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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.02.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020220026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902022002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902022002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-02
- Tag1902-02-20
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430 — äo. I — Nr.-LoUIS^ ar»vtücl — II^S^L 100,40 Lt. 10»,30 «0.70 88.80 103,3. 88,10 8«,bv 64^»0 104,30 75.— 80.80 IS,38^ vält^L .7u8<») i10»dL 2 u. S 0.I,t«Q usevL >»alr ^.voo. >.v»n1k LLLV. 110,»0 18.- 154,- 46 — 127,SO 124,- L«U>r. k.«lL >rSo»t Id»tu» 8S.S0 lÖä^70 174- V»N«r Lu 148.75 121.75 125.75 66 — 143,10 104,40 187,50 ltl.L^.1 34,50 26,25 loxS ,113.— 'oUK. «d.L«<l x«u»ed lut.-V. ruuuL. ^ekkdr. . vok! r. V.-L. IrL.-L. iditINL 6rud. ILNetr N»U>ks nme«v 3UL-L. üu«u io»»Ub. 136.75 207,— 172,10 122,— 188.75 74»0 133,50 165,— 325,— 122,— 146,75 155,80 133.50 82,75 168.50 ^It.li 202,30 8u«»»t 175,— Irvidr. IIS,— 8S.20 85,30 216,35 »r« lallst» n»mit loyä l-VVt»u i»ulvit» r S»r rts »von ^edou ee 8 r. — ilöu»t» 214,25 L «r«. 8»uLu. , So. > Oslä 1rL»rd.^ 211,— ,25. boriokt.) 1u äsr Lloutuurosrkt, iruuir iu voil- ursdluux rum «r/olxou ro... »s <i«s vliVLl- Iitolou 2uw«1>r kssisr. 175,- 82.30 202,- 58,— 206.25 303.25 168.25 166,60 163,80 175.75 115.25 II2.S0 6»IL ! 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Oesterreich: viertrljährl. ü. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postaufschlag bet drn Postanstallen in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, drn Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese- Blattes möglich. Nedaction »nd ErpedMou: Iohameistgnffe 8. Fernsprecher 153 und 282. FUial*»p»VMM«ir r Alfred Hahn, Buchhandlg., Untvrrsltätsstr. 3, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. König-pl. 7. Haupt-Filiale in Sertin: Königgrätzerstraße IIS. Fernsprecher Amt VI Nr. 3393. Abend-Ausgabe. WMtr TagMatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes «nd Nolizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 ^s. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten («gespalten) SO H. Tabellarischer und Ziffernsah entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./t 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Änuahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Druck «nd Verlag von E. Polz iu Leipzig. Nr. 93. Donnerstag den 20. Februar 1902. 96. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Ei« «e«es Blaubach über Soncentratienslager. Mau schreibt uns auS London, den 18. Februar: Ein gestern erschierumeS Blaubuch enthält folgende züsammengcfaßte Einzelheiten ttbcr die Concentrations- lager: 1) In den acht Monaten von Juni bis zum December starben in den Lagern 1818« Personen. 2) In derselben Periode starben 13 814 Kinder. 8) Die Jahresrate pro Tausend für Personen jeden Alters stieg von 170 im Juni auf 838 im October und sank auf 189 im Januar, die niedrigste Ziffer seit dem Monat Juni. 4) Die Tode-rate für Kinder betrug im September 433, stieg im October auf 572 und ist jetzt bis auf 247 herabgegangen. 5) Die Lager in der Capeolonie zeigen deutlich, daß die auf sie verwandte gröbere Sorgfalt und größeren Aus gaben von Bortheil gewesen sind, da die sanitären Zu stände dort auffallend bester sind. Es sind dort im Monat Januar Überhaupt keine Todesfälle zn verzeichnen. «) Obwohl eine auffallende Besserung eingetreten ist, sterben die Insassen der Lager noch immer in einem neun fach höheren Bcrhältntß als die Einwohner von London. Dieses Blaubuch für den Monat Januar zeigt mithin eine entschiedene Wendung zur Besserung, was die Sterb- lichkeit in den Lagern anbetrifft. Das Hinzukommcn neuer Gefangener hat aufgehürt und die Masernepidemie scheint vorüber zu sein. Miß Hobhouse's scharfe Kritik nnd Mr. Chamberlains Bemühungen, dem alten Schlendrian abzuhelfen, scheinen erfolgreich zu sein. Es bedeutet immerhin etwas, die Sterblichkeit von 338 pro Tausend auf 189 herabgebracht zu haben. Zum Thcil ist dies wohl darauf zurückzuführen, daß Krankheit und Noth die schwächeren Insassen der Lager hinweg gerafft haben, und daß somit nur die Widerstands fähigeren übrig geblieben sind, zum anderen Thcil darauf, daß Comfort und bessere sanitäre Einrichtungen zn wirken beginnen. Aber noch immerhin sind die Zahlen schrecklich hoch, wenn eine Person in London stirbt, sterben neun in den Lagern . . . Chamberlain hat bewiesen, daß er tüchtiger ist als sein Herr College vom Krtcgsamt, der der Auf gabe nicht gewachsen war, aber noch immer steht die Negierung vor einer Ricsenaufgabe. Chamberlain's Energie hat zweifellos das Leben von Hunderten und Tausenden gerettet, aber wie lange wird der Krieg noch dauern, wie lange werden die Lager noch unterhalten werden müssen, selbst wenn der Krieg in absehbarer Zeit vorüber sein sollte. Heute beginnt man einzusehen, Laß es sehr unklug war, die Lager nur aus Zelten zu erbauen und überall wird begonnen, Hütten zu errichten, da die Zelte sich als zu kostspielig erweisen. Wären diese Hütten im letzten Juni bereits gebaut worben, so wären gewiß viele Der jenigen, die an Lungenentzündung gestorben sind, weil sie der Witterung zu sehr ausgesetzt waren, noch heute am Leben und bei guter Gesundheit. Auch der Frage der Rationen ist erhöhte Aufmerksam keit zugewandt worden. Mr. Chamberlain begann das neue Regime damit, daß er die Beamten anwies, wo Menschenleben auf dem Spiele ständen, nicht zu sparen. Die Kosten für Rationen Erwachsener sind somit von 4,24 Pence im Monat Juli auf 5,7 Pence im October erhöht worben. Viel ist ja auch das nicht — man denke, etwa 50 Pfg. pro Tag pro Person, in einem Lande, wo die Lebensmittel außergewöhnlich thcucr geworden sind — aber es ist immerhin ein Fortschritt. Das Comitv von Damen, die im Auftrage der Negierung die Lager be suchten, empfiehlt denn auch in erster Linie reichlichere und wechselndere Diät. Wenig oder gar nichts aber wird gethan, um die Lager nach der Küste zu verlegen. Zwar hört man viel von Lord Milner^s Plänen und Absichten in dieser Beziehung, aber sie scheinen langsam oder gar nicht zur Ausführung zu kommen, und in der Cap-Colonie ist so gut wie gar nichts geschehen. In Natal ist bei Mercbank ein Lager gebaut worden, und zwar für 7500 Personen, obwohl die Erfahrung doch gelehrt hat, daß es nichtnnrntchtgcrathen, sondern zweifellos schädlich ist, mehr als 2000 Menschen zu concentriren. Das Damencomitv hat die Stelle als niedrig gelegen, naß und ungesund verurtheilt, aber da hat man rasch einige Beamte beordert und von ihnen ein Gutachten eingefordert, und dies Local-Comito hat entschieden, daß das Lager, obschon es auf einem Sumpf erbaut sei, viel besser sei, als die Damen es hingestcllt hätten. Die Damen sagten, cs sei naß, die Herren, cs sei ein Sumpf . . . welcher Unterschied ist da . . . und dorthin sollen die Boercn als Verbesserung gebracht wer den. Wie furchtbar müssen die Zustände gewesen sein, daß, nachdem so viel Kosten und Mühe aufgewandt worden sind, die Lage der Gefangenen noch immer eine wenig beneidenswerthe bleibt. * Middelburg (Capeolonie), 19. Februar. Die Boerencom Mandanten Fouchound Oden- daal stehen mit etwa 100 Mann westlich von Barkly East. Fouchö soll krank sein: ob in Folge einer Verwundung oder eines Sturzes mit dem Pferde, ist unbekannt. * Leicester, 20. Februar. (Telegramm.) Die gestrige Versammlung des Gesammtvorstandes der n a - ttonalen liberalen Vereinigung war von zahlreichen Delegirten besucht. Von dem Vollzugsaus schüsse wurde ein Bcschlußantrag cingcbracht, in dem be züglich des Krieges in Südafrika die Politik der Regie rung, die die bedingungslose Ue Vergabe der Boeren fordert, verurtheilt wird. Ferner wird in dem Beschlutzantragc erklärt, für die zukünftige Zufrieden heit und die Sicherheit Südafrikas sei ein regelrech ter Friede nothwendig, der eine regelrechte Ordnung der Dinge zur Grundlage habe. Der kräftige Anstoß, den Lord Rosebery zu dieser allein richtig erscheinenden Politik gegeben habe, wird in diesem Beschlutzantragc willkommen geheißen, und alle liberalen Mitglieder des Parlaments werden aufgcfordert, Campbell Ban ne r m a n bei seinem Eintreten für diese Politik im Par lamente zn unterstützen. Der Delegirte Lehmann brachte einen Abänderungsantrag ein, in dem die auf der letzten Versammlung des Vollzugsausschusses zu Derby bezüglich des Krieges angenommene Resolution bestätigt und der von Lord Rosebery gegebene Anstoß zur Politik des Friedens freudig begrüßt wird. Dieser Antrag fand heftigen Widerspruch und führte zu einer erregten Aus einandersetzung in der warm an die Einigkeit der Partei appcllirt wurde. Schließlich wurde der Abände- rungdantrag Lehmann zurückgezogen und der Beschluß antrag selbst mit großer Begeisterung angenommen. Im Laufe der Bcrathung erklärte Campbell Bannerman, er sei im Gegensätze zu Rosebery nicht geneigt, eine Politik aufzugeben, nach der Irland zur Erledigung seiner eige nen Angelegenheiten ein eigenes Parlament haben solle. politische Tagesschau. * Leipzig, 20. Februar. Das hie und da geäußerte Verlangen nach einer baldigen Revision dcrMilitärgericklsordnung — so läßt sich das Ergcbniß der gestrigen Sitzung des Reichstags zusammen- sassen — findet Anklang weder bei der Regierung, noch bei den maßgebenden Parteien, die darüber einig sind, daß man alle Veranlassung habe, einem unter so erheblichen Schwierig keiten auf Grund eines Kompromisses ru Stande gekommenen und von allen Seiten als Fortschritt anerkannten Gesetze Zeit zu lassen, sich in der Praxis zu bewähren. Aber über den Gumbinner Mordproceß, der schon so viele berufene und unberufene Federn in Bewegung gesetzt hat, wird der Streit aufs Neue beginnen, sobald die steno graphischen Bericht über die beiden letzten Reichstags sitzungen, besonders über die Reden des Herrn Geh. Kriegs raths Rom en vorliegen werden. DaS hat dergenannteHerrsich selbst und seinem Uebereiser zuzuschreiben, jedes „Versehen" in diesem Proccsse Hinwegzustreiten, obgleich sogar Kriegsminister v. Goß le r zugab, daß „Versehen" vorgekommen sein könnten, und obgleich der Herr Commissar auf keiner Seite des HanseS, nicht einmal auf der konservativen, der Neigung begegnete, für ihn und seine Begründung der zweiten Untersuchungshaft Hickel's in die Schranken zu treten. Daß, um dieses Ergcbniß herbeizufübren, eine Uber fast zwei volle SitzungSiage sich erstreckende Debatte nöthig gewesen wäre, wird hoffentlich Niemand behaupten wollen. Es war daher eine sehr zutreffende Kritik dieser Debatte, die der Abg. Schlumberger mit den Worten übte: „Der Reichstag discreditirt sich durch seine langen Verhandlungen. Möchte er sich doch kürzer fassen nnd dem Beispiele folgen, das ich gebe, indem ich auf weitere Ausführungen verzichte." Das vielbesprochene „Zolltarif-Kompromiß" ist gestern in der bereits mitzetheilten Form der Tarifcommission des Reichstags zugegangen und hier von dem klerikalen Mit unterzeichner Herold als Ultimatum der Antragsteller be zeichnet worden. Anders kann man die Erklärung dieses Herrn, wenn die Regierungen nicht auf dieses Entgegen kommen eingingen, so fiele auf sie die Schuld an dem Scheitern der Vorlage, nicht wohl auffafsen. ES scheint auch, als ob die Regierungen bereits zu dem einen oder dem anderen Puncte des Antrags Stellung genommen hätten, denn Graf PosadowSky stellte für heute eine Erklärung in Aussicht, für die er Geheim haltung verlangte. Bezieht sich, wie man annehmen muß, der Inhalt dieser Erklärung auf Kundgebungen auswärtiger Regierungen über die Grenzen, über die gewisse Minimal- I sätze für Getreide nicht binausgehen dürfen, wenn der Ab- I schluß von Handelsverträgen möglich sein soll, so ist die ! Forderung nach Geheimhaltung dieser Erklärung selbstver ständlich. Um so bedauerlicher ist eö, daß diese Forderung a b - gelehnt wurde. Graf PosadowSky wird heute wobl kaum iu der Lage sein, seine Erklärung abzugeben. Dann aber ist nicht einzuschen, wie die Eommissionsberathung sich in gedeih licher Weise weiter spinnen soll, noch dazu, wenn die Antrag steller wirklich ihre Vorschläge als „Ultimatum" betrachten. Das nimmt allerdings die „Nat.-Lib. Corr." nickt an, denn sie schreibt über die gestrige Sitzung der Commission: „Der Verlauf !par ein solcher, daß eine Förderung der Sache, um die es sich handelt, nicht erzielt wurde. Wir sind geneigt, daraus zu schließen, daß wir Recht hatten, als wir am Schluffe der vergangenen Woche schrieben, es sei eine gedeihliche Entwickelung der beregtrn Angelegenheit nur dann zu erwarten, wenn sich eine Mehrheit auS den zollfreundlichen Parteien so rasch wie möglich dahin einige, an den Sätzen der Bundesrathsvorlage unbedingt festzuhalten. Wenn der Antrag Herold einen Rückzug der agrarischen Par teien hat einleiten sollen und auch so nur die Unterzeichnung des- selben durch Len nationalliberalen Abg. Sieg zu erklären ist, so beweist der Umstand, daß, ebensowenig wie der Führer deS Bundes der Landwirthe Frhr. v. Wangenheim das Mitglied der Centrumspartei der Abg. vr. Heim sich dazu hat entschließen können, seine Unterschrift unter den Antrag zu setzen, daß derselbe von vornherein des Vorzug» entbehrt, die Vertreter einer ge- schlossen«!, zollsreundlichen Phalanx hinter sich zu haben." Auf einen „Rückzug der agrarischen Parteien" deutet aber das, was der Abg. vr. Oertel dieser Tage im Berliner deutsch-conservativen Wahlvereine in einem Bortrage über Heimathpolitik sagte, nicht hin. Er führte, wie berichtet wird, u. A. auS: „Der Zolltarif-Entwurf ist nicht nach dem Muster einer vernünftigen Heimathpolitik gemacht. Sie dürfen darum überzeugt sein — und darin ist sich die ganze konservativ« Partei einig! — daß wir beschlossen haben, diesen Zolltarif, wenn er nicht ander- gestaltet werden könnte, abzulehnenl Was der Industrie auf der einen Seite gewährt wird, tritt auf der anderen für die Landwirthschast als Belastung auf. Das Plus, das ihr geboten wird, kommt nicht in Betracht, so daß eigentlich für die Landwirthschast in Wahrheit rin Minus heraus kommt. Wir werden darum mit aller Ruhe und Besonnenheit an der Ausgestaltung Les Taris- nach dem Ziele einer Heimathpolitik arbeiten. Wir haben un- die Mahnungen deS Reichskanzlers sehr wohl durch Kopf und Herz gehen lassen. Aber wir sind zu keinem anderen Ergebniß gekommen: Der Zolltarif, wie er ist, bleibt unannehmbar für uns!" Herr vr. Oertel ist freilich nicht die conservative Partei und nicht einmal der Bund der Landwirthe. Auch das Centrum, das den Compromißantrag zwar zu unterstützen bereit ist, aber einen förmlichen Beschluß über ihn nicht gefaßt bat, scheint trotz des Auftretens des Herrn Herold noch mit sich reden lassen zu wollen. Immerhin ist durch die Ablehnung der Geheimbaltungssorderung des Staats sekretärs Grafen PosadowSky eine Verständigung sehr er schwert worden. Es wird also wohl nichts Andre- übrig bleiben, als daß die RegierungSvertreter die Commissions- Rittmeister Eckhoff. Roman von A. von Trystedt. Nachtruck verbeten. Endlich entschloß er sich auch zu einigen Mitthetlungcn. „Ich habe Weber einige Depeschen zugesandt, mich auch per Telephon mit ihm zu verständigen gesucht: wenn Schöttler nicht noch im letzten Augenblick Vernunft an nimmt und von einer Klage absiedt, bleiben Weber ent ehrende Untersuchungshaft und Gefängnißstrafe, wenn vielleicht auch nur von einigen Monaten, nicht erspart. Er durfte das Geld in dieser Weise nicht aus der Hand geben." Stephanie war vollständig cntmuthigt. „Wir sind Ihnen zu tiefstem Dank verpflichtet", sagte sie leise. „Ar mer Paul, arme Eva, was gäbe ich darum, könnte ich das Schlimmste von Euch abwcnden?!" „Wenn ich nicht so bestimmt wüßte, welch einen kalt berechnenden, nur auf äußere Bortheile berechneten Sinn sie besitzt, so würde ich mich durch diese scheinbare Hin gebung, diesen erkünstelten Schmerz täuschen lassen", öachte Eckhoff auch jetzt wieder, „wie gut, daß sie sich mir in ihrer wahren Gestalt gezeigt hat, diese hausmütterliche Rolle kleidet sie zum Entzücken und könnte einen thörich- ten Verliebten um alle Fassung bringen." „Wann wirb meine Mutter Sie erwarten dürfen?" fragte er ablenkend, „ich nehme als selbstverständlich an, daß Sie nach Mte vor gewillt sind, die Testaments bedingungen zu erfüllen." :,Muß ich nicht?" fragte sie mit schmerzlichem Lächeln. „Der Götze Gold ist allmächtig. Mit dieser Hilfe wird eS Paul einst gelingen, sich eine neue, hoffnungsreiche Zu kunft zu gründen, und sei cs auch drüben in Amerika —" Eckhoff schüttelte den Kopf. „Geben Sic sich keinen trügerischen Hoffnungen hin, Stephanie", flüsterte er. »Der unglückliche Mensch wird die Schmach nicht erst an sich herankommen lasten — er wird sterben." „O, mein Gott, sollte man denn auf keine Weise diesem Entsetzlichen Einhalt thun können?" Bernhard zuckte die Achsel. „Für einen Ehrenmann gtebt eS aus solchem Conflict nur einen Weg! Sollte er etwa dereinst auf die Nach- sicht seiner Kinder angewiesen sein? Da» müßte «ine dornenreiche Zukunft sein! Die Zett lindert jeden Schmerz und Eva ist noch so jung! . . . Ich hätte noch gerne eine Antwort auf meine Frage von vvrhin gehabt! Vielleicht ist cs gut, wenn Eva sich nur mit einer Wärterin in die Pflege der kranken Mutter theilt, sic wird dir Wucht des Schmerzes um den Geliebten dann weniger em pfinden!" Stephanie sank in den nächsten Sessel und verhüllte ihr Gesicht. „Sie sprechen so, als sei schon Alles feststehende That- sachc — ich werde sogleich an Paul schreiben, das Gräß liche, kaum Auszudenkcnde darf nicht geschehen, es darf nicht —" „Stephanie", sagte Bernhard, zum ersten Male einen weichen, milden Ton anschlagend, „fassen Sic sich, seien Sie muthig — Paul Weber hat bereits überstanden — was geschehen mußte, ist geschehen — er ist dem irdischen Richter entrückt. Nach Empfang meiner Depesche, durch die er erfuhr, daß die Testamentseröffnung nicht voll ständig den gehegten Wünschen entsprach, muß Weber die Verzweiflung gepackt haben. Auf dem Tclcgraphcnamte jagte er sich eine Kugel durch den Kopf, nachdem er mir dcpcschirt hatte, daß der Schuldschein, der ihm von Ihrem Vater ausgestellt wurde, vernichtet sei. Ich erhielt die Nachricht von seinem Tode sogleich, nachdem die Kata strophe cingetreten war." Julius stand auf der Schwelle des Zimmers, geister bleich, ein Schatten seines Selbst. Er hatte Alles gehört. „Die Strafe ist zu hart", murmelte er, „zu hart — o, mein Gott, das wollte ich nicht, das nicht — Er stürzte in den dunkelnden Abend hinaus, ziellos, wie von Furien gejagt: seine Lippen murmelten abge rissene Sätze, die Bewegungen der Hände schienen sie zu bestätigen. Es regnete und stürmte und bald war der ziellos Um- herirrcnde durchnäßt. Er merkte eS kaum. Es schien ihm auch gerade recht so zu sein. Es giebt Stunden, wo der Mensch die ganze Unbill des Wetters braucht, um nicht zu verzweifeln und zum Selbstmörder herabzusinken. Und das sühlte der unselige Mann in all dem dumpfen Weh, das ihn förmlich betäubte, seine Pflicht war eS, zu leben, und sei eS auch nur, um doppelt zu büßen! Er hatte nicht das Recht, freiwillig aus dem Leben zu scheiden, dazu hatte er sich zu schwer versündigt gegen die Setntgen. Er wollte leben! Das sollte seine Strafe sein! Sechstes Capitcl. Der Mai hatte all seinen holden Blüthcuzanbcr ent faltet. Ganze Duftwcllcn trug der Wind ans dem Park, ivv die Maiblumen, Goldlack und Syringen in vollem Flor standen, über die weiten, unübersehbaren Fluren dahin. Am Saume eines alten, schattenreichen Gutsparkes stand Stephanie. Ein Trauerklcid umschloß knapp und elegant ihre herr liche Figur. Sie hatte die Hand über die Augen gelegt, weil all das klare Licht sic blendete. Reglos stand sie dort. Ihre Augen waren ins Weite gerichtet. Die junge Saat wiegte sich schon auf kräftigen Halmen, die Wiesen schimmerten smaragdfarbcn, und wo ein Baum am Wege stand, da rauschten die jungen Blätter und ertönte der Gesang kleiner, lieber Bügel. Und über dem Allen erglänzte des Himmels klares Blau, strahlte die Sonne ihr sieghaftes, lebenföidcrndcs Licht aus! Stephanie hatte wohl auch früher weite Felder im duftigen Frühlingsklcidc gesehen, aber so wie so viele Andere, mar sie glcichgiltig daran vorübergcgangcn, weil Toilcttenfrage, gesellschaftliche Nichtigkeiten sie vollauf be schäftigten. Zum ersten Male sah sie nicht nur, sondern empfand auch mit einem warmen, verstehenden Herzen all die Pracht ringsum, die gleich einem täglich sich erneuernden Wunder sich ihr offenbarte. Mit einer liebevollen Aufmerksamkeit, wie sie eigent lich nur Menschen eigen zu sein pflegt, welche auf dem Lande groß geworden sind, verfolgte sie das Werden der Blumen, ja, die Entwickelung der kleinen Blattrüllchcn, bis diese sich zu ihrer saftig grünen Vollkommenheit ent faltet hatten. Nichts störte die sonntägliche Stille. Feierliches Schweigen weit und breit. . . Eine tiefe Andacht lag auf Stephanic's Zügen, ein Frieden ohnegleichen .. . Sie glaubte, hier ganz allein zu sein, aberzwei scharfe, kluge Augen beobachteten sie seit einigen Minuten un ausgesetzt, gleichfalls mit einem Ausdruck, als offenbare sich ihnen eines jener Wunder, wie eS die immer rege Natur in stetem Wechsel schafft. Erich von Schleinitz war vor einer halben Stunde erst auf Eckhoff cingetroffcn, und da da» Herrenhaus mitsammt feiner Umgebung wie ausgestorben erschien, — die Majorin hielt ihre Mittagsruhe, und Schleinitz hatte ausdrücklich ungeordnet, die alte Dame nicht zu stören» — so befreite er sich nothdürftig vom Reisestaube und eilte dann in den duftigen, wie von grünen, wehenden Riesen schleiern behangenen Park hinaus. Da sah er nach längerem Umherirrcn endlich Stephanie, nnd wie gebannt blieb er stehen. Gehörte dieses, von einer sanften, dem Herzen entquollenen Freude belebte Antlitz wirklich jener hcrrschsüchtigcn Salonkvnigin an, welche Alles daran setzte, um stets die Erste, am meisten Be wunderte zu sein nnd dann mit kühlem Nixenlächcln jeden ihrer Verehrer abfcrtiqte, der sich von den Strahlen ihrer Gnadcnsonnc gar zu heiß betroffen fühlte? Schleinitz war eine gerade, offene Natur, und so heftig ihn einst der Hochmuth dieses Mädchens empört hatte, so sehr entzückte ihn die Wandlung, die ans einer Sirene ein sinniges Dornröschen geschaffen zu haben schien. Er wollte sich ihr soeben bemerkbar machen, als eine be sondere Bewegung an ihr ihn von Neuem fesselte. Stephanie crröthetc stark und zog sich dann eilig in den Schatten und hinter die Stämme der herrlichen, alten Laubbäumc zurück. Gleich darauf vernahm Erich daS schnell sich nähernde Geräusch von Hnsschlägcn nnd nach wenigen Minuten schon sprengten ein Reiter und eine Reiterin hart am Rande des Parkes vorüber: Schleinitz kam aus dem Staunen nicht heraus. Der Reiter war Bernhard Eckhoff, aber auch die Reiterin kannte er. Es war eine reiche, junge Wittwc vom Nachbargute, Frau Selma von Linden, eine hochblonde Schönheit, ein wenig extravagant, eine halbe Gelehrte, von welcher man sagte, daß sie das Vermögen ihres einstigen Gatten durch überreichen Ankauf von Büchern verschwende, welche mit Viehzucht und Bodcncultur durch aus nichts gemein hatten. DaS letztere Argument ver zieh man der jungen Frau nicht. Man hatte begonnen, ein Vorurtheil gegen sic zu fassen, das sich mehr und mehr befestigte. Eckbvsf hatte einst zu ihren erklärten Gegnern gehört. Schon dieses hochblonde, stumpfe, ein wenig wirre Haar der dreißigjährigen Schönen war ihm durchaus antipathisch gewesen. Wie in deS Kuckucks Namen kam er dazu, sich Jener zn attachiren, während hier die heimlich verlobte Braut einsam, sehnsüchtig Au-schau hielt?"
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