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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.01.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020127025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902012702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902012702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-01
- Tag1902-01-27
- Monat1902-01
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Januar wird die Gefangennahme de- General- Ben Viljoen bestätigt und hinzngefügt, daß dies» Gefangennahme ohne Zweifel auf die Boeren einen großen Eindruck machen werde. In der Depesche wird gleichzeitig gemeldet, daß sich unter den von den National Scouts südlich von Middelburg ge machten Gefangenen der Co m Mandant Hans Botha befindet. Vries eines sächsischen Landsmannes. Der „Radeberger Zeitung" gebt ein interessanter Brief eines geborenen Sachsen, eine- Radebergers, Kurt Schurig, Mitglieds der internationalen Sanität-Vereinigung, zu, dem wir Folgendes ohne Gewähr entnehmen: Ich glaube sichere Nachricht über verschiedene Puncte geben zu können, die ich in den. meisten deutschen Zeitungen falsch oder gar nicht gefunden habe. Vor allen Dingen sind die im Felde stehenden Parteien in ihrer Zahl niemals richtig beurtheilt worden. So stehen auf Seite der Boeren z. Z. mehr im Felde als im Anfang. (?) Folgende Zahlen sind am 5. December festgestellt worden: Botha hat seine Abtheilung in verschiedene kleinere CommandoS getheilt, zusammen be fehligt er 12 000 Mann Drwet hat im Norden eine ziemliche Anzahl Deutsche, Franzosen, Oesterreicher und Ita liener, vor allem Holländer ausgenommen. Deshalb war er eine Zeit lang todt, wie berichtet wurde. 6 000 - Del ar eh, dem sich einige CommandoS Cap- bolländer angeschlossen haben, hat bis obigen Datum 8 000 » Kruitzinger 1 500 Malon 600 « Hertzog 900 - Fourie 700 « zusammen 29 700 s?)"" Außerdem sind einige größere CommandoS Eapcolonisten entstanden, deren Zahl aber unbestimmt ist. Jedenfalls werden sie nicht für sich bleiben, sondern werden sich den BoerencommandoS anschließen. Täglich wächst die Zahl der Aufständischen in der Capcolonie. Die Zahl der im englischen Heere stehenden beträgt nicht mehr als 150 000 Mann Weiße, zu denen nun noch schwarz» Reiterei kommen soll. Davon aber brauchen sie 10 000 allein, um die Bahnlinie von Capstadt nach dem Norden zu besetzen. Unbestimmt sind die Zahlen derer, die Städte, Flüsse und andere Bahnlinien besetzt halten. Immer noch werden in allen Städten große in- Auge fallende Placate angebracht, Reiterei, Artillerie wird haupt sächlich gesucht. Aber trotz der schönen verlockenden Ver sprechungen von jetzt 7 Schilling den Tag sieht man nur Ein zelne wöchentlich ins Werbebureau ziehen. Also damit ist nichts mehr. DaS mögen wohl auch die Herren Commandanten einseben. Nun kommt der letzte Schritt, denn mehr werd«» sie nicht thun können. Ein große- Placat laS ich in Durban und hauptsächlich in den KaffernkraalS ei» Placat ä, 1s Circus Barnum. Schwarze Reiterei wird an geworben. Nun, das ist meiner Ansicht nach rin sichere- Zeichen, daß e» sehr schlecht um die englische Armee bestellt ist. Ich selbst habe viele in der Front gestandene Soldaten gesprochen und kennen gelernt, besonder- auf den Dampfern der verschiedenen Küstenlinien. Sie sind alle froh, ihre Zeit überstanden zu haben. Nickt ein bischen Begeisterung hatten diese Leute, im Grgentbeil, si« verwünschten Kitchener mit seinem ganzen Heer aufs Aeußerste. Auch machten die Leute kein Hehl daraus, daß es mit der ganzen Sache faul steht. Der englische Soldat hat die Lust verloren. Trunktsucht, Spiel rc. haben sich zur Schlappheit, Gleichgiltigkeit gesellt. Dafür hat man in der letzten Zeit verschiedene Beweise gehabt. Am 4. November, so wurde auch in englischen Kreist» berichtet, was auch von Boerenseite bestätigt wurde, war Botha mit seinen 12 000 Mann im Norden Natals von 64 000 Engländern umzingelt. Ein großer fettgedruckter Aufsatz erschien mit einem Extrablatt in der Durbaner Presse. Zwei Tage später erst stand etwas kleiner gedruckt: Botha entkommen. Und einige Zeit darauf las man in der Verlust liste die Namen 22 gefallener Osficiere und 200 Mann tovt. Uebcr Verwundete wurde unbestimmt benachrichtigt. Man sah nur in Durban in zwei Tagen fünf Lazaretzüge in ziemlich rascher Folge ankommtn. Gefangene wurden aus beiden Seiten nicht gemacht. Von den Boeren sielen 82 Mann, und 26 waren verwundet. Also diese 12 000 Mann bringen den 64 000 Mann eine solche Schlappe bei! Aber nun weiter ein zweites Beispiel: Ich habe schon erwähnt, wie stark die Bewachung der Cap städter Eisenbahn ist. Um Capstadt liegt rin sehr starker Militärgürtel, in der Stadt gute Besatzung und außerdem die Burgerwehr. Da nimmt »in Borrencommando in kleineren Abtheilungen (am Weinberg«), nur zwei Stunden von der Stadt entfernt» den Engländern in einem Lager 800 Pferde, außerdem Proviant, Munition und Fourage weg, schiebt die überflüssige» Wagen zusammen und steckt sie in Braud. Als das Feuer gen Himmel lodert, kommt erst der Feind angerückt, da waren genug Engländer da, nnr keine Boeren mehr. Vielleicht haben die Wachen beim Whikkh Schafkopf gespielt. Ander- ist eS nicht erklärlich. Zu gleicher Zeis brach man meilenweit di» Bahnschieilen auf und zerstörte die Telegraphenleitungen. Bor Port Eliza beth fand ein Gefecht End» November stcktt. Die Boeren nähmen schon vorher zwei Proviant- und MunitionSzüste weg. Dann trieb man die Engländer bi- in die Stadt zurück, uNv noch heute wird die Stadt, wenn auch nicht umzingelt, so doch in Schach gehalten, ebenso wie Capstadt, Johannes burg, Krüzer-dorf und andkte Ortschaften der Krieg-flache. Zu meinem College» sagte in Captstctdt in meinem Beisein ein englischer Osficler: „Schicken wir große Abtheilungen den Boeren entgegen, so finden wir Nicht Einen einzigen, schicken wir kleine Abtheilungen, so sehen wir sie nicht wieder, oder sie kommen in Hemd ohne Kleidung, Waffen und Munition wieder an." Ebenso erzählte mir ein Schiffsosficier, er habe ein Gespräch zweier englischer Osficiere mit angehört, al- sie am Bug des SckisfeS standen. Der Eine habe unter Andetm gesagt: „— Wir glaubten nun mit der Artillerie am besten vorwärt- zu kommen, und sir war auch tadellos ein gerichtet, aber nun sieht man, was wir batten. Und ich möchte wissen, waS andere Nationen noch äufwtisett können." — (Also ein Beweis, daß man sich auch in Militärkreisen kräftig getäuscht habe.) Ich hab» auch mit einigen Engländern gesprochen, die überhaupt den ganzen Krieg von Grund aus verwarfen, auch sie glauben den englische» Berichten und der Presse nicht daS Geringste. MMfche Tagesschau. * Leipzig, 27. Januar. Ein Potpourri nannte am Sonnabend im Reichstage spöttisch der Abg. Rösicke vom Bunde der Landwirthe die Debatte über den Specialetat deS ReichSamtS des Innern, nnd doch konnte er sich'- nicht versagen, auch seinerseits Brocken in den Topf zu werfen, in den seit vier Tagen allerhand mehr oder minder schmackhafte und nützliche Dinge gefüllt worden war»». Sie waren aber nicht überflüssig, feine Brocken, wenigstens nicht alle. So erfuhr man auf seine Klaae darüber, daß die AuSsührungSbestimmungen zum Fleischbeschaugesetze noch immer nicht erlassen seien, vom Staatssekretär Grafen PosadowSky, daß diese Bestimmungen dem BundeSrathe vorliegcn und sofort nach deren Beschlußfassung veröffentlicht werden sollen. Ferner erzielt» Herr Rösicke eine Aufklärung dadurch, daß er der königlich sächsischen Regierung vorwarf, si« habe trotz der forlbrstehenden großen Seuchengesahr der Schweineeinfuhr di« Grenze geöffnet. Durch den sächsischen DundeSbevollmächtigten Fischer erfuhr man nämlich, daß feine Regierung zwar angesichts des Rückgangs der Ver sorgung des inländischen Schweinemarktes die Zulassung vom Ausland« hex in Erwägung gezogen, aber auch mit dem Neich-kaNzled sich in Verbindung gesetzt und auf die von ihm geäußerten Bedenken von der Zulassung Abstand genommen habe. Weniger glücklich war Herr Rösicke mit dem Vorwurf», daß die Regierung dem angeblich in der Bildung begriffenen internationalen Dampsersyndicate nicht entgegen trete, vielmehr die daraus zu erwartende Förderung der amerikanischen Concurrenz ruhig geschehen lasse. Graf Pösa- dowsky erwiderte darauf, von einem solchen Syudicate sei ihm Nichts bekannt, und wenn es in Bildung begriffen sei, so gestatte die Gesetzgebung der Negierung keine Einmischung in die Gestaltung des internationalen Frachtverkehrs. Durch den „Genossen" Horn ließ bann die Socialdemokratie die beliebte Würze in de» Topf werfen. Neben einigen Be schwerden über da- verbot der Schweineeinfuhr und die Hinausschiebung deS Inkrafttretens der Zinkhütlenverordnüng wählte er sich die angrblich« Verkümmerung deS CoalitiviiS- rechls der Arbeiter zum Gegenstände seiner Philippica. Be weisen wollte er diese Verkümmerung auS dem Verhalten dtr Arbeitgeber beim AuSgänge des großen und lang wierigen GlaSarbeltetstteiks. Bekanntlich haben damals die Arbeitgeber den sich zur Wiederaufnahme der Arbeit Meldenden den Austritt aus der socialdemokratischen Organi sation zur Bedingung gemächt. Herr Horn erblickte darin eine despotische und den Geist des gesetzlich gewährleisteten Coalition-recht- widersprechende Maßregel und fragte den Staatssekretär, wir er darüber denke. Graf PosadowSky schien eS nicht für nöthig zu halten, den socialvemokratischen Redner über die Irrigkeit feiner Auffassung zu belehren. Dagegen trwarb sich Freiyerr von Heyl das Ver dienst, deN Socialdentökratru zu Gcmüthe zu führen, wie sie ihrerseits den Arbeitgeber» da- CoaiitionS- techt zu verkümmern bestrebt seien; auch auf die Behandlung der Hamburger Accorvmaurer wie- er treffend hin. Gras PosadowSky wußte Herrn Hörn nur zu erwidern, daß er seiner Anregung einer schärferen Prüfung der Sonntagsruhe in den Glasfabriken eine gewissenhafte Prüfung angeveihen lassen werde. Der bayerische BundeSrathSbevollmächtiate von Hermann seinerseits rechtfertigte dem Abgeordneten Horn gegenüber da« Verfahren der bayerischen Regierung, welche den GlaSarbeiterverdand wegen seiner notorischen politischen Bethätigung für einen politischen Verein erklärt und demgemäß behandelt habe. Interessant war die Be merkung deS Abg. Schlumberger bei seiner Zurückweisung einer Reihe gegen seine Person gerichteter Angriffe. Er meinte, daß die ewige Hetzerei gegen die Arbeitgeber, die von den Socialdemokraten geradezu als Ver brecher dargestellt würden, nicht nur ihre Bestrebungen zur Wiederherstellung des sociale» Friedens aussichts los mache, sondern mit der Zeit jeden anständigen Menschen von der Betharigung in Fabrikuntexnehmungen ab schrecken müßte. Mit derbem Humor zahlte Herr v. Massow den Socialdemokraten ihre ewigen Angriffe aus die Junker heim. Die Herren Singer und Genossen waren verblüfft, sich einmal in ihrer eigenen Sprache angefaßt zu sehen. Schließlich verbreitete sich noch der CentrumSabgeordnete Weiße nbach über die Nothwendigkeit einer Einschränkung der Fabrikarbeit für Frauen, worauf die Berathung abermals vertagt wurde. Die „Germania" hat bekanntlich aogekündigt, daß das Centrum bei der Jrsuitentntrrpellation im Reichstage rück sichtslos gegen die rücksichtslose Regierung Vorgehen werde. Unweit milder äußert sich die „Köln. BolkSztg.": „Aue den, Anfänge der gegenwärtige» Tagung, vom 23. No- vember 1900, liegt auch noch rin CentcumSantrog wegen Aus hebung LeS JesuttengesrtzeS vor. Derselbe Ist bisher nicht zur Berathung gekommen; andere CentrumSantrLge, insbesondere der Toleranzantrag, wurde» vor ihm zur Debatte gestellt, wobei der Gedanke mitwirkle, daß man dem eben erst auf den Reichs- kanzlerposten berufenen Grasen Bülow Zeit lassen müsse, zu den früheren Beschlüssen des Reichstages über dies«» Gegenstand Stellung zu nehmen. AuS demselben Grunde unterließ man »S im vorige» Winter auch, eine Interpellation einzubringen. Nunmehr aber hat der Reichskanzler ausreichend Zelt und Gelegen- beit gehabt, sich mit der Sache zu beschäftigen und seinen guten Willen zu vethätlgeN, wenn und insoweit er einen solchen hatte. Es liegt also kein Grund vor, ihm Frage und Antwort noch länger zu erspüren. Eine Interpellation war trotz dem vorliegenden Anträge nöthig, weil die Negierung bei Berathung von Initiativanträgen zu schweigen oder durch Abwesenheit z» glänzen pflegt, der Antwort auf eine Interpellation aber nicht wohl auswrichen kann." Das klingt beinahe wie eine Entschuldigung. Und wenn es richtig ist, daß der Abg. Vr. Spahn vom Cetttrnm aus ersehen worden sei, die Interpellation zu begründen, so wird man auch annehmen dürfen, baß die Begründung Mehr im Tone der „Köln. VolkSztg." al- in dem der „Germania" ge halten sein werde. Denn bekanntlich ist der junge Geschichts professor Di. Spahn in Straßburg kein Freund der Jesuiten und ihres Einflusses auf Politik und Wissenschaft. Und cS läßt sich doch kaum aNnehmen, daß Spahn-Vater durch allzueifriges Eintreten für die Jesuiten die Verthtidiger deS JesuitengesetztS anrtizett werde, Spahn-Sohn als katho lischen und geschichtskunbigen Jesuitengtgner in- Gefecht zu führen. Die Frage der Vertretung des Vatikans anläßlich der Krönung tzeü Königs Sbnarv VII., über welche zwischen dem Erzbischof von Westminster, Cardinal Vaughan, und dem englischen Hofe vertrauliche Verhandlungen ge pflogen wurden, ist nunmehr in dem Stnnc entschieden, Feuilleton. Rittmeister Eckhoff. Roman von A. von Trystedt. Nachdruck verboten. Sie wollte jetzt Eckhoff am Weitersprechen verhindern, ihn, wie jüngst, mit einer launigen Wendung abfertigen, aber vergeblich suchte sie nach einem leichten Wort, das nicht beleidigt, und doch unzweideutig die Grenze anwcist. Auch sie konnte sich dem Zauber dieser Stunde nicht voll und ganz entziehen. In der Atmosphäre des Ballsaales fühlte sie sich sicherer, hier aber, wo die Natur in ihrer ganzen Schlichtheit und Großartig keit auf sie eindrang, wurde sie unsicher. Stolz und Liebe suchten einander zu bekämpfen. Weshalb wollte cs das Verhängniß auch, daß sie so ganz allein Mit ihm dahinfuhr durch die schweigende Landschaft' Konnte sie es hindern, daß Saiten in ihr erklangen, di« bisher ihrem Wesen fremd gewesen waren? Zornig wallte es in ihr empor. Sie wollte keinen Kampf, und wurde doch gewissermaßen dazu gezwungen, hrneingerissen in den Strudel seelischer Conflictc. Wozu das? Bernhard bemerkte das wechselvolle Spiel von Licht und Schatten in ihren Augen, und weit entfernt, die wahre Ursache ihres seltsamen Wesens zu ahnen, begann er ihr nun zu sprechen von seiner Liebe, vo« seinem Herzen, das sich ihr so ganz zu eigen gegeben, daß es nur noch athmen könnte, wenn Stephanie sich seiner erbarme. Er sprach mit dem köstlichen Vertrauen eines Mannes, welcher feiner Sache vollkommen sicher ist. Dann legte er leise den Arm um ihre Schulter. Die Zügel lose in der Rechten haltend, bog sein frisches, männliches 'Gesicht sich ihr zu. Er glaubte so fest an ihre Liebe, daß er nicht länger zögerte, einem übermächtigen Verlangen zu willfahren, ehe Stephanie es hindern konnte, ehe ihr die ganze Tragweite dieser Scene klar zum Bewußtsein kam, brannte der Brautkuß auf ihr:n Lippen. Damit war aber auch der Bann für das schöne Mädchen gebrochen. Wieviel Seligkeit hier, dieser Kuß auch bereiten mochte, mit welcher süßen Befriedigung sie auch den Liebesschwüren lauschte, rin Traum durfte das Ganze doch nur bleiben, und höchste Zeit war es, dem Zaüber Einhalt zu gebieten, der mehr und mehr ihre Sinne zu umfangen drohte. „Herr Eckhoff", stieß sie mit vor Erregung rauher Stimme hervor, „Sie haben eine seltsame Art, sich eine Situation nutzbar zu machen! O, ich wußte es, daß ich mich Ihrem Schuht nicht anvertrauen durfte, eine innere Stimme warnte mich vor Ihnen —" Schluchzen erstickte ihre abscheulichen Worte. Ihr war zu Muthe, wie Jemandem, der wider besseres Wissen Heiligthümer zerstört. Dadurch steigerte sich ihre Erregung aber nur noch. Aus ihren Augen blitzten ZorneSthränen. Sie weinte über ihr jammervolles Loos, über ihren Egois mus, der nicht vom Reichthum lassen wollte. Ihr Groll aber wandte sich gegen Bernhard, der all' diesen Aufruhr herauf beschwor. Er starrte wie entgeistert in ihre empörten Züge. Dann löste sich ein Ton höchster Seelenmarter von seinen Lippen. „Stephanie, Stephanie!" ächzte er, seiner selbst kaum mächtig. „Ich gab Ihnen niemals die Erlaubniß, mich bei meinem Vornamen zu nennen!" lautete die schneidende Entgegnung, „und wahrhaftig, nachdem ich neulich erkannt hatte, daß Sie meine harmlose Freundlichkeit in einer Weis« zu deuten suchten —" „Stephanie!" brachte er heiser hervor, „bitte, nicht weiter in diesem Tone —" „Nicht ick hab« diese Scene provocirt", versetzte sie kalt, und je wilder und empörter ihr Herz pochte, um so eisiger erschienen ihre Züge, „wahrhaftig, es lag mir Alles daran, Ihnen diese Demüthigung zu ersparen, ich hatte meine Schwester gebeten, den Platz hier statt meiner einzunehmen, Sie aber wußten Eva jeden falls umzustimmen! Nun muß auch gesagt werden, was unumgänglich nothwendiq ist, Herr Eckhofs. JH kann nie mals die Ihrige werden. Ich — finde nicht den Muth, es mit der Mistzre des Daseins, mit einem entbehrungsreichen, sorgen schweren Leben aufzunehmen. Ich bin nicht so poetisch ver anlagt, um mir am Sonnenscheine der Liebe genügen zu lassen. Ich mag nickt im Schatten stehen und zusehen, wie Andere NN Lichte wandeln!" „Ich — ich —" stieß er heiser hervor, „denkst Du denn wirklich allein an Dich, Stephanie? Kommt es Dir nicht zum Bewußt sein, daß Dein ganzes Wesen mir gegenüber gleichsam eine Auf forderung war, Dich zu lieben, ein stummes Versprechen, dereinst mein Werben um Dem« Gunst zu lohnen? Begreifst Du nicht, daß Du mich zu grausamer Folterqual verurtheilst, wenn Du jetzt meins Liebe wie ein Nichts, ein Ueberlästiges zurückweist? ... Du liebes, herrliches Weib", fügte er leiser, mit einem flehenden Ausdruck im Ton hinzu, „lasse Dich doch nicht so unbedingt vom krassen Egoismus leiten, folge doch Deinem Herzen, mein Lieb ling, gewiß, es weist Dich ganz ander« Wege!" Als Stephanie in ihrer kalten, eintönigen Weise zu sprechen begonnen, war es gewesen, als breche sich ein dämonischer Strahl aus Eckhoff's blauen, sdnst so guten Augen Bahn. Seine Stirn färbte sich dpnkrlroth, ein Zeichen heftigen Zornes bei ihm, aber dann streifte ein seltsamer Blick das schöne, engherzige Mädchen, etwas, wie unbeschreibliches Mitleid, gepaart mit schneidender Ironie, und darauf schien der Zorn verflogen, und allein die Liebe ängstlich darauf bedacht, sich ihr köstliches Gut zu erringen. Er gab dem Mädchen auch jetzt zu einer Antwort keine Zeit. „Du wirst nichts «Mehren, süßes Herz", fuhr er sanft be schwichtigend fort, indem «r vergeblich in ihrem starren Antlitz nach einer weichen Regung spähte, „ich werde ja doch arbeiten für uns Beide. Ich bin Landwirth und habe Tüchtiges gelernt, a» einer einkömmstchen Inspectorstrllt kann es mir nicht fehlen —" Ein klingendes, tief verletzendes Auflachen Stephanies unter brach den Sprechenden. Und wahrhaftig, sie lachte Dhräncn, die stolze Schöne, welche seit ihrer Backfischzeit auf den Tag wartete, der sie zur Millionärin machen, ihr in tonangebenden Kreisen die erste Stelle sichern sollt«. Sie lachte all' die bangen Herzens regungen hinweg. Dte Stimme in ihrer Brust schwieg, die immer wieder gewarnt hatte, es nicht zum Aeußersten zu treiben, Eckhoff nicht geradezu tödtlich zu verletzen! „Frau Inspektor, — nein, wahrhaftig, die Ehre ist groß, Herr Eckhoff! Zu meinem Leidwesen muß ich sie ablehnen, da ich zum Füllen der Milchsatten, zum Zählen des Kleinfeder viehs weder Lust, noch Talent verspüre, und ebensowenig zur Rechnunglegung über diese und zahllose andere nichtige Dinge. Und nun, bitte, tragen Sie Sorg«, daß wir bald zu den Anderen gelangen, und — lassen Sie uns nach wie vor Freunde bleiben. Es war doch thöricht von Ihnen, Mir Derartige- zuzumuthen, das wetden Sie selbst noch oinsehen!" Eckhoff'S Züge hatten unter diesem tiefverletzenden Spott alle Farbe verloren, todtenblaß erschienen seine Wangen, und nur unter der Pelzmütze lohte ein tiefrother Streifen, drohend, wie ein plötzlich erstandener Feind. „Lassen Sie sich warnen, Stephanie", sagte er mit einer ganz veränderten, ruhig - eindringlichen Stimme, „ungestraft läßt ein Mann sich nicht in einer so unerhörten Weise von einem Mädchen nasführen unv beleidigen. Seit Wochen haben Sie mir durch Ihr Verhalten das Recht gegeben, um Ihr« Hand zu werben, unser Verkehr war rin derartiger, daß alle Welt unsere Verlobung erwartet und daß es ehrlos von mir wäre, wenn ich um Ihre Hand nicht gebeten hätte —" „Sie »vollen mich zwingen", entgegnete Stephanie gereizt, „aber meine Antwort bleibt dieselbe: es kann nicht sein —" „Ja, hast Du mich denn nicht lieb?" brach es ungestüm von seinen Lippen. Sie hatte sich von einigen der Hüllen befreit. Wie ein Feuerstrom fluthete es durch ihre Adern. Ihr fester Wille war es, nichts von dem zu verrathen, was in ihr vorging. Sie fach ihn kühl und gleichsam prüfend an. DaS war ihre Antwort. Bernhard ergriff ihre Hand und preßte sie so heftig, daß das Mädchen leise aufschri«. „Du belügst Dich selbst. Du liebst mich, mußt mich lieben, oder — Tu bist ein so herzloses, oberflächliches Wesen, daß ich Dir Dank dafür wissen muß, mir bei Zeiten die verblendeten Augen geöffnet zu haben!" „Denken Sie darüber nach Belieben, jedenfalls —" „Stephanie, noch einmal, bitte, beschwöre ich Dich, lasse mich nicht verzweifeln an Allem, was mir bisher heilig war, beuge Deinen Stolz, laß allein Dein Herz sprechen, wähle den rechten Weg, Geliebte, den Weg, der uns Beide zum Glück führt!" Noch brannte sein Kuß auf ihren Lippen, und doch fanden diese ein so geringschätzendes, tiesverletzendes Lächeln. „Stephanie!" brauste er auf, wie außer sich, „ich warne Dich, und ich provhezeihe Dir, daß Du diese Stuniv« «inst tief be reuen wirst, denn Alles das, was Du mir jetzt bietest au Herz- und Mitleidlosigkeit, werde ich Dir zurückzahlen. Ich bleibe Dir nichts schuldig, Du kannst Dich darauf verlassen! Ich kenne mich so genau! Meine Seele weiß nichts von Mißtrauen oder Rechthaberei. Ich glaube auch jetzt noch an Dein« Liebe, und ein einziges Wort von Dir kann mich diese ganze umvhörte Scene vergessen machen Ist die Trennung zwischen unS aber voll zogen, sann werden mich einst «weder Deine Reue, noch Bitten zu Dir zurückführen! Ich ertödte die Liebe zu Dir in meinem Herzen und keine Macht der Welt kann sie wieder in's Leben rufen! Be denke das!" Ein Frösteln durchschüttelte Stephanie's schlankcn Körper. Sie fühlte, daß jeder Blutstropfen aus ihrem Antlitz ent wichen war.
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