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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.01.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020123020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902012302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902012302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-01
- Tag1902-01-23
- Monat1902-01
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Nmtsölatt des Äömgtichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeige«-Preis die 6 gespaltene Petitzeile L5 H. Reklamen unter dem Redaetionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (8 gespalten) 5V H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra - Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung 80.—, mit Postbeförderung 70.—. ^nnahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richte«. Die Expeditton ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. tl. Donnerstag den 23. Januar 1902. 96. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. In der englischen Adrcßdebatt« berührte Chamberlain auch Das englische Lieblingsthema Der letzten Wochen, Di« Humanität der britische» Kriegführung iu Südasrika, und erklärte — wahrscheinlich mit Der ausdrücklichen Absicht, seinen kontinentalen Freunden noch einmal vorzuhalten, daß seine früheren Aeußerungen und Behauptungen unerschütterlich fest stehen, — „unsere Humanität während des Feldzuges in Süd afrika 'war und ist ab so lu t o hn « j« d« sB ei s p i«l i n d e r Geschichte aller Kriege", womit er natürlich wieder sagen wollte. Daß noch kein Krieg so human geführt wotden sei. wie derjenige gegen die Boeren. Er, der gewandte Redner, ist a'ber bei dieser stolzen Aeußerung doch nicht ganz vorsichtig in der Wahl seiner Worte gewesen, denn dieselben kaffen ganz bequem zwei ganz entgegengesetzte Auslegungen zu, und werden auf dem Continente, wie in der englischen Oppositionspreffe jedenfalls mit tüchtigem Spott auch entsprechend gehandhabt wetden. ,, Our tiumLllitx VU8 kdoolutel^ Ullp rseoäsntöä" <— das ist es ja gerade, was Die ganze Welt England zum Vor wurfe macht, daß die den Boeren-Foauen und -Kindern bewiesene Humanität einfach beispiellos war und noch ist, — in beispielloser Mise abweichend von Derjenigen Humanität, wie sie z. B. im Deutsch-französischen Feldzüge von Seiten Der Sieger den Besiegten zu Theil wurde. Es gehört eben schon die Chamber- lain'sche Stirn Dazu, den von den Engländern in Südafrika an gewandten Grad von Humanität im guten Sinne als beispiellos hinzustellen, wenn dies« „Menschlichkeit" bereits über 15 000 Kinder und über 2500 wehrlose Frauen und Mädchen als Opfer gefordert hat. Ueber Die versteckte, absichtliche, erneute Beleidigung, die mit dieser Aeußerung Chamberlain, der Mann der Unwahrheit und der Gewissenslosigkeit, 'wieder nach Dem Continent abrichtet, und vor Allem wohl wieder nach Deutschland, kann man natürlich heute zur Tagesordnung übergehen. Wer Pech anfaßt, besudelt sich. Im klebrigen befaßte sich Herr Chamberlain mit Den eventuelle» Artcvensvorschlägc» oder Aussichten in einer Weise, die ungethttlte Ueberraschung im ganzen Hause hervorrief. Bislang hatte gerade er bei jeder Ge legenheit betont, daß Die Regierung sich mit den Boeren über haupt auf keine Verhandlungen einlass«, sondern einfach nach wie vor bedingungslose Uebergabe verlange. Jetzt sprach Chamberlain wie folgt: Bisher lag keine Möglichkeit vor, daß die Boeren irgend welche Friedensbedingungen „acceptiren" würden, die nicht völlige Unabhängigkeit garantirten. Bei allen zukünftigen Friedens -Vorschlägen muß dte Regierung Das Recht haben, Creditwe von den Unterhändlern zu verlangen, und Die Letzteren müssen ihr« Bedingungen zu Papier bringen. Die erste Grundbedingung wird aber sein, daß die „geschlagene Nation" ihre Niederlage einsieht und zugesteht. Dann werden wir durchaus nicht taub sein gegen vernünftige Friedensoor schläge, die von einer vernünftigen und anerkannten Autorität kommen. Aber augenblicklich sind wir noch nicht Willens, irgend welchen Schritt zu thun, weil dies als Schwäche ausgelegt wer den könnte. Wenn auch Diese Aeußerungen ziemlich allgemein gehalten waren, so gewinnen sie doch um so mehr Werth, als sie aus dem Munde des grimmigsten Feindes der Boeren kommen, der bisher auch noch nicht ein gutes Wort für sie hatte und, wie gesagt, bis lang von irgend welchem Frieden auf anderer Basis, als unbe dingte Unterwerfung, absolut nichts wissen wollt«. Was diese Aenderung in der Kriegsstimmung des Colonialsekretärs hervor gebracht hat, entzieht sich einstweilen noch ver allgemeinen Kcnntniß. Geradezu sanft klingt es aber, wenn Joseph im weiteren Ver lauf seiner Rede Den Boeren und ihren Freunden in Südafrika sogar „eine sehr weitreichende Amnestie " verspricht und ver sichert, daß keine allgemeine Confiscatton von Privateigenthum stattfinden werd«, daß di« Boeren volle politische Recht«, gleiche Gerechtigkeit und Privilegien mit den übrigen Weißen theilen würden u. s. w. Noch am ersten Tage Der Adreßdebatte hatte der Premier minister Lord Salisbury mit Pathos geäußert, es sei nicht Sache Englands, zukünftige Amnestien, Verfassung u. s. w. als Lockspeise für den Feind auszu streuen, um ihn zur Nachgiebigkeit zu bestimmen. Was ist innerhalb weniger Tage geschehen? Der Wind weht ja auf ein mal ganz anders, oder stimmt nicht mehr Alles zwischen Salis bury und Chamberlain* * Wie Die „Frankfurter Zeitung" aus dem Haag meldet, hat der holländische Ministerpräsident Kuyper ihren dortigen Correspondenten zu der Erklärung ermächtigt, Daß die Nachricht der „Birmingham Post", Kuyper habe sich bei holländischen Juristen Danach erkunDigt, ob die zwischen England und Trans vaal im Jahre 1884 abgeschlossene Convention die Suze- ränität Englands aufgehoben habe, oder nicht, erfun den sei. * Wellington, 22. Januar. Am 29. Januar geht das achte und am 28. Februar das neunte neuseeländische Trup penkontingent nach Südafrika ab. Politische Tagesschau. < * Leipzig, 23. Januar. Zu Anfang der gestrigen Sitzung de» Reichstags schien eS, als werde die zweite Beratbung des Etats mindestens ebensoviel Zeit beanspruchen wie die erste; denn beim Special etat des Reichstags wurden Wünsche und Klagen laut, die man ganz gelegentlich zum Ohre des Präsidenten hätte bringen können, dessen Aufgabe cs ist, Wandel zu schaffen. Außerhalb des Hauses wird man eS schwerlich begreifen, warum die Redner tribüne dazu benutzt wurde,um den Grafen Ballestrcm anzuregen, auf bessere Verpflegung in der Restauration binzuwirken. Später, als man zum Specialetat des Reichskanzlers kam, wurde eS besser. Und wenn man auch da zu besonderen Ergebnissen nicht kam, so lag das weniger an dem hohen Hause selbst, als an dem Grafen Bülow, der sich gestern in der Kunst, mit vielen Worten wenig zu sagen, wieder einmal als unübertroffenen Meister zeigte. Vor Allem lag den Volksvertretern daran, zu erfahren, wie der Reichs kanzler und der Bundesrath zur Diätenfrage sich stellen. So wurde denn Graf Bülow von allen Seiten angekohlt, aber was er von sich gab, genügte nickt, um einen Spatz satt zu machen: die Diätenlosigkeit der ReichStagömitglieder sei als ein Correlat deS allgemeinen direkten Wahlrechts in die Verfassung ausgenommen worden und eine Aenderung die Verfassung in dieser Hinsicht würde auch andere Wünsche berausfordern; eS sei daher begreiflich, daß die verbündeten Regierungen eS reiflich überlegten, ob sie dem Verlangen deS Reichstags nachkommen sollten. Wie weit aber diese Ueber- legungen gediehen sind und wie er selbst zu der Frage sich stellt, darüber lockte ihm Niemand auch nur eine Andeutung heraus. Man wird darauü schließen dürfen, daß die Meinungen im Bundesrathe noch sehr gelbeilt sind und keinen Schluß auf das Ergebniß der Erwägungen gestatten. Auch was Graf Bülow auf Anregung aus dem Hause über die Reise deS Prinzen Heinrich nach Nordamerika und unser Verhältniß zu den Vereinigten Staaten sagte, ging nickt über das hinaus, was jeder der Abgeord neten sich selbst sagen konnte und mußte: die Reichs- regierung ist von dem Wunsche erfüllt, auf der Basis voller Gleichberechtigung und gegenseitiger Achtung die traditionellen guten Beziehungen aufrecht zu erhalten, die zu den Ver einigten Staaten immer (?) bestanden haben und die einen Ausdruck in der Reise des Prinzen finden. Warum aber diese Reise ganz plötzlich und zu einer Zeit in Aussicht ge nommen wurde, in der in England die Bülow'scke Kritik der Ehamberlain'schen Kundgebungen eine tiefgehende Erregung hcrvorgebracht hatte: darüber erfuhr man ebensowenig etwas, wie über die Stellung Les Kanzlers zur Diätensrage. Be stimmter lauteten seine Erklärungen nur, soweit sie sick auf das Verlangen bezogen, der BundeSrath möge im Reichstage auch dann vertreten sein, wenn Initiativanträge auS dem Hause zur Berathung stehen. Dagegen erklärte sich Graf Bülow entschieden. Nach unserer Meinung mit Recht. Wir sehen ganz davon ab, daß nicht selten aus dem Hause wiederholt Anträge eingebracht werden, zu denen der Bundesrath schon in ablehnendem Sinne Stellung genommen hat. Die Hauptsache ist, daß seine Vertreter gar nicht in der Lage sind, im Namen ihrer Negierungen eine Erklärung über Fragen abzugeben, mit denen sie sich zu beschäftigen noch gar keine Veranlassung gehabt haben. Und daß der BundeSrath stets auS Höflichkeit einige seiner Mitglieder zum Schmucke des Reichstaassaaies rcputiren müsse, dessen eigene Mitglieder zu allermeist für einen aus leeren Bänken bestehenden Schmuck Sorge tragen, das ist denn doch zu viel verlangt. Graf Bülow war selbstverständlich zu artig, um das zu sagen; gedacht aber hat er es sichS wahrscheinlich. Weniger guten Grund, gegen einen aus dem Hause geäußerten Wunsch sich kühl zu verhalten, batte der Kanzler, als auf die lange Ver schleppung der Antworten des Bundesraths auf Reichs tagsbeschlüsse hingewiesen wurde. In dieser Ver schleppung liegt allerdings eine Mißachtung des Reichs tags, und zwar eine solche, für die der geborene Vorsitzende des Bundesraths, der Reichskanzler, verantwort lich ist. Zu einer motivirten Antwort kann ja der Bundesrath, da die Einzelregierungen zu einer solchen nicht verpflichtet sind, nicht gezwungen werden; aber eine nicht allzu lange hinausgezögerte Antwort ist er dem anderen Factor der Gesetzgebung schuldig. Hoffentlich sorgt Graf Bülow dafür, daß bei der zweiten Lesung des nächsten Etats die gestern erhobene Klage nicht wiederholt zu werden braucht. — Was man bei der hierauf folgenden Specialberathung des Etats des NeichSamts des Innern vom Grafen Posadowsky erfuhr, war zumeist bestimmter, als das, was der Reichskanzler erklärt hatte. Was die Aus dehnung deS Frauenstudiums anlangt, so warnte der Staatssekretär vor allzuviel gesetzlichen Maßregeln; man möge die weitere Entwickelung auf diesem Gebiete von dem Fortschritte der öffentliche» Einsicht erwarten. I Die Vorlage eines Kr a n k en ca ss e n ge s e tz e s ist für ! die gegenwärtige 'Session wegen der zahlreichen strittige» Puncte dieser Materie nicht zu erwarten, dagegen wird das Gesetz wegen deS gewerblichen Kinderschuhes noch an den Reichstag kommen. Die vom Abgeordneten Müller unter stützte Forderung einer Entschädigung der Phosphor- Str e rck h olz - I nd ust r i e bezeichnete der Staatssekretär als unberechtigt. Schon die Bezifferung der Entschädigung für die Fabrikanten auf zehn Millionen Mark zeige, daß der Grundsatz, für Maßregeln zum Schutze der Gesund heit der Arbeiter Entschädigung zu leisten, jeden socialen Fortschritt in dieser Richtung unterbinden würde. Den von den Interessenten verlangten Aenderungen der Gesetze über die Gebrauchs- und Geschmacksmuster stebt neben anderen Bedenken die Unmöglichkeit, DaS Patentamt noch zu erweitern, entgegen. — Heule wird die Berathung fortgesetzt. Ein Anwalt deS Auslandes in wirthschastlichen Dingen erwirbt sich daS Verdienst, daS Schreckgespenst einer öster reichisch-russischen HanSelSübereinkunst ans Kosten Tentsch- lands vollkommen zu verscheuchen. Der Wiener Correspon- dent des „Berliner Tageblattes" nämlich setzt auf das Anschaulichste die unüberwindlichen Schwierigkeiten aus einander, die einem derartigen Abkommen im Wege stehen, indem er ganz richtig das Nachstehende schreibt: „Soll sich Rußland von der deutschen Industrie in einer Weise abschließen, daß die wenig concurrenz- fähige österreichische Industrie sic auf der ganzen Linie er setzen könne, so müßte ihm ein Aequivalent dafür geboten werden in einem freien Absatzgebiete für sein Getreide, sein Vieh und seine landwirthsckaftlichen Produkte. Solchen Zu geständnissen aber wird Ungarn niemals seine Zu stimmung geben. DaS hieße ja nicht mehr und nicht weniger, als daß Ungarn die Kosten für eine Absatz möglichkeit der österreichischen Jndustrieproducte bezahlte." — DaS ist vollkommen richtig. Um so unbegreiflicher er scheint eS, daß derselbe Eorrespondent, der in den wirklichen Sachverhalt einen Einblick gewonnen hat, durch Vorführung eines neuen Popanzes Deutschland zum Verzicht auf seinen Zolltarif zu bewegen sucht. Dieser neue Popanz ist die Möglichkeit einer Zolltrennung zwischen Oesterreich und Ungarn und ihre vermeintliche Eonscquenz, das Ab kommen zwischen Rußland undOesterreick allein. Von letzterem behauptet der Wiener Herr, es würde binnen vierundzwanzig Stunden — natürlich unter den oben vor ausgesetzten, für Deutschland schädlichen Umständen — ab geschlossen sein! Als diese kühne Behauptung in Wien nieder geschrieben und im „Berl. Tagebl." abgedruckt wurde, hatte sowohl daS genannte Organ wie sein Wiener Gewährs mann vergessen, daß wenige Zeilen vorher wörtlich zu lesen ist: „Ja, selbst für Oesterreich allein bat die freie Einfuhr deS russischen Getreides und des russische» VieheS und der russischen landwirthschaftlichen Product« seine Be denklichkeiten. Die Polen würden vor Allem dagegen aus stehen ... kurz, der wirthschaftliche Zusammenschluß mit Rußland brächte unserer Monarchie so viele Nachtheile und fände bier so viele.. Gegner, daß er kaum in den Be reich der Wahrscheinlichkeit gerückt erscheint." — Trotzdem soll Rußland mit Oesterreich allein, wie wir oben hörten, in vierundzwanzig Stunden abzuschließen vermögen!! DaS Unbegreifliche — im „Berliner Tagebl." istS gethan. Fenillrtsn. Kittmeifter Eckhoff. Roman von A. von Trystedt. Nachdruck Verbote. Stephanie schüttelte Die dunkeln Haarwogen, dann erhob sie sich. Einen Moment noch schwankt« sie, ihr aufgeregter Blick verlor sich in der Ferne, wo einsam und öde, «ber in blendender Winter pracht Die Gebirgskette den Horizont begrenzt«. „Diese Stunde ist «ine Folter für mich, Mutter", bemerkte sie dann, bemüht, ihre Stimm« zu beherrschen, „da Dir so viel daran gelegen ist, au das Licht zu ziehen, was besser ungesprochen bliebe, so will ich Dir auch antworten, offen und wahrheits getreu". Sie schöpfte tief Athem. Die Mutter fach auf. Heimlicher Jubel brach sich Bahn in ihr. Wie so unbe schreiblich verändert erschien das schöne Mädchenantlitz jetzt, welch ein sonster Glanz in den Tiefen Der herrlichen Augen, welch ein sinniger Zug um Die vollen, blühenden Lippen. „Wessen Züge einer solchen Wandlung fähig sind, der kann auch nimmer DaS Herz ganz verleugnen", so 'dachte die Mutter m voreiliger, Heller Freude. „Ich lieb« ihn", flüsterte Stephanie wie selbstvergessen, „ja, Mama, ich lieb« ihn, und wenn ich noch im Zweifel war, so giebt d'-ie Stunde mir Gewissheit, „ich liebe ihn", wiederhol!« sie noch einmal, als könne sie sich nicht genug thun, mit diesem rückhalt losen Eingeständniß, „und wie glücklich hätten wir sein können!" Frau Martha'S Augen leuchteten. Mit einer sanften, «aber energischen Bewegung zog sie Da junge Mädchen wieder zu sich herab, sie küßte Die kühle, weihe Stirn und liebkoste di« glühenden, brennenden Wangen. „Du liebst ihn, Stephanie, nun ist Alle» gut! Eckhoff ist der beste, treueste Mann, den ich je kannte, m wird Dich auf Händen tragen, Dir ein beneidenSwerbeheS Loo« bereiten! Und welch «in Segen, daß Ihr Such noch zur recht«» Zett fandet —" „Wir haben unS nicht gefunden, Mama!" „Mit Worten nicht, Kind, aber mit Blicken! Ich sah es Doch, Alle mußten es gewahren, wie Eure Her,«« ineinander flössen!" „So? War ich so unvorsichtig, Den lieben Bekannten Anlaß zu Combinativnen zu geben? Das sollte mir Eckhoff'« wegen herzlich Kid thun." „Stephanie!" rief die Mutter tief erschreckt, „mit Dieser Liebe im Herzen kannst Du unmöglich die Gattin eines Anderen werden!" „Ich verstehe Dich nicht, Mama! Mein« Zukunft liegt doch Wohl klar gezeichnet vor mir", entgegnete Stephanie mit einem leichten Anflug von Bitterkeit. Die Mutter schüttelte ernst den Kopf. „Diese Liebe ändert Alles, Stephanie! ES wäre eine große Sünde, wolltest Du eitlem Schein Dein Herzensglück opfern! Ein Unrecht, das sich einst schwer an Dir rächen würde!" Stephanie sah ihre Mutter in maßlosem Staunen an. „Diese Sprache wäre vielleicht vor sechs Jahren angebracht gewesen", bemerkte sie herb, „bisher erhieltet Ihr mich in dem Glauben, daß ich so eine Art Kunstfigur sei, der man es gestattete, das Dasein bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nach Möglichkeit zu genießen, die Huldigungen der Männerwelt herausznfordern, um dann eines Tages von einem anderen, noch glänzenderen Rahmen aus dasselbe unwürdige Spiel zu wiederholen. Ich war längst tanzesmüde, und Dieses Zurschaustellens überDrüssig, daher mag es kommen, daß ich Eckhoff mehr Beachtung schenkt«, als meinen bisherigen Verehrern. Ob Jemand unter ihnen sein Herz an mich verloren hatte, und dann schmerzlich unter der Ent täuschung litt, darum haben wir unS Doch wohl niemals Ge danken gemacht. Stets wäret Ihr bemüht, mir das Leben einer reichen Erbin in Den blendendsten Farben auszumalen. Ich habe mich so daran gewöhnt, das Dasein, wie 'wir «s führen, gewissvr- maßen als einen Uebergang, und die enDlichr Wendung als eine Erlösung zu betrachten, Daß meine Phantasie der Gegenwart immer weit vorauSeilte. Nun endlich das Ziel Eurer Wünsche, Die auch die meinigen geworden sind, 'winkt, sprichst Du mir von Liebe und Entsagung, Mama, wie soll Ich das verstehen?" „Grüble nicht weiter, mein KtnD, folge dem Zuge Deines Herzen», und der warnenden Stimme Deiner Mutter!" „So verlangst Du, daß ich einfach aus die Erbschaft ver zichte, die ich nur unter der Bedingung erhalt«, daß ich Den mir von Malchow bestimmten Mann heircrthe?" „Ja, Stephanie, verachte das Gold, es kann Dir niemals Den Frieden des Herzens ersehen". „Und was soll aus Such werden! Papa arbeitet doch nicht, zudem hat er sich zahllos« Verpflichtungen geschaffen, die eines Taget beglichen werden müssen. Wenn di« Gläubiger erfahren, daß sie keinen Heller zu erwarten haben, werden sie Papa wegen Betruges verklagen". Frau Döring faltete mit einer krampfhaften Bewegung die Hände. „Gott wird unt beistehen! E- 'wirb und muß werden, auf irgend eine Weise! Wir sind Drei Erwachsene, 'da wird doch ein Jedes so viel erwerben können, um sich gegen Mangel zu schützen!" „Und früher ist Dir nie der Gedanke gekommen, Mama, daß ich ein Herz besitze, Daß es mehr als wahrscheinlich war, wenn mein Lebensglück an dieser seltsamen Erbschaftsgeschichte scheitert. Frau Döring hatte ihr Gesicht mit beiden Händen bedeckt. „Es ist eine unselige Geschichte", brachte sie mühsam hervor, „Du warst stets so ruhig, so kühl beherrscht — aber freilich, ich ließ mich viel zu sehr durch die eigenen Wünsche bestimmen —" „Also auch Dir verlangte nach dem fremden Gelde." „Ach nein, Stephanie, nein! Ich wünschte nur, mich Han» Malchow gefällig zu erweisen." „Mutting", bat Stephanie mit dem ganzen Ungestüm, wie sie einst um ein Märchen zu betteln pflegte, „liebste Mama, erzähle mir von diesem alten Malchow. Was ist's mit ihm, gehört er zu unserer Familie, oder welche Rolle spielt er sonst in Deinem und Papas Leben? Papa ist dem Geizhals nicht sehr zugethan, Du aber sprachst stets lieb und gut von ihm. Die Stunde der Aufklärung scheint gekommen zu sein, enthalte mir sie nicht länger vor!" Du solltest nach Diesen Aufklärungen nicht so keck verlangen, Kind, es ist, glaube mir, besser, wir lassen Dies« alten Ding ruhen, und Du folgst bedingungslos Deinem Herzen! Wahre Liebe und echte Treue finden immer ihren Lohn! Noch einmal bitte, beschwöre ich Dich, weise Das fremde Geld, Den unbekannten, ungeliebten Mann zurück und fühle Dich cils Eckhoff's Braut!" Aber Stephani« schüttelte sehr nachdrücklich den kleinen, an- muthigen Kopf. „Man Darf so ein bischen Liebe nicht zu hoch anschlagen, Mutti! Die Atmosphäre der Ballsäle mag ein Gift enthalten, aber es ist ein süßes Gift, daS angenehmste Betäu bungsmittel gegen jede Selbstquälerei, und wer sich Daran gewöhnt hat, kann es nicht wieder entbehren. Mein Herz kann ich leicht be schwichtigen, meine ehvgeizigen Wünsche aber verlangen nach Ver wirklichung." „O, mein Gott", seufzte Die Mutter, „daS ist dieselbe Sprache, die einst mein Unglück besiegelte. Nun darf ich freilich nicht schweigen. Gebe der Himmel, daß ich Dich überzeuge, Du thörichtes Mädchen, Du!" Stephanie lächelte. „Hoffe nicht, mich umzustimmen, Mama", sagte sie mit einer Stimme, Die nichts verrieth, als die frohe Er wartung auf die bevorstehende Erbschaft, „wir leben in einer sehr nüchternen Zeit, und es wäre Wahnsinn, wollte ich einer sentimen talen Regung wegen auf ein Capital verzichten, daS unser Aller Zukunft sicher stellt." „Du wirst bald ander» denken", entgegnet« Frau Döring zu versichtlich, und mit einem schnellen Entschluß alle weiteren Be denken abschneidend, fügte sie hastig hinzu: „Hans Malchow war einst mein Verlobter, und ich seine von ihm abgöttisch geliebte Braut." Stephanie sah wie erstarrt aus. Alles Andere, Diese Er öffnung mochte sie nicht erwartet haben. Es flimmerte vor ihren Augen, die bereits einen so begehr lichen Blick angenommen hatten. „Du, Du warst die Braut des Millionärs?" flog es von ihren Lippen. Blitzschnell tauchten die Vergleiche vor ihr auf — die Misere des Elternhauses, und der Glanz, die überreiche Fülle, von der Malchow umgeben war. Seiner Persönlichkeit gedachte sie auch jetzt nicht. Nur dem Gelde galt ihr Interesse. „Der Millionär war damals, als wir uns Treue fiir's ganze Leben gelobten, ein armer, armer Hungerleider", fuhr die Frau zu sprechen fort, „Einer von denen, welchen Alles, was sie be ginnen, zu mißlingen scheint. Nach langen Mühen hatte er endlich die schlecht besoldete Stell« eines zweiten Buchhallers er rungen, obgleich er eine gediegene Bildung besaß." Frau Martha unterbrach sich noch einmal. In ihren blauen Augen standen große Thränen, sie weinte einem verfehlten Leben nach, einer fernen, fernen Vergangenheit, di« erst jetzt ckren vollständigen Abschluß fand, wenn jene müden Lider sich auf ewig geschlossen hatten, um nie wieder in starrer Anklage sich zum Himmel emporzuheben. Stephanie fand keine Aeußerung inniger, kindlicher Theil- nahme. Verschlossen, fast feindselig stand sie diesem stummen Schmerz gegenüber. „Wie thöricht war die Mutter einst gewesen, wie kurzsichtig! Und nun wünschte sie dasselbe von ihrer Tochter, von der stolzen, vielgefeierten Stephanie. Hatte die Erfahrung hier so wenig genützt? Ich aber werde klüger sein", dachte Das schöne Mädchen, „o, ich bin auf meiner Hut! Eckhoff wird nicht so einfältig sein, mir ein Leben lang nachzuweinen, er wird sich zu trösten wissen, und wenn nicht — mein Entschluß ist unwiderruflich!" Sie sah ungeduloig zu der Mutter auf. Diese nickte kaum merklich, Dann sprach sie weiter und bald hörte man aus ihrem Ton, daß Diese Beichte Ihr wohlthat, vielleicht einen starren, heimlichen Schmerz in ihr löste. Jedenfalls überwand sie alle Scheu ulld Bedenken, und un geachtet dessen, Daß Julius der Vater ihres Kindes war. verbarg ne nichts, sondern offenbarte der aufhorchenDen Tochter rück- haltSloS daS große bejammrrnSwerthe Elend khreS Dasein!. „Ich befand mich damall, kaum achtzehnjährig, tn rinn llhn«
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