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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.01.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020120016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902012001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902012001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-01
- Tag1902-01-20
- Monat1902-01
- Jahr1902
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Anzeigen »Preis die 6gespaitene Petitzeile 25 Reclamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennack)« richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme L5 H (excl. Porto). Ertra - Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Iivnahmrschlvß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgru-AuSgabr: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr- Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. Al. Montag den 20. Januar 1902. 96. Jahrgang. Schlösser, Lurgen und Kuinen Sachsens. Seit dem Aufkommen der Romantik hat man sich wieder mit den Schlössern und Burgen des Mittelalteos beschäftigt. Ihrer Pflege und Erneuerung läßt man sich durchweg erst in neuerer Zeit angelegen fern. Seit einigen Jahren erscheint sogar eine eigene, der Burgkunde gewidmete Zeitschrift, „Der Burgwart", die es sich zur Aufgabe gestellt hat, das Verständniß für die alten Burgen zu wecken und die Liebe zu diesen Zeugen vaterländischer Geschichte in weitere Kreise zu tragen. Und in der Thai, für den Geschichtsfreund girbt es kaum etwas Anziehenderes, als das Studium dieser Kleinarbeit der Geschichte, in der uns, weit mehr als im Gang« der Weltgeschichte, die einzelnen Personen näher treten, für die wir eine gewisse familiär« Zuneigung em pfinden und deren Charakter und Thaien wir unwillkürlich mit denen ihrer Epigonen vergleichen. Betrifft nun gar die Geschichte Burgen und Schlösser, die wir fast all« kennen, die wir, wenn auch nicht all« besucht oder studrrt, wohl aber gesehen haben, so wird uns oin Buch gewiß willkommen sein, das sie uns vermittelt. Ein solches Buch liegt vor uns: „Die interessante st en alten Schlösser, Burgen und Ruinen Sachsens" (Dresden, Wilhelm Baensch). Der Verfasser ist uns kein Neuling in der sächsischen Geschichte; Carl von M « tz sch-lRe i che n b a ch hat sich durch manche Studien bekannt gemacht. WaS er in seinem Buche bietet, ist nicht erschöpfend im Sinne des strengen Forschers, er hätte denn auch nicht Beschreibung und Geschichte von etwa 70 Bauwerken auf 330 Seiten mit 46 Abbildungen unter gebracht, aber es genügt für das große Publicum, denn es wird dabei ohne Schwierigkeit in einen Theil der sächsischen Geschichte eingeführt, den es bei der anregenden und anschaulichen Behand lung auch im Gedächtniß behält. In einer Einleitung schickt der Verfasser ein« geschichtliche Übersicht des Burgbaucs überhaupt voraus. Nach ihm theilt man die Burgen in Deutschland ent sprechend der Selbstständigmachrmg der größeren und der kleineren Grund Herren in Dynastenburgen und Lehnsburzen ein, von welchen die ersteren meist nur den Zweck hatten, dem betreffenden Ge schlecht ein« sichere Zuflucht zu gewähren, während die letzteren zugleich >die Sitz« der Regierung bildeten. Gewöhnlich hatten die Burgherren diese nur als Lehn unter der Bedingung inne, sie für den Lehnsherrn und dessen Oberherrn offen zu halten. Die Noth- wendigkert, einen Punct zu besetzen, der di« Gegend beherrschte, war für die Auswahl des Platzes, Festigkeit und Sicherheit der Anlage und Einrichtung der Burg allein maßgebend. Entweder war die Burg im flachen Lande gelegen und erhielt ihre Haupt stärke durch umfließende Gewässer, Sümpfe oder wasserhaltende Gräben (Wasserburgen), oder man errichtete sie auf einer vor springenden Höhe (Höhenburg«n). Die Zugangswege wurden absichtlich in schlechtem Zustande gelassen und so geführt, daß die Aufsteig«üden mit Steinen beworfen wevoen konnten, jedenfalls aber stets im Gesicht der Vertheidiger blieben. Daher wurden auf allen Burgbergen Bäume und Sträucher abgeschlagen. Die Gräben wurden mit Schilf versehen und dadurch das Fahren von Schiffen in denselben erschwert. Wichtig war, daß an einen möglichst großen Theil der Burg der Feind gar nicht 'herankommen konnte. Daher baute man sie an steile Abhänge und richtete die ganz« Aufmerksamkeit auf die Vertheidigung des einzigen Zuganges. Lag die Burg in der Ebene, so war man bemüht, ihr einen möglichst geringen Umfang zu geben, damit die Besatzung sie überall vertheidigen konnte. Der Kreis und das Quadrat waren daher die Grund formen, 'welche im 10. und 11. Jahrhundert vorzugsweise bei den aus Holz und Erde errichteten Burgen — Spitzwällen — in Anwendung kamen. Aehnlich waren auch die Steinburgen. Die Steinburgen bestanden aus einem Bucgthurm, meist von > rechtwinkeliger Gestalt, der sich nach unten in zwei bis drei I terrassenförmigen Absätzen verbreiterte. Jeder dieser Thürme j war mit Zinnen versehen. Dies« Thürme, in neuerer Zeit un genauer Weise Bergfried genannt, hatten im Erdgeschoß keine Thüren, der Eingang lag vielmehr mehrere Meter über dem Boden und war nur durch Leitern, herabgelassene Stricke, wohl auch durch Fallbrücken zugänglich. Die Thürme hatten nach außen Buckelquadern, um das Emporschieben von Leitern dem Feinde zu erschweren, meist gar keine Fenster, und waren daher zum Wohnen wenig geeignet, dienten vielmehr zur Vertheidigung und zum Auslugen. Doch erhielten sie oft Kamine, in den tiefen Fensterbrllstungen Schgelegenheit und backofenartige Gelasse zum Schlafen. Die Besatzung oder der Burgherr bewohnten sie nur im Augenblick der höchsten Gefahr, während für gewöhnlich ihr oberstes Stockwerk dem Wächter zum Aufenthalte, im Kriegsfälle zur Aufstellung von Wurfgeschossen diente und mit Zinnen und einem Schutzdach gegen feindliche Geschosse versehen war. In ältester Zeit wurde der Burgthurm rund oder viereckig, auch drei- und fünfeckig, daun aber stets mit schrägen Flächen und in spitzem Winkel den anfliegenden Geschossen entgegengestellt. In dem unteren, nur durch eine Ocffnung von oben zugänglichen, sehr stark und ohne Fensteröffnungen angelegten Theil des Burg- thurmes befanden sich das Verließ oder Gcfängniß, in das die Gefangenen 'hinabgelassen wurden, und Vorrathsräume. Die Abmessungen des Burgthurmes waren oft sehr bedeutende: in der Wartburg bei Eisenach 9 Meter breit, Mauerstärke 3 Meter, Thür 5 Meter über dem Boden, Verließ 12 Meter tief, Höhe bis zur Plattform 22 Meter; Burg Steirsberg bei Jinsheim 11 Meter breit, Mauerstärke 3,3 Meter, 29 Meter hoch, Thür 12 Meter über dem Boden, Verließ 11 Meter tief; Niederburg zu Riidesheim 9,5 Meter breit, Mauerstärke 3,6 Meter, Höhe 39 Meter, das Verließ ein Schacht von 2 Meter Breite und über 20 Meter Tief«. Die nur um den Burgthurm gruppirten Anlagen nannte man Burgställe, festes Haus oder bei größerer Ausdehnung Hofburg. Bei geringeren Mitteln ichr«r Erbauer oder beengter Lage auf Felsen (woher „Stein" in vielen Burgnamen) bestehen die Burg ställe aus einer Umfassungsmauer, einem Palas, einem Frauen hause, einer Küche und Kem Thurme. Da sich aber Palas, Kemenaten und Küche leicht im Thurme anbringen ließen, so finden sich nicht selten Burgen, die nur aus Mauer und Thurm bestehen. Als Beispiel einer solchen nur für Besatzungswerke dienenden Anlage sei die Oberburg bei Riidesheim angeführt, deren Thurm sich über drei inmitten eines Grabens gelegenen, von Zinnen umgebenen Stufen erhebt, so daß der Zugang zu der letzten, nur durch Seile zugänglichen Thür auch nach der Einnahme der unteren Bauwerke hartnäckig vertheidigt werden konnte. Bei anderen Burgen, die an der Lehne eines Berges liegen, bildet der meist breit angelegte Thurm den Schild gegen die vor, der benachbarten Höhe kommenden Geschosse (Schildburgen). Oft werden dann auch zwei durch einen Wehrgang verbundene Thürme angelegt. Als Beispiel einfacher Anlage dienen die Burgen Liebcnzell und als solche reicherer Anordnung Schloß Ehrenfels. In den meisten Fällen wurden die älteren Burgställe im 15. und 16. Jahrhundert nachträglich zu Hofburgen umgestaltet, wie z. B. das Schloß Kriebstein in Sachsen, in welchem der starke, mit sechs Pechnasen derselben« Thurm schon zu Ende des 15. Jahrhunderts von einem Hof und von Baulichkeiten um geben wurde, welche den Felsenkegel in allen Theilen für den Haushalt des Besitzers ausnutzen. Das Leben auf solchen Burgen hat man sich keineswegs als i rin behagliches darzustcllen. In den kleinen Burgställen fehlte es oft am Nöthigsten. Die Heizung durch Kamine war ungenügend, die Fenster waren durch Brettläden verschlossen, so daß man zwischen Dunkelheit und Zug zu wählen hatte, der Fußboden aus Estrich, die Zahl der Geräthe war selbst noch im 15. Jahrhundert unbedeutend. Doch fehlte selten in der Nähe rin Spiel- und Turnirplatz, ein Gärtchen und dergleichen. Die Hofburgen erlangten unter Umständen, namentlich, wenn sie zu ständigem Sitz größerer Fürsten bestimmt waren, sehr bedeutende Ausdehnung. Von den Gebäuden dieser Burgen sind Palas und Hauptthurm die wichtigsten. Der meist nicht oder nur nach der Außenseite befestigte Palas, welcher gewöhnlich di« eine Seite des Hofes einnimmt und in den Wohnsitzen mächtigerer Fürsten oft großen Raum bietet, hatte meist zwei Stockwerke. Das gewölbte Erdgeschoß enthielt Vor rathskammern, Bier-, Weinkeller und dergleichen. Darüber befand sich der eigentliche Saal oder Palas, welcher zum täg lichen Verkehr und zur Abhaltung von Festen bestimmt war. Ein« Freitreppe (die Grcde) führte aus dem Hofe zu ihm hinauf; mehrere, oft reich geschmückte und von den Burgherren selbst bewohnte Gemächer (Kemenaten) standen mit ihm in unmittel barer Verbindung. Die Palas mehrerer Hofburgen aus dem frühen Mittelalter sind erhalten. Als Beispiele seien erwähnt das Kaiserhaus zu Goslar aus dem 12. Jahrhundert, das Land- grafenhaus auf der Wartburg aus derselben Zeit, die Burg Dankwarderode zu Braunschweig, die Kaiserburg zu Gelnhausen, der Reichenstcin bei St. Goarshausen, die Burgen zu Eger, Nürnberg und Wimpfen am Berg. Nach der älteren, strengeren Sitte war den Frauen der freie Zutritt zum Palas nicht gestattet; sie beiwohnten meistens ein eigenes Gebäude des Burghofes, das, vorzugsweise di« Kemenate genannt, wenigstens drei Abtheilungen hatte: eine für di« Herrin und deren nächsten weiblichen Angehörigen, eine für die Diene rinnen und eine dritte (das Gaden), wo die Letzteren weibliche Arbeit«» verrichteten. Außer der Küche und mancherlei Vorraths- häusern besaß jede größere Burg ein« Capelle, und zwar zumeist von zweigeschossigen Anlagen (Doppelcapellen). Der Burghof umfaßte häufig einen kleinen Rasenplatz mit einer oder einigen Linden, denen zunächst sich gewöhnlich der Brunnen befand. Die Vertheiluna dieser Gebäude in dem Burgraume war vom vor handenen Platze abhängig — Anzahl, Größe, Ausschmückung, von Macht und Neichthum der Burgherren- In vielen Fällen gestaltete sich die Burg nach rmd nach zur Stadt aus, indem die Flächen zwischen den äußeren Ummauerungen (die Burgfreiheit) von Hintersassen bebaut und nach Bedürfniß weitere Gebiete wieder mit Mauern umgeben wurden. Diese umfangreichen, von Landes- oder Kirchenfürsten geschaffenen Anlagen hat der Baueifer späterer Zeiten am meisten beeinträchtigt. Doch lassen sich großartige Anlagen, wi« z. B. die zu Halle, zu Braunschweig, zu Freising, in ihren Haupttheilen noch deutlich erkennen. Sie umfassen zum Theil großartige Kirchenbauten. Trefflich er halten ist die Burg zu Meißen. Was nun unsere Burgen in Sachsen anbetrifft, so reihen sich, wie der Verfasser sich in hübschem Bilde ausdrückt, wie zu einer Perlenschnur an der westlichen Mulde die Burgen, bez. Ruinen Eisenburg, Stein, Wiesenburg, Schloß Öfterstem in Zwickau, Glauchau, Remsa, Waldenburg, Kaufungen, Wolken burg, Roch-burg, Wechselburg, die Schlösser zu Rochlitz, Colvih, Grimma, Döben, Trebsen mit seiner Gegenburg Butizi, Wurzen und Püchau aneinander. An der Zschopau finden wir Croten- dorf, Schlettau, den Tanneberger Mäusethurm, Wolkenstein, Scharfcnstein, Zschopau, Augustusburg, Lichtenwalde, Franken berg, Sachsenburg, Kriebenstein und das Schloß zu Waldheim. Auch das Etbihal, von dem schon Karl V. versicherte, daß er hier mehr Schlösser als irgendwo auf Evden beisammen ge ¬ funden habe, hat eine stattliche Rrthe alter Burgen und Schlösser aufzuweisen. Am oberen Lauf« der Elbe begegnen wir dem Königstein, dem Lilienstein, der Kefevnburg (wahrscheinlich Schandau), den Ruinen der Burgen Rathen und Wehlen, ferner dem Schloß Sonnenstein in Pirna. Der Strom sprengte die Kesselwand des — wie man glaubt, bis vor etwa 2500 Jahren bestandenen — böhmischen Landsers da, wo di« Winterberg« und Zschirnstein« einander aus weiter Entfernung anschaurn. Da ist es nun für uns interessant, daß es scheint, als hätten beiderseits Burgen gestanden. Denn „vom Zschirnstein" schrieb sich im 15. Jahrhundert «in Adelsgeschlecht, dem z. B. ein Meißner Domherr zugehörte, und im 17. Jahr hundert finden wir mehrere Erblehngerichte der Sächsisch:» Schweiz, di« jedoch nicht in „von" Cirrenstein'schen Händen waren- Ob nb«r die Burg auf dem großen oder, was beinahe glauhafter erscheint, auf dem kleinen Zschirnstein« zu suchen sei, läßt sich nicht bestimmen. Winterstein, welches Graun in seinem Verzeichnisse aus Versehen ins Amt Pirna setzt, gab u. A. vor 500 Jahren dem Gouverneur und Pfandinhaber des König steins, dem Stirnrad und Winterstein, seinen Namen und hat nach allseitiger Uebereinkunft der Sage und der schriftlichen Ueber- lieferung auf einem der beiden Winterberge gestanden. Auf die Geschichte der siebzig Burgen selbst einzugehen, ist für uns recht verführerisch. Das knappe Gewand, das die Be schreibung umschließt, dabei die Fülle thatsächlichen Materials, die Wiedererkennung so mancher alter lieber Bekannter und Vertrauter aus den Ferienwanderungen in unserem schönen engeren Vaterlande machen uns den Abdruck des einen oder anderen Capitels recht erwünscht. Freilich, die Auswahl ist groß. Zwanzig Burgen in der Kreishauptmannschaft Leipzig, sechs- undzwanig in Dresden, dreizehn in Zwickau, sieben in Chemnitz und zwei in Bautzen — das ist etwas viel, und wir verweisen deshalb angelegentlich auf das Buch. Zumeist geht die Geschichte der Burgen bis in das 13. und 12. Jahrhundert zurück; nur wenige Bauten haben ein viel jüngeres Alter. Unter diesen steht Schloß Hubertus burg obenan, daS Schloß, das so recht den Wandel der Zeiten darstellt, und wir können uns nicht enthalten, hier Einiges als eine Probe des Buches darüber abzudrucken. Schloß Hubcrtusburg liegt in unmittelbarer Nähe von Wermsdorf. Durch den Waffenstillstand von Stockholm 1717 waren fried liche Tage über Sachsen gekommen, der Festtaumel bei der Ver- heirathung des Kurprinzen Friedrich August war vorüber; es galt, dem jungen Paare ein dem Prachtsinn des sächsischen Hofes entsprechendes Heim zu schaffen. Die Vorliebe des Prinzen für die Jagd gab wohl den Ausschlag, daß man den wildreichen Wermsdorfer Forst als Standort eines Schlosses für den Erben einer Königskrone und eines Kurhutes erwählte. König August der Starke beschäftigte seine Architekten voll auf, der Kurprinz mußte sich daher damit begnügen, seine Auf träge für den Bau am Wermsdorfer Wald an einen minder begünstigten Künstler zu ertheilen. Seine Wahl fiel auf einen Mann, der sich bisher noch nicht im Hochbau versucht hatte, sondern seiner ganzen Entwickelung nach dem Kriegswesen an gehörte, auf den Oberstleutnant Naumann. Johann Christoph Naumann erhielt als 57jähriger Mann im Herbst des Jahres 1721 den Bauauftrag. Bis dahin hatte er sich von Jugend auf dem Kriegs- und Fortificationswesen gewidmet und auf Reisen (1684—1685) in Dänemark, Schweden. Holland und England weitere Fortbildung gesucht. Seit 1686, in welchem Jahre er sich zu freiwilligem Dienste dem kaiserlichem Heere anschloß, das Ofen belagerte,' war er fast ununterbrochen an den Feldzügen gegen die Türken und Fran- I zosen betheiligt. Schon vor Ofen rückte er in Folge des im I Belagerungsheere eingetretenen Mangels an Ingenieuren in I die Armee ein, und es gelang ihm, durch Muth und Glück bei Feuilleton. Selbst ist — die Frau. Humoreske von Franz Kurz-Elsheim. Nachdruck vcrbole». „Aber, Mama, wenn ich nun doch gar keine Lust verspüre." Und die zwanzigjährige Marie verzog den hübschen Mund zu einem leichten Schmollen. „Lust, Lust. Glaubst Du vielleicht, ich hätte Lust. Es macht mir wahrhaftig kein Vergnügen, mit den anderen Müttern mich hinzusetzen und das Capitel der Haushaltungssorgen abzu haspeln, während sich das junge Volk dem Tanze hingiebt. Aber wem zu Liebe opfere ich mich denn auf? Doch nur Deinet wegen. Du gehst nun ins 21. Jahr. In Deinem Alter war ich schon verheirathet. Du jedoch triffst noch nicht die geringsten Anstalten dazu, als ob Du nicht ebenso gut wie ich wüßtest, wie schwer es bei der großen Concurrenz ist, ein Mädchen, und wenn es auch hübsch ist, ohne Geld unter die Haube zu bringen. Wozu geht man denn noch auf die Bälle?" „Zum Tanzen, Mama, zum Amüsiren", lachte frisch da- Mädchen. „Aber nicht zum Heirathen. Und es ist eigentlich recht bös von Dir, daß Du mich nun partout los sein willst. Wir Zwei könnten's doch so gemüthlich haben." „Los sein willst, los sein willst", replicirte Sie Mutter etwas ärgerlich. „Davon ist doch gar keine Rede. Aber froh bin ich, wenn Du Dich verlobt hast. Mit dem Heirathen selbst magst Du dann warten, so lange Du Lust hast." „Oho, so haben wir nun nicht gewettet, mein liebes Mütterchen." Und Mariechen wippte hm und her, hatte die Hände auf den Rücken gelegt und sah ihre Mutter heraus« fordernd an. „Wenn ich wirklich einmal verlobt bin, dann heirathe ich bald. Für so 'nen ellenlangen Brautstand schwärme ich nicht. Sag' mal, wer kommt denn Alles, ich meine zu dem Balle." „In erster Linie Herr Barting, der Capitän, den wir voriges Jahr im Seebad kennen gelernt haben. Wie gefällt er Dir eigentlich?" „Ach, so lila. Ich habe ihn noch nicht so genau betrachtet." „Dann wird'- Z«it, daß Du «S thust." „Ach, daS soll wohl Dein Schwiegersohn werden? Nein, n«in, das giebt'S nicht. Der Mamr ist nach meiner Schätzung schon anfangs der Vierziger, also doppelt so alt, wie ich. Da bedank ich mich doch schön." .Froh solltest Du sek», wem er Dich nimmt. Lr ist noch «in ganz annehmbarer Herr. Und reich ist er auch. Und er ist der Einzige, der sich nicht wegwandte, als er erfuhr, daß wir kein Vermögen besitzen. Er blieb uns treu, obwohl Du ihm manchmal übel mitgespielt hast. Ja, den jungen Schäfftr, den hättest Du wohl lieber gemocht, oder den Aribert. Aber die haben sich nicht mehr sehen lassen, als sie Auskunft über unsere Lage erhielten. Keiner —" „Puh, wie mir das nahe geht. Der Ein« ist mir ebenso gleichgiltig, wie der Andere, und wie Dein Capitän." „Aber Kind, nun sei doch vernünftig. Der Capitän liebt Dich offenbar. Er ist uns hierher gefolgt. Zwar sagte er, er besuch« einen Jugendbekannten. Aber das sagte er nur, weil er im Bade selbst keine Gelegenheit nehmen konnte, um Dich anzuhalten. Also zeige Dich auf dem Balle von Deiner liebens würdigsten Seite." Frau Malcourt, die Geheimraths-Wittwe, war ganz erregt geworden. Sie war noch ein« hübsche Frau, trotz ihrer 39 Jahre und der man gar nicht ansah, daß sie bereits Mutter einer heirathSfähigen Tochter war. Und da sie im Grunde ihres HerzenS auch noch durchaus nicht abgeneigt war, auf die Freuden dieses Lebens zu verzichten, so war ihr das große Mädchen manchmal recht unbequem. An ihm ließ sich leicht ihr Alter nachrechnen. Und das war doch nicht gerade nöthig. Daher trachtete sic schon lange darnach, einen Mann für Mari« zu finden. Sir hatte auch imm«r irgend Jemand auf dem Korn. Doch alle „schnappten" stets ab, sobald sie erfuhren, daß das hübsche Mädchen zwar eine Aussteuer erhalte, aber nichts Baares. Das, was der Geheimrath hinterlassen — und viel war es ja gerad« nicht — reichte eben zum Lebensunterhalt hin. Und nun stellt sich da» Mädchen so bockbeinig an, lacht zu allen Vorschlägen und thut, als ob gar kein« Männer existirten und als ob es nicht die Bestimmung jedes Mädchen- wäre, gshrirather zu werden. Und der Capitän meint es anscheinend wirklich ernst. Wie liebenswürdig zeigte er sich bei jeder Gelegenheit. Stundenlang hat er ihnen im Sommer Gesellschaft geleistet, hat Ausflüge mit ihnen gemacht und alle di« tollen Strriche Marie's, die ihrer Laune oft gar zu gern di« Zügel schießen ließ, mit einer wahren Lammsgeduld hingenommen. Marie hatte ja Recht. Ec war doppelt so alt wie sie. Doch das sah man ihm gar nicht an. Nicht im Geringsten. Ihr Mann war auch 15 Jahre älter als sie, und sie find doch reckt glücklich mütinander geworden. Die Frau Geheimräthin seufzte. Sie seufzte Immer, wenn sie an ihren seligen Mann dachte. Da» war sie zum Mindesten seinem Andenken schuldig. Hätte sie vorher aewußk, welchen Aerger sie auf dem Lalle durchzukosten hätte, st, wäre trotz alledem nicht Hingängen. Zunächst hatt« Marie ihrer besten Freundin, der Frau Con- sistorialräthin, einige Wahrheiten gesagt, über welche diese höchst aufgebracht wurde. Den ehrfurchtsvollen Gruß deS Kapitäns hatte das Mädchen kaum erwidert. Und als er sie um den ersten Walzer bat — und ihr« Mutter hatte ihr noch ausdrücklich anbefohlen, diesen für ihn zu reserviren — da hatte sie mit einem bedauern den Lächeln gemeint, sie hätte schon sämmtliche Walzer für den ganzen Abend vergeben. Aber die Mazurka sei noch frei. Ge rade der Tanz, den er nicht tanzte. Der Capitän indeß zeigte sich als echter Gentleman. „So sehr ich das bedauere, gnädige Frau", hatte er zur Geheimräthin gesagt, „so sehr freut es mich andererseits, als es mir dadurch vergönnt wird, mich Ihnen wid men zu dürfen." Nun ja. Er hat sich eben nichts m«rken lassen. Aber wenn ihn die Abweisung Marie's in seinem Heirathsplane noch Nicht wankend gemacht hatte, dann doch sicherlich der Um stand, daß sie fortwährend mit dem jungen Amtsrichter tanzte und einmal so^ar einen ganzen Walzer mit ihm verplauderte. Wenn ihr der zungc Mann noch bekannt gewesen wäre. Vor gestellt hatte er sich, das war Alles. Also hatte Frau Malcourt sicherlich Grund, sich am Morgen nach dem Balle in einer geradezu griesgrämigen Laune zu be finden. Und ihre Tochter kanzelte sie schon beim Morgenkaffee ab, daß es so eine Art hatte. Indessen, Marie war ein merk würdiges Ding. Ihr Frohsinn war nicht todt zu kriegen. Und heute erst recht nicht. Wie aus den Wolken aber fiel di« Mutter, als sich auf einmal der junge Amtsrichter melden ließ. Was will denn der heute- Ganz rathlos dreht« sie die Karte in den Fingern bin und her, di« ihr dal Dienstmädch«» «den gebracht hatte. Und dann wieder sah sie ihre Tochter an. „Na ja, Mama", meinte die. „Ich verduft« inzwischen ins Nebenzimmer. Ihr werdet mich schon rufen. Daß Du's nur weißt. Er will mich zur Frau. Und ich nehm« ihn. schon all dem Grunde, weil ich ihn mir selbst ausg«sucht habe. Weshalb heißt'S: „Selbst ist der Mann?" Kann und soll die Frau nicht ebenso selbst sein? Und nun sei nicht bös, Mamachen, und sag „Ja und Amen." Von dem Amtsrichter selbst erfuhr sie, daß er ihre Tochter schon seit Wochen kenne. Auf einer Radtour hatten sie sich ae- troffen und gestern Abend hatte sie ihm gestanden, daß er ihr auch nicht gkichailtig sei. Was wollte die Mutter machen? Der Zweck war auf jeden Fall erreicht. Da klingelt's auf's Neue. Wieder kommt daS Dienst mädchen. Herr Capitän Darting wünscht soine Aufwartung zu machen. „Nun sitz' ich schön da", jammerte sie. „Wenn der jetzt kommt, kommt er nur, um einen Antrag zu machen. Was sag' ich ihm nur, nachdem ich ihm die ganz« Zeit Hoffnung gegeben habe?" „Geschieht Dir ganz recht", spottete die Tochter. „So müßte eS allen Menschen ergehen, die ihre Tochter glauben verheiratheu zu müssen, ohne sie zu fragen. Aber laß ihn nur vor. Das Andere findet sich dann." Und sie zog ihren Verlobten mit ins Nebenzimmer. Es war schon richtig. Herr Barting sah genau aus, wie ein Heirathscandidat. Und just ebenso verlegen schien er, wie sie. „Verehrteste Frau", begann er nach Erledigung der üblichen Begriißungsformeln. „Sic haben sich stets so liebenswürdig gegen mich gezeigt, daß ich wagen darf, Ihnen heute eine innig Bitte vorzutragen, von der es abhängen wird, wie sich mein weiteres Leben gestaltet." „Armer Mensch", dachte die Frau Geheimräthin. Aber sie sagte nichts. „Sie sehen und wissen, daß ich die Jugendjahre hinter mir habe. Aber das ist kaum ein Fehler. Sie dürfen auch erfahren, daß mein Vermögen mir gestattet, einer Lebensgefährtin alle Wünsch« zu erfüllen." .Herr Capitän." Sie glaubte, ihn nun nicht weiter sprechen lassen zu dürfen. „Herr Capitän, so leid es mir thut, ich muß Sie bitten, den Gedanken aufzugeben." Ganz erschrocken sprang der Bewerber auf. „Das kann doch Ihr Ernst nicht sein. Sie haben mir doch stets Hoffnung gemacht und ich kann, ick darf nicht annehmen, daß Sie mit einem ehrlichen Herzen nur gespielt haben." „Nein, ich war von der besten Absicht erfüllt. Doch cs hat sich seit gestern Vieles geändert. Meine Tochter hat sich soeben verlobt." „Um so besser. Das berührt uns aber doch nicht." „Sie scheinen mich mißverstanden zu haben. Ich sagte, daß sich meine Tochter —" „Soeben verlobt habe. Ganz recht. Das ist aber doch kein Grund, daß Sie meine Hand ausschlagen." Frau Malcourt machte große Augen. „Ich? Aber ich denke, Sie wollten meine Tochter, alle Ihre Liebenswürdigkeiten hätten der zukünftigen Schwiegermutter ge golten." „Nein, nein. Sie ist ja reizend, Ihre Tochter, gewiß. Aber mein Verlangen geht höher, war stet» nach Ihnen gerichtet, uns so frage ich denn nochmals: „Darf ich hoffen?" Wenige Monat« später war im Haus« der Malcourti qroß« Doppelhochzeit.
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