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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.02.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020207024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902020702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902020702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-02
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Anzeigen »Preis die 6 gespaltene Petitzeile 2S H. Reclamen unter dem RcdactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ./L 60.—, mit Postbesürderung ./4 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Nb end-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 96. Jahrgang. Nr. 69. Freitag den 7. Februar 1902. Der Krieg in Südafrika. Die Friede»soorschlägc der niederländischen Regierung. Aus dem Haag wird der „Internat. Corresp." be lichtet: Wenngleich auch vr. Kuyper auf das Strengste vermieden hat, irgend welche vermittelnden Fricdcnsbc- dingungen vorzufchlagcn, sv hat doch zwischen denjenigen englischen Kreisen, welche dem Bcrmittclungsvcrsuchc des vr. Kuyper nahe stehen, und dem Letzteren, eine Ver ständigung über einzelne Fragen stattgefunden, welche besonders folgende Puncte betreffen: 1) Die beiden Boerenstaaten bleiben als selbstständige Staaten bestehen und haben das Recht, sich zu einem Staate zusammenzuschließcn. In diesem Falle würde Bloemfontein zur Hauptstadt gemacht werden. 2) Dieser nem: Boerenstaat erkennt die Oberhoheit Englands an und überläßt der britischen Regierung die Regelung seiner auswärtigen volitischen Beziehungen. 3) Die britische Regierung entsendet in den Boerenstaat keinen Gouverneur, sondern einen mit größeren Voll machten ausgestatteten Generalconsul. 4) Der Boerenstaat hat volles Recht, seinen eigenen Zolltarif aufzustcllcn und mit fremden Staaten Handels verträge abzuschlicßen. 5) Von dem bisherigen Gebiet der beiden Bocren- republiken werden abgctrcnnt und dem britischen Reiche cinverleibt: Pretoria, Johannesburg, der Nandmincn- bezirk und die Drakensberge. 6) Der Boerenstaat zahlt an England eine Entschädi gung von 25 Millionen Pfund Sterling, bis zu deren Be zahlung einzelne Thcilc des Boercnstaatcs und sümmt- liche Eisenbahnlinien an England verpfändet bleiben. 7) Der Boerenstaat darf keinerlei Befestigungen in seinem Gebiet anlegen und für die Einfuhr von Ge wehren, Kanonen und sonstiges Kriegsmaterial ist die jedesmalige Einholung der Erlaubniß der englischen Ne gierung erforderlich. Auf diese Bedingungen würden die Bocrcnführcr vor aussichtlich nicht eingehen, wenn sie ihnen je unterbreitet werden sollten, während England sich dabei sehr wohl beruhigen könnte. Politische Tagesschau. * Leipzig, 7. Februar. „WaS find Hoffnungen, was sind Entwürfe", die — der Seniorenconvent deS Reichstags aufbaut auf dem „be- trüglichen Grunde" der Meinung, das Plenum werde sich nach seinen „Dispositionen" richten'? Nach seinem am Anfang der Woche gefaßten Beschlüsse sollten die Redner zum Etat des Reichsamtes des Innern von den FractionSführeru angehalten werden, sich möglichst kurz zu fassen, so daß am Mittwoch unter allen Um ständen der Marine-Etat in Angriff genommen werden iönnte. Und was ist geschehen? Erst heute kann mit der zweiten Berathung des Marine-EtatS begonnen werden, weil erst gestern die langathmigen Debatlen über den Etat des ReichS- amtS deS Innern zu Ende geführt wurden. Die Ermahnung zur Kürze bewirkte das Gegcntheil. Und was sollte auch ein von höchstens 40—50 Abgeordneten besetztes Haus beginnen, um den Redestrom der Socialdemokratie zu hemmen? Die Moral von der Geschicht' liegt für die Herren „Senioren" Wohl darin, daß es nicht wohlgethan ist, etwas zu beschließen, waS man durchzufübrcn nicht die Macht hat. Am meisten bat jedenfalls bei der fast vierzehn tägigen Specialberatbung LeS Etats des Reichsamts des Innern der Staatssekretär Graf PosadowSky zu dulden gehabt. Um so mehr gebührt ihm die Anerkennung, daß er mit fast nie versagender Geduld — nur wenn man von ihm verlangte, was Sache der einzelstaatlichen Regierungen ist, merkte man ihm an, daß sein Geduldsfaden zur Neige ging — alle an ihn gerichteten Fragen beantwortete, auf alle Anregungen einging und alle laut gewordenen Zweifel zu beseitigen versuchte. Wer hätte es nicht begreiflich gefunden, wenn er am Ende nervös geworden wäre durch die vielfach kleinlichen Anzapfungen bei fast jedem der zahlreichen Capitel, die sein umfangreiches Reffort umfaßt? Wahrscheinlich sind selbst diejenigen Leser der Sitzungsberichte, denen im Ganzen der Wirkungs- und Pflichtcnkreis der einzelnen Reichöämter nicht fremd ist, mit Erstaunen inne geworden, wie weitverzweigt die Aufgaben der inneren Verwaltung des Reiches sich allmählich gestaltet haben. Je größer aber dieses Wachsthum ist, um so be- wunderswerther ist die bis ins Kleinste gehende Einsicht und Uebersicht, die der Staatssekretär bekundete und ohne die eS ihm nicht möglich gewesen wäre, seine Ruhe zu bewahren. Diese Einsicht und Uebersicht, verbunden mit redlichem Willen, allen berechtigten Klagen abzuhelfen, bieten auch die beste Gewähr dafür, daß da, wo eine solche Abhilfe noch nicht hat geschaffen werden könne, die Zukunft sie bringen wird. Wenn in der langen Debatte vorzugsweise Gebiete der So- cialpolitik der Besprechung unterzogen wurden, so ist das ganz natürlich. Unsere Zeit ist eine socialresormsreund- liche m des Wortes wahrster Bedeutung. Das ist auch bei der Berathung des Etats des Reichsamts Les Innern wieder in unzweideutiger Weise zu Tage getreten, und wenn der Staatssekretär des Innern keinen Augenblick versäumt und vierzehn Tage lang geduldig am Bundeöratbs- tische zugehört uud angebrachtrrmaßen das Wort ergriffen hat, um dies immer wieder zur Anerkennung zu bringen auch in weiten und weitesten Kreisen, so verdient er dafür den Dank aller Vaterlandsfreunde, denen die Verstärkung der Bürgschaften deö inneren Friedens nicht minder am Herzen liegt, als die des äußeren. Zeugnisse für die deutsche Kriegführung 1870/71 brauchte man eigentlich nicht mehr zu sammeln, wenn nicht neuerdings französische Blätter wieder beflissen wären, alte Räuber geschichten aufzuwärmen, um nicht nur den englischen Freunden Chamberlain'S gefällig zu sein, sondern auch die französischen Kämpfer von 1870/71, TurcoS und Zuaven eingescklossen, als die „besseren Menschen" erscheinen zu lassen. Da trifft es sich günstig, daß der Berner „Bund" in einem Artikel, der die humane Behandlung der Hunderttausend«: französischer Kriegsgefangenen in Deutschland rühmt, auf eine recht lehrreiche Episode des deutsch-französischen Krieges zu sprechen kommt, nämlich auf die Wegführung von gegen 2000 Greisen, Frauen und Kindern aus dem belagerten Straßburg durch ein Baseler Coinitö Anfang September 1870. Der „Bund" schreibt darüber: „Das Verhalten der deutschen Heeresleitung gegenüber Len in Straßburg eingejchlossenen und den Schrecken der Belagerung preis gegebenen Frauen und Kindern steht in der ganzen modernen Kriegs- geschickte als bisher unerreichtes Beispiel einer humanen Kriegführung da. Wir Schweizer thun unS viel darauf zu Gute, jene Frauen und Kinder aus dem belagerten Straßburg herausgeholt und auf neutrales Gebiet in Sicherheit gebracht zu haben. Gewiß, es war eine edle, schöne That. Aber noch weit edler, uneigennütziger und humaner war es von der deutschen Heerführung, daß sie auf den ihr von der schweizerischen Hilfs mission zugemuthcten Gedanken einer Durchlüftung uud Freigebuug der in Straßburg eingefchlossenen Frauen und Kinder eintrat, ob wohl dadurch dein französischen Verthcidiger wesentliche Vortheile erwuchsen, LaS Ziel der Belagerung, die Uebergabe der Stadt, in die Ferne gerückt wurde und dem deutschen Belagerungsheere größere Opfer an Gut und Blut auferlegt wurden. Kein Mensch hätte der deutschen Heeresleitung einen Borwurf machen können, wenn sie unter Hinweisung auf die ihr durch Gewährung von freiem Geleit für die Straßburger Frauen und Kinder entstehenden Nachthcile und auf das Gebot der Selbsterhaltung das Ansinnen der Schweizer Hilssmission abgewiesen hätte. Daß die deutsche Heeresleitung trotzdem dem Gesuch der Schweizer Hilismission entsprach und für die Rettung hilfloser Frauen und Kinder des Feindes sich selbst Opfer auserlegte, gereicht ihr zum unvergänglichen Ruhm." Zu diesen Ausführungen deS schweizerischen BlatleS be merkt die „Augsb. Abendztg.": Es soll nicht geleugnet werde», daß der Erfolg der Schweizer Mission von 1870 nicht ganz leicht erzielt wurde. Der Commandirende der Belagerungsarmce, General Werder, unter schätzte keineswegs die Bortheile, welche den Belagerten dadurch zu gingen, daß ihnen die schwere Last der Frauen und Kinder abgenommen wurde, ober die Schweizer halten einen mächtigen Fürsprecher in der Person des Großherzogs von Baden, dem eS schließlich gelang, die militärischen Bedenken zu beschwichtigen. Die Ausführung des menschenfreundlichen Werkes war auch nicht ganz einfach; ohne die thätige Mitwirkung der deutschen Belagerer wäre es gar nicht möglich gewesen, die nöthigen Fuhrwerke für den Exodus von etwa 1700 zum Theil kranken Personen zu beschaffen. Als dann Alles bereit war, mußten die Belagerer erst die mit blutigen Opfern unter dem Feuer der Geschütze der Festung errichteten Barrikaden und Verhaue beseitigen, damit die Colonne passiven konnte; der französische Commandant, General Uhrich, lohnte dieses Opfer in ritterlicher Weise damit, daß er im letzten Augenblick befahl, das Feuer der Festung dürfe an dem betreffenden Punct erst dann wieder aus genommen werden, wenn die Deutschen den status guo ante wieder hergestellt hätten. Ein zweiter in Aussicht genommener Auszug wurde nicht mehr gestattet, weil die deutsche Heeresleitung die merk würdige Erfahrung machen mußte, daß verschiedene von den aus dem brennenden Straßburg befreiten „hilflosen Greisen" statt in die Schweiz sich direkt in das Oberelsaß begeben hatten, um dort die Bevölkerung gegen die Deutschen aufzuwiegeln. Der Passus des Berner Bundesartikels, daß „wir Schweizer" uns viel darauf zu gute thun, die Straßburger Frauen und Kinder befreit zu haben (die Straßburger haben auch der That in Bafel ein Denkmal gesetzt), klingt an an die offciellen Berichte, die damals von dem Baseler Comitv über die Besreiungsmiffion veröffentlicht worden sind. In diesen befindet sich kaum ein Wort der Anerkennung für den großartigen Act der Humanität, zu dem sich die deutsche Armeebehörde unter Hintansetzung wichtiger militärischer Interessen halte bereit finden lassen; dagegen ist außerordentlich viel die Rede von dein „begeisterten Empfang", den die Baseler Deputation in Straßburg gefunden, von dem „ritterlichen Entgegenkommen", welches das Jestungscommando gezeigt habe. General Uhrich hätte ein unheilbarer Dummkopf sein müssen, wenn er die Baseler Herren, die ihm unter freundlicher Mitwirkung der deutschen Belagerer die Sorge für nahezu 2000 hungrige Mäuler abzunehmcn kamen, nicht mit offenen Armen empfangen hätte! Für die nach- trägliche Anerkennung, die in dem schweizerischen Blatte der deutschen Heeresbehörde gezollt wird, sind wir aber jedenfalls Dank und Hoch achtung schuldig. AuS London, 5. Februar, wird uns geschrieben: Die gestern in den Räumen der hiesigen Alberthalle abgehaltene protestantische Tcmonstratio» gegen die sich geltend machende römische Strömung nahm einen imposanten Verlauf. Die mächtige, gegen 10 000 Personen fassende Halle war voll ständig von Protestanten aus allen Kreisen besetzt. Unter Anderen waren 35 protestantische Vereine vertreten. Die Protestation richtete sich hauptsächlich gegen folgende Puncte: l) Abänderung deS alten Königßeides. 2) Einführung der Messe und Les Beichtstuhls in die Kirche von England. 3) Zulassung von ausländischen Jesuiten. 4) Klöster. Den Vorsitz führte: Rigkl Hon. Viscount Midletvn. Es sprachen: Right Hon. Lord Kinnaerd, Pastor Cuff, Right Hon. Lord Overtoun, Lescke White Esq. W. P. Rev. Prebendary, Wcbb-Peploe, Benj. Michalson Esq., Rev. W. R. Mozoll M. A. Die Kirche war noch weiter durch 15 Pastoren ver treten, auch eine große Anzabl Vertreter der Armee und Marine waren anwesend. Alle Reden waren voll Feuer und Geist und bekundeten, daß die mit der segensreichen Re formation erkaufte geistige Freiheit auf alle Fälle erhalten werden soll. Verschiedene Petitionen, welche mit großem Bei falle und einstimmig angenommen wurden, sind an das Par lament abgesandt worden. Die imposante Versammlung und ibr Verlauf zeigte vollständig, daß England sich nie unter Rom beugen wird. — 16 Peers uud 22 Members of Par lament, sowie 16 Vereine sandten Entschuldigungen für ihre Abwesenheit. Wenn man den Berichten italienischer Blätter Glauben schenken könnte, so wäre die Herstellung ständiger diplomatischer Beziehungen zwischen den Bereinigte» Staate» vo» Nordamerika und dem päpstlichen Stuhle als bevorstehend anzusehen. Angeblich soll der Wunsch, eine gegenseitige diplomatische Vertretung einzurichten, von dem neuen Präsidenten der Republik, Mr. Roosevelt, ausgcgangen sein, der mit Rücksicht auf eine Reihe unliebsamer Controversen zwischen der BundeSvcrtretung und dem amerikanischen Bischofsamt in Aussicht ge nommen habe, eine Aeuderung der bestellenden Verhältnisse eintreten zu lassen. Der Erzbischof von New Aork, der in Washington seinen amtlichen Sitz hat, ist' apostolischer Delegirter und Vertreter deS Papstes, hat aber als solcher keinerlei officielle Beziehungen zur Washingtoner Regierung. Zunächst dürfte, wie in einigen klerikalen italienischen Blättern verlautet, entweder eine zeitweilige päpstliche Gesandtschaft in Washington eingerichtet oder eine außerordentliche Abordnung als Vertretung des pästlichen Stuhles kcsignirt werden. Beide Systeme haben ihre Prä- cedenzfälle; in Rußland ist der definitiven Institution eines päpstlichen Geschäftsträgers am russischen Hofe ein mehrere Jahre andauerndes Provisorium voraufgegangen. Groß britannien hat den letzteren der beiden Wege gewählt und in der Maltafrage die außerordentliche Gesandtschaft deS Generals Simons veranlaßt. Jedenfalls neigt man in gut unterrichteten ultramontauen Kreisen der Ansicht zu, daß die interimistische oder außerordentliche Stellung eines päpstlichen Geschäfts- Feuilleton. Rittmeister Eckhoff. Roman von A. von Trystedt. Nachdruck vrrboten. Er sagte sich auch, daß cs am ehrlichsten sei, wenn er ihr die Freiheit jetzt zurückgcbc, aber davon wollte das Herz nichts wissen, und von Neuem neigte sich die Hoff nung ihm tröstlich lächelnd zu; konnte nicht doch noch Alles gut werden — trotz Allem — ? Und die lästigen Seufzer und noch zudringlicheren Vorwürfe wurde» einfach erstickt. — Döring's Gesicht glänzte an diesem Morgen im Wieder scheine einer stürmisch empfundenen Freude. Als er am Kaffectisch erschien, saßen seine Damen schon beisammen. Er tätschelte Eva's Wagen und nahm dann vergnügt neben seiner Gattin Platz. „Also auch unser Küken will schon flügge werden", neckte er ohne jede Einleitung. „Mir scheint, Schlitten partien sind ein gefährliches Förderungsmittel für heim liche Herzenswünsche! Wie kann man sich nur so ohne Weiteres dem ersten Besten auf Gnade oder Ungnade er geben, Puttchen, das mußt Du mir einmal erklären!" Und er zog die Widerstrebende zu sich heran. „Der Mama hast Du doch hoffentlich bereits Dein Herz ausge schüttet?" Diese nickte. „Der erste Beste ist der Herr Ingenieur keineswegs, Papa, seine Verwandten stellen ihm das denkbar beste Lcumundszcngniß aus. Uebrigcus ist dieser Bund ein wenig das Werk der lieben, alten Krügers. Sic wußten Eochen des Ocstcrcn die Photographie ihres Neffen Paul vor Augen zu führen, nnd diesem schickten sic heimlich Evchen's Bild. So kannten sich die Beiden eigentlich schon und waren einander längst zngethan, ehe sic ein Wort zusammen gesprochen hatten." „Alles in Allem also ein vortrefflicher, treuer Mensch", sagte Julius herzlich, „diesen Eindruck hat er auch auf mich gemacht, und deshalb gab ich ohne Zögern meine Einwilligung zu dieser Verlobung —" „Papa — lieber Papa —", Eva warf sich in stürmischer Dankbarkeit an die Brust des Vaters. Dabei erschien sie sich so recht heimtückisch und hinterlistig, wie eine Schlange. War es nicht geradezu unerhört, daß sie Paul vor diesem herrlichsten aller Väter warnte, fast wie vor einem Ver brecher? Was mochte Paul von ihr denken? Konnte er ihr fernerhin Vertrauen schenken, wenn sie selbst sich als so kleinlich und abscheulich mißtrauisch zeigte? Und all die ausgcstandenc Augst erschien ihr über trieben und lächerlich. Es war ja ausgeschlossen, daß ihr lieber Papa eine Handlungsweise begehen sollte, wie sie ihn derselben verdächtigt hatte! O, abscheulich, einfach kindisch, dergleichen auch nur in Betracht zu ziehen! Ein wahrhaft guter Mensch vermag immer nur schwer an das Gemeine, Häßliche zu glauben, hier kam aber noch zn der kindlichen Liebe die bräutliche Glückseligkeit, die ja Alles in rosigstem Lichte erscheinen läßt. Hatte der Anblick der Banknoten gestern Eva's Unbehagen erregt und eine ganz bestimmte Furcht in ihr geweckt, so waren diese Quälgeister mehr und mehr zurückgcwichen vor all dem Frohen, das sie bewegte. Des Vaters natürliche Liebens würdigkeit und Herzlichkeit aber machten so tiefen Eindruck auf sie, daß sich auch die letzten Schatten von ihrer Seele lösten. „Du hast Paul Weber gestern noch kennen gelernt?" fragte Martha. Auch ihr sah man die Freude an. Dieses junge innige Glück war Sonnenschein für ihr nmdüstertes Gemüth, das sich heimlich abhärmtc über den Egoismus des Gatten und der ältesten Tochter. „Ja", bestätigte Julius, nach mehreren Küssen die lieb liche Braut frcigebend. „Der Herr Ingenieur erwartete mich im Casino. Wir tranken dann noch eine Flasche Wein zusammen." Er erhob sich. Jetzt muß ich fort. In spätestens anderthalb Stunden bin ich wieder hier. Sollte Paul währenddeß kommen, so haltet ihn fest, bis ich wieder da bin. Wir werden im kleinen Kreise, aber hoffentlich recht animirt, feiern. Ich gehe gleich beim Goldarbeiter mit vor und kündige den Besuch des Brautpaares an. Er strich liebkosend über Stephanie s dunkles, welliges Haar. „Die Doppelhochzeit soll dann aber mit Pauken und Trompeten gefeiert werden, Kinderchen. Davon soll unsere Stadt noch monatelang nachher sprechen!" Stephanie zog ihre Schwester nun gleichfalls zn sich heran und küßte sie. Blinkte wirklich eine Thräne in den schönen dunklen Augen? Mahnte ein flüchtiger, weher Schmerz die Verblendete daran, daß sic mit ihrer Liebe doch wohl mehr aufgegebcn hatte, als Glanz und äußer licher Prunk ihr je ersetzen konnte? Verstohlen hatte sic das verklärte Gesichtchen Eva's beobachtet, der feuchte Glanz der blauen Augen, das ver träumte Lächeln, das die zarten Lippen umschwebte. Ja, das mar echtes Hcrzensglück, Stephanie fühlte es, und auch in ihrer Brust begann es, sich wie leise, ver schwiegene Sehnsucht zu regelt — oft schon hatte sic so bethörend süß, so eigen schmerzlich und doch dabei be seligend empfunden, und jetzt, als sie Arm in Arm mit der Schwester stand und deren glühendes Gesichtchen auf ihrer Schultest- lehnte, war es, als fließe ein warmer, sanft be lebender Hauch von dem jungen, kindlichen Wesen zu ihr hinüber. „Du hast das bessere Theil erwählt, Eva", sagte sie ganz unvermittelt, „ich könnte Dich beneiden!" Eva umschlang die Schwester fester. „Noch ist cs Zeit, Stephanie, lasse ab von der Erbschaft! Sieh', noch gestern waren meine Wünsche auf tausend nichtige Dinge ge richtet, und heute begreife ich mich kaum noch — Du glaubst nicht, wie glücklich die Liebe macht." Stephanie zuckte zusammen. „Er würde mir nicht einmal verzeihen, was ich ihm gethan —" Döring trat hastig zu den Beiden heran. „Du wirst mir doch nicht sentimental werden, Stephanie? Nur keine Thorhciten, die nie wieder gut ge macht werden können! Was so ein bescheidenes Korn blümchen befriedigt, dürfte meiner stolzen Rose bald lang weilig werden! Und nun vertieft Euch in die neuesten Modejournale, Ihr drei lieben Thörinncn! Für Stephanie habe ich vier Toiletten bestimmt, für Eva zwei. Dest Mama wage ich mit Vorschlägen nicht zn kommen, sie weist sie doch zurück!" Und dann verschwand er mit zärtlichem Gruß. Er halte noch gesehen, wie seine Gattin, ohne ihm eine Ant wort zn geben, sich ernst, fast finster, abwandtc. Er wollte sich heute jedoch über nichts ärgern. Das war ein Frcudentag, nnd er sollte wie ein solcher- gefeiert werden! Die Wechselangelegenhcit war schnell erledigt. Schott ler machte ein sehr langes Yksicht. Dann wurde er katzen freundlich, nntcrzog die Noten einer genauen Prüfung, als vcrmuthc er falsche Scheine, nnd notirtc dann endlich höchst eigenhändig die Nummern derselben. Dann erhielt Düring die Wechsel zurück, noch einige kurze Formalitäten folgten, und darauf schied man mit verbindlichstem Gruß. Julius amüstrte sich über Alles! Die Enttäuschung des hinterlistigen Bankiers erschien ihm kostbar. Er sah mit so herausforderndem Lächeln in des Geldmanncs nicht gerade anziehendes Gesicht, bis dieses grün und gelb wurde vor Acrger. „Ter gute Franke hätte sich und uns diese Umständ lichkeiten ersparen können", sagte er noch zuletzt in gönnerhaftem Ton, „hätte ich eine Ahnung gehabt, wo ihn der Schuh drückt, sv würde ich meine Wechsel längst cingelöst haben. Ucbrigens wird die Rcichsbank von jetzt ab meine Geldangelegenheiten erledigen." Der Bankier war wüthend über das gänzliche Miß lingen seines Anschlages. Er war seines Opfer so sicher gewesen und mußte sich statt dessen verhöhnen lassen. Tas reizte natürlich seinen Haß und seine Nachsucht furchtbar. „Du Prahlhans", zischte er hinter dem Davoncilendcn drein, „elender Darlchnsschwindler, ich werde Deinen Schlichen ans die Spur kommen und Dich zu treffen wissen, verlasse Dich darauf! Auf eine rechtmäßige Weise bist Du nicht zu dem Gcldc gekommen, darauf gehe ich jede Wette ein!" Döring hatte nun die runde Summe von zwanzig tausend Mark „geopfert", wie er es bei sich selbst nannte. Runde Zehntausend waren ihm jedoch noch geblieben. Ein Hochgefühl schwellte seine Brust. Stolz wie ein Spanier schritt er durch die Straßen dahin. AlS er an dem Frankc'schcn Hanse vorübcrkain, konnte er cs nicht unterlassen, die Hausglocke in Be wegung zn setzen. Aber hier empfingen ihn bleiche, verhärmte Gesichter. Margot hatte eine schlechte Nacht gehabt und die Acrztc schüttelten den Kopf. Franke schien ganz tiefsinnig geworden. „Wenn ich daS Kind verliere, müßt Ihr auch mich begraben", murmelte er, und man sah cs seinem von heftiger Seelen qual gepeinigten Antlitz an, daß cs ihm mit den düsteren Worten Ernst war. Er hatte strenge Einkehr in sich selbst gehalten. Da nach zerrissen die Vorwürfe sein Inneres. Er mußte es ja einsehen, wie schwer er sich an der sanften, engels guten Margot versündigt hatte. Sic phantasirtc die ganze Nacht. Und jedes ihrer Worte ward zum zweischneidigen Schwert für Kranke s Herz. „Wenn ich cs Dir doch nur ein einziges Mal recht machen könnte, Papa", klagte sic, „immer findest 4m etwas anSzusetzcn an mir, mißtraust mir, und wirst nicht
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