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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.03.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020303029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902030302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902030302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-03
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Anzeigen «Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) SO H. Tabellarischer und Zifferiisatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Lffertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung -Ä 60.—, mit Postbesürderung ./L 70.—. Annahmeschluß für Änzeigen: Abend-Au-gabe: BormittagS 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den-Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Montag den 3. März 1902. 86. Jahrgang. Prinz Heinrich in Amerika. N. New Kork, 2. März. (Privattelegramm.) Portage, wo Prinz Heinrich den unfrei willigen Aufenthalt nehmen mußte, liegt in der Nähe -es höchsten Punctes des Alleghany-Gebtrges. Der Zug fuhr an den brennenden Trümmern des weggeräumten Güterzuges vorbei un verstärkte alsbald seine Fahrgeschwindigkeit in der Hoff nung, die verlorene Zeit wieder einzuholen. In Altoona erschien der Prinz zum ersten Male in Civil. Das Local-ComttS, das ihn in Uniform suchte, fragte ihn, woPrtnzHeinrichsei. DaSbtnich, erwiderte er. Der Vorfall erregte große Heiterkeit. Die Polizei war nicht im Stande, die Menge vom Zuge zurück zudrängen. Von Altoona ab fuhr der Prinz auf -er Locomotive. Die Gegend ist wildromantisch. N. New Kork, 1. März. (Privatte legramm.) Prinz Heinrich wurde in Cvlu m bns vom Gou verneur des Staates Ohio, Nask, mit fügenden Worten begrüßt: Namens der Bevölkerung danke ich Ihnen für den Besuch unseres Staates. Für die Bevölkerung des großen dcut'chcn Neiches, seinen ausgezeichneten Kaiser, Ihren Bruder, hegen wir wärmste Zuneigung und Freundschaft. Wir hoffen, der Aufenthalt bei uns werde einen vergnügten und glücklichen iPunct in ihrem Leben bilden." Die Ansprache -es Vorsitzenden deS HundcrtercomitSS der Handelskammer von ColumbuS lautet: Namens der Handelskammer und der Bürger ColumbuS heiße ich Sie herzlich willkommen. Bet den Hochrufen erkennt Ihr Ohr zweifellos die Musik der deutschen Sprache. Obwohl die Begrüßung derjenigen, deren Vaterland auch das Ihrige, vielleicht herzlicher und enthusiastischer geklungen hat, nehmen Sie doch die Versicherung, -aß die Bewillkommnung durch alle Be wohner, gleichgtltig welcher Abstammung, die ernsteste und aufrichtigste war. Willkommen Ihretwegen! Will kommen Ihrer illustren Vorfahren wegen! Willkommen Ihres kaiserlichen Bruders wegen! Anläßlich der glück lichen internationalen Bedeutung Ihres Besuches habe ich Ew. Königlichen Hoheit diese Blumen anzubieten, die so geordnet sind, um bei dieser Ge legenheit die entsprechenden Empfindungen auszudrücken, die uralte Freundschaft zwischen dem deut schen Volke und dieser Republik anzuerkennen. Die Blumen drücken die Hoffnung aus, es möge Ihr liebens würdiger Besuch die Freundschaftsbande stärken, es möge immer Friede zwischen uns sein und es mögen die Flaggen nie in feindseliger Haltung flattern! Mögen Sie glück lich heimkchren! Mögen Erinnerungen Ihnen bleiben! Mögen Sie wicdcrkommen! Wir bedauern, daß Ihr Aufenthalt in der Stadt, die den Namen des Ent deckers dieses Wcltthetlcs trägt, diesmal so kurz ist!" Zahl lose Kisten mit Geschenken sind auf dem Bahnhofe von Cincinnati zurückgeblieben, -a grundsätzlich von Privatleuten nichts angenommen wird. 6. Cincinnati, 2. März. (Privattelcgramm.) Zum Empfange des Prinzen Heinrich war der Bahnhof festlich beleuchtet und geschmückt. Eine Platt form war so errichtet, -aß der Prinz dtrect aus dem Wagen darauf treten konnte. Nach der Rede des Bürger meisters trugen die Sänger auf der Plattform deutsche Lieder vor, während das Fahnenbataillon die Fahnen schwenkte. Das Bataillon war gebildet aus den Fahnen trägern aller deutschen und vieler inländischer Vereine. Die Feier, der eine unabsehbare Menschenmenge zusah, dauerte 80 Minuten und war vortrefflich gelungen. 6. Cincinnati, 2. März. (Privattelegram m.) Prinz Heinrich ist in glücklichster Stimmung, die Reise war ein förmlicher Trtumphzug. Der Prinz ist ununterbrochen thätig, beobachtet scharf, erkundigt sich nach allem Möglichen, besonders über die Verhältnisse der Industrie, studirt die Karte und macht fleißig Notizen. Während des Diners, Abends 7 Uhr, war die Fahr geschwindigkeit vermindert. Außerhalb Lenia nahm die Locomotive Wasser ein. Hochrufe bewogen den Prinzen, vom Diner aufzustehen und auf die Plattform hinauSzu- treten. Für die ihm zu Thetl werdenden Huldigungen dankte der Prinz, indem er der Menge mit der Serviette zuwinkte. AdmiralEvans lachte über ein Zeitungs bild, das ihn mit einem Eisblock aus dem Kopfe, die Füße im Wasser, darstellt und unterschrieben ist: „Schon Katzenjammer". Während des Aufenthaltes in Portage zupfte ein geisteo^hwacher Taubstummer mit langem Barte und unstätem Blicke den ihm den Rücken zu drehenden Prinzen am Rockärmel. Der Prinz wandte sich um und blickte -en Aermstcn mitleidig an, als ihn die Detectivs zurückdrängten. In Dennison wurde ein Knabe gegen die Plattform gedrückt und am Finger ver letzt,- der Prinz sprach die Hoffnung aus, daß der Kna^e nicht ernstlich verletzt sei. — Die Ankündigung des Washingtoner Wetterbureaus für März lassen auch auf eine stürmische Heimfahrt des Prinzen schließen. dl. Nashville, 3. März. (Privattelcgramm.) Das Interessanteste bei dem Besuche des Prinzen Heinrich in Lookout Mountain war die Anwesenheit des Generals Boynton, welcher Mitkämpfer in den Schlachten vom September und November 1863 ge wesen ist. Der 70jährtge General erklärte auf der Höhe des Berges die Lage deS gesammtcn Schlachtfeldes, wo schließlich auf beiden Seiten 38 000 Mann tobt oder ver wundet gelegen hatten. Insbesondere schilderte der General die berühmte Schlacht über den Wolken, wo General Grant den Confödertrten unter Bragg eine ent scheidende Niederlage beibrachte. Der Prinz stand wäh rend der Auseinandersetzungen Boynton's mit dem Generaladjutanten Plessen, dicht neben Boynton in der vordersten Reihe gerade an dem Puncte, wo die wtldzer- klüfteten Felsen zum Tennessefluß htnabstürzen und von wo man die gesammte Situation des Schlachtfeldes über blicken kann. Der Prinz folgte dem Vortrage des alten Kriegers mit großem Interesse und gespanntester Auf merksamkeit, stellte verschiedene Fragen und dankte schließ lich dem General mit freundlichem Händedruck. Nach einem Aufenthalte von einer halben Stunde kehrte der Prinz mit dem Gefolge von Lookout Mountain zurück. Auf dem Rückwege wurde der Prinz überall enthusiastisch begrüßt. Auf der Unionstation drängte sich eine große Zuschauermasse, welche dem Prinzen begeistert begrüßte. Dies ist um so bemerkenswerther, als in Chattanooga sehr wenig Deutsche wohnen, nichtsdestoweniger war -er Em pfang äußerst herzlich. Es herrscht ziemlich angenehmes Wetter, der Himmel ist jedoch leicht bewölkt. Gegen Ende deS Vortrages General Boynton'S ging ein leichter vorübergehender Schneeschauer nieder. Der Prinz war auch vom Besuche Nashvilles sehr befriedigt. In In dianapolis wird der Prinz vom Bürgermeister begrüßt. Der Krieg in Südafrika. Die Niederlage Donops bei KlerkSdorp, wo den Boeren ein angeblich leerer Eondoi in die Hände fiel, stellt sich noch schwerer heraus als cS An fangs von englischer Seite zugegeben wurde. Heute erhalten wir folgende Meldung: * London, 3. Mörz. (Telegramm.) Eine weitere Verlustliste über das Gefecht bei KlerkSdorp, die gestern erschienen ist, enthält die Namen von noch 5 gefallenen Osficieren, 45 gefallenen Soldaten und 2 ver wundeten Osficieren. ES sind also, da 120 Mannschaften schon als gefallen gemeldet waren, 165 Mannschaften und 5 Officiere todt, 3 Officiere verwundet, 16 gefangen. Die Zahl der verwundeten Mann schaften wird auch heute noch verschwiegen. Da außerdem noch 451 Mann gefangen genommen wurden, beziffert sich der englische Gesammtverlust auf 640 Mann, womit freilich die Capitulation von über 800 Boeren, die zur Dewet'schen Streitmacht gehörten, umsoweniger wett gemacht ist, als ein solcher Verlust bei der geringen Anzahl der Boeren weit bedenk licher ist, als bei den Hundertlauscnden, die den Engländern noch zur Verfügung stehen. Bei KlerkSdorp hatten es die letzteren höchstwahrscheinlich mit einen Tbeil oder dem Gros der unter dem General Delarey stehenden Boeren im westlichen Transvaal zu thun, und diesem kühnen Führer der TranS- vaaler verdanken die Engländer somit eine neue empfindliche Schlappe. Selbst die „Times" gesteht zu, daß diese „Affaire" höchst beklagenSwerth ist, weil neben der sehr substantiellen Beute der Boeren an Geschützen, Gewehren, Pferden, Muni tion re. auch der moralische Effect eines solchen glänzenden Sieges über die Engländer auf die Boeren ein für ihre Sache sehr günstiger und nachhaltiger sein muß und wird. * Washington, L. März. Die Boerendelegirten Wessels und WolmaranS sind in Begleitung deS früheren amerikanischen TonsulS in Transvaal Montaga White hier «ingetroffen. Sie äußerten sich gegenüber Berichterstattern, daß sie gegenwärtig keinen endgilligen Plan ausgestellt hätten. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. März. Der Etat der Zuckersteucr gab am Sonnabend im Reichstage Gelegenheit zu einer ausführlichen Erörte rung der wahrscheinlichen Ergebnisse der in Brüssel tagenden Zuckerconferenz. Als vorläufiges Re sultat der Debatte ist festzustellen, daß die in Brüssel aller Wahrscheinlichkeit nach zu Stande kommende Convention im Reichstage mit großer Mehrheit genehmigt werden wird. Ganz entschieden sprachen für diese Abmachung, von der sie das Ende der Herrschaft des Zuckercartclls erwarten, sämmtliche Vertreter -er Linken. Die Conser- vativen behielten sich ihre Stellungnahme bis zur näheren Kenntniß des Inhalts der Convention vor und ver langten nur in Uebercinstimmung, mit dem Abgeordneten Paasche, einen langsamen und schrittweisen Uebergang zu den neuen Verhältnissen. Ihr Fracttonsredner Abg. v. Staudy bcurthcilte die Lage weit ruhiger als der Bündler vr. Roesicke, der unter heftigen Ausfällen auf die vor dem Auslande kriechende Reichsregicrung von der Convention den Ruin des deutschen Rübenbaues und der Zuckerindustrie prophezeite, sich hinterher freilich genöthigt sah, einen Jrrthum einzugestehen. Er hatte nämlich den in der Confercnz voraussichtlich zur An nahme gelangenden Zollsatz von 6 Fr. dahin mißver standen, daß in ihm zugleich das Aequivalent für die inländische Zuckersteuer enthalten sein sollte, während er einen reinen Schutzzoll darstellt, der von der Einfuhr über die Zuckersteuer hinaus erhoben wird. In -er Beurthei- lung des Zuckercartclls gingen selbstverständlich die Meinungen weit auseinander. Während der Abg. Engen Richter das Wirken des Cartells ebenso wie das des Spirituscartells einfach als groben Unfug be zeichnete, während Abg. Pachnicke es als den Haupt schuldigen der Ueberproduction hinstellte und der Abg. I)r. Barth cs für die ganze schwierige Lage des Zuckers verantwortlich machte, sahen die Herren von der Rechten, ihren Interessen entsprechend, bet dem Kartell nur Licht seiten. Sehr weit näherte sich ihren Auffassungen der preußische Landwirthschaftsminister v. Podbrebski, der auch für die Convention nur sehr bedingtes Lob übrig hatte, während der Reichsfchatzsekrctär v. Thiel- mann kurz und bündig darlegte, daß für die deutsche Zuckerindustrie durch die bevorstehende internationale Ab machung so viel werde erreicht werden, wie bei der schwierigen Situation überhaupt nur möglich sei. Die Debatte endigte in scharfen persönlich gefärbten Ausein andersetzungen, die sich vermuthlich in erweiterter Auf lage wiederholen werden, wenn die Convention dem Hause zur Beschlußfassung vorliegcn wird. Daß die Zuckerintereßcnten recht trübe in die Zukunft blicken, ist angesichts der Unsicherheit der Entwickelung begreiflich. — Für heute ist eine Tagesordnung angesetzt, die eine Debatte über unsere auswärtige Politik, besonders be züglich Ostasiens, sowie eine Colonialdebattc erwarten läßt. In der „Kreuzzeitung" erhebt der Führer der Conser- vativen deS preußischen Herrenhauses, Graf Mirbach, gegen die Reicksregierung wegen ihrer Stellungnahme gegen den Compromiszantrag Herold einen Vorwurf, wie er schroffer und zugleich ungerecktfertigter von dem Bundes- dircctor vr. Hahn nicht erhoben werden konnte. Er schreibt nämlich in einem längeren, von dem genannten Blatte ver öffentlichten Artikel: „Ich will auch der Frage nicht näher treten, ob die viel um strittene Erklärung deS Grafen PosadowSky zu dem Compromiß- vorschlage der Reichstagscommission als Ultimatum aufzusassen sei oder nicht. Eine boo volo, sic juboo steht den verbündeten Regie rungen dem Reichstage gegenüber nicht zu. Der Reichstag hat un- bestritten daS Recht, an jedem Theil einer Vorlage der verbündeten Regierungen nach seinem Ermessen Slenderungen vorzunehmen. Be schlüsse der verbündeten Regierungen und des Reichstages sind hin sichtlich des Zustandekommens eines Gesetzes vollkommen gleich- werthig. Wenn der eine Factor der Gesetzgebung von vornherein erklärt: „Ich willige in eine Abänderung nicht", so wird man anzunehmen berechtigt sein, daß die Seite, welche diesen Standpunct einnimmt, auf das Zustandekommen der betreffenden Vorlage keinen entscheidenden Werth legt." Auch wir sind der Meinung, daß cS taktisch vielleicht richtiger gewesen wäre, eine bestimmte Regierungserklärung Fettilletsn. 2, Die -rei Freunde. Roman von Robert Misch. Nachdruck verboten. Nach dem Wunsche des Vaters war er Jurist geworden. Aber die trockene Wissenschaft widerte den kunstbegeisterten Jüngling an, dessen Neigungen und Talente zur Malerei immer deutlicher und zwingender zu Tage traten, während die Juristerei immer mehr vernachlässigt wurde. Er hatte zwar die nöthigstcn Kollegien belegt und ließ sich deren Besuch attesttren — -es Vaters wegen, der vorläufig von nichts erfahren durfte: aber er besuchte sie nicht mehr und trat in eine'private Malschule ein. Hier machte er überraschende Fortschritte in der Zeichenkunst, langsamere in der Farbengebung, der eigent lichen Malknnst. Sein Lehrer sagte ihm, baß er wahr scheinlich ein ausgezeichneter Zeichner und Illustrator, aber nur ein mittelmäßiger Maler werden würde, was ihm Bruno natürlich nicht glaubte. Jedenfalls hatte er sich bereits ganz für die Künstler laufbahn entschieden, als sein Vater ihn noch immer in vollster Vorbereitung aus das erste Staatsexamen wähnte. Eines Tages kam, was kommen mußte: die Entdeckung, der große Krach. Als das sechste Semester beinahe verstrichen war, und Bruno auf dringliche Anfragen des bürgermetsterltchen Vaters, wann er nun ins Examen steigen würbe, mit allerlei Ausreden antwortete, kam dieser eine- Tages ganz unerwartet nach München und entdeckte natürlich die ganze Bescheerung. Der Alte raste und tobte, drohte mit Verstoßung und Enterbung,' er würde den ungerathenen Sohn feinem Schicksal überlassen, wenn er nicht augenblicklich seine werthlose Kunst aufgäbe. Die anaedrohte Enterbung'ließ Bruno sehr kalt, denn damit hatte eS noch gute Wege. Aber die Verstoßung und Entziehung deS Brotkorbes ging ihm schon näher. Dennoch, vor die Wahl gestellt, der geliebten Kunst für immer z» entsagen und sich tn zwei weiteren Semestern die vom Staat verlangten Kenntnisse durch den „Ein» pauker" anzuetgncn oder die Unterstützung des BaterS cndgiltig zu verlieren, entschied er sich nach kurzer Bedenk zeit für da- Letztere. Der Freund, der ihm rathen sollte, sagte ihm: „Lieber Sohn, solche Conflicte muß man mit sich selbst auskämpfen. Mein Beispiel braucht Dir nicht maßgebend zu sein. Ich habe mir freilich nicht einen Bcriü auf zwingen lassen, zu -cm Neigung und Begabung mich nicht bestimmt haben. Aber unsere Naturen sind verschieden. Nicht jeder hat die Kraft, den Lebenskampf alletn, ohne Hilfe aufzunehmen; nicht jeder empfindet den Zwang so stark, und nicht jeder kann den bekannten Bibelspruch dahin variiren: „Du sollst Vater und Mutter verlassen und dem Berufe folgen, zu dem Gott Dich bestimmt hat." — Folge der Stimme Deines Inneren, die die stärkere ist — daS ist mein Rath." So erfolgte denn die Trennung nach einer heftigen Aussprache. Der Vater verweigerte in einem kurzen, harten Briefe jede wettere Unterstützung, wofern sich der Sohn nicht bald eines Besseren besänne. Dke Künstler, so hätte er immer gehört, seien Hungerleider. Seit Gene rationen, so wett man zurückdenken könne, seien die Bretttnger'S Beamte ober ehrsame Kaufleute und Hand werker gewesen. Wenn Bruno hiervon eine Ausnahme machen wolle, solle er cS auf seine eigene Gefahr thun. Er, -er Bürgermeister von Rohrbach, hätte von nun an keinen Sohn mehr; dieser eristtre einfach nicht mehr für ihn. Wer aber der Verführer sei, das wisse er wohl; jener Mensch, der seine Wohltyäter mit Undank belohnt, der verkommene Bcttelstudent, der sicher noch einmal ein ebenso schlechtes Ende nehmen würde, wie Bruno selbst, wenn er nicht um kehrte. Folgte das vierte Gebot und eine Drohung mit allen Himmels» und Höllenstrafcn. Bruno ließ sich das mit der Unbekümmertheit seiner Jahre und seines leichten Temperament» nicht anfechten. Der Alte würde schon wieder aut werden, wenn er erst später die Erfolge sähe. Und sein Leben, daS könne er durch Jllustrtren, Plakatentwürfe und dergleichen fristen. So geschah eß auch; und er fand für feine Zeichnungen und Karrikaturra willige Abnehmer, die zuweilen sogar glänzend zahlten, wenn er einen besonder» gute« Einfall hatte, oder sich besondere Mühe damit gab. Da» that er aber nur ausnahmsweise, wenn ihm das Messer der Noth schon an der Kevl« saß. Bruno hatte einen höheren Ehr- aeiz, er wollte «in großer Maler werden. Und da gab r» so viel zu lernen und stndtren, daß «r solche „inferiore" Brodarbett nur ungern annahm. Außerdem war da» Leben so schön, daß er da» btSchen Zett, welche» i-ut seine malerische AuZbtlöusr übrig ließ, besser verwert he« konnte, als Zeichenstift oder Radiernadel in die Hand zu nehmen. Als seine Studienzeit beendet war, folgte er dem Freunde nach Berlin, wo sie gemeinschaftlich zu Hausen be gannen. Drittes Capttel. Es klopfte ziemlich heftig an der Fluthür, die in Micglitz' Bude führte. Der Sänger, der eben die letzte Hand an seine Toilette legte, gleichzeitig aber denSpiritns- kocher beaufsichtigte, rief mit seiner machtvollen Baß stimme: „Herein!" Auf dies Zeichen trat ein großer, bärtiger Mann ins Zimmer, der ein Aetcnpapier aus seiner Mappe zog, das er -cm überraschten Sänger präscn- tirte, sich zugleich als der Gerichtsvollzieher vorstellcnd, der in Sachen „Kuhlenkamp contra Micglitz" eine kleine Forderung von 67 Mark 35 Pfennig (inclusive Kosten) zu erheben gekommen sei. „Was denn? Der Kerl hat mich wirklich verklagt?" rief der Sänger mit ungehcucheltcm Erstaunen. Der Beamte musterte ihn mißtrauisch. Dergleichen Kniffe und Redensarten prallten an seinem erfahrenen Männcrbusen ab. „Das werden Sie wohl wissen. . . Sie haben ja die Zustellung bekommen." „Mein lieber Herr, ich bekomme so viele Zustellungen, Einladungen zum Singen und zum Zahlen — ich bin aber mehr Sänger als Zahler —, daß ich mich wirklich nicht um jede einzelne kümmern kann. Wenn ich Sic recht ver standen habe, verehrter Herr, so wollen Sie das Geld von mir haben." „Ja, dadrum wollte ich Sic höflichst gebeten haben", erwiderte der Beamte lachend. VH, er kannte diese verrückten Kerle von Künstlern au» dem ff! Zahlen konnten sie ja gewöhnlich nicht, und zu holen war auch nicht vtel bei ihnen. Aber sic machten ihm auch fast nie Unannehmlichkeiten, nahmen die Sache mit Humor auf, so daß gewöhnlich auf beiden Setten eine gemüthltche Stimmung herrschte. So schien es ja auch hier zu sein. Jetzt fing der verrückte Kerl gar zu singen an: „Ja, da» Gold ist nur Chimäre . . . ." „Warten Sie einen Moment, lieber Freund!" unter brach cr selbst die mit markiger Wucht herauSgeschleubcrte Arte. „Ich glaube, ich kann Sie ausnahmsweise bezahlen . . . Ich muß da irgendwann von irgendwem Gel- er halten haben, das irgendwo tn einem Winkel steckt. Das können Sie kriegen — wenn ich's finde. Denn wißen Sie, mir ist es ganz egal, wer von meinen Gläubigern cs be kommt. Sie müssen wißen, ich habe nämlich ziemlich viele Gläubiger, und von Ihren Collcgcn kenne ich auch ver schiedene." „Hahaha, das glaube ich", lachte der Mann des Ge setzes. Und cr lachte so herzlich, daß cr sich wahrhaftig nieder setzen mußte. Das war doch einmal eine fidele Pfändung, wie cr sic nicht alle Tage vornahm. Der verrückte Kerl von einem Sänger war aber auch zu komisch, wie er suchend in seinen Taschen herumkrabbcltc, dann in seinem Schreibtisch, in seiner Brieftasche, in allen Ecken des Zimmers nach dem Geld suchte und dazwischen immer wieder mit dröhnender Stimme schmetterte, daß die Wände zitterten: „Ach, das Gold, das Gold ist nur Chimäre ... ja, ja, Chimäre." Freilich, neben allem Amüsement ließ cr ihn nicht aus dem Auge. Wenn der Sänger glaubte, cr könne irgend etwas vor ihm verstecken oder ihm sonst ein L für ein U vormachen, dann irrte cr sich gründlich. Den Gerichtsvoll zieher Becker hatte noch nie jemand hintcrs Licht geführt. Beim ersten Ton der „Gold- und Chimärcnarie", der aus des Sängers Zimmer drangt hatten Franz und Bruno die Ohren gespitzt. „Der Gerichtsvollzieher", flüsterte Franz. „Der Gerichtsvollzieher", flüsterte Bruno. Es war das verabredete Signal. Mit «nhörbarcn Katzcnschrittcn öffneten sie leise die Thür, die in den, -um Glück vorn geschloßenen Klciderschrank führte. Unhör bar und schnell, wie zwei gewandte Diebe, trugen sie die darin hängende, ziemlich umfangreiche und gediegene Garderobe und Wäsche, ihr gemeinschaftliches Etgenthum, aus -cm Schrank in tlir Zimmer herein, eine alte, defecte Sommerhose, ein zerrissenes Nachthemd und einige dito Strümpfe wie zum Hohne darin zurücktassend. Und wäh rend die mächtige Baßstimme auch das leiseste Geräusch übertönte, schoben sic geschickt — man merkte, daß eS nicht zum erstenmale geschah — die Hinterwand wieder zu sammen und schlossen die dahinter befindliche Zimmcrthür mit dem Riegel ab. Dann schlüpfte Franz schnell in seinen alten Schlafrock und ging über den Flur in Micglitz' Zimmer, das cr durch die offtcielle Thür betrat. „Du, Micglitz, hast Du nicht 'ne Eigarre?" rief er harmlos. „Sch, Du hast Besuch?"
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