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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.03.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020304020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902030402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902030402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-03
- Tag1902-03-04
- Monat1902-03
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PrinzHcinrich wechselte mit jedem der alten deutschen Seeleute einige Worte und sagte zu ö^zn Admiral Evans: „Die Meisten haben unrer mir gedient!" ^Der Wagen des Prinzen wurde auf der Fahrt durch die Stadt von berittener Polizei und einer Schwadron der United States Cavalry eScorttrt. Der Prinz wurde überall be jubelt. Vor dem Gebäude des St. Louis-Club war ein Baldachin errichtet. Die Cavallerie stieg vor dem Ge bäude ab und präfentirte. Bet der Frühstückstafel brachte der Bürgermeister Wells ein Hoch auf deu Präsi denten Roosevelt und den Kaiser aus. Der Prinz er widerte: „Herr Bürgermeister und Vertreter von St. LouiS! Ich wünsche, für Ihre freundlichen Worte des Willkommens meinen Dank auSzusprechcn. Ich habe jetzt den westlichsten Punct auf meiner Reise erreicht. Leider kann ich nicht weiter westlich und mehr von ihrem groß artigen Lande sehen) -och Sie wissen, meine Zeit ist be schränkt. Seit meiner Ankunft in Amerika bin ich Tag und Nacht durch dieses wunderbare Land gereist. Ich ver sichere Sie, ich bin tief gerührt von der Gastfreund schaft und der Freundlichkeit, die ich überall Tag und Nacht erfahren habe. Ich wünsche Ihnen Allen, und auch allen Denen, mit denen ich nicht sprechen und denen ich nicht die Hand schütteln konnte, zu danken. Viele sind mitten in der Nacht zum Zuge gekommen, um mich zu. bewillkommnen, und ich bin von Herzen dankbar. Sie wissen, wessen Vertreter ich b i n. Ich möchte, daß Sie Alle als den Zweck meiner Mission den verstehen, die Bande der Freundschaftzwischen den beiden Ländern zu festigen. Sie sollen wissen, daß Deutschland stets bereit ist, über den Atlantischen Ocean hinweg Grüße zu wechseln und -te Hand zu schütteln, wenn immer Sie dazu bcrettsind. Ich bin mich der Vertreter einer Ration, die stets kampfbereit ist, einer Nation in Waffen, aber nicht einer kriegslustigen Nation. Mein Souverän ist stets ein Anwalt des Friedens und will Frieden halten mit den Nationen. Die Ausdehnung Ihres Landes und die Größe Ihres Handels und Ihrer Hilfsquellen haben auf mich einen tiefen Ein druck gemacht, und der Eindruck dieses Großartigkeit wächst vor mir jeden Tag der Reise. Ich finde, daß die Vereinigten Staaten werth sind, daß sie Freunde haben. Nun, trinken wir auf das Wohl und Gedeihen von St. Louis!" K. St. Louis, 3. März. (P r iv a t t e l e g r a m m.) Die Ansprache des B ü r g e r m e i st e r s W e l l 8 lautete: „Namens der Stadt entbiete ich herzliches Willkommen. Unser Wunsch ist, daß Ihr kurzer Besuch Ihnen so ange nehm sein möge, wie uns, und daß Sie freundliche Er innerung au die Stadt des Vaters der Gewässer in ihr großes Hetmathland mitnehmcn mögen. St. Louis hatte ungewöhnliche Schicksale; es war in den letzten hundert Jahren unter drei Flaggen: es ging von Spa nien an Frankreich, dann an die Vereinigten Staaten über. Im Herzen des Landes gelegen, stammt die Bevölkerung aus allen Landesthetlen, ja, allen Erdtheilen, insbesondere treffen Sie hier viele Landsleute, aber woher sie auch Alle gekommen, sie schließen sich dem Willkommen an, denn in Ihrem Besuche sehen sie den Beweis und den Ausdruck der aufrich tigen Freundschaft, die von Anfang an zwischen Deutschland und den Unionstaatcn bestanden hat. Em pfangen Sie das E h r e u g a st r c ch t, die Gastfreund schaft. Es ist nur bedauerlich, daß der Abschied so schnell erfolgt." Der Prinz hielt sich hier vier Stunden auf. Als der Zug ankam, ertönten alle Dampfpfeifen der Nachbar schaft, dies wurde von den weiter obliegenden ausge nommen und auf die ganze Stadt fortgepflanzt. Trotz der frühen Morgenstunde war eine riesige Menschenmenge ver sammelt. Consul Rieloff und Bürgermeister Wells be stiegen den Zug und geleiteten den Prinzen durch das von dem Empfangsevmitö und der Polizei gebildete Spalier nach dem wundervoll geschmückten Wartcsaal, wo der Bür germeister seine Ansprache hielt und die Adresse in ver silberter und vergoldeter Kapsel überreichte. Der Prinz erwiderte einige dankende Worte. Darauf wurden die Vertreter des deutschen Landwchrvereins, des Militär vereins und des Veteranenvereins von Springfield dem Prinzen vorgcstellt und überreichten nach einer Ansprache eine kunstvolle Adresse. Der Prinz dankte mit freundlichen Worten und unternahm sodann eine Rundfahrt durch die schönsten Stabtthcile und den berühmten Forcstpark. Um 11 Uhr erfolgte die Abreise nach Chicago. * Chicago, 3. März. Es war bereits dunkel, als der Zug mit dem Prinzen Heinrich um Uhr hier eintras. Auf dem Bahnhofe war der Bürgermeister Harrison und ein aus Bürgern gebildetes Comitö, sowie der deutsche ConsAl v r. Weren zum Em pfange anwesend. Vom Bahnhofe bis zum Auditorium- Hotel bildeten 2000 Polizisten und 2000 ehemalige deutscheSoldaten Spalier, derart, daß je ein Soldat neben einem Polizisten stand. Der Prinz mit seinem Gefolge fuhr in Wagen, die von 500 Kavalleristen escortirt wurden. Sobald die Wagen vorübergefahren waren, traten die Deutschen aus -em Spalier heraus, zündeten Fackeln an und formirten sich zu einem Fackelzuge, so daß -er Prinz schließlich von einem ganzen Kackelzugc gelöitek würde. Im Auditorium-Hotel waren vier Zimmer für -en Prinzen und 50 für das Gefolge ange wiesen. Eine halbe Stunde nach der Ankunft des Prinzen begann ein Festmahl, das zwei Stunden dauern soll. Daran schloß sich ein Eoncert in der Waffenhalle des 1. Miliz-Regimentes, wo unter Mitwirkung des Orchesters -cs „Scklachtgcbet" von einem deutschen Männcrchvre zum Vortrage gelangte. Nach dem Eoncert findet in dein zu einem Festsaale nmgcwandelten Theater des Audi- torium-Hotels ein Fcstball statt, dem Prinz Heinrich bei wohnt. N. New Kork, 3 . März. (P r i v a t t e l e g r a m m.f Der Prinz hatte bisher die Zudringlichkeit der Photographen geduldig ertragen, doch auf Lovky- mountain war ein übcrfrecher „Camerabold". Der Prinz stellte sich ihm bereitwillig; jedoch die Stellung gefiel dem Bold nicht. Er sagte: „Mister Princc, treten Sie nach rechts, Mister Princc, jetzt mehr nach vorn, Mister Prince, noch weiter rechts u. s. w. Das war denn doch zu viel, und der Prinz sagte unwillig: „Well, jetzt habe ich schon fünf mal die Stellung gewechselt für Sie, nun machen Sie Schluß!" Die Umstehenden, schon lange wüthcnd über den Kerl, machten Miene, ihn sammt seiner Camera in's Thal zu befördern. Später -rückte -er Prinz sein Bedauern darüber aus, daß er seine Selbstbeherrschung verloren; aber der Chef der Geheimpolizei möge ihn etwas mehr vor — Amateurs schützen. Hier noch folgende Probe ur wüchsiger Kentucky-Sitten: Als der Zug 2 Uhr Nachts bei der Wasscrstation Somerset hielt, forderte die lärmende Menge schreiend, daß der Prinz sich zeige. Junge Burschen schlugen schließlich gegen die Fenster des Zuges, so daß Alle aus dem Schlafe erwachten. Als später die häßliche Episode, die besonders Admiral Evans wüthend gemacht hatte, besprochen wurde, sagte der Prinz: „Ich wußte gar nicht, was los war. Ich konnte doch nicht gut er scheinen, da ich in Nachtkleidern war." — Der Polizeichef von Cincinnati telegraphirtc an den Prinzen, am Sonn abend sei nach der Abreise auf dem Bahnhofe ein Säbel gefunden worden, vermuthlich sei cs der aus Chattanooga als verloren gemeldete des Corvettencapitäns Von- grumme. Der Krieg in Südafrika. Wie der Brüsseler Correspondent des „Daily Tele graph" meldet, versichert die Transvaal-Gesanetschast, daß die noch im Felde stehenden Boerentruppen 23 000 Mann stark seien. Davon seien 8000 Transvaalcr, 4000 aus dem Oranje-Freistaat und 11000 Afrikander, oder Rebellen aus Natal und dem Capland. Die Boeren besäßen noch genügend Waffen und Munition. Der Kriegscorrespondent des „Daily Telegraph" be richtet über die Hinrichtung eines Nesse« -es Präsidenten Steijn. Er schreibt: „Der Neffe des Präsidenten Steijn wurde vor einiger Zeit bei Sodafontein gefangen genommen. Er trug die vollständige Uniform eines Aeomanry-Officicrs. In dieser Verkleidung war er durch unsere Linien hindurchgekom men. Als Entschuldigung gab er an, daß De Wet an ihn und Andere englische Uniformen ausgegeben habe, und daß man diese Uniformen ausloose. Der junge Steijn wurde vor ein Kriegsgericht gestellt, verurthellt, erschaffen und beerdigt. Wie ich höre, haben seine Freunde seine Leiche am Abend desselben Tages wieder auSgegrabcn und 8 Meilen von der Hinrichtungsstelle auf der Farm seines Vaters beerdigt." Der „Standard" meldet aus Capstadt vom 12. Fcbruar, daß auf einer von 400 Deutschen abgehaltenen Ver sammlung unter dem Vorsitze des Professors Hahn nur 72 für die Resolution gestimmt haben, in welcher gegen die Erzählungen über Grausamkeit englischer Soldaten protestirt wird; 20—30 hätten sich der Abstimmung ent halten und etwa 300 dagegen gestimmt. Das Resultat sei von der Opposition mit lang anhaltendem Beifall, von der Minorität mit Zischen begrüßt worden. * London, 3. März. Im Unterhause fragt Black an, ob die Negierung die Proklamation, bctr. die Verban nung der V o e r e n f ü h r e r, zurückziehen oder die jenigen Führer davon ausnehmen werde, die sich freiwillig ergeben. Der Staatssekretär für die Colonien, Cham berlain, giebt eine abschlägige Antwort. * London, 4. März. (Telegramm.) „Standard" berichtet aus Klcrksdorp unter dem 1. März: Eine Abthcilung Donop ' s , die mit dem Convoi g e - fangen genommen wurde, bestand aus 580 Mann mit zwei Feldgeschützen, einem Pompon undzweiMaximkanonen. * London, 4. März. (Telegramm.) Lor- Kit ch e n e r telcgraphirt aus Pretoria das Ergebnis? der Kämpfe in der vorigen Woche. Danach sind 0«> Boe ren getöbtct, 15 verwundet, 003 gefangen ge nommen worden und 105 haben sich ergeben. Keke- wich ' s und Grenfeld ' s Truppen verfolgen Dela - rey's Streitkräfte, die sich in kleine Trupps gctheilt haben. Methuen's Colonne ist von Vryburg ans Lichtenberg gegangen, um zu versuchen, den Fein abzuschneiden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 4. Mär;. Wenn es wirklich sich zeigen sollte, daß die Mitglieder des Reichstags durch Gewährung von AnwesenheitSgeldern i:> größerer Zahl sich zur Betheiligung an den Berathungen bewegen lassen, als durch eine Tagesordnung, auf welcher die Etats der ost asiatisch en Expedition und des Aus wärtigen Amtes stehen, so würde sich das „hohe Haus" dadurch das denkbar jämmerlichste Zeugniß ausstellen. Wir glauben eS auch vorläufig noch nicht; jedenfalls war gestern nicht der Mangel an Anwesenheitsgeldern die Ursache der mangelhaften Besetzung des Hauses, das eingebende Dar legungen des Reichskanzlers über wichtige Tagesfragen vöraussehen durfte. „Man" denkt zur Zeil fast ausschließlich an Zollsragen und ist überdies der Ansicht, Graf Bülow werde mit den Gegnern der von ihm zu vertheidigenven Politik schon allein oder mit Hilfe ihrer fleißigen Freunde fertig werden. Und das traf gestern auch zu. Eigentliche Opposition machten ihm auch nur socialdemokratische Redner, deren Ausfälle unschwer zurückgewiesen werden lonnten. Den Inhalt seiner beiden großen Reden kann man solgendermaßen zusammenfafsen. Zuerst nahm er, an eine Anfrage des Abg. v. Her kling anknüpsend, Gelegenheit, einigen Ausstreuungen englischer Blätter mit kategorischer Bestimmt heit entgegenzutreten. Es handelte sich zunächst um „Tinies"- Meldungen, die Deutschlands Absichten in Bezug aus die wirthschaftliche Ausbeutung von Schantung zu verdächtigen suchen. Der Reichskanzler erklärte, um „dieser Ente so rasch wie möglich den Hals umzudrehen", daß Deutschland keinerlei Monopolstellung in Anspruch zu nehmen beabsichtige, sondern an der Politik der offenen Thür fest halte. Ebenso entschieden entzog er den Bemühungen der englischen Presse, die deutsche Politik bei Rußland in da- Licht des versteckten Anstifters de« englisch-japanischen Vertrages zu setzen, ein- für allemal den Boden, indem er feststellte, daß das Auswärtige Amt von dem Vertrage erst durch die Anzeige seines Abschlusses erfahren hat. Diese Anzeige, fugte er hinzu, sei ein Beweis des Vertrauens der beiden Vertrag-Mächte, für den deutscherseits höflichst gedankt worden sei. Ueber den Vertrag selbst bemerkte der Reichskanzler, die ostasiatische Stellung Deutschlands, einschließlich des deutsch-englischen Abkommens, werde dadurch in keiner Weise berührt; die deutsche Politik verfolge in Ostasien nur Handelsinteressen, und zur Einmischung in nördlich von Petscbili liegende Streit fragen habe sie keine Veranlassung. Soweit er das Ab- Fenilletsn 3) Die drei Freunde. Roman von Robert Misch. Nachdruck verroirn. Besonderen Werth legte Herr Rosenthal darauf, daß erstens das Bild möglichst alt und gelb auSsah, der so genannte Galcrieton. Zu jener Zeit, als sich in Deutsch land eben erst schüchterne Anfänge zur modernen Frei lichtbewegung zeigten, waren die jungen Akademiker meistens noch auf die „braune Sauce" eingefuchst. Und dann schärfte ihnen der gewiegte Geschäftsmann ein, die Kopien durch gewisse Zuthaten oder Hinweglassungen ver schieden vom Original zu gestalten. Natürlich durften sie die Bilder auch nicht signiren. „Daran liegt meinen Kunden nix", meinte Herr Rosen thal mit schlauem Augenzwinkern. Die armen Teufel, denen er solche „zusammenge hauenen" Bilder für zwanzig bis hundert Mark abkaufte, hatten auch gar nicht die Absicht, diese Meisterwerke unter ihrem Signum zur Unsterblichkeit gelangen zu lassen, und hüteten das einträgliche Geheimniß wohl. Bruno Breitinger, dem eS Freude machte, sich von Zeit zu Zeit in Farben auszuschwelgen, während sonst kein Mensch auf seinen Pinsel, sondern nur auf seine Zeichen feder ober Radirnadel reflectirte, nahm diese Aufträge mit Vergnügen an, trotzdem sie Franz „unmoralische" nannte. Herr Satz, -er schwar-bärtige Jüngling, sah erst das Bild, dann Bruno und die beiden Herren verdutzt an. Aber unwillkürlich dem gebieterisch ausgestreckten Zeige finger des jungen Malers folgend, trat er näher und stammelte endlich, mit stummem Staunen und scheuem Blick die Madonna und -en Jesusknaben streifend: „Ein sehr schönes Bildchen! — Aber nun zeigen Se mir endlich, was Se zu »erkaufen haben!" „Noch etwas? Herr Rosenthal hat nur daS eine Bild bestellt." „Tin Bild? Herr Rosenthal wird sich hüten, ein Bild zu bestellen. Was soll er mit 'm Bild machen? — Ich glaub', die Herren wollen sich lustig machen über mich." „Ja, in DreiteufelSnamen — Mensch, wer sind Sie denn eigentlich und von wem kommen Sic?" „Mein Name ist Katz und ich komme von Rosenthal." »von welchem Rosenthal? AuS der Charlottenstraße?" „Ich komm' vom Rosenthal aus -er Rosenstraßc, dem Te gestern die Correspondenzkarte geschickt Hachen wegen der alten Sachen . . . ." Die drei jungen Herren brachen in ein so anhaltendes Gelächter aus, daß Herr Katz, in Firma David Rosenthal aus der Rosenstraße, ganz erschrocken inne hielt. „Entschuldigen Sie nur vielmals, Herr Katz!" rief Franz, während er sich vor Lachen schüttelte: „Ich bin schuld an dem Mtßverständniß. Die Karte ist von mir. Sie kommen wegen -cs Winterüberziehers?" „Ja, ich komm' wegen des Ueberziehcrs", rief Herr Katz erfreut, endlich Land unter seinen Füßen zn finden. Man wurde über dieses Prachtstück bald handelseins. Herr Katz setzte zwar eingehend alle Schäden auseinander, die sich das Kleidungsstück im Laufe seiner langen Dienst zeit zugezogen habe, aber Franz erklärte ihm, daß er einen neuen Rock nicht zu verkaufen pflege. Mit den im Brustton tiefster Ueberzcugung hervorge- stoßenen Worten: „Bezahlt wie ein Ritter — wie ein Ritter bezahlt!" zog sich Herr Katz (in Firma Rosenthal) zurück, für welch' räthselhafte Worte ihm ein freudiges Gelächter die Quittung gab. Noch viel und oft pflegten die Freunde ein gutes Honorar mit den Worten: „Bezahlt wie ein Ritter" zu bezeichnen. Kranz versuchte zwar noch, vor dem Mittagessen ein historisches Feuilleton zu Ende zu bringen, aber mit -em dumpfen Katerschädel ließ sich nicht arbeiten. Er schleuderte wüthend die Keder in die Ecke und verschwor sich, nie wie der solchen Unsinn mitzumachen, und wenn zehn Mal ein Bekannter eine Erbschaft erhoben und dieselbe durch ein solennes Weinsouper gleich wieder zu verkleinern Lust hätte. Bruno machte erst gar nicht den Versuch, zu arbeiten. Er steckte eine Künfpfennig-Havannah in Brand, obgleich ihm das Rauchen vom Arzte verboten war, las -te Zeitung und ergab sich einem süßen Nichtsthun. Nach rasch eingenommenem Mittagsmahle, bei dem sich Herr Heine schmunzelnd einige wissenschaftliche Be merkungen über den Kater bei den verschiedenen Nationen und Altersstufen gestattete, di« von tiefem Studium zeugten, beschloß man, einen größeren Bummel durch den Thiergarten zu unternehmen. Die Stadtbahn war da mals erst im Bau begriffen, und nach dem Grünewald fuhr man nur mit dem Kremser als Laudpartie. Es war Ende April. Ucberall sproßte und grünte es. Ganze Sckaaren von Spaziergängern, Reitern und Wagen belebten -en schönen Park. Berlin promenirte und ge noß die Lnft des herrlichen Vorfrühlings. Unterwegs trafen sic den alten Kaiser, der in seinem einfachen, offenen Zweispänner, den Leibjägcr ans dem Bock, den Adju tanten zur Seite, angethan mit dem grauen, historischen Mantel, seine tägliche Ausfahrt vor dem Diner machte. In vollen Zügen athmcten sic die wonnige Lcnzluft ein, sic sahen die junge, keimende Lenzespracht, aber sie dis- putirten auf dem Wege über Theater, Literatur und Kunu; sie dioputirten noch immer, während sie sich in den „Zelten" an einer Weiße erlabten und disputirten erst recht, als sie einige Stunden später an ihrem Stammtisch im ersten Stock des Cafv Bauer inmitten eines Kreises von gleichgesinnten jungen Leuten saßen. Hier versammelte sich jeden Nachmittag die „Corona": junge Literaten, Schauspieler, Maler — lauter Himmels stürmer, die die Welt erobern und verblüffen wollten durch unerhörte Kunstthaten, die aber nicht immer ihre Schale Schwarzen oder Melange bezahlen konnten. Doch, was that das? Felix oder Joseph, die beiden Wiener Zählkellner, wußten, wen sie vor sich hatten, und creditirten gern, halfen einmal wohl auch mit baarem lyeldc aus. Und mancher später „Angekvmmenc" stopfte sich hier, wenn er nicht einmal die dreißig oder vierzig Pfennig besaß, für die man sich in den „akademischen Bier hallen" satt essen konnte, seinen Magen mit dem schmack haften Wiener Gebäck voll, das er dann natürlich ebenfalls schuldig blieb. Hier blühte der Literatur-, Theater- und Atclterklatsch, hier wurden aber große Gedanken und Pläne ansgeheckt, das Bestehende umgewälzt und vernichtet und das Banner einer neuen Literatur und Kunst aufgepflanzt. Ein Jeder sah den Himmel offen, ein Jeder von den jungen Leuten glaubte unerschütterlich an sich und seine Zukunft. Hier saßen lauter zukünftige Shakespeares nnd Goethes, Rafaels und DevrientS. Zuweilen verirrte sich ein Aelterer in diesen Kreis bon Srbumwälzern und Himmclsstürmern, dem das rauhe Leben den Blllthenstaub von den Gcistesflügeln gewischt. Der schwieg aber wohl weislich still und schüttelte nur leise daS Haupt oder lächelte wchmüthig. Denn von allen diesen Träumen und Hoffnungen, wie wenige würden sich erfüllen! Wie We nige nur von allen diesen Geistesringcrn und Hochflüglern würden daS gesteckte Ziel erreichen — und unter welchen Mühen und Kämpfen! Mit dem Opfer ihrer Kraft und Gesundheit, ihrer Jugend und Illusionen würden sie es bezahlen müssen, während alle die Anderen der große Ab gründ des Lebens verschlingt, wenn sie sich nicht in Vie hausbackene, aber einträgliche Alltäglichkeit flüchten. Daran dachte jetzt freilich Keiner von ihnen. Zwischen Moccatassc und Zeitung, behaglich den Rauch ihrer Cigarren und Cigaretten von sich blasend, der sich in dicken Schwaden über den Tischen lagerte, schwelgten sie in Idealismus nnd Ironie, in Kunstphilosophie nnd Kunst klatsch, bis sie sich in die verschiedenen Theater und Kneipen zerstreuten oder zur ernsten Arbeit in ihre bescheidenen Stübchen heimkehrten. Fünftes Capitel. An einem schönen Herbstvormittag saßen die beiden Freunde in ihrem Zimmer fleißig bei der Arbeit, Bruno vor dem einen Fenster an dem Zeichentisch, Franz am anderen vor dem kleinen, wachstuchüberzogenen Tischchen, das er zum Schreiben benutzte. Bruno neigte zuweilen den Kopf seitwärts, um seine Zeichnung zu beäugeln, und gab dabei zwitschernde und pfeifende Laute von sich, aus denen man je nachdem inner liche Zustimmung oder Unzufriedenheit heraiiolcsen konnte. Franz kaute, nach einer ebenso geheiligten Traditio», an seinem Federhalter. Um ihm die schlechte Angewohn heit abzugewöhncn, hatten ihm Bruno und Mieglitz eines Tages sämmtliche Holzhalter mit solchen aus Elfenbein vertauscht. Franz Lene erklärte aber energisch, daß es ihm die Stimmung raubte. Die Inspiration käme ihm eben nur beim Kauen. Und das Elfenbein wurde wieder gegen Holz vertauscht, woraus sich Mieglitz den schlechten Witz leistete: „Wer kaut Holz und giebt Blech von sich ?" Franz pflegte darüber nur verächtlich die Achseln zu zucken und etwas von dem „feist gewordenen Witze" des Freundes zu murmeln. Auch heute kaute Franz wie ein hungriges Pferd, das seine Krippe benagt, an seinem Federhalter, um ihm die Gedanken auszusaugen; Bruno zwitscherte wie eine Lerche und pfiff wie eine Amsel, als es plötzlich klopfte. „Herein!" „Eine Depesche an Herrn Leue!" Das war ein so seltenes Ereignis» in ihrem Leben, daß beide Freunde erst sich, dann den Boten, zuletzt das Tele gramm wortlos anstanntcn und dies noch immer fort setzten, als der Bote schon längst entschwunden mar. „Na, so öffne doch endlich!" Kranz entschloß fick erst nach einigem Zögern dazu, da er, wie die meisten Leute, die weder Telegramme abzu«
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