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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.02.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020206016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902020601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902020601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
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Nr. 66. Donnerstag den 6. Februar 1902. Anzeigen-Pret- die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 vor den Familiennaä»- richten (6 gespalten) 50 .H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt-, nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Pvstbesürderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgea-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 96. Jahrgang. Unseren Lerliner Freunden hierdurch die ergebene Mittheilung, daß durch den be sonders in den letzten Jahren sich fortgesetzt erweiternden Kreis unserer Abonnenten und Inserenten in der Reichs hauptstadt wir uns veranlaßt gesehen haben, in Berlin 8lV., Ksniggrätzerstrahe IIS direct am Anhalter Bahnhof, eine Filral - Expedition zu errichten, deren Eröffnung am 1. d. M. erfolgt ist. Anzeigen sowohl wie Abonnements werden dort zn denselben Bedingungen entgegengenommen und erledigt wie in unserer Haupt-Expedition in Leipzig. Unser gleichfalls dortselbst eingerichtetes Verkehrs - Vurenn bietet unfern auf Reisen befindlichen sächsischen Abonnenten Lesezimmer — Fernsprecher — Adreßbücher — Kursbücher — Ttadtpläne re., auch wird daselbst jede gewünschte Auskunft über Verkehrs verhältnisse, Hotels, Pensionen rc. bereitwilligst ertheilt. Leipzig, im Februar 1902. Leipriger Lageblatt. Die Jesmtensrage. Ein Wort zur Verständigung nach rechts und links. Die Jesuitenfrage —, ist das nicht ein schier abge droschenes Thema? Ja, aber sie kehrt immer wieder, und was ihre Lösung erschwert, ist ein Zweifaches: 1) daß ihre politische und sociale Bedeutung für unser aus Katho liken und Protestanten gemischtes, unter einem protestan tischen Herrscher geeinigtes Volk von so Vielen verkannt wird und 2) daß man nicht genügend zwischen Jesnitismus und Katholicismus unterscheidet, oder dieselben gar iücu- liftcirt,' denn wo letzteres geschieht, da must folgerichtig das Gesetz vom 4. Juli 1872 als ein schweres Unrecht gegen die katholische Kirche empsnnden werden. Aber auch ge bildete Katholiken sollten einsehen nnd die ungebildeten mit zu überzeugen suchen, daß diese Gleichstellung ohne Grund ist. Die katholische Kirche hat cxistirt und an ihrem Theile segensreich gewirkt, ehe es Jesuiten gab, und sie hat an ihrem Bestände keine Einbuße erlitten, als die Gesell schaft Jesu vom Papste selbst „im Interesse des Friedens" aufgelöst wurde. Aber auch von protestantischer Leite sollte der Unterschied zwischen Jesnitismus und Katholicismus allgemein zugestanden werden. Sagt man: im JesnitiS- mus tritt das eigenthümlichstc W e s c n des KatholiciSmuö zn Tage, so mag das theoretisch richtig sein, aber die Praxis hat sich doch seit lange zum Glücl anders gestaltet. Oder ist cs nicht Thatsachc. daß deutsche Katholiken und Protestanten in gutem Frieden neben einander leben können? Ja, sie können's nnd thun'S, im Staat, in der Gemeinde und, was früher unmöglich schien, sogar im engsten Lcbenskreise, in der ehelichen Gemeinschaft. Sagt man aber, der gute Katholik müßte conscqncnterwctsc ebenso intolerant sein wie die Schüler Loyolas, so ließe sich erwidern: intolerant müßten auch die Lutheraner und die Reformirten sein, wenn sie in ihren kirchlichen Sonder bekenntnissen die ganze irrthnmslose religiöse Wahrheit zu besitzen meinten, nnd sind cs drei Jahrhunderte hindurch gegen die Katholiken und untereinander gewesen ; aber ich sehe davon ab und sage: freuen wir uns der glücklichen I n c o n s e q u e n z! Oder wäre es besser, wenn Alle intolerant wären: wenn die Zett wicdcrkehrte, in der sie cs für etwas Gott Wohlgefälliges hielten, um des Glau bens willen einander zu Haffen, zu verfolgen und zn ver nichten? Im Verneinen dieser Frage wissen sich alle Ge bildeten von der äußersten Rechten bis znr äußersten Linken völlig eins. Man sollte sich aber auch darin völlig eins wissen, daß uns — wir seien Katholiken oder Pro testanten — den Angehörigen der anderen Confessio» gegenüber nicht nur die vom Staat erzwungene, sondern anch eine ans der Einsicht in ihre sittliche Noth- Wendigkeit beruhende „wohlwollende" To leranz geziemt. Und das umsomehr, als mit dem gegen- theiligen Verhalten doch gar nichts erreicht wird. Es sind über 800 Jahre seit der ersten großen Kirchen spaltung verflossen und bald 400 seit der zweiten. Alle WiedervereinigungSversuchc, bis ans den letzten, zu dem der gelehrte und ehrwürdige Katholik Döllinger glaubte Anleitung geben zn können, sind gescheitert,' nnd mag man das beklagen oder nicht: der Thatsachc ist Rech nung zn tragen und nichts gewisser, als daß solche Ver suche auch scrucrhin mißlingen werden. Denn die Ver schiedenheit zwischen katholischer und protestantischer Frömmigkeit hat tieferen Grund, als daß Theologen und Philosophen sie mit dogmatischen Eompromißformeln aus der Welt schassen könnten. Nicht zufällig ist im Norden der Protestantismus und im Süden der Katholicismus vorherrschend, sondern darum, weil das religiöse Be dürfnis; dort und hier ein verschiedenes ist. Die Dogmen spielen dabei eine geringe Rolle, eine jedenfalls viel größere der Cnltus, an den der Einzelne von klein ans gewöhnt ist. Der Protestant kann sich am „Wort", wenn cs eindringlich und für ihn überzeugend verkündigt wird, genügend erbauen — deshalb ist ihm die Predigt im öffent lichen Gottesdienst die Hauptsache —, der Katholik n i ch t. Ihm ist die Religion weit mehr Gefühlssache, und nur durch einen formcnrcichcn, ans die Sinne wirkenden Cnltus findet er sich befriedigt. Die katholische Kirche kommt dem ästhetischen Bedürfnisse ihrer Angehörigen weitherzig entgegen, und dies ist der Grund, nicht ihre Dog matik, daß so oft Künstler und andere phantasiereiche Männer — und noch mehr Franc» — in sic zurück geflüchtet sind. Daß die römische Kirche iso ist richtiger zn sagen, als die katholische, die eS längst nicht mehr giebt) auf solche „Be kehrte" stolz ist und ans die Uebertritte fürstlicher Per sönlichkeiten hohen Werth legt, ist wohl begreiflich. Aber sie irrt, wenn sie darauf die Hoffnung gründet, daß. früher oder später, ganze Völker oder gar Alle sich unter ihr „sanftes Joch" beugen werden. Man kann vielmehr sagen: nicht ein einziger Protestant wird Katholik, in sofern der sich zum Katholicismus Convcrtircnde nie Pro testant im vollen Sinn des Wortes war. Denn lassen wir die Frage nach der dogmatischen Wahrheit ganz dahin gestellt sein: eine Entwickelung nicht nur des religiösen Bewußtseins, sondern des gcsammtcn Geisteslebens liegt im Protestantismus jedenfalls vor, so gewiß dieser ans dem Katholicismns entstanden ist nnd nicht der ans dem Protestantismus. Es ist ebenso unmöglich, daß über zeugte Protestanten sich znm Katholicismus zurück bekehren, wie daß ein Jahrhundert auf die Entmickelnngs- stufc eines vorhergegangcncn sich zurückversetzt. Aber auch die Uebertritte aus der katholischen Kirche in die protestantische bedeuten wenig, und wcnn die „Los von Rvm-Bcwcgnng" dreimal so viel Erfolg hätte, als sie bisher gehabt hat: am Stärkcverhältniß der Parteien wird sie in absehbarer Zeit nichts ändern. Die Pro testanten wie die Katholiken müssen sich darein finden, und alle Verständigen werden cinschen, daß cs nicht nur wür diger, sondern auch im gegenseitigen Interesse ist, wenn sie, anstatt ans den Scclcnfang anSzugehen, einander weit herzig vertrage». „Aber weshalb widersetzt sich denn der Bundesrath der Aufhebung des Jesuitengesetzes?" Ich deute, nicht weil er engherzig, sondern weil er weit- und scharfsichtiger als die Mehrzahl unserer Reichstagsab- geordneten ist, durch die Geschichte belehrt, daß der Jesuitenorden den Frieden zwischen Katholiken und Protestanten, an dessen Erhaltung der Regierung in einem confessionell gemischten Staate Alles gelegen sein muß, grundsätzli ch untergräbt. Es handelt sich da an erster Stelle nicht nm eine kirchlich-religiöse, sondern um eine politisch-sociale Frage von größter Bedeutung. Wcnn die „Volkszeitung" ineincrihrernenestenNummern sagt: „Die Gesellschaft Jcsn ist ein Orden, wie alle andern", so verräth ne damit ihre Unwissenheit: denn diese Gesellschaft ist ein ganz eigenartiger, ausdrücklichznrBekämpfung des Protestantismus gestifteter Orden. Und daß er sich darauf versteht und vor keinem. Mittel zurückschent, das er für seinen Zweck dienlich erachtet, hat er genügend bewiesen. Ohne die Jesuiten wäre es nicht zur blutigen Bartholo mäusnacht, ohne sie nicht zum dreißigjährigen Kriege ge kommen, der Deutschland nahezu vernichtet hat. Hier sagen nun anch die Dcutschsreisinnigen: „llcmpi passati! Die kehren nie wieder", und dessen wollen wir uns gern mit ihnen getrosten,' aber die Propaganda des Jesuitenordens im confessionell gemischten Staate darum zu unterschätzen, haben wir keinen Grund, und die Katho liken haben k c i n c n , sich die zweifelhafte Hilfe der Jesuiten zn wünschen. Für ihre religiösen Bedürfnisse ist durch den regulären Klerus, der im deutschen Reiche ge bildeter als in jedem anderen ist, hinreichend gesorgt, nnd es verdient neben der Thatsachc, daß jene sich noch in keinem Staate ans die Dauer zn behaupten vermocht haben nnd ans dem gut katholischen Frankreich sechsmal auö- gcwiescn wurden, wohl beachtet zn werden, daß die Oberen der katholischen Hierarchie, die Bischöfe nnd Erz bischöfe, sichnoch nie GornstlichumdicRückkehr derJesniten bemüht haben, wie die Ultramontancn im Reichstage. Und weshalb sollten sie cS anch thnn? Der Jesuitenorden, mit Privilegien ausgcstattct, wie kein anderer, ist ihrer Aufsicht nicht unterstellt, sic müssen sich vielmehr die seinige gefallen lassen: und der Staat, wenn Mitglieder der Gesellschaft Jesu sich Ucbcrgriffe erlauben, kann nicht die Bischöfe dafür verantwortlich machen. Denn die Jesuiten bilden, auch innerhalb der katholischen Kirche, ein Frei corps, das lediglich von seinem General in Rom abhängig ist. Man braucht nicht ans die laxen Grundsätze der Je- snitcnmoral cinzngchen, unter denen cs doch anch staats gefährliche giebt, wie beispielsweise der, daß katholische Deserteure, unter gewissen Voraussetzungen, nicht ver pflichtet sind, zu ihrer Fahne zurnckznkehren: cs genügt, daran zn erinnern, daß jeder einzelne von seinem Vorge setzten völlig abhängig nnd so unfrei ist, wie „der Stock in der Hand des ihn führenden ManncS", und daß der über alle mit svnvcräner Machtvollkommenheit Gebietende von keiner weltlichen Obrigleit erreichbar ist —, ich sage, das genügt, nm zn dem Schlüsse zu kommen: für die Auf rechterhaltung des Jcsnitcngesctzcs spricht viel, für seine Aushebung nicht s. D. I). Der Krieg in Südafrika. Zn dem Angebot der niederländische» Fricdcnsvcrmitteluug schreibt man uns ans Brüssel: I)r. LeydS spricht sich aus sehr begreiflichen Gründen über die Vorgänge nicht ans: jedoch erfährt man aus seiner Umgebung genug, um sich ein ziemlich genaues ttr- theil bilden zu können. Die erste Anregung zur Ein leitung der Verhandlungen ist hiernach von denselben e n g l i s ch e n F i u a n z k r c i s e n ausgegangeu, welche schon vor drei Monaten einen Vertranensmaun znrn Präsidenten Krüger und den anderen in Europa weilen den Boerenvertretern entsandt hatten. Dieser Mann wollte den Präsidenten Krüger veranlassen, ein unmittel bares Gesuch an den König Ednard zu richte» und um Frieden zn bitten, dann würde durch das Eingreifen des Königs das britische Eabinet zu Zugeständnissen hinsicht lich der Unabhängigkeit der Boerenstaaten genöthtgt wer den. Präsident Krüger, ebenso wie die übrigen Delegir- ten, lehnten jedes Eingehen auf den Vorschlag ab, da der betreffende Unterhändler keinerlei Nachweis darüber er bringen konnte, daß auch nur ciue einzige amtliche Person in London seine Schritte unterstütze. Da also auf diesem Wege die Wünsche der sehr friedcnsbcdürftigen Londoner Finanzwelt nicht in Erfüllung gehen konnten, so kam man auf den Einfall, den holländischen Minister- p r ü s i d c n t c n v o r z u s ch i e b e n. Man rechnete da mit, daß Ue. Kuyper wiederholt den Wunsch geäußert hatte, der niederländischen Regierung möge die Rolle des Friedcnsvermittlers übertragen werden, und so fand der selbe Beauftragte des Londoner Randmincn-Lyndicats bei Oe. Kuyper bereitwilligst Aufnahme seiner Vorschläge. Es ist nun aber zweifellos, daß die britische Regierung über das Vorgehen der Finanzgruppe durchaus unter richtet war, ja sogar dasselbe veranlaßt hat. Aberma n will sich in London so stellen, als sei die ganze Action eine private und werde dem englischen Eabinet von außen her angctragen. Natürlich kann man dann anch den Stolzen spielen, der den nm Frieden bittenden Bocren Nichts zn gewähren braucht. So hat man auch dem ve. Kuyper den Vorschlag anfgedrüngt, die englische Regierung möge gnädigst gestatten, daß eine Com m i s - sion von Delegirten der holländischen Regierung nach Südafrika reise und dort mit den Boerengcneralen direct über den Frieden verhandele. Dieser Vorschlag bedeutet nichts Anderes als überden Kopf des Präsidenten Krüger nnd der hiesigen B o e r e n d e l e g a t i o n hinweg mit einigen Führern in Südafrika zn verhandeln. Durch derartige Machenschaften wird jedoch die englische Regierung schwerlich zu ihrem Ziele tommen: und nieder ländische Negierungseommissare, die vor Delaren oder De Wet erscheinen würden, um diesen die Unterwerfung niitcr England und den Verzicht ans die Unabhängigkeit anzuempfehleu, würden vielleicht in eine sehr unange nehme Lage kommen. Die „Südafrikanische Corrcspondenz" meldet aus Brüssel, 4. Februar: Unser Londoner Mitarbeiter bestätigt die Meldung französischer Blätter, nach der die Schritte der hcständi schen Regierung auf zwei hochstehende englische Persön lichkeiten zurückzuführen sind. Er erfährt weiter, daß die Stellung des M i n i st e r s Cha m berlain , die schon seit Monaten erschüttert erschien, von Neuem bedroht ist. Zwischen den Leitern des Home Office nnd anderen Ministern sei es bei der Beratlning der Note zn scharfen Auseinandersetzungen gekommen. Doch dürfe man noch nicht mit dem Sturze des Ministeriums rechnen, da Chamberlain durch seine Birminghamer Rede, und insbesondere durch die Znrechtweisung des deutschen Reichskanzlers im Volke eine Position errungen habe, die mit in Rechnung zu ziehe» sei. Die Rede selbst sei in Voraussicht der kommenden Ereignisse gehalten worden. Vom Kriegsschauplätze. " London, 5. Februar. (Telegramm.) Lord Kitchener meldet aus Pretoria unter den: 4. Februar: Eine englische Ab- theilung »nter Byng'S Commando griff nach einem von Liebenberg Elei ausgehenden Nachtmarsche den Eoinman- danten Wessels an. Tie Engländer erbeuteten zwei Feuilleton. Das Ungethüm. Eine Tanzstundenhumorcske von Paul A. Kir st e i n. Nachdruck vcrboten. Der Herr Amtsgerichtsrath Körner ging schon den ganzen Morgen in tiefen Gedanken durch die Zimmer. „Bon wem hat sie's nur, von wem hat sie's nur?!!" Und dabei streifte sein kritisch prüsender Blick hin und wieder diese „sie", die sonst im Leben seine einzige neun zehnjährige Tochter Else war, und wieder ging er rastlos nach vorn und zurück. „Woher konnte sie's nur haben?!" Er blickte in den Spiegel. Bon ihm doch sicherlich nicht! Er kam sich trotz seiner untersetzten Gestalt und seines Marienbader Leibesumfanges schön nnd zierlich vor, gegen sie, gegen dieses Nein, er sagte cs nicht. Es war doch immerhin seine Tochter. Aber der Gedanke ging ihm nicht aus dem Kopfe. Er trieb ihn sogar so weit, daß er ganz plötzlich seine Frau, die mit den heftigsten Wirthschaftssorgcn durch die Wohnung eilte, fest am Arme packte und nnvermittclt zu ihr sagte: „Laß Dich mal ansehen, Amalie!" Sie stand erschrocken und verblüfft. „Aber Ferdinand . . . ." Er jedoch war so in seine Forschungsidec vertieft, daß er den Einwand nicht beachtete, sondern seine gute Fran ganz einfach hin und her drehte. „Hm . . ." räusperte er sich dann und rückte den tanzenden Kneifer ans der Nase zurecht, „Du bist wirklich — wirklich .... etwas stark geworden!" Und wieder war die Frau verblüfft, nnd wieder fand sie keine anderen Worte, al»: „Aber Ferdinand!" Na — die sagte sic denn auch, aber ihr schönes, volles Gesicht wurde dabei um einen ganzen Ton rüthlicher. Ferdinand jedoch achtete wieder nicht darauf. Seine Augen ruhten anch nicht ans ihrem Gesicht, sondern auf ihrer ganzen Gestalt. Und als hätte er dort den Stein des Anstoßes gefnndcn, reckte er sich plötzlich hoch auf und sagte mit leisem Seufzer: „Ja — Dn bist wirklich etwas stark geworden! Mir ist das in den zwanzig Jahren unserer Ehe noch nie so ausgefallen!" ' Diese, gewiß nicht sehr delicate Bemerkung ärgerte nun wieder Fran Amalie nnd etwas pikirt antwortete sie: Das ist traurig genug! Ein Mann, der seine Frau zwanzig Jahre lang nicht betrachtet, zeigt dadurch, daß er sie nicht liebt und auch niemals geliebt hat." „Oh, bitte — erlanbe mal . . ." Aber Krau Amalie erlaubte nicht, denn nun, da der Bann der Verblüfftheit von ihr genommen war, mußte sic anch ihrem Herzen nnd ihrem Rededrange Luft machen. „Ganz abgesehen davon", fuhr sie fort, „daß ich jetzt, wo ich mit der Wirthschaft mehr zu thun habe, als mir lieb ist, nicht richtia angczogen bin und auch nicht sein kann, und also auch nicht so — so . . . corpulent bin, als Dn zu glauben scheinst ganz abgesehen davon soll einem Mann, der seine Frau achtet und schätzt, jede Ver änderung an ihr, mag sic gut sein oder schlecht, sofort auf fallen, und dann wird er nicht nöthig haben, ihr so plötz lich, so gleich am frühen Morgen, so ... unllcbenswürdige Dinge zu sagen!" „Du bist im Jrrthum, liebe Amalia " „Amalta?!!! Ah — Du wirst ossiciell . . ." „Nein! Ich werde nicht officicll!" „Gewiß! Sonst hättest Du nicht „Amalia", sondern „Amalie" oder „liebe Fran" gesagt — Was soll übrigens diese ganze Geschichte? Wozu ist diese «ngnckerci nnd — diese ganzen Umstände?" „Aber laß mich doch nur auch mal zu Worte kommen!" Er rang schon die Hände. „Tn redst ja in einem fort!" „Nein! Dn redest." Und seine Stimme fast zn Flöten tönen herabzwingend, sagte er: „Ich wollte ja nur wissen, von wem sie's eigentlich hat?" „Wer?" „Unsere Else." „Was?" Hui, da saß er wieder in der Patsche. Denn wenn er jetzt so unverblümt nnd geradezu die ominöse Lache fragte, dann konnte noch einmal ein kleiner Worthagel auf ihn hernicdcrprasseln. Das wollte er nicht gern. Er überlegte also ein wenig — und dann sprach er sanft, mit einer Umschreibung, auf die er als Jurist ordentlich stolz rvar: „Ich wollte mich nur übcrzengcu, von ivem unsere Tochter das — „Wohlgenährte" hat!" „Ah!" Eigentlich war Frau Amalie sprachlos, denn darauf war sie nicht gefaßt. Dann aber raffte sic sich auf. „Von ivem anders, als von meiner guten Küche, von meiner Pflege und Fürsorge! Erben thut man so etwas nicht!" Im Gefühl ihres Triumphes stand sie vor ihm. Er aber ärgerte sich darüber. „Ich hab's ja immer gesagt, Du sollst das Mädchen nicht so verwöhnen, ihm nicht so viel zu essen geben " „Ja — sollte ich sic denn hnngcrn lassen?" „Das nicht! Aber Du hast sie gemästet, direct ge mästet!" „Das — ist stark!" „Stark?! Haha —" Er lachte ein höhnisches, gewalt sames Gelächter. „Ein bischen dick lasse ich mir ja ge fallen, aber so dick — nein, daS ist nicht richtig!" — — Warum erwähnst Du das? Sage mir nur, warum Du das gerade heute erwähnst?" „Das will ich Dir sagen!" Und als hätte er baS größte Wcltgehcimniß zu verkünden, zog der Amtsgerichtsrath seine Frau ganz dicht zu sich heran. „Weißt Du, wie Deine Tochter in der Tanzstunde genannt wirb? — Da» Ungethüm, jawohl, das Ungethüm!!" Und er ließ die Hand seiner Gattin wieder fahren, als spürte er Feuer in ihr. Und sie war doch fast zu Eis erstarrt! Ihre Tochter, ihre Else — ein Ungethüm!!! Der Amtsgcrichtsrath aber rollte die ganze Karte seiner Verstimmung auf. Wie er am Abend vorher, gleich nachdem er seine Acten erledigt hatte, in den Tanzstunden saal gekommen war, wie ihn Niemand erkannt hatte, wie sie ringsum gekichert nnd sich angestoßen hätten! „Seht doch nur, das „Ungethüm" tanzt: seht doch nur, wie das „Ungethüm" hopst, wie lange es daucrt, bis das „Un- gethüm" sich einmal nm sich selber gedreht hat!" „Und dieses „Ungethüm" war immer unsere Tochter!" „Und als dann der Else das Malheur passirte, daß sie hinfiel — wie sie sich da Alle gefreut hatten, wie sie ge lacht nnd gejuchzt haben: Das „Ungethüm" an der Erde! Das „Ungethüm" hat die Dielen durchgeschlagen — — Ich habe mich wirklich geschämt. Und ausgerechnet mit diesem Assessor, mit meinem Assessor, diesem Wind hund, der vom Tanzen ebenso wenig Ahnung hat, wie von der Jurisprudenz na aber warte! Der soll's gut haben!" Fran Amalic sagte nichts mehr. Sie mar geknickt, gebrochen, in eine tiefe Versenkung hiuabgerntscht. Tic nahm nur später ihre Tochter in dle mütterlichen Arme und schluchzte laut und klar: „Mein armes Kind — das neue Kleid zu dem Tanzstundenball — mir werden » wohl nie erreichen!" Else lachte dazu! „Wieso, Mama? Jst's Papa zu viel Stoff?" Und sie zeigte vergnügt auf ihren recht be trächtlichen Umfang. Die Mutter betrachtete sie mit einem Kassandrablick: „Wenn Du wüßtest! Wenn Du wüßtest?" — Der Herr AmtSgerichtsrath ging indessen aufs Ge richt. Nach dieser nicht gerade erbaulichen Morgen andacht war ihm ohnehin das Loncept verdorben. Und dazu spukte ihm noch immer da» „Ungethüm" di» Tanz»
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