswunsch auSgetauscht sei", vr. Südekum spielte sich also hiermit als besonderen Kenner der höfischen Sitten auf, und das macht sich für einen waschechten Socialdemokraten gewiß recht schön. Aber daS höfische Parquet pflegt glatt zu sein wie ein Eisspiegel, und so ist diesem neugebackenen Höfling das Unglück wider fahren, daß an demselben Tage, an welchem er im Reichstage seine haltlose Behauptung aufgestellt hat, ein Flügeladjutant unseres Kaisers, Capitän zur See v. Usedom, am Peters burger Hof eingetroffen ist, um dort für die Zarenfamilie kaiserliche Weihnachtsgeschenke zu überbringen, also auch äußerlich den Beweis zu liefern, welche liebenswürdige Aufmerksam keiten zwischen den beiden Herrschern der mächtigen Nachbar reiche auSgetauscht werden. Für Kenner höfischer Sitten brauchen wir nicht noch ausdrücklich zu versichern, daß auch in diesem Zahre die Nenjahrswünscke zwischen den beiden Höfen, und zwar in besonders warmen Worten, auSgetauscht worden sind. Herr Südekum scheint einem Spaßvogel in die Netze gerathen zu sein; um so trauriger für ihn, daß seine UrlheilSkraft nicht hingereicht hat, den Werth derartiger Ausstreuungen zu erkennen. (Köln. Ztg.) * Verkitt, 12. Zanuar. (Neue Vorschriften zur Verhütung von Eisenbabnunfällen.) DerBundeS- rath hat, wie hiesige Blätter mittheilen, in seiner letzten Sitzung folgende Aenderungen bezw. Ergänzungen der Be triebsordnung für die Haupteisenbabnen Deutschlands mit Rücksicht auf die mehrfach vorgekommenen schweren Eisen« bahnunfälle beschlossen: In 8 1: „Mit den Einfahrsignalen, den Streckblocksignalen und den Deckungssignalen der außerhalb der Bahnhöfe und Haltestellen gelegenen unverschlossenen Weichen und Bahnkreuzugcn, sowie der beweglichen Brücken sind Vorsignale zu verbinden. Inwieweit die AuSsahrsignale mit Vorsignalen zu versehen sind, bestimmt die Lande-» behörde." Bisher waren nur mit alle» Signalen für die Einfahrt Vorsignale zu verbinden. Ferner soll 8 46 fortan lauten: „In der Ruhestellung müssen die Einfahr», AuSfahr- und Blocksignale „Halt" ziehen und dürfen in dieser Stellung von den Zügen, für die sie gelten ohne besonderen Auftrag nicht überfahren werden. Sie sind nur für die Ein-, AuS» oder Durchfahrt zu öffnen." Die ge sperrten Worte bezeichnen die neuen Zusätze. Endlich ist in 8 26 die Höchstgeschwindigkeit der Personenzüge unter besonders günstigen Verhältnissen mit Genehmigung der Landes-Aufsichtsbehörde von bisher 90 aus 100 Kilometer in der Stunde erhöht worden, um so die Möglichkeit zu bieten, eingetretene Zugverspätungen durch schnellere Fahrt auf günstigen Strecken wieder auszugleichen und damit die Sicherheit deS Betriebes durch Einhalten der Fahrzeit zu erhöben. — Zn den Neiseplan des Kaiserpaares ist wieder für den Sommer auch ein längerer Aufenthalt in Schloß Urville ausgenommen worden. Die Kaiserin wird in Be gleitung ihrer jüngsten Kinder dort etwa drei Wochen ver weilen, während sich der Monarch nickt über acht Tage dort aufbalten wird. Gelegentlich dieser Reise wird der Kaiser auch einen Abstecher nach der HohkönigSburg bei Schlettstadt unternehmen. — lieber die NeujahrSrede deS Kaiser- an die commandirenden Generäle bringt das „B. T." Einzel heiten in die Oeffentlichkeit, welche, da nicht» Direkte» an der Rede weitergegeben werden darf, zunächst uncontrolirbar sind. AuS den Aussprachen der commandirenden Generäle mit den ihnen unterstellten Commandeuren geht hervor, daß daS Haupttbema der kaiserlichen Rede die OfficierSduell- frage, sowie die Fälle Mörchingen und Insterburg (Rüger, Krosigk) behandelt habe. Der Monarch soll anerkannt haben, daß in Bezug auf daS Duell seine Anordnung von Jahr zu Jahr mehr respectirt werde, indessen sei Osficieren, die den Befehl ihres höchsten Vorgesetzten in normalem, wie betrun kenem Zustande nicht beachten, sondern auf eigene Faust ihre angegriffene Ehre zu reinigeo suchen, neben strenger Bestrafung auch der Abschied sicher. Auf kaiserlich: Gnade sollten sie nicht rechnen, da die höchste Pflicht deS OfficierS der Gehor sam sei und bleiben werde. — Die Kaiserin schenkte dem Grenadierregiment Kron» Prinz in Königsberg zur Erinnerung an die Kaisertage im September v. I. eine Anzahl von der Kaiserin ausgenommen«!: Momentphotographien des Regiment- bei verschiedenen Gelegen heiten. — Der Kronprinz hat mit Genehmigung des Kaisers auch das Protectorat über die in Düsseldorf vom 29. Juni bis 6. Juli stattfindende internationale BinnenschifsfahrtS- AuSstellung übernommen. — Bei dem Reichskanzler und der Gräfin v. Bülow hat am Freitag ein kleinere- Diner stattgefunden, zu welchem unter Anderen Prinz Max von Baden, der Fürst zu Hohenlohe» Oehringen, der Bice»Oberceremon!enmeister Baron von dem Knesebeck, Prinz Wilhelm zu Stolberg-Wernigerode und die Gemahlin des deutschen Botschafters in Petersburg, Gräfin AlvenSleben, Ein ladungen erhalten hatten. — Die Ausschüsse des BundeSrathS für Zoll- und Stenerwesen, für Handel und Verkehr und für Rech nungswesen hielten gestern Sitzungen. — Die ReichStagScommission für die Schaumwein steuer nahm am Sonnabend in dritter Lesung den § 1 des Entwurfs an und setzte im § 2 den Steuersatz für Frucht« weinschaumwein auf 10 Pfg., für andere Schaumweine auf 50 Pfg. fest. — Die Zusammenstellung der im Reichstage zum Zoll tarif eingegangenen Eingaben ist bei größter Sorg falt und angestrengtestem Fleiße soweit gefördert worden, daß sie am 13. d. MtS. dem Plenum, der Holltarifcommission und der Presse wird übermittelt werden können. — Die productionSstatistischen Erhebungen des Reicksamtö des Innern sind während der letzten Jahre un unterbrochen fortgesetzt worden. Dabei hat sich ergeben, daß bei versckiedenen Zweigen des Erwerbslebens die Conjuncturen verhältnißmäßig rasch wechseln. Deshalb empfiehlt eS sich, bei diesen die Erhebungen öfters zu wiederholen. — Hervor zuheben ist, daß auch der Kreis der Betriebe, auf welche die Erhebungen sich erstrecken, immer weiter gezogen worden ist. — In diesem Jahre blickt das Reichsjustizamt auf daS erste Vierteljahrhundert seines Bestehens zurück. Dem langjährigen verdienten Mitglieds des Amtes, Ministerial direktor Gutbrod, einem Württemberger, wurde bekanntlich vor einigen Tagen vom Kaiser das Prädicat Excellenz verliehen. — Die Errichtung einer Technischen Hochschule in Breslau betreffend erklärt die dem Herrenhause zugegangene Uebersicht über die Entschließungen der Regierung zu den Be schlüssen deS HauseS: „Die Erwägungen sind noch nicht zum Abschluß gekommen." Daraus erklärt es sich auch, daß in den neuen Etat noch keine Forderung für die Technische Hoch schule in BreSlau eingestellt ist. — Dem deutschen Realprogymnasium in Brüssel, das im vergangenen Jahre von 186 Sckülern, darunter 125 deutschen, besucht war, ist nach einer Mittheilung deS All gemeinen Deutschen SchulvereinS das Recht zur Ertbeilung deS wissenschaftlichen Befähigungsnachweises zumEin- jährigen dienst ertheilt worden. Tie Schule, für deren Unterbringung ein Neubau im Gange ist, steht in der Obhut des Allgemeinen Deutschen Sckulvereins in Brüssel. — In einer Versammlung der Schuhmacher-Jn- nungSme^ster von Charlottenburg und der übrigen Vororte von Berlin wurde beschlossen, den bestehenden Lohn tarif abzuändern. Die Gesellen haben dazu Stellung genommen und beschlossen, im Frühjahr mit den Meistern „abzurcchnen". — Die Boerensammlung deS Alldeutschen Ver bandes hat bereits die erfreuliche Höhe von 410 159 erreicht, wovon 296 660 für Unterstützungszwecke bereits verwendet bezw. bewilligt worden sind, so daß noch 113 499 .L für Unterstützungen zur Verfügung stehen. Zn Anbetracht der großen Noth und der noch unab sehbaren Dauer deS Krieges sind weitere Spenden sehr erwünscht. Gegenwärtig widmet sich der Verband haupt sächlich der Linderung der Noth in den ConcentrationSlagern, wobei ibm seine Mitglieder in Südafrika, durchaus ange sehene Deutsche, als Vertrauensmänner behilflich sind. In Bezug auf die Verwendung der Spenden bat der Alldeutsche Verband nunmehr eine mehr als zweijährige Praxis hinter sich, und es ist ihm immer gelungen, daS Geld zweckent sprechend an die wirklich Nothleidenden zu bringen. Durch -sicht zwingen — es wird nicht möglich sein, daß ich immer hier bin und —" „Laß es", unterbrach sie ihn fast rauh, „Du siehst, ich schließe die Augen." Aber er sah nicht, wie traurig diese Augen waren, und überhörte um der Worte Willen den müden Klang der Stimme, als sie sagte: „Du wirst mich niemals, niemals verlieren können!" An dem Abend, da Theuerdank mit seinen drei Söhnen bei Heinzers war, hatte der alte Capitän mitten auf die festliche Tafel sein Geschenk stellen taffen: ein schönes, silbernes Boot mit einem Brod darin. Er selbst sah, feierlich angethan, fröhlich und wohler aus, als seit langer Zeit. Emilie mochte die Söhne nicht gern, diese drei jungen Menschen genirten sie, und es war ihr, als entfernten sie den Geliebten von ihr. Der Aeltcste, ein angehender Student, bemühte sich stark um ihre Gunst; geblendet durch ihre große Schönheit und die edle Art ihres Wesens, verliebte er sich Hals über Kopf in sie. Als er am nächsten Vormittag seiner neuen Mama von dem Abendbesuche erzählte, lachte sie laut auf und sagte: „Komme Du nur nicht Deinem Vater ins Gehege — aber solche Fähnchen sollen freilich mit allen Winden flattern!" Er wurde dunkelroth und sagte stammelnd: „Mein Gott, es sind doch würdige Leute — das Mädchen schön und klug; sie ist wohl begehrenswerth!" „Nun, das hat Dein Vater wohl auch gefunden; er hat sie dennoch nicht geheirathet." „Aber, Mama, sie könnte ja auch seine Tochter sein; sie wäre doch viel zu jung für ihn." Da sah sie ihn starr mit einem harten Blick an, und er be griff, wie tief er ihre Eitelkeit verletzt hatte, als sie kalt sagte: „Sprechen wir von anständigen Dingen!" Dies Wort reizte den jungen Menschen zu innerlich kochender Wuth, und, noch in starker Erregung, sprach er gleich darauf seinen Vater in dessen Comptoir an: „Was hast Du mit den Heinzers, Vater — ist das Mädchen — nein, ich will anders sagen: Das Mädchen gefällt mir, wie mir nie eins zuvor gefiel, würdest Du etwas dagegen haben, wenn ich mich um sie bewürbe? Vorausgesetzt, ich hätte das paffende Alter!" Einen Augenblick enisetzte sich Theuerdank, aber mit rascher Fassung sagte'«: „Nichts! Wenn sie Dich lieben könnte, warum nicht?" „Mich lieben könnte — warum sagst Du das so seltsam, als wüßtest Du schon, daß sie mich nicht lieben wird — mrd warum meinst Du das?" „Du hast mich falsch verstanden oder ich habe mich falsch ausgedrückt — mich überrascht diese plötzliche Neigung — doch — ich würde ihr nicht entgegentreten!" „Und weißt Du, daß Deine Braut häßlich über das schöne Mädchen denkt und spricht?" „Nein! Du mußt nicht vergessen, daß Du in einer kleinen Stadt bist!" „Aber doch zwischen anständigen Leuten, will ich hoffen. Frärilein Torgany spricht ehrabschneidend von dem Mädchen." „Das Mädchen, mein Sohn", sagte nun mit einem weichen Ton Theuerdank, „hat mehr Werth als alle die sogenannten vornehmen Mädchen, wenn deren gute Eigenschaften abgesiebt und zusammengeschüttet würden; um gleich mit diesem Fall zu beginnen — sie würde selbst über Ehrlose nicht ehrabschneidend sprechen." „Aber Manches, Vater, ist doch dunkel. Warum, zum Bei spiel, war gestern unsere künftige Mama nicht auch bei den Heinzers?" „Weil ich sie gar nicht aufgefordert habe — die Heinzers haben nie den Wunsch gejjußert, sie zu sehen — aber oft ihre Abneigung gegen jeden Verkehr ausgesprochen, wenn sich Menschen unter einander genügen, was sollen ihnen dann die anderen?! Uebrigens ist der alte Herr seit Jahren leidend, und Emilie steht in ihrer Bildung weit über den Frauen unserer Kreise; sie war auch als Kind nicht befreundet mit AlterS- genossinnen, so blieb sie isolirt." „Nun, Vater, Du sprichst eine mir unerklärliche Sprache; warum, wenn Du den Bildungsgrad und die Seelenreinheit der kleinen Heinzer so anerkennst und so hoch stellst, warum genügt Dir dann eine gröbere Natur? War es so nothwendig, daß Du heirathen mußtest? Ich frage Dich nicht, warum Du Dir denn nicht die Andere wähltest. Du bist ein verständiger und kluger Mann — eine so junge Frau hätte nicht für Dich gepaßt — schon darum hast Du sic nicht genommen. Aber mußtest Du diese Emilie Torgany nehmen? Verzeih' mir, Vater, wir haben so oft über ihre Koketterie und ihre Putzsucht gelacht — über ihr dröhnendes Organ und über ihre geschäftliche Habgier, von der Du als ihr Sachwalt manchmal sprachst — Vater! Dein Leben erschien mir immer wie abgeschlossen und sein Aus- klingen wohlbewahrt unter der Obhut der Muleschott — ich bin nicht sicher, daß Du nun so besonders glücklich wirst — das sollte man aber in Deinem Alter doch nicht mehr riskiren!" Theuerdank stand am Fenster nit dem Rücken gegen sein Pult gelehnt; er sah seinen Sohn gar nicht an, wie er nun sprach: „Wie seltsam Du über mein Alter redest! Die Eine findest Du zu jung für mich — um es mit der Anderen zu riskiren, findest Du mich zu alt. Jugend hat kein Urtheil über das Alter. Ich erinnere mich, in jungen Jahren einmal einen Nekrolog gelesen zu haben — ich denke, es wird in der Garten laube gewesen sein —, der Artikel betraf den Tod der Schrift stellerin Nathusius und begann mit einer Klage, daß die her vorragende Frau der Welt und ihrer Familie so jung, so in den besten Jahren entrissen sei; folgte der Lebenslauf, die Reihen folge der Bucherschcinungen, Erkrankung mit tödtlichem Verlauf in so jungen Jahren, endlich das Alter: vierzig Jahre; ich er innere mich, daß ich laut auflachte mit dem Gedanken: Nun, dann ist sie doch auch alt genug geworden, und da reden sie noch von Jugend und besten Jahren — solche alte Frau! — Siehst Du, ich habe diesen kleinen Vorfall, der mich die eigene Jugend so hoch veranschlagen ließ und das Alter von vierzig Jahren mir in unerreichbaren Fernen vorhielt, niemals ver gessen; denn ich hatte die eigenen vierzig erreicht, ehe ich mich dessen versah! Das Alter, mein Sohn, lebt sich überraschend schnell heran; es verändert uns wohl äußerlich — macht uns gebrechlich und hilflos erscheinen, giebt uns Runzeln und weiße Haare, innerlich aber vollzieht sich die Veränderung ganz anders. Das Alter stärkt die Empfindungen, es sondert die Neigungen und Abneigungen; nur die Erfahrung hat uns gelehrt, beide nicht mehr zur Schau zu tragen. Und so rasch tritt die Jugend uns auf die Fersen, so geringwerthig erscheint ihr unser Seelen leben, weil sie jung und sich allein berechtigt glaubt! Wer alt ist mit 43 Jahren — und das sind meine Jahre —, der war niemals jung, das heißt, nie reich an Gemüth! Wer aber von den Göttern schon in der Wiege mit einer Seele begnadet wurde, der wird nie anders alt, als in den Augen der Jugend; und was ihn von dieser scheidet, wird er nicht aus sich, sondern von ihr lernen! O ja — man kann Vorbeigehen an der Quelle — und doch todesdurstig sein!" Da er ganz schwieg, sagte sein Sohn: „Ich verstehe Dich, Vater, und ich bewundere Dich, denn um Dich selbst zu schützen, nahmst Du diese andere Emilie! Nun, wir wollen versuchen, ihr gehorsame Söhne zu sein — mit ihr ist ja nicht schwer fertig zu werden — gewissen Launen nur braucht man entgegen- zukommen! Sie wird Deinem Haus stattlich vorstehen, etwas kostspielig gegen Deine einfachen Gewohnheiten — nun, sie hat ja auch eigene Mittel, und Du kannst cs reichlich. Aber ich rothe Dir dock — wappne Dich — Deine Geduld wird manch mal noch länger sein müssen, als Deine Börse!" Theuerdank lachte nun: „Sieh, sieh, mein Aeltester ist be ängstigend weise für sein Fünfteljahrhundcrt." Eine Stunde später schon war der junge Student mit seinen Brüdern im Hause Heinzer's, um die officielle Visite zu machen, schickte die „Kinder" aber bald weiter, während er noch blieb, um sich mit dem alten Herrn recht anzufreunden, „er wolle versuchen, ihm den Vater ein bischen zu ersetzen". Und es ge lang ihm rasch, die Gunst des Capitäns noch fester zu er langen. Emilie sah fast gar nicht auf und sprach heute nicht mit. Ihr feines Gesicht war so undurchdringlich, daß der junge Mann fast zornig empfand, sie beachte kaum seine Anwesenheit. Bald gedachte er des Gesprächs mit seinem Vater, und ganz un willkürlich kam das Thema auf die Heirath, und un umwunden äußerte er sich: „Vater schien mir immer ganz zu frieden mit seinem Schicksal, freilich sind wir ja Alle nun vom Hause fort, aber ich dachte doch nicht, daß er sich wieder verheirathen würde — am wenigsten mit Fräulein Torgany; aber ich söhne mich mehr und mehr mit dieser Verbindung aus, denn die künftige Mama scheint Vater sehr zu lieben, förmlich mit einer eifersüchtigen Innigkeit! Und sie freut sich, seinen Lebensabend ihm verschönen zu können — nun da will ich gewiß keinen Stein auf ihren Weg werfen. Gott schenke ihnen ein langes und glückliches Leben, Sie wird neben meinem Vater auch lernen, die Aeußerlichkeiten nicht als das Beste zu betrachten, und in seinem reichen, frischen Geist und Herzen selber erstarken." Emilie hörte mit zuckendem Herzen. Und mit einem Male erwachte sie. Sie hatte diese Emilie beraubt und geschädigt! Wenn diese Braut niedrig ihr Anrecht auf Theuerdank damals festhielt — konnte Emilie sie verachten — aber nun, Wochen später, wo ihr von Theuerdank alle Rechte und Bevorzugungen einer Braut ertheilt waren — nun lag Alle^, anders! Wo waren ihre Gedanken gewesen — wo ihr gesundes Urtheil? Hatte doch schon Louise gesagt: „Treue, die kann man halten, an die darf kein Dritter rühren, nicht einmal ein schlechter, geschweige denn ein guter Mensch." Wie schwarze Schatten huschten Gedanken zuweilen durch ihre Seele, die sie immer zu scheuchen gewußt hatte; und in dieser Stunde sprach neben ihr sein Sohn Worte der einfachen Wahrheit, und sie brachten Alles zum Ausdruck, was schwankend in ihr dann und wann sich geregt hatte; sie fühlte das Blut in ihren Adern stocken und ihre Hände erkalten. «Fortsetzung folgt.)
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