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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.01.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020127010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902012701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902012701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-01
- Tag1902-01-27
- Monat1902-01
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Kaiser und Reichl Die Kaiserkrone lag bestaubt. Doch selbst in tiefster Noth Hat noch daS deutsche Herz geglaubt An Deutschlands Morgenroth. Wir glaubten an ein Aufersteh'n, Dem heil'gen Ostern gleich, Und sah'n hervor auS Trümmern geh n: Kaiser und Reich! Und als zum Kampf die große Zeit AlldeutschlandS Mannen rief, Da war erwacht die Einigkeit, Die in den Herzen schlief. DaS war kein Traum- und Schattenbild, War Gottes Fingerzeig, Wir brachten heim vom Schlachtgesild: Kaiser nnd Reich! v welch' ein Gut, o welch' ein Schatz Lag in der Eintracht nicht! Wir haben wieder unsren Platz Droben am Sonnenlicht. Neu Karl'S des Großen RühmeSzeit Erstand aus blut'gem Streich, ES steht, ein FelS, in Ewigkeit: Kaiser und Reich! Dw Herr auf Deutschlands Kaiserthron, Du Hüter deutscher Macht, Sieh' unsrer Treue Feuer loh'« Für Dich in Sturm und Nacht; Für Dich in Lust, für Dich in Leid Bleibt unsre Liebe gleich, Es bleibt bas deutsche Herz geweiht: Kaiser und Reichl Hermann Pilz. Zum Geburtstage des Kaisers. Kaiser Wilhelm II., im 14. Jahre seiner Negierung stehend, vollendet heute das 42. Lebensjahr. Er begeht den Tag, wie er es gewohnt, in Potsdam und Berlin, während er im vergangenen Jahre, fern vom Vaterlande, zu Osborne ein trauriges Wiegenfest an der Bahre seiner Großmutter verlebte. Und wie der nun beendete Zeitabschnitt für den Kaiser begann, so hat er weiterhin viel des Bitteren ihm gebracht. Der Hintritt der ihm so thenren Mutter, dem schweres Leiden vorangegangen war, bat ihn tief gebeugt und vorher batte ein nicht ganz ohne Erfolg gebliebener Angriff auf seine Person dem Monarchen körperlichen und Seelen schmerz bereitet. ES war die That eines Wahnsinnigen, aber diese tröstliche Gewißheit konnte erst nach geraumer Weile endgiltig fcstgestellt werden und in der Zwischenzeit litt der Kaiser unter der Vorstellung, daß der Mordansall als ein Symptom gewisser Zeitströmungcn anzuseben wäre. Er bat sich in diesem Sinne gegenüber dem Präsidium deS preußischen Abgeordnetenhauses ausgesprochen. Neben dem Schweren ist jedoch auch ein freudiges persönliches Erlebniß zu ver zeichnen. Im Frühjahre konnte Kaiser Wilhelm den blühen den ältesten Sohn und Erben zu der Hochschule bringen, auf der er selbst glückliche Jngendlage zugebracht, und er that dieö mit sichtlichem Vergnügen unter Beobachtung der studentischen Bräuche, die auch ihm lieb geworden waren. Dir Geburtstagsfeier gilt der Person deS Kaisers, nicht der Erinnerung an politische nnd sonstige öffentliche Vorgänge. Solche mögen nur vermerkt werden, so weit au ihnen der Herrscher den überwiegenden Antbeil gehabt und sie ibn per sönlich bewegten. Wilhelm II. weiß seinem Leben Farbe und Inhalt zu geben und er bat auch im verflossenen Jahre diese Wenigen verliehene Gabe genutzt. Die Reise des Zarenpaares nach Frankreich führte ihn vor Danzig mit dem Beherrscher deS östlichen Nachbarreichs zusammen und unser Kaiser verlieb dem Ereigniß ein eigenes Gepräge, indem er ihm alsbald nach der Begegnung den Nitt über die russische Grenze nach Wystyten folgen ließ, um hier der Ueberbringer von Ge schenken de- Zaren für die von einem Elementarereigniß be troffenen Bewohner, die er selbst schon vorher großherzig be dacht hatte, zu werden. Mit persönlicher Garantie hat der Monarch in viel be achteter Weise durch ein gewissermaßen erläuterndes Tele gramm die das deutsche Geistesleben bewegende Angelegen heit der Besetzung eines Lehrstuhles für Geschichte an der Universität Straßburg umgeben. Ganz seiner Intention aber war die nachdrückliche Repression entsprungen, die nach dem unglückseligen Zweikampfe von Insterburg der erregten öffent lichen Meinung Genugthuung bot und den festen Willen deS Monarchen, solche Vorgänge nach Möglichkeit zu ver hüten, auf daS DankcnSwerlheste hervortreten ließ. Viel be sprochen wurden Mißhelligkeiten, die sich in das Verhältniß des Kaisers zu der Vertretung seiner Hauptstadt eingeschlichen haben. Aber für den „Fall Kauffmann" steht eS außer Zweifel, daß der Monarch, als er von dem ihm unbestritten zustehenden und uneingeschränkten Rechte der Nichtbestätigung des zum Bürgermeister Gewählten Gebrauch machte, sich von staatlicher Erwägung leiten ließ. Die sonstigen Meinungs verschiedenheiten betreffen oder betrafen Kunst- und kunst verwandte Angelegenheiten und auf diesem Gebiete drängt von Alters her die individuelle Anschauung wie kaum auf einem anderen nach Geltung. In welcher künstlerischen Frage aber immer zwei Lager sich gebildet haben, in jeder stehen hinter der kaiserlichen Anschauung auch Sachverständige von unabhängiger Sinnesart, die sie theilen. Sein nimmer rastendes Interesse für die Kunst hat Wilhelm Ik. auch in diesem Lebensjahre gezeigt und eS mag ihm wohl zu den liebsten Erinnerungen auS dem verflossenen Zeitabschnitte zählen, daß er den Bildsäulenschmuck der Berliner SiegeSallee sich vollenden sehen durfte. ES ist dies Werk, wenn auch nach seinen Mittheilungen der Archivdirector Koser Winke für die Ausführung gegeben, die Verwirklichung eines ureigenen Gedankens des Monarchen. Und daß er seine Kunst-Eingebungen der Kritik gegenüber tapfer zu verthcidigen versteht, hat er durch die Ansprache bewiesen, die er an die Schöpfer der Bildsäulen in der SiegeSallee hielt. Die Hingabe an das Ideale, die in seiner Knnstpflege mit Ausdruck hervortritt, wird bei Wilhelm II. glücklich ergänzt durch ein feines Derständniß für die nationale Bedeutung der praktischsten Wissen schaften, der technischen. Auch daS hat daS abgelaufene Jahr wieder gezeigt. In Kraft und Frische überschreitet der Kaiser die Schwelle des neuen. Möge sie ibm erhalten bleiben, möge das Schick sal fürder ihm alles Widrige fernhalten und möge er im Besonderen seine hohe Lebensgefährtin, die allverehrte Kaiserin, bald wieder die frühere Gesundheit zurückgewinnen sehen! Dies unsere Wünsche zum Wiegenfeste. Deutsche Äidpolar-Erpedition. Aus dem demnächst im Druck erscheinenden Reiseberichte von Professor Drygalski bringt der gestrige „Reichsanzeiger" einen längeren, aus Cap stadt, 6. Decembrr 1904, vatirten Auszug, dem wir Folgendes entnehmen: In dem Reiseplane der Expsdi-tion ist für die S tr e cke d u r ch den Atlantischen Qcean bis Capstadt ein zwei maliger Landaufenthalt vorgesehen gewesen, um dabei durch ge trennt und unabhängig von dem „Gauß" ausgefllhrte magnetische Beobachtungen die Veränderungen feststelle>n zu können, welche der magnetische Einfluß des Schiffskörpers gegenüber den vor der Ausreise in Kiel dafür gewonnenen Werth en erhalten würde. Solche Veränderungen gehen im Laufe der Zöit vor sich und auch in Folge der Fahrt durch verschiedenartige Zonen magnetischer Kraftäußecung. Zeitlichen Veränderungen sind auch die Con- stanten einiger magnetischer Instrumente unterworfen, «welche vor her in Potsdam bestimmt waren. Für diesen Zweck geeignete Orte wctven die Capverdischen Inseln oder Madeira einerseits, der brasilianische Hafen Bahia oder di: Insel Ascension andererseits 'm Vorschlag gebrach: worden. Erstere Puncte konnten als letzte Stationen vor dem Verlassen der nördlichen Halbkugel gellen, letztere liegen in un mittelbarer Nähe des magnetischen Aequators. Im Einver nehmen mit dem Magnetiker der ExpSdition, vr. Fr. Bidling- maier, hatte ich Porto Grande auf der Capverdeninsel Sao Vicente und Ascension gewählt. Während unseres Aufenthaltes in Porto Grande auf Sao Vicente, der vom 11. bis 16. September währte, standen die magnetischen Arbeiten im Voridergrunde. Es gelang, den magnetischen Einfluß des Schiffskörpers in Deolination, Jnclination, Horizontal- und Vertical-Jutensität zu ernvckteln. Das durchweg vulkanische Gestein der Inseln ist diesen Arbeiten nicht förderlich gewesen, bat sie jedoch auch nicht gehindert, da vr. Bidlingmaier die daher stammenden Localöinslüsse ermittelt hat. Störend war auch das Wetter und die fast ständig stark bewegte See, sowie die in dem Hafen herrschend« Strömung, wo durch ein Festhalten des „Gauß" auf bestimmten Cwrsen wesent lich erschwert wurde. Dec Aufenthalt auf Sao Dicent wurde außerdem zu geologischen, ethnographischen und zoologischen Arbeiten ausgenutzt. Ich selbst bezog am Tage nach unserer Ankunft mit zwei Hilfskräften einen Zeltplatz nahe dem Orte, an welchem die magnetischen Landbeobachtungen auSg«führt wurden, um Zeit bestimmungen zur Controle unseres Chronometers und der Uhren, sowie eine SchwerkvastKbestimmung auszufühven, und verblieb daselbst bis zum 15. September. Der Herr Gouverneur der Capvevden hatte mir dazu eine aus einem weißen Unter- officier und vier Negersoldaten bestehende Wache zur Behütung der Instrumente stellen lassen. Die Schweckrastsbeftimmung golang gut. Die systematischen Wissenschaftlichen Arbeiten der Expedition haben planmäßig mit Ueberschreitung des Aequators begonnen. Von der Linie an hatte ich Capitän Ruser >Vahin ver ständigt, daß das Schiff täglich Sinige Stunden zu ozeano graphischen, biologischen, er dmag netisch e n und meteorologischen Arbeiten.bereit sein solle. Zu den ersteren gehörten wesentlich Lvthungen und Schöpszüge zu Salz- und Temperaturbestimmungen in der Tiefsee, zu den biologischen Züge mit den Vertical- oder Schließnetzen, zu den meteorologischen Drachenaufstiege, zu den erdmagnetischen Drehungen 'des Schiffes zu Deviationsbestimmungen in Jnclination .Decliüation, Hori zontal- und Vcrticäl-Jntensttät. Neber die Ergebnisse unserer Arbeiten zwischen dem Aequator und Kapstadt, die jeden zweiten Tag mehrere Stunden beanspruchten, lege ich Sonderberichte bei und erwähne hier nur, daß die äußeren Umstände denselben günstig gewesen sind. Das Leben an Bord gestaltete sich dauernd angenehm, und der Gesundheitszustand war gut. Die Stimmung blieb bei allen Mitgliedern der Expedition freudig und gehoben. Die Arbeiten in den verschiedenen wissenschaftlichen Richtungen stehen in wechselseitiger Beziehung und werden von den verschiedenen Standpunkten aus behandelt, erörtert und sodann harmonisch ge fördert. Mit Interesse nehmen der Capitän, die Offiziere und auch sie Mannschaft des „Gauß" an den wissenschaftlichen Arbeiten Theil. Als am 30. October durch das Drehen dec Hinteren Dampfwinde zu gleicher Zeit Professor Vanhöffen's Verticalnetz über den Bügel am Vorderende des Schiffes zu 2000 Metern Tiefe hinabging und in der Mitte von meinen Tiefste thermometern und Schöpfern 6, bezw. 5 aus 1800 Metern Tiefe Feuilleton. Mer Krause! Humoreske von Max Wundtke. vttbltcn. Daß di« ehrsame und gestreng« Hausfrau 'das Regiment und den Dassenschlüssel führt, kommt oft genug vor, und 'wer's darin einmal versehen hat, muß sein Loos halt in Ergebenheit tragen; aber s«lt«n wohl trug Jemand so schwer daran, wie der Herr Rechtsanwalt vr. iur. Albert Krause. Frau Krause war eine von den ganz „Hellen". Sie kannte sich in den Büchern ihres Gatten genau so gut auS, toie in seinen Schlichen und Streichen. Allmonatlich hatte er seine Bücher, wentigstens das Einnahmebuch, zur Revision vorzulegen, und darnach stellte sie ein strenges Bud get auf, das wunderbar klappte; nur Mit >dem Taschengelde des Herrn Doctor wollte eS absolut nicht klappen. Niemals. Stets saß er im Dalles, und Frau Doctor war unerbittlich. „Wozu brauchst Du Geld?" fragte sie jedesmal. Dein gutes Essen und Trinken hast Du zu Hause, für StvaßeNbahngrvschen und Bier nnd hin und wieder ein« Flasche Wein reicht das Geld auch, das ich Dir gebe... also wozu brauchst Du Geld?" Die Antwort darauf blieb er ihr regelmäßig schuldig. Er hätte auch beim besten Willen nicht gewußt, was er seiner Frau sagen sollte. Die Wahrheit? Da» hätte was Schönes werden können. Er konnte halt seine schönen Studentenjah« nicht ver gessen. Wenn er auch vom Gesang« nicht übermäßig viel hielt, so doch von Wein und W«ib desto mehr. So eine lustige Gesell schaft hinter Weinflaschenbatterien, wenn «im recht hübsche, wonnige Maid als freundlich« Hebe fungirt«, da blieb er sitzen, so lanae es nur anging, feuchtfröhlich und guter Dinge. Freilich, tausend Ausreden und Erklärungen mußte er bann für seine Frau erfinden; aber Herr vr. Krause war sehr erfinderisch. Und glücklich in viesem Pumct« obendrein. So oft seine Gestrenge auch schon Verdacht geschöpft hatte, — sie hätte es fertig gebracht, ihn gänzlich auf Halbsold zu stAn, — immer aber wußte er sich auf eine wahrhaft glänzende Art aus der Affair« zu ziehen, die ihm als RechtSbeistand gewiß all« Ehre machte, für einen solide sein sollenden Familienvater aber höchst bedenklich war. Ein schlimmer Verdacht blieb zwar stets bei seiner Eheliebsten sitzen, doch niemals konnte sie ihm so recht beikommen. E» sollte ihr auch nicht vergönnt sein. Im Deaentheil, sie selber entschloß sich in einem Anfälle ungeheuerer Rührung, Albert'» Taschengeld um «in Erklecklich«» zu er hohen. I)r. A. Krause hatte 'wieder einmal einen bösen Abend hinter sich. Das heißt, nach seinen Begriffen war der Abend nichts weniger, als böse. Er hatte sich sogar „schauderhaft feudal" amiisirt. Weiß der Himmel, was Alles er 'dabei angestellt haben mußte. Sein Erinnerungsvermögen ließ ihn am nächsten Morgen vollkommen im Stich. Toll genug war's hergegangen. Sein Geld war bis auf eine Proletenhafte Kleinigkeit zusammenge schmolzen. Zu allem Unglück fiel ihm noch «in, daß seine Ge streng« heute ihren Geburtstag hatte. Wie man nur so etwas verschwitzen kann! Aber nun war es zu spät, zumal er über Laar- miittel so gut wie gar nicht verfügte. Was thun? Sich recht ruhig zeigen und achselzuckend auf ihre Knickerigkeit ihm gegen über verweisen, die ihm nicht einmal eine kleine Aufmerksamkeit für seine Lieben gestatte? Hm, verdient hätte sie diese Pille schon; aber er zweifelte, ob sie diese Beweisführung anerkennen würde, noch mehr, ob sie sich dadurch veranlaßt sehen würde, sein Budget zu erhöhen. Und eine Erhöhung brauchte er, wenn seine Schulden nicht schließlich zum Verräther an ihm werden sollten. Und das wär« das Schlimmste gewesen. Es war schon hoch am Vormittage und der H«rr vr. Krause lag immer noch im Bett und «rwog bi« Frag«, ob es noch nicht bald Zeit zum Aufstehen wär«; immer aber ließen ihn die Folgen des vergnügten Abends und die Furcht vor einer ehelichen Scene wieder in Vie Kissen zurücksinken. Plötzlich wurde seine Schla'fzimmerthür aufgerisseir. Mit hochrothem Gesicht trat seine geliebte Mathilde vor sein Bett, stemmte verheißungsvoll -beide Arme m di« Hüften und rief mit einem Tone, der ihm durch Mark und Beine ging: „Aber Krause!" Daß es sich nicht um föin langes Schlafen handelte, war ihm sofort klar. Es war etwas im Anzuge. „WaS ist denn loS?" ,,Wa» los ist, Du Schlemmer, Du Geldverthuer und Schuldenmacher? WvS loS ist? Darnach fragst Du noch? Da! Kennst Du da» hier?" Sie hielt ihm «in längliches Stück Papier unter die Nase, das er unschwer als einen Wechsel erkannte. „Das? Das ist ja ein —" „Ein Wechsel, frsilich, ein Wechsel! Also so weit ist eS mit Dir gekommen, daß Du hinter meinem Rücken Wechselschulvrn machst, um Dein lockere» Leben fortsetzen zu können?" Nun wußte Krause bei seiner armen Geel« kein Sterben», wörtchon von einem Wechsel; aber wie e» so geht, wenn man sein Gewissen nicht ganz rein fühlt, — er wagte keinen ernst- lichrn Widerspruch, au» Furcht, ei» könnten die viel«» Dinge, an denen er wirklich schuld war, und die für eine Frau viel schlimmer waren, als ein Wechsel, an den Tag kommen. „Aber Mathilde . . . ." Sie hörte nicht auf ihn. „Nein, wer hätte das von Dir gedacht, Krause! Du bist ja ein ganz schlechter Kerl! Muß üch arme, geplagte Frau das schöne 'Geld ausgeben für vie Wechsel meines liederlichen Mannes." „Du hast ihn eingelöst?" „Na, ich soll uns wohl gar noch den Notar und die Wechsel klage auf den Hals ziehen, he? Die schönen hundert Mark! Es ist eine Schande! Schämen mußt Du Dich, Krause! Ach, ich arme, betrogene Frau! Wer weiß, in welcher lockeren Gesell schaft .... pfui, Kraus«! Aber warte ... ich will Dir —" Weiter kam sie nicht. Schluchzend stürmte sie hinaus. Herr vr. Krause jchüttelte den Kopf. Er wurde nicht klug aus der Sach«. Sollte er am Ende doch in seiner Bekneipt- heit .... Er mußte sich beeilen, auf'S Gericht zu kommen. Mit bangem Herzen kehrte er zu Mittag heim. Vielleicht wird sich -das Donner wetter erst jetzt ganz entladen, dachte er. Aber es geschah etwas ganz Anderes. Mathilde fiel ihm schon auf dem Vorflur um den Hals, mannte ihn ihren guten Kerl, dem sie bitter Unrecht gethan habe, und führte ihn in den Salon. Ein wunderbar hübsches, kostbares Blumenarrangement leuchtete ihm entgegen. „Ach, und wie reizend das ist! Ja, Du Guter, so etwas habe ich mir schon lange gewünscht!" rief sie und streifte ihren linken Arrmel ein wenig zurück, um ihm ein sehr geschmackvolles Arm band zu zeigen. vr. Krause war sprachlos. Ob er an dem Wechsel schuld war, schien ihm zweifelhaft, an diesen theueren Aufmerksamkeiten war er aber ganz gewiß unschuldig, das wußte er. Jedenfalls aber hielt er es für das Klügste, seine bessere Hälfte in ihrem Stimmungsumschlage nicht zu stören, sich jedoch im klebrigen durchaus reservirt zu verhalten. Man konnte nicht wissen, wa» nachkam. Mathilde wiederum nahm dies« yteservertheit für Mißstimmung über ihr schroffes Verhalten heute Morgen und suchte Uhren so schmählich beleidigten und verdächtigten Gatten durch doppelte Liebenswürdigkeit zu versöhnen. „Aber Krause! Daß Du Dich am Morgen gar nicht der- theidigtest! Wer sein« Frau so in Ehren halt . . . nein, ich bin ordentlich stolz auf Dich. Krause. Natürlich kostet das Geld. Ich sehr wohl ein — wer wohlthun will, muß es dazu haben. ES war unrecht von mir, Dich so knapp zu halten. Du würdest mir vielleicht schon öfter mal eine Freude gemacht haben, wenn Drin« Tasse gereicht hätte. Nein, r» war unrecht; ich sehe da rin." Uno in der Rührung über Krause's Gdelmuth bewilligte sie ihm eine ganz besonders hohe Subvention. Krause schwebte zwischen Furcht und Hoffen. Er hätt« über glücklich sein können, lyenn ihn nur das Gefühl losgelassen hätte: der ganze Traum zerrinnt wieder in nichts, und er stürzt tiefer, als je. Es geschah aber nichts, und er sand auch nicht den Schlüssel zu der sonderbaren Geschichte. Erst am nächsten Tage ließ sich ein junger Mann in seinem Bureau melden, der ihm des Räthsels Deutung bracht«. Adolf Krause, stuckiosus juris, stellt« der sich vor. Er wohne in dem nämlichen Hause, wie der vr. Albert Kraus«, natürlich pfl'ichtschuldigst im vierten Stock. Er habe nämlich, 'wenn der Herr Doctor nichts dagegen habe, «in kleines Techtelmechtel mit einer niedlichen Soubrette, der er gestern ein kleines Angebinde in Form eines Blumenarrangements und eine» Armbandes über reichen wollte. Unbegreiflicher Weis« sind ihm Vie Dinge, auf oie er gewartet hatte, nickt zugestellt worden- Seine Nachforschungen haben ergeben, daß sie vom dienstbaren Geiste 'ivrthümlich bei Herrn Vr. A. Krause im ersten Stock abgeliefert worden seien." Blitzartig ward ihm jetzt die Sache klar. „A. Krause? O» da haben Sie am Ende gar auch auf einen Wechsel über hundert Mark gewartet, ixr gestern fällig war, he?" „Sie wissen ....?" wandte der Student betroffen ein. „Ja, meine Frau hat ihn sogar bezahlt, weil er ihr präsentirt wurde und sie in dem Glauben war ..." „Und ich bin starr vor Staunen, daß der Wechsel nicht kommt? Offen gestanden, ich hab« gezittert vor diesem Papier. Bezahlen kann ich ihn nicht. Es wäre zum Protest gekommen, und wenn mein Geldonkel die Geschichte erfahren hätte, daß ich Schulden habe, er hätte m!ich einfach kaltgestellt." „Na, da freuen Sie sich. Mer die Geschichte mit der kleinen Soubrette ... da» war Ihnen doch sehr fatal, daß Sie Ihre Aufmerksamkeiten .. ." „Schwamm drüber, Herr RechtsaNwält! Gestern war ich recht unglücklich. Heut aber erfahr' ich, daß sie mich mit ihrem Geburtstage angelogen hat und gestern noch durchgebrannt ist." „Sie sind ein Glückspilz, junger Freund. Und mir haben Sie obendrein auch noch Glück gebracht. Lassen wir die Sache so, wie sie ist. Schweigen Sie darüber, und di« Geldangelegenheit wollen wir schon arrangiren, wa»?" Unb sie gaben einander die Hände und schieden von «in- ander, al» zwei sehr befriedigte Krausen. E» war jeder dabei auf seine Rechnung gekommen.
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