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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.03.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020304020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902030402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902030402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-03
- Tag1902-03-04
- Monat1902-03
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1590 kommen kenne, glaube er, daß eS dem Frieden diene. Auf die schon vom Abg. vr. Hasse bekämpfte Forderung des Abg. Richter, daß Deutschland sich militärisch sowohl auö Pctschili als ausShanghai schon jetzt vollständig zurück ziehe, erwiderte der Reichskanzler, die Zurückziehung der »och in China befindlichen Truppen würde gegenwärtig nur im Interesse Derjenigen liegen, die den von Deutsch land verlassenen Platz selbst einzunehmen wünschen. Kein Mann aber solle dort länger als unbedingt nöthig bleiben. Die Garnison in Shanghai diene, übrigens lediglich der Erhaltung geordneter Zustände und habe keine Spitze gegen England. Dann ergriff der Reichskanzler die ihm durch den Abg. vr. Hasse, der sich mit lebhafter Anerkennung über den Verlauf der Reise deS Prinzen Heinrich geäußert hatte, gebotene Gelegenheit, eine hämische socialbemo- kratische Bemäkelung dieser Reise zurückzuweisen. Der Abg. vr. Hasse habe zutreffend hervorgehobcn, daß die Reise keinen politischen Zweck verfolge; sie bezwecke aber die Aufrechterhaltung der traditionellen guten Be ziehungen zwischen Preußen-Deutschland und Amerika, wie sie seit den Tagen des Großen Friedrich und des großen Washington bestehe. Beide Völker hätten allen Grund, ein ander zu achten, in voller Gegenseitigkeit in Frieden und Freundschaft zu leben. Auch in der fernsten Zukunft sehe er keinen Punct, wo die politischen Wege des deutschen und deS amerikanischen Volkes sich zu kreuzen brauchten. Er sei der Zustimmung der großen Mehrheit deS Reichstages sicher, wenn er sage, daß das HauS mit lebhafter Befriedigung die gastfreie, ritterliche und glänzende Ausnahme verfolge, die das norcamerikanische Volk dem Bruder deS deutschen Kaisers bereite. Der socialdemokratische Redner hatte ferner so energisch ein Einschreiten nicht nur gegen die englische Kriegführung in Südafrika, sondern auch gegen die Türken in Armenien, gegen die Amerikaner auf den Philippinen, gegen die Russen in Finland und an einigen anderen entlegenen Puncten der Weltkugel gefordert, daß der Reichskanzler diese Art von Politik zutreffend als eine Weltpolitik ü outranes bezeichnen konnte, für die er und das deutsche Volk nicht zu haben sein würben. Gegen über dem Gedanken einer Mediation im südafrikanischen Kriege verwies er auf die Erfahrungen der niederländischen Regierung, und grundsätzlich bemerkte er. daß Deutschland keine Ver anlassung habe, in dieser Frage eine führende Rolle zu übernehmen. Die Geschichte des zweiten französischen Kaiserreichs verlocke nicht zur Nachahmung. In Bezug auf die Auseinandersetzung mit dem englischen Co lonialminister bemerkte der Reichskanzler gegenüber einer socialvemokratischen Anzapfung, er habe sich s. Z. nicht gescheut, dem die deutsche öffentliche Meinung erregenden Vorfälle näher zu treten, aber ihn breit zu treten, sei er nicht bereit. Er habe von dem, was er darüber gesagt, nichts zurückzunehmen, aber auch nichts hinzuzufügen. Alle diese Ausführungen deS Kanzlers fanden die Zustimmung der überwiegenden Mehrheit deS HauseS; nur das, waS er über die Pekinger astrono mischen Instrumente und den Grund ihrer Zurück behaltung sagte, wurde schweigend hingenommen. Es mag ja sein, daß es jetzt nicht mehr möglich ist, die Instrumente zurückzusenden; aber warum man sich in die Lage versetzt hat, das nicht zu können, konnte Graf Bülow nicht genügend aufklären. Wahrscheinlich wäre es ihm wie dem größten Theile deS Hauses am liebsten gewesen, wenn er die Dinger gar nicht zu erwähnen gebraucht hätte. In Ermangelung anderer greifbarer Tagesereignisse beschäftigen sich die Zeitungen, je nach ihrem Parteistand- puncte, mit dem Eintritte der nationalliberalen preußischen Landtagsabgeordneten Hobrecht, Reichardt und Znck- schiver-t in den Ausschuß des Handelsvertrags-Ber- eins. Wir sind nicht in der Lage, diesen Schritt der ge nannten drei Herren besonders tragisch zu nehmen. Keiner von ihnen hat bei der Entscheidung über den Zolltarif selbst mitzuwirken, und auch die Fraktion, der die drei Herren angehören, ist nur in der Lage, Reso lutionen zu beantragen und zu vertreten, die sich an die Adresse der preußischen Staatsregierung richten. Die Reich sta g s-Fraction ist vollständig frei in ihren Entschließungen gegenüber etwaigen Strömungen in einer Landtags-Kraction, und sie hat von dieser Freiheit aus giebigen Gebrauch gemacht, so lange sie mit dem Fürsten Bismarck Wirtschaftspolitik betrieb, so lange sie in den neunziger Jahren ihre agrarfreundliche Politik verfolgte, ihren Standpunkt zu Gunsten höherer Getreidczölle fest legte, ihre eigenen Vorbereitungen auf die Mitarbeit an der gegenwärtigen Tarifvorlage traf, auch als sie ihre Ver treter in die Zolltarifcommission wählte. Sie hat immer gewußt, daß sie einigen Mitgliedern der Landtags- fraction dabei unvermittelt gegenüberstand, hat aber auch in keiner Weise versucht, diesen unzugänglichen Stand punkt einiger weniger Mitglieder der Landtags-Fraction oder die Conseguenzen, welche dieselben aus ihren An schauungen zogen, beeinflußen zu wollen. Nach dem Eintritte der drei Herren in -en Ausschuß des Handels vertrags-Vereins ist Alles noch genau so, wie es zuvor gewesen ist. Aus Marokko (Tanger), 23. Februar, schreibt man uns: Heute soll der deutsche Gesandte hierher zu- rückkchren (ist geschehen; A. d. R.), und erst gestern trafen hier die ersten Nachrichten über das Geschick der Gesandt schaft ein. Dieselbe konnte in Rabat nicht landen, wogegen es in Casablanca möglich war. Doch hatte sic sehr schlechtes Wetter »nd der Weg zu Lande von Casablanca «ach Rabat mußte bei strömendem Regen und grnndlvsen Wegen zu rückgelegt werden, so daß alle Theilnehmer gründlich durchnäßt wurden. Der Empfang, der Ihnen zu Theil wurde, war ebenso glänzend, wie derjenige der vorher gehenden Gesandtschaften, und der Sultan Muley Abdel Aziz nahm die ihm überreichten Insignien des N vthen Adlerordens als Beweis der Freundschaft mit Deutschland huldvollst entgegen. — Von der fran zösischen Gesandtschaft, deren erster Dolmetscher übrigens in Rabat lebensgefährlich erkrankte, hörte man, daß alle von ihr gestellten Forderungen bewilligt wurden. Wie der Draht aus Algier meldet, sind auch schon in Figig reguläre marokkanische Truppen erschienen, mit der Auf gabe, unter den Grenzstämmen Polizei zu üben und jede Feindseligkeit gegen Frankreich zu verhindern. — Die hauptsächlichste spanische Beschwerde jedoch konnte, obgleich der Sultan täglich einen Eourir nach Wazan schickt, um Mule») el Amrani, den Befehlshaber des Erpe- ditivnocvrps, anzuspornen, noch nicht behoben werden. Wohl haben sich zehn weitere Stämme angebvten, gegen die Beni M'sara mitznfcchteu, auch ist der spanische Dele- girte, Oberstleutnant Sr. Alvarez Ardanuy, in Wazan ein getroffen und von Amrani glänzend empfangen worden, aber bis jetzt mußte sich derselbe in dem ihm zur Verfügung gestellten, prächtigen Zelte halten, denn der fortwährend starke Regen verhinderte jedes kriegerische Vorgehen — und die geraubten spanischen Kinder bleiben immer noch unbefreit. — In Tanger starb vor drei Tagen der Doyen des diplomatischen Eorps, derbelgische Gesandte, Excellenz E. Anspach. Ehe er sich aus Gesundheitsrück sichten nach Marokko versetzen ließ, war er belgischer Ge sandter in Madrid, und seine Name findet sich unter der 1880 geschlossenen Madrider Convention mit Marokko. Unser Mitarbeiter in Sydney schreibt uns Ende Januar: Neu-Seeland wird außer den jetzt marschbereiten 1000 Mann im Laufe des Monats Februar weitere 1000 Mann Hilfstrnppen nach Südafrika entsenden. Den englischen Dank für diese Unterstützung hat der neusee ländische Premierminister Mr. Scddon schon jetzt davon getragen, indem er, abgesehen vom Bundespremier- minister, der einzige australische Minister ist, der eine officielle Einladung zur euglschcn K r ü n u n g s f e i e r erhalten hat, ein Umstand, der bei den bctheiligtcn Stellen in Nen-Tüd-Wales und Victoria, den sogenannten alten Mutterstaaten, große Verstimmung Hervorgernfen hat. — Die Debatten über Anträge zur Entsendung von Hilfs truppen sind im Großen und Ganzen in anständigem Tone verlaufen, und auch Mr. Barton, der Premierminister des australischen Bundes, hat in seinen Ausführungen Alles vermieden, was Deutschland Grund zu einer Klage geben könnte. Ebenso schlagen die hiesigen Zeitungen jetzt über den sogenannten deutsch-englischen Conflict wieder eine ruhigere Tonart an. Directe Belästigungen von Deut schen scheinen in ganz Australien einschließlich Neu-Tee- land nicht vvrgckvmmen zu sein. Als das diesjährige deutsche N a t i o u a l f e st, das, wie regelmäßig, durch ein Picknick im Freien am 18. Januar unter zahlreicher, auch englischer Bethciligung gefeiert wurde, ist ohne jeden Zwischenfall verlaufen. Die hiesigen Zeitungen haben ein gehende spmpathischc Berichte, sogar Leitartikel, über dieses Fest gebracht und cs als bedeutsame Thatsache ver zeichnet, daß des Königs von England bei dieser Gelegen heit in der gleichen ehrenden Weise gedacht wurde, wie bei den früheren Anlässen. Augenscheinlich ist es der dringendste Wunsch aller maßgebenden australischen Kreise, mit Deutschland im Frieden weitcrzuleben. Deutsches Reich. * Berlin, 3. März. (Ungenügend im Deutschen.) Die „Berl. Pol. Nachr." schreiben: „In die neue Reise- PrüfuiigSordnung für die höheren Lehranstalten ist die früher gütige Bestimmung, nach welcher bei nicht genügenden Ge- sammtleistungen im Deutschen das Neifezeugniß zu versagen war, nicht ausgenommen. Nach einer regierungs seitigen Erklärung ist damit nicht etwa die hervorragende Stellung deS Deutschen herabzudrücken beabsichtigt, im Gegentheil ist bei dieser Aenderung gerade auf die Hebung des deutschen Unterrichts Bedacht genommen worden. ES war nämlich vielfach die Beobachtung gemacht worden, daß jene Bestimmung der früher geltenden Prüfungsordnung zu einer recht bedenklichen Milde in der Beurtheilung der Leistungen im Deutschen führte, unter welcher der Betrieb dieses hoch wichtigen Lehrfaches zu leiden batte. Es giebt Fälle, in denen eS unbillig erscheinen kann, daS Neifezeugniß zu versagen, wenn auch die im Deutschen zu stellenden Anforderungen, z. B. wegen jugendlichen Alters des Prüflings, noch nicht im vollen Umfange erfüllt werden. Zweifellos entspricht eS dann aber allein der erziehlichen Aufgabe der Schule, wenn solche Leistungen rückhaltlos „nicht genügend" genannt, nicht aber als noch „genügend" bezeichnet werden, um die im Uebrigen etwa für angänig erachtete Ertbeilung des Reifezeugnisses zu er möglichen. Die gemessenen Bestimmungen über den Ausgleich nicht genügender Leistungen m verbindlichen Lehrgegenständen durch gute in anderen leisten auch in dieser Hinsicht sichere Gewähr dafür, daß bei der Feststellung deS Gesammtergeb- nisseS nicht unter dasjenige Maß allgemeiner Schulbildung herabgegangen wird, welches dem Lehrziel der Schulgattung entspricht, wie sie auch andererseits die Prüsungscommission in die Lage setzen, wo eS angebracht erscheint, die zulässige Milde walten zu lassen." Wir wißen oicht, ob oder wie weit die citirte Correfpondenz noch officiöS ist; die hier mil- getheilte Probe aber siebt ganz danach aus, als ob ihr Herausgeber wieder in Gnaden ausgenommen worden sei, denn ungeschickter, als eS hier geschehen, kann eine behörd liche Maßnahme überhaupt nicht verlheidigt werden. ES ist die reine Bankerotterklärung der ministeriellen Aufsichtsbehörde. Einer ganz unverzeihlichen Schlapp heit, die die Besten in unserem Vaterlande seit Jahren beklagt und mit Zorn bekämpft haben, wird dadurch zu Leibe gegangen, daß man sie — als erlaubt sanctionirt. Vittieile esk sutiram uou 8eriders. * Berlin, 3. März. Tie Frage, ob der Berus deS Rechtsanwalts mit dem deS Patentanwalts vereinbar sei, wird von dem Geh. Iustizrath vr. Lesse in der neuesten Nummer der „Deutschen Iuristenzeitung" erörtert und verneint. DaS Letztere geschieht hauptsächlich im Hinblick auf die verschiedenartige Organisation der Standesvcrtretung der beiden Berufe. In dieser Beziehung sagt vr. Lesse: Es wurde zur Zeit noch für ausgeschlossen erachtet, die Patent anwälte zu einer selbstverwaltenden Palentanwaltskammer zusammen- zusassen, da die Patentanwälte zum Theil aus Personen mit ganz verschiedener Vorbildung bestehen. Auf der anderen Leite wurde sowohl im Ehrengerichte als auch im Ehrengerichts hofe den Patentanwälten die Majorität gewährt, daneben aber die Zahl der mitwirkenden Patentanwälte durch die Anordnung der obersten Reichsbehvrde beschränkt. Wenn man erwägt, daß bei der Rechtsanwaltschaft das gejammte Ehrengericht, wenigstens in erster Instanz, durch Wahl der Rechtsanwaltskammer entsteht, so muß man sagen, daß nach der Seite der Verwaltung und der Disciplin über die Patentanwälte hin der Grad der aus- zuübenden Selbstverwaltung rin nicht unerheblich geringerer ist, als bei der Rechtsanwaltschaft. So weit wir von Gering schätzung des neu gebildeten Standes entfernt sind und so sehr wir hoffen, Laß derselbe im Laufe der Zeit sich in seiner Berussehre immer weiter ausbilden, und wenn ihm dies gelungen sein wird, zu einer selbstverwaltenden Patentanwaltskammer gelangen wird, so erachten wir Loch die Unterschiede zwischen den genannten Ständen gegenwärtig aus den bezeichneten Gründen der verschiedenen Vorbildung und der geringeren Selbstverwaltung noch sür so bedeutsam, daß wir uns aus Grund des 8 5 Nr. 4 der Rechtsanwallsordnung vom 1. Juli 1878 dahin entscheiden müssen: Zur Zeit ist die Beschäftigung des Patentanwalts mit dem Beruf oder der Würde der Rechtsanwaltschaft nicht vereinbar. In der Praxis wird sich die Frage voraussichtlich in folgender Weise gestalten: Falls ein Rechtsanwalt sich um Eintragung in die Liste der Patentanwälte bewirbt, wird der Antrag entweder beim Patentamt durch Zurückweisung desselben resp. in der späteren Instanz erledigt, oder es tritt eine Verschiedenheit der Ansichten zwischen Vorstand der Anwaltskammer und Patentamt hervor, der erstere spricht sich im Sinne diese» Aussatzes, das letztere im Sinne der Zulassung aus. Wenn dann das Patentamt gegen die Ansicht des Vorstandes die Eintragung beschließen sollte, so würde der Vorstand dies kaum geschehen lassen können, ohne seiner Ansicht Nachdruck zu verschaffen. ES würde voraussichtlich die Aufforderung des Vorstandes an den Antragsteller, den einen oder Len anderen Beruf niederzulegen, ergehen müssen, und falls er an dem als Patentanwalt festhält, würde von der Einleitung des Disciplinarversahrens gegen den Rechtsanwalt nicht Umgang genommen werden können. — Die Kaiserin wird am 14. d. MtS. in Glücksburg er wartet, um dec an diesem Tage im dortigen Schlosse stattfindenden Consirmation ihrer ältesten Nichte, der Prinzessin Victoria Adel heid von Schleswig-Holstein-Sonderburg, beizuwohnen. Die am 13. December 1885 aus Schloß Grünholz geborene Confirmandin ist die älteste Tochter der ältesten Schwester der Kaiserin, der Her zogin Caroline Mathilde, die sich am 19. März 1885 mit dem Herzog Friedrich Ferdinand von Scheswig-Holstein-Sonderburg- Glücksburg vermählte. Dieser Ebe sind sechs Kinder entsprossen, und zwar fünf Mädchen und ein Knabe. — Der Ausschuß des BundeSraths für Handel und Verkehr und die vereinigten Ausschüsse für Handel und Ver kehr und für Iustizwesen hielten heute Sitzung. — Nach den bisherigen Beschlüssen deS Plenums und der Budgetcommission des Reichstags sind vom ReichS haushaltSetat abgesetzt für 1902 bei den fortdauernden Ausgaben 674 247 bei den einmaligen Ausgaben deS ordentlichen Etats 10 385 926 bei dein außer ordentlichen Etat 12 118 556 Jur Ganzen sind also ab gesetzt 23 178 719 ^ Zugesetzt sind bei den Zöllen an Einnahmen 12 000 000 .E ES ist also, schreibt die „Freis. Ztg.", nach den bisherigen Beschlüssen, wenn sie durch das Plenum bestätigt werden, die Möglichkeit gegeben, die Zuschußanleihe von 35 Millionen entbehrlich zu machen. — Im preußischen Abgeordnetenbause wird von conservativer Seite ein Antrag über die Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer in den Städten, wo sie noch erhoben wird, vorbereitet. — Wie verlautet, wird das preußische Abgeordneten haus seine Osterferien am 22. März beginnen und die Be- rathungen am 9. April wieder ausnehmen.— DaS Herren haus tritt vor Ostern noch zu einer kurzen Tagung vom 19. bis 22. März zusammen. An eine Erledigung des Etats bis zu diesem Termin seitens des Abgeordnetenhauses ist aber gar nicht zu denken. — Der Herzog und die Herzogin von Cumberland mit der Prinzessin Olga nebst Gefolge pafsirten am Sonntage, von Gmunden über Dresden kommend, mittels Sonderzuges die Reichs hauptstadt, um alsbald nach Rostock weiter zu fahren. Bon dort wird sich die herzogliche Familie nach kurzem Aufenthalt nach Warnemünde begeben und mittels Postdainpsers die Reise nach Gjedser sortsetzen, um alsdann zum Besuche bei dem dänijchen Königshauje nach Kopenhagen weiterzurrisen, wo ein mehr wöchiger Aufenthalt vorgesehen ist. In diese Zeit fällt der Gc- burtStag des greisen Königs von Dänemark, zu dem auch die Kaiserin - Wittwe von Rußland und die Königin Alexandra von England dort erwartet werden. Der Herzog von Cumberland reist im strengsten Inkognito unter dem Namen eines Grasen Diepholz. — Vorgestern sand im Reichskanzler-Palais eine Soirbe statt, zu der die Parlamentarier deS Reichstages, wie deS Lank- tages in großer Zahl erschienen waren; aber auch die fremde Diplomatie war stark vertreten. Gras v. Bülow führte eingehende Conversationrn, namentlich mit dem russischen, dem englischen und dem italienischen Botschafter, aber auch mit dem Vorsitzenden der Zolltarifcommission, Abg. Rettich, und den Abgeordneten Graf Schwerin-Löwitz, Graf Roon, v. Eynern und Abg. Justizrath vr. Porsch. — Dem Capitän zur See v. Usedom, dem umsichtigen Führ. r der deutschen Marinetruppen bei der verunglückten Expedition des Admirals Seymour, ist vom Kaiser von Rußland eine ganz außergewöhnliche hohe OrdenSdecoration verliehen worden; er hat den St. Stanislausorden zweiter Classe mit Stern und Schwertern erhalten. Capitän zur See v. Usedom ist z. Z. dienstthuender Flügel- adjutant des Kaisers. — AIS Lehrer der Prinzessin Victoria Luise, der rin- zigen, jetzt im zehnten Lebensjahre stehenden Tochter des Kaiser- Paares, ist der Seminarledrer Gern in Northeim berufen worden. Herr Gern, bisher commissarisch im NebencursuS des Northeimer Seminars beschäftigt, stammt aus Suderburg im Kreise Uelzen und war vor seiner Anstellung in Northeim Präparandenlehrer in Verden und Einbeck. Er wird das Amt als Lehrer der Prinzessin bereils in nächster Zeit antrrten. * AuS dem NeichStagswahlkreise Elbing-Marienburg. Sein Wablprogramm veröffentlicht jetzt der bündlerisve NeichStagScandidat fiirElbing-Marienburg,Kammerherr v. O l- denburg-Ianuschau. Von Interesse ist daraus nur die Mittheilung, daß der Zolltarif in seiner jetzigen Gestalt für Herrn v. Oldenburg „unannehmbar" ist, und die Schlußsätze: „Eine Verlängerung des jetzigen Zustandes von Jahr zu Jahr ist das kleinere Nebel. Ich behalte mir die freie Entschließung über meine Abstimmungen im Falle meiner Wahl unbedingt vor und will nur gebunden sein durch die Rücksicht auf meinen König, meine Wähler und mein Gewissen." * Hamburg, 3. März. In einer Kritik des Duells hatte der verantwortlicheRedacteur des „Hamburger Echo", „Genosse" WaberSky, das Osficiercorps der deutschen Armee beleidigt. Auf Antrag des preußischen Kriegsministers erhob die Staatsanwaltschaft Anklage und die 4. Strafkammer des Landgerichts Hamburg ver- urtheilte ihn deswegen zu 150 Geldstrafe. Die Beleidigung wurde in der Form verschiedener Ausdrücke gefunden. * Bremen, 3. März. Der Kaiser ließ dem Nord deutschen Lloyd durch die preußische Gesandtschaft mit theilen, Prinz Heinrich habe sich über Capitän, Ossiciere, Mannschaft, sowie den Betrieb des Schnelldampfers „Kron prinz Wilhelm" iu hohem Grade befriedigt aus gesprochen. * Posen, 3. März. Die Fürstin Sulkowska, die Gattin deS Fürsten SulkowSki juu., deS letzten Ordinaten der fürst lichen Majoratsherrschaft Reisen, ist vorgestern kinderlos gestorben. Fürst SulkowSki, der selbst leidend ist, wird wohl kaum eine zweite Ehe eingeben, und dann fällt die etwa 20 000 Morgen große fürstlich SulkowSki'sche Majoratsherrschaft Reisen in absehbarer Zeit an den preußischen FiscuS. Vor Kurzem haben erst die Gerichte die Klage der Grafen Potocki als vorberechtigte Anwärter auf die Majoratsherrschaft Reisen abgewiesen. -s- Halle a/S., 3. März. Gleichwie die Meister im Baugewerbe, so haben jetzt auch die Bauunternebmer sich zu einer Bereinigung zusammengethan, um in der Lohn- schicken noch zu empfangen pflegen, stets eine Unglücks botschaft dahinter witterte. Die Depesche lautete wörtlich: „Lumpenpack angenommen — nächsten Montag erste Probe. Brief folgt. Schröder". Bruno stieß einen Jubelruf aus. Franz wurde todten- bleich und legte plötzlich mit verhaltenem Schluchzen Arm und Kopf auf den Tisch. „Du weinst? Aber Mensch — warum denn?" „Kindisch, nicht wahr? Aber ich habe so lange darauf gehofft und es jetzt schon gar nicht mehr erwartet . . ." Und während ihm die Thränen immer noch langsam über die Wange tropften, röthete sich das blaßgelbe Ant litz sanft, von einem inneren Feuer durchglüht. Wie ein Freudenrausch überkam es jetzt den stillen Menschen. Er lachte glückselig vor sich hin und tänzelte, unartikulirte Laute ausstotzend, durchs Zimmer. „Endlich, endlich! Ich werde aufgeführt.... Haha, man führt mich auf! . . . ." Bruno blickte dem wunderlichen Treiben des sonst so ernsten Freundes erstaunt zu. „Na, schnappe nur nicht über, Mensch! Es ist doch schließlich nur Frankfurt an der Oder." „Macht nichts, macht nichts!" rief Franz glückstrahlend, während er noch immer seine sonderbare Zimmergymnastik fvrtsetzte und heulende Laute dabei ausstieb. — „Es ist die erste Stufe! Einmal auf eine Bühne gelangt, werde ich mir die anderen schon nach und nach erobern. Du glaubst gar nicht, was es für mich bedeutet, daß ich meine Ge stalten lebendig vor mir verkörpert sehen werde. Von heute ab wollen wir auch ein Wörtchen mitreüen. Von heute ab soll eine neue Epoche beginnen." „Für Dich oder für die Literaturgeschichte?" fragte Bruno lachend. „Für Beide!" rief Franz übermüthig und baute nnn vor dem verwunderten Freunde riesengroße Luftschlösser auf, immer höher und höher. Bruno, von dem skeptischen, sich und Andere stets bezweifelnden, nur Unglück ahnen den und prophezeienden Freunde an so ganz Anderes gewöhnt, schaute staunend in diese Welt reicher und lange zurückgedämmter Hoffnungen. Franzens aufgeregte und behende Dichterphantasic iah das Stück bereits über alle deutschen Bühnen fliegen und sogar das Ausland erobern, sich selbst und -er schon so lange stagntrenben, conventionellen Bühnenkunst zum Heile. „SS ist doch etwas Neues — etwas ganz Neues, etwas ganz Anderes, als ihre ewigen Coyimerzienräthe, Naiven und Schwiegermütter." „Ja, aber gerade deshalb werden sie vielleicht nicht ent zückt davon sein", erlaubte sich Bruno schüchtern einzu werfen. „Glaube mir, das Publicum ist nicht so stumpf un dumm, wie man immer sagt. Gebt ihm etwas Gutes und Neues, und es wird dies anerkennen und ihm zujubeln." „Da haben wir also einmal die Rollen vertauscht. Heute bist Du -er Optimist." — Während er sich umständlich eine Cigarre anzündete und langsam die ersten Rauchwölkchen von sich blies, sah Bruno mit stillem Lächeln dem Freunde zu, der noch immer aufgeregt im Zimmer umherlief. — „Nach meiner bescheidenen Meinung ist's beim Theater wie bei allen anderen Künsten: nur ein kleiner Kreis ästhetisch gebildeter Menschen will und begreift das Neue in der Kunst." „Du glaubst also, daß sie mich auslachen werden?" fragte Franz gereizt und schwang das Telegramm drohend in der Luft. „Will ich nicht sagen! Wie soll ich wissen, wie's aus geht! Ich will Dich nur vor allzu großem Optimismus warnen. Du traust den guten Frankfurtern doch wohl mehr zu —" „Ach, um die handelt cs sich gerade! Ich will die Un seren hinüberschleppen." „Die glauben Dir auch so, was Du kannst. Den An deren sollst Du cs bewerfen." „Nun ja — auch die Kritik. . . . Einige von den jüngeren Leuten werden schon kommen. Und ein paar Direktoren und Agenten lotse ich auch hinüber." „Die Kritik .... haha .... die kenne ich!" erwiderte Bruno achselzuckend. „Die Jungen und Modernen, die Dir folgen können, haben noch keinen Einfluß, die sind selber Veilchen im Verborgenen. Und die Alten, die Ein flußreichen? Die können oder wollen Dir nicht folgen. Es lebe die drei Mal heilige Convention! — Na, und die Directoren, die sind dkr Meinung deS Publikums und der maßgebenden Kritik." „Du bist heute sehr — klug." „Ich wiederhole nur, was Du ähnlich oft schon selber gesagt hast." „Nun ja, aber man muß doch einmal den Anfang machen." „Sehr richtig, mein Lieber! .... Wir sind eben Pio niere. . . . Aber die feiern keine lauten Triumphe." „Nun, eS ist immerhin ein erster Schritt", sagte Franz, die Stirn wieder in die gewohnten ernsten Falten ziehend, sehr nachdenklich. „Das ist es, und ich gratulire Dir von Herzen. — Das hatte ich dem Kerl, dem Schröder, gar nicht zugetraut. . . . Was doch eine schöne Rolle thut!" Schröder, ein noch ziemlich junger und begabter Mime, der Väter- und Charakterrollen darstellte und außerdem Regisseur war, hatte sich dem Kreise des Cafe Bauer an geschlossen, sich für das neue Stück interessirt und eine Kopie des Manuskripts mitgenommen, als er zu Beginn -er Spielzeit nach Frankfurt an der Oder übersiedelte. Als Regisseur einen gewissen Einfluß auf den Director ausübend, hatte er jetzt sein Versprechen treulich gehalten. Hätte Franz geahnt, wie sich in Wirklichkeit die Dinge hinter den Frankfurter Coulissen abgespielt, so wäre er freilich weniger stolz darauf gewesen. Der Director, ein ehemaliger, für sein Fach zu fett gewordener Hofschauspieler, in der Theaterwelt wegen seiner Grobheit bekannt, hatte das Stück auf Zureden Schröder s gelesen und es „geradezu scheußlich" gefunden. „Mein Gott, es ist modern", meinte Schröder öivlo- matisch. „Ja, von einem dieser jugendlichen Grünschnäbel, die Alles umstoßen wollen. Das Publicum will doch sympa thische Charaktere haben, wenigstens in modernen Stücken. .... Und keine dankbaren Rollen, keine Naive, kein Komiker, kein Bonvivant!" „Aber diese scharf gezeichneten Charaktere, alle aus dem wirklichen Leben " „Ach was, das Leben!. . . Die Bühne hat ihre eigenen Gesetze — die darf man nicht umfloßen. . . . Lustige Menschen will man sehen und Witze hören und komische Situationen. Und für ein Drama ist eS nicht wuchtig, für ein Lustspiel nicht lustig genug. Alles so unbestimmt, so alltäglich und nndramatisch." „Weil es wahr ist!" „Was die Frankfurter darnach fragen! Und nicht genug Handlung! .... Nee, mein Bester, auf den Leim geht Hcrbart nicht." „Und doch rathe ich Ihnen dringend dazu!" „Weshalb?" „Erstens haben Sie es umsonst . . . ." „DaS wäre ein Grund — wenn'S waS machen würde. Aber so -" „Abwarten, Director! Sie wissen, beim Theater kommt's immer anders. Und dann die Reclame für Sie! . . . . Leue ist Journalist .... die halbe Kritik von Berlin und eine Masse Freunde, Agenten und Directoren werden kommen. Sie wollen ja längst ein größeres Theater haben Machen Sie zehn, zwölf Proben davon — lassen Sie's einen Erfolg sein, und Ihr Name geht durch alle deutschen Blätter." Herbart dachte nach. Schließlich, was riskirte man dabei? Wenn's auch durchfiel — dann hatte er seine Bühne eben zu einem ehrenvollen literarischen Versuch hergegeben. Auf alle Fälle wurde sein Name genannt. Er las das Stück noch einmal, fand es zwar noch immer „scheußlich", aber hütete sich wohl, dies Urthcil deutlich auszusprechen. Bühnenprophezeiungen haben sich oft als falsch erwiesen . . . man kann nie wissen . . . am Ende gefiel es den Leuten doch. „Also, ich gebe es. Schreiben Sie Ihrem Freunde, daß er halb Berlin herüberbrtngcn soll! — Auf jeden Fall steckt Talent darin . . . Ich unterstütze gern junge Talente . . . Schreiben Sie ihm das auch!" Und Schröder, wie die meisten Schauspieler ein liebenswürdiger Mensch, der denen gern etwas Ange nehmes sagte, von denen er sich später eine Förderung er hoffte, schrieb an Franz, daß Director Herbart „ganz entzückt" von dem Stücke sei und besonders die Charaktere ungewöhnlich genial und scharf gezeichnet fände (viel leicht ein bischen zu wenig Handlung). Sie Alle er hofften sich einen großen Erfolg; sic würden zahlreiche Proben daran wenden und erwarteten ebenso zahlreiche Kritiker und Directoren aus Berlin zur Premiere. Zu -en Proben, die bereits demnächst beginnen würden, möchte er lieber nicht kommen, höchstens zu den zwei letzten. Sie würden das Alles aufs Beste nach seinen Intentionen machen, die er, Schröder, ja genau kenne. Bruno wunderte sich darüber (da der Dichter doch eigentlich die Hauptperson sei und am meisten davon ver- stände), daß man ihn nicht bei den Proben haben wollte. (Fortsetzung folgt.)
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