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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.01.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190201269
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19020126
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19020126
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-01
- Tag1902-01-26
- Monat1902-01
- Jahr1902
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.01.1902
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Bezug-«Preis 1» der Hauptexpeditton oder den im Stadt- teztrl und de» Bororten errichtete» >u«- gabeftelle» «dgeholtr vlerteljthrkich 4.50, bet zweimaliger täglicher Zustellung In« Hau» H-bü. Durch di, Post bfzoaru für Deutschland u. v»st»rr»tchi »ierteljührs. ^l 6. Man abonnirt ferner mit «ntwrechendem Postqpsschlag bet deu Postanstalteu tn der Schwei». Italien, Belgien. Holland, Luxem- bur- Dänemark, Schweden und Norwegen. Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türket, lkgypten. Für oll» übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch di« ErpedMlM diese« Blatte« möglich. Die Moraen-AuSgabe erscheint um '/,7 Ubr, di« Lbend-iilu«gabe Wochentag« um t Uyr. Nedaciion und Expedition: 4»hn«nti»i»ff« s. Filialen: Ulfted Hahn vorm. lv. Klemm'- Sortim. Uuwerfltät-straße S (Paulinum), Soul- Lösche, Kathartnenstr, 44, pari, und K-utgSplatz 7. ripMrr.TagMaü Anzeiger. Nmlsölatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes nn- Nolizei-Amtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die bgespaltene Petitzeile 25 Necla men unter dem Redactton-strich (4geivalten) 75 vor den Familiennact» richten («gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz «ntsprechenv höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahm« 85 (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), uur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poftbesörderung -/i SO.—, mit Poftbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Äuzeigen: Abeud-AuSgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgeu-AoSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen and Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochea geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tn Leipziz. Nr, 4«. Sonntag den 26. Januar 1902. 86. Jahrgang. Aue der Woche. Ueber den bevorstehenden amerikanischen Aufent halt de« Prinzen Heinrich von Preußen treffen schon jetzt alltäglich Depeschen au« dem großen Lande jenseits des atlantischen OceanS ein. Man interessirt sich dort offenbar außerordentlich für den zuaedachten Besuch und auch in Deutschland erregt der Neiseplan des Bruders des Kaiser« große Aufmerksamkeit. Wir haben bereits an anderer Stelle mitgetheilt, daß der Verlauf der Fahrt im „Leipziger Tageblatt" ausführlich geschildert werden wird. Ein Mitglied deS Hohenzollernhauses ist noch nicht in Amerika gewesen, unseres Wissens auch kein Zu gehöriger einer anderen größeren deutschen Herrscherfamilie, wenigstens nicht in irgend welcher osficiellen Eigenschaft. Prinz Heinrich aber reist als Vertreter des Kaisers und der deutsche Reichskanzler hat im Reichstage in einer ihm nahe gelegten Bemerkung über unser Verhältnis zu Amerika der Fahrt Erwähnung gethan. Es sind von den großen noch aufstrebenden Staaten die jüngsten, die sich begrüßen werden, und zwei in den Werken des Friedens mit einander wetteifernden Länder. Zudem leben in Amerika Millionen Deutsche, die gute Bürger der Republik geworden sind, aber die alte Heimath nicht vergessen, deutsche Art nicht verlernt haben. Die« Alle« verleiht der Reise deS deutschen Prinzen ein besonders Interesse, ein größeres vielleicht, als die früher unternommenen Amerikafabrten deS jetzigen Königs von England und eine« russischen Großfürsten beanspruchen durften. Politische Bedeutung im eigentlichen Sinne wird man aber diesem Austausch von besonderen Aufmerksamkeiten wohl nicht beizumessen haben. Er zeigt, daß die Beziehungen zwischen der deutschen und der nordamerikanisi», :n Negierung freundlich und die Bemühungen der „gelben" Presse, die beiden Völker zu verfeinden, nicht von großem Erfolg be gleitet gewesen sind. Dies Verbältniß wird bestätigt, aber nicht verstärkt werden. Die BerührungSpuncte wie die Gegen sätze werden die alten bleiben und Uebelwollenden wird eS Wohl auch künftig gelingen, einen Theil der amerika nischen Nation mit Mißtrauen gegen angebliche poli tische Aufhetzungen Deutschland« auf südamerikanischem Gebiete zu erfüllen. Am allerwenigsten wird die Reise weltpolitische Constrllationen ändern. Es ist ein Irrthum, zu glauben, daß die Prinzenreise als rin deutscher Schachzug gegen England auch nur gedacht gewesen wäre, und eS ist ausgeschlossen, daß er eS werden könnte. Außerordentliche Freundlichkeits beweise gegen fremde Staaten von der Art, wie der jetzt in Aussicht genommene, sind von deutscher Seite seit zehn Jahren häufig erwiesen worden, ohne daß politische oder sonstige praktlsche Folgen gezeitigt worden wären. Mit solchem Thun wird kein Reis gepflanzt, sondern nur eine abgeschnittene schöne Blume in die Vase gethan. Und daS „welkt" nach unseren Erfahrungen regelmäßig „die Nacht darauf". Der leise Tadel, der den Bundesregierungen im Reichs tage wegen Nichtverabschiedung gewisser Znitiativgesetz- entwürfe ertheilt wurde, bat daS Centrum ermuthigt, wegen der Ignorirung seines mit großer Mehrheit angenommenen Antrages auf Aufhebung deS IesuitengesetzeS zu inter- pelliren. Die „Germania" thut so, als ob die Partei vom Lande heraus zu dem Schritte gedrängt und aufgefordert worden wäre, „Rücksichtslosigkeit gegen Rücksichtslosigkeit" zu setzen. Man kann da« Gegentheil nicht beweisen, aber Thalsache ist, daß der ungeheuren Mehrzahl der katholischen Laien die Rückberufung der Gesellschaft Jesu gleichgiltig ist und daß sie für sehr viele Kleriker unerwünscht wäre. In der katholischen Welt sieht man eben alle Tage aufs Neue bestätigt, was die landläufige flache Beobachtung nicht erkennt. Heinrich Heine war eS, der die Lehre, zwar nickt auf gebracht, aber popularisirt hat, daß e« unvornehm sei, die Jesuiten zu fürchten. Heine war ein kluger Mann, aber er hat doch nur Iesuiten-Geschichtchen im Auge gehabt, wie sein Freund Eugen Sue in dem Roman der „Ewige Jude" sie aus tischt. Die Abwehr des IesuitiömuS hat einen welthistorischen Hintergrund und wenn es auch gewiß ist, daß die Aufrecht haltung deS Verbotes, Niederlassungen zu gründen, seinen Geist nicht verbannt, so ist es ebenso richtig, daß die Be seitigung deS — seiner Zeit vor Allem von freisinniger Seite geforderten — deutschen Iesuitengesetzes eine Kapitulation de« Staates bedeuten und ein Pendant bilden würde zu dem un vergeßlichen, an den polnisch-ultramontanen Agitator Grafen LedockowSki gerichteten Worte: „Nicht wahr, Alles vergeben und vergessen?" Wir glauben nicht, daß die Bundesregierungen sich zu einem solchen Schritt entschließen könnten. Ein Theil von ihnen, und zwar die Negierungen großer Bundesstaaten, würbe mit der Zustimmung zur Beseitigung des NeichS- jesuitengesetzeS sogar eine particularistische Gleichgiltigkeit gegen die culturrelle Gesamintenlmickelung des Reiches bekunden. In diesen Staaten ist der Jesuitenorden tandesgesetzlich verboten und daran würde die Zurückziehung deS Reichsgesetzes nichts ändern. Das gelte auch von Preußen. Auch dort, so steht zu hoffen, ist man von der „VersöhnungS"-Krankheit wenigstens so weit hergestellt, um wenigstens nickt auf diesem Gebiete einen neuen Fehlschlag zu thun. WaS dem Deutschthum in den Ostmarken gerade noch fehlte, wären Iesuitenklöster und Iesuitenmissionen. Zu weiterer Nachgiebigkeit gegen den Ultra- montaniSmuS braucht auch in Berlin gerade nicht die Thatsache zu verlocken, daß die klerikale Partei in Württemberg die einzige ist, die der Einführung der Einheit-Marke Schwierigkeiten be reiten möchte, und zwar, wie man zugegeben hat, nicht nur ans „etat-rechtlichen" Beweggründen. Da» ist deutlich. Die regierende Partei nimmt, aber sie giebt nicht. Mißerfolge der VersöhnunaSpolitik sind aber mindestens nicht schlimmer als Scheinerfolge. Mik einem solchen scheint man e« eben wieder zu thun zu haben. Wie gemeldet, hat der Kaiser vorgestern zu Hannover an einem Festmahle „der vormal« königlich hannoverischen Osficiere" tbeilae- nommen, da« zur Feier der Erinnerung an da» vom Kaiser bewirkte Wiederaufleben gewisser alter Ueberlieferungen in hannoverischen Regimentern statlfand. Danack, so müßte man meinen, giebt cS in größerer Anzahl vormals hannoverischer Osficiere, di« sich zu Preußen und dem Reiche bekenn«». Nun aber erinnern wir uns, daß nach der Wiederverleihung jener alten Ejgenthümlichkeiten zwar von ehemals hannove rischen Officieren dem Kaiser ein Geschenk verehrt wnrde, daß aber unter den Theilnehmern an dieser Huldigung kein Mann gewesen ist, der irgendwie bedeutsam ein „vormals hannover scher Officier" genannt werden konnte. Es waren durchweg Herren, die zwar in der ehemaligen hannoverischen Armee gedient batten, aber nach 1866 in das preußische Heer über getreten waren, also preußische Osficiere. So wird wohl auch die vorgestrige Tafelrunde in Hannover zusammenge setzt gewesen sein. Daß preußische Osficiere einen Gnaden act des deutschen Kaisers und Königs von Preußen nickt ohne Dank Hinnahmen, verstand sich von selbst, aber das Welfentbum, da» man versöhnen wollte, hat mit diesem Danke nichts zu thun, preußische Osficiere brauchten nicht versöhnt zu werden. Es ist auch hier Alles beim Alten geblieben, was jedock nur mit der Einschränkung gesagt wer den darf, daß die Welfen sich durch daS bezeigte Entgegen kommen in ihren Bestrebungen ermuthigt fühlten. Und LaS ist für Braunschweig nicht ohne Bedeutung. Der Krieg in Südafrika. Der Führer der liberalen Partei in England, Sir Henry E a m p b c l l - B a n n e r m a u n , machte im Hause der Gemeinen darauf aufmerksam, daß der Premier der Capeolonie, Lir Gordon Sprigg, vor Kurzem in einer schwulstigen Nedo seine Ernennung als eine Art von Obcrcommandircndemeiner südafrikanischen Eolonial - Armee von 25 000 Mann bekannt gab und dabei ausdrücklich her- vorhob, daß er nach Pretoria gegangen sei und dort die Einwilligung des Lord Kitchener für das neue Arrange ment erhalten habe. Schon vor Monaten, sagte den obercommandirende Premier, drängten wir Lord Kit- chencr, die bisher unter seinem Befehl fechtenden Colonial- Truppen in unsere Hände zu geben, weil wir dann nicht nur die Kosten für dieselben zu bestreite» haben würden, sondern auch viel effectvoller gewisse Bezirke unserer Cap- colonie schützen und schirmen und vom Feinde säubern könnten. Somit ist die Kriegführung in einem großen Theilc der Eolonie einfach aus deu Hau den des briti schen Generalissimus genommen worden, und Sir Gordon Sprigg als Obereommandirendcr einer Armee von 18 000 Weißen und etwa 7000 bewaffneten Schwarzen will und wird jetzt auf eigene Faust die bösen Bocren und Eaprcbellcn mit Krieg überziehen. Er hat auch bereits verschiedene höhere Osficiere als Distriet- commandcure mit den entsprechenden Truppen ins Feld gestellt, läßt Kriegsberichte über gefangene Empörer nach eigenem Gutdünken abhalten und verfügt sozusagen als selbstständiger Kriegsherr über das Wohl und Wehe eines großen Theiles der Eolouic. Auf diese Weise wird das Copland rücksichtslos in einen Bürgerkrieg der schlimmsten Art, in alle Schrecken eines bitteren Nasscnkampfcs gestürzt, und nach den eigenen Worten des Herrn Premiers wird dieser Kampf nicht eher aus hören, als bis „der letzte Rebell getödtct oder gefangen, bis das letzte Gewehr, die letzte Patrone dem Feinde weggenommen worden ist". Gleichzeitig macht der Premier des Eapministcriums noch eine sehr interessante Aeußerung, indem er in der selben Rede constatirtc, daß „von der weißen Bevölkerung » nsercr Eolonie mindestens die Hälfte entweder thatsächlich gegen den König rcvoltirt hat oder doch wenigstens in positiver Sympathie mit der Rebellion steht". Dies ist das erste officicllc Zugeständnis,, daß der Aufstand im Eaplande gegen die britische Herrschaft und zu Gunsten der Boereu wirklich erhebliche Fortschritte gemacht hat und noch täglich macht, und cs hat fast den Anschein, als wenn Lord Kitchener im Einverständnis; mit London nur zu gerne wenigstens vorläufig die Klärung der ge fährlichen Lage in der Eolonie dem Gouvernement in Capstadt selbst überläßt und sich dadurch die eigenen Hände in Etwas frei macht. Dieses neue Arrangement ist natürlich mehr wie geeignet, die holländische Bevölkernng des Caplan des der Rebel lion und damit den Bocren in die Arme zu treiben; unter den Auspieien des Kricgsrechtcs und des Belagerungszustandes wird von Eapstadt aus ein wahres S ch re ck e n r e g i m c n t in den un ruhigen Distrikten eingeführt, die Männer der britischen Nasse werden gegen ihre holländischen Mitbürger aus gehetzt, und mit Feuer und Schwert, mit Verwüstung und Conccntration soll das grausame Vernichtungswcrk vollendet werden, welches von Chamberlain nnd Milncr inaugurirt nnd mit allen Mitteln gefördert wurde. Man kann daher heute sehr wohl verstehen, weshalb die tele graphische und briefliche Verbindung mit -cm Eaplande in so rigoroser Weise beschnitten ober ganz unmöglich ge macht wird und weshalb Niemand ohne Erlaubnißschciu der militärischen Behörden in den Häfen landen kann. Für die Capcolonte soll also der eigentliche Krieg jetzt erst beginnen, er wird zwischen der holländi sch c n u n d e n g l t s ch c n Rasse ausgefochten werden, während Lord Milncr den Spcculattoncn an der Lon doner Börse durch seine kühnen Prophezeiungen von der glänzenden Zukunft Johannisburgs nnd des Witwaters- rand - DistrictcS willkommen Vorschub leistet. Im Ucbrigcn war es Niemand anders, als der königliche Gouverneur der Capcolonte, Sir Walter Hcly- Hutchtson, der tn einem schriftlichen Berichte vom 2. Decembcr den klaren Beweis erbringt, daß schon mehr als die Hälfte der ganzen Eolonie f ü r b t e T n g l ä n d e r vc r l o re n t st. Er führt n. A. da Folgendes ans: „Der Norden und Nordwestcn ab seits der Eisenbahn nach dem Oranjcflnsse ist mehr oder weniger thatsächlich vom Feinde occuptrt. Die Städte und Dörfer werden allerdings fast sämmtlich von briti schen Truppen behauptet, aber jensett« der Stadtgrenzcn sind die betreffenden Distrikte für Reisende nicht sicher, und gewisse Theilc derselben, in denen englische Truppen nicht vorhanden, sind zeitweilig vollständig in den Hän den des Feindes. Der letztere rccrutirt sich hauptsächlich ans Rebellen, deren Zahl unmöglich festznstellcn ist." Hieran schließt der englische Gouverneur noch eine ganz besonders interessante Nachricht, die dahin lautet, daß „große Schaaren von Rebellen sich gelegentlich ans deut schem Territorium conccntriren und für die weitere Fortsetzung des Krieges vorbcreiten. Es wird berichtet, daß viele Rebellen mit ihren Familien in das deutsche Gebiet übertreten und überhaupt keine Schwierigkeiten finden, die deutsche Grenze nach Belieben westwärts und nachher wieder ostwärts zu überschreiten. Es scheint, daß mit dem besten Willen in der Welt cs fiir die deut schen Behörden einfach unmöglich ist, mit ihren ge ringen verfügbaren Streitkräften diese Bewegungen der Rebellen zu verhindern und die letzteren davon abzu halten, daß sic das deutsche Territorium als Zufluchts ort und zur Reorganisation ihrer Eommandos nach Be lieben benutzen." Eine andere interessante Neuigkeit, die lange genug von der englischen Regierung ängstlich verheimlicht wurde, ist die, daß „die Boe re n seit Beginn des Krieges durch mindestens 11000 Eap Hol länder verstärkt worden sind." Diese Schätzung ist aber sogar noch unvollständig, denn der Gouverneur constatirt ausdrücklich, daß ihm für die selbe noch die Rapporte aus sieben Distrikten fehlen, so daß also die genannte Zahl höchstwahrscheinlich ohne Uebcrtrcibnng sich auf 15 000 erhöhen würde. Alles in Allem ist also die Lage in der Capeolonie so ernst nnd so gefährlich für die Engländer, als sic nur gedacht werden kann, und seit der durch nichts gerechtfertigten Hinrich tung des Evmmandantcn Schcepers, einen militärischen Justizmord der gemeinsten Art, wird die ganze Situation sich für die Briten allmählich geradezu desperat gestalten. Und dabei bekommt man in London von officiellcr Seite fortwährend zu hören, daß „Bocren nnd Rebellen in der Capeolonie immer mehr zu Paaren getrieben und unschädlich gemacht werden". * London, 25. Januar. Eine Haager Drahtung der „Daily New»" besagt, daß dort private Meldungen eingegangen seien, nach denen die Macht derBoeren in der Capeolonie täglich zunehme und die Rebellion um sich greife. Die Hinrichtung Lotter und Scheeper haben veranlaßt, daß Coloniften, die bislang loyal waren, sich den Borren in großer Anzahl anschließen. Tie britischen Truppen hätten zwischen September und November 12 Niederlagen erlitten, die Lord Kitchener's Depeschen un- erwähnt gelassen haben. (Boss. Ztg.) Deutsches Reich. * Leipzig, 25. Januar. Da» Anarchistenorgan „Neue Zeit" veröffentlicht in seiner letzten Nummer allerband An gaben über die im Sommer 1900 in Leutzsch erfolgte Ver haftung von ea. 15 Berliner Anarchisten, die sich an geblich auf einer Vergnügungstour nach Leipzig befunden batten. Unter diesen Angaben befindet sich auch die folgende über die Vorführung und Untersuchung der Verhafteten auf dem Polizeibureau: „Angrkommen auf dem Amte, sollten wir uns legitimsten und einer Leibesvisitation unterwerfen. DaS Erstere thaten wir, gegen die Visitation erhoben wir energischen Protest. Die Polizisten wollten nun die Kleider gewaltsamen durchsuchen, aber schon der erste, bei dem diese Procedur versucht werden sollte, widersetzte sich dem, wnrde in Haft behalten und später verurtheilt. Dieser Widerstand hatte jedrch zur Folge, daß man un» anderen, wir waren gegen fünf- zehn Mann, keiner Leibesvisitation unterzog. Wir sollten unsere Sachen, die wir bei uns hotten, rauslegen. Tas thaten mir, und diese Gegenstände wurden nun auf ihre Gefährlichkeit hin geprüft. Hier bewahrheitete sich Las Wort „Wir Sachsen sein kemietliche Leite" geradezu glänzend. Tie Beamten nahmen un» bloS gedruckte Schriften ab, die Briese, die der Eine oder Andere bei sich hatte, wurden nicht einmal nachgesehen, wenn der Betreffende erklärte, das seien Priva t briefe. Ist da» nicht nett? So angenehm es uns war, daß wir unsere Briefe und sonstigen schriftlichen Papiere ungesehen und ungelesen zurückbekamen " Auf Anfrage an zuständiger Stelle erfahren wir, daß diese ganze Darstellung auf Erfindung beruht. Jedenfalls haben die damals verhafteten Anarchisten da» Bediirfniß empfunden, den Genossen die Sorge um die Auffindung compromitlirender Schriftstücke zu nehmen. DaS Mittel aber, da» sie zu diesem Zwecke auwenden, ist zu plump gewählt, um auch nur den naivsten Genossen irre zu führen. Selbst dieser wird einsehen, daß die Polizei, die so schlau war, die Herren zu überrasche», auch klug genug war, deren Papiere sehr genau zu untersuchen. /»Berlin, 25. Januar. (Ein Ausblick auf die preußischen Landtagswahlen.) Bei der Landtags ersatzwahl in Sorau-Guben-Forst baden sich die Forster Socialdemokraten an der Wahlmänner Wahl betheiligt. Obgleich keine große Anzahl Wahlmänner nach- zuwählen war, hat e» die Forster Socialdemokratie i» der dritten Elaste auf neun Wahlmännermandate gebracht. An der Wahl de» Landtagsabgeordneten selbst bethkiligten sich diese neun socialdemokratischen Wablmänncr nicht, weil sie c» gegenwärtig nicht für politisch bedeutungsvoll dielten, ob der sreiconservalive oder drr nationalliberaie Eandidak gewählt würde. Wie gemeldet, erlangt« der freiconservative Bewerber mit 240 Stimmen den Sieg über den nationalliberalen, auf den 22 t Stimmen sich vereinigten. Bei diesem Slimmen- vcrbältniß ist eS klar, daß die 9 socialdemokratischen Stimmen leicht ein Gewicht erhallen konnten, daS in umgekehrtem Ver- hältniß zu ihrer geringen Anzahl stand. Aber nicht dies ist da« Wesentlichste bei der Betheiligung der Forster Socialdemokratie an einer preußischen Landtagswabl, sondern die Parole, die im An schluß an d as Forster Sti mmenverhältniß vom „Vorwärts" ansgegeben wird. Das socialdcmokratiscke Eentralorgan ist der Ansicht, daß die allgemeine Betbeiligung ter Secialdemokratie an den preußischen LandtagSwablen in einer Reihe von Wahlkreisen ähnliche Situationen schaffen und daß die socialdemokratische Partei als daun den Eandidalcii und den Parteien ibre Be dingungen stellen werde. In der Hoffnung, die social- demokratlscbe Wahlbetheiliguiig müsse vielfach Situationen schaffen, welche die Entscheidung in socialbemokratische Hände legen, schreibt der „Vorwärts": „Daß die dann in mög lichst vortheilhafter Weise für unsere Partei auSgenützt wird, dafür ist gesorgt durch die Bestimmung, daß für ganz Preußen der Parteivorstand als Wahlcomits fungirt, von Lessen Entscheidung es abhängen wird, was unsere Wahlmänner thun." — Mag die Hoffnung deS „Vorwärts" auf reckt viele Gelegenheiten, bei preußischen Landtagswahlen socialdemokratische Wahlmänner als aus schlaggebend auftreten zu sehen, auch etwas über spannt sein: so viel ist sicher, daß derartige Gelegen heiten in manchen Wahlkreisen zweifellos sich bieten werden. Dem Verlangen der socialdemokratischen Partei nach unverbältnißmäßig großer Ausnutzung ihrer Position in solchen Fällen dürste einerseits die Stellung des Partei vorstandes als Ceiitralwahlcomilö fiir ganz Preußen, anderer seits die Bereitwilligkeit der freisinnigen Volkspartei und des EeutrumS, mit der Socialdeniokratie Wahlgeschäfte zu machen, zu Gute kommen. Welche Rückwirkung hieraus auf die mit der Socialdeniokratie nicht pactirenden Parteien sowohl unter einander als auch gegenüber Eentrum und Freisinn sich ergeben wird —, dies zu beobachte» wird lehrreich genug sein. --- Berlin, 25. Januar. (Socialistiscke „Erfolge".) Der „Vorwärts" triumphirt Uber das Ergebnis; der ReickS- tagScrsatzwahl in Bückeburg, die er als eine „schwere Nieder lage der Brotwncherer" bezeichnet. Er weist darauf bin, daß die Socialdemokraten bei der letzten Wahl 59 l Stimmen, diesmal aber mehr als 1600 erhalten, also ihre Zahl verdrei facht hätten,und ersügl dieser angeblichen Thatsache hinzu: „Das endgiltige Resultat mag die Ziffern unwesentlich corriairen, an der Thatsache, daß der Brodwuchertarif selbst in ländlichen Wahlkreisen die Socialdeniokratie mäcktig fördert, wird nichts mebr geändert." Die Zusammenstellung des social» demokratischen Blattes ist richtig nnd trotzdem unglaublich verlogen. Denn wenn der „Vorwärts" die gegenwärtige Stimmenziffer der Secialdemokratie mit derjenigen der Nachwahl vom November 1898 vergleicht, so isl dies nichts als ein auf den unwissenden Leser berechnetes Tascheri- spiclerkunslstückchcn. Der „Vorwärts" weiß recht gut, daß die Socialdeniokratie bei jener Nachwahl sich nickt ernstlich gerührt hat, denn sonst würde sie Wohl in der kurzen Zeit zwischen dem 17. Juni 1898 und dem 14. November desselben Jahres, also in noch nicht 5 Monaten, nickt mcbr als die Hälfte ihrer Stimmen verloren haben. Am 17. Juni 1898 wurden nämlich 1227 socialistische Stimmen abgegeben und wenn die Socialdemokratcn 5 Monate später sich massenhaft der Wahl enthielten, so geschah eS in der richtigen Erwägung, daß in dieser kurzen Zeit ja doch eine erhebliche Stinimenversckicbung nicht stattgefunden haben könnte. Diesmal, mehr als drei Jahre später, lobnte sich die Kraftprobe schon eher. Der 14. November 1898 kann also absolut nicht zum Vergleich herbeizezogcn werden, sondern nur der 17. Juni. Danach aber bat sich die socialdemokratische Stiimnenzahl nicht verdreifacht, sondern sie hat nur um zugenommen. Geht man aber noch weiter zurück, so ist dcr Erfolg noch geringfügiger. Jin Iabre 1892 nämlich erhielt die Socialdeniokratie in dem Wahlkreise über 1200 Stimmen. Demgemäß hat sie in neun Jahren nur um 300 Stimmen zngenommen, WaS sich im großen Ganzen etwa mit dem Verhältnisse der BevölkerungSvermchrung decken dürfte. Danach gehört doch Wohl einige Verblendung dazu, zu bebaupten, dieses Wahlresultat sei ein Beweis dafür, das; der „Brodwuckertaris" selbst in ländlichen Wahlkreisen die Socialdeniokratie mächtig fördere. * Berlin, 25. Januar. In dem Streit über den Religionsunterricht in der Muttersprache, so schreibt man dcr „Tägl. Ndsch.", ist ein bedeutsames Moment bis jetzt fast völlig unbeachtet geblieben. Niemand hat weniger Achtung vor der Volkssprache gezeigt, als die osficielle katholische Kirche, deren getreue Söhne heute so gefühlvoll über das Gebet dcr pol nischen Kinder in dcr Muttersprache reden. Um ihren universalen römischen Charakter in nachdrücktichcr Weise zu offenbaren und Wohl auch, um dem ungebildeten Volke dir hohe Würde und Weisheit der Priester deutlich zu Gemüthe zu führen, hat sie der lateiniscken Sprache ,n dem Gottesdienste den Ehrenplatz eingeräumt. Es bleibt ein besonderes Verdienst Lutber'S, daß er dcr deutschen Muttersprache im gottesdienstlichen Leben wieder zu ihrem natürlichen und ausschließlichen Rechte verhülfen hat. Bis auf den heutigen Tag nimmt in dem litur gischen Theile des katholische» Gottesdienstes wie bei allen besonderen kirchlichen Handlungen die lateinische Sprache ein« beherrschende Stellung ein. Die große Masse des Volkes ahnt wohl dunkel, WaS da gesagt wird, aber von einem genauen Verständnis und einer anregenden, herzstärkenden und erbaulichen Wirkung deS Gesagten kann keine Rede sein, so daß Tausende mit dem biedern westfälischen Bauern sprechen können, der unbefriedigt von einer katbolischen Beerdigung heimkehrte: Ick paffe, me kann der nicks van verstehn! (-) Berlin, 25. Januar. (Telegramm.) Dcr Kaiser traf heute Morgen um 7 Uhr 40 Minuten vou Hannover hier wieder ein und begab sich nach dem königlichen Schloß. Später unternahm der Kaiser eine Ausfahrt und einen Spaziergang im Thiergarten, batte eine Besprechung mit dem Reichskanzler Grafen v. Bülow in dessen Palais und nahm, in» Schloß zurückgekehrt, die Marine-Vorträge ent gegen. Mittag» besuchte der Kaiser das Kunstgewerbemuseum.
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