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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.03.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020312029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902031202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902031202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-03
- Tag1902-03-12
- Monat1902-03
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reclainen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familienuack)- richteu (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Zissernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung -XL 60.—, mit Postbesürderung ./L 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Mittwoch den 12. März 1902. 98. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Die Niederlage -er Engländer bei Lichtenburg erscheint nach Len neueren Nachrichten noch schwerer, als nach Len ersten Mittheilungen von britischer Seite anzunehmen war. Ein Drahtbericht meldet der „Tägl. Rundsch.": Aus der Umgebung Krüger's kommende zuverlässige Nachrichten versichern, daß laut etngegangenen tele graphischen Meldungen die Verlustziffer auf englischer Seite bedeutend höher sei, als wie im Unterhause an gegeben wurde. Angeblich fand noch ein zweites Gefecht statt, über dessen Verlauf Einzelheiten noch nicht eingetroffen sind, das aber gleichfalls zu Gunsten der Boeren entschieden wurde. (Siehe unten. D. Red.) Die Boerendelegation erklärte, diese neueren Meldungen seien eine treffliche Illustration zu den regelrecht auftanchenden englischen Ver sicherungen, als wenn die kämpfenden Boerengencrale den Frieden nachsuchten. Bor Wochen seien bereits ent scheidende Schläge in Aussicht gestellt. Für die nächsten Tage ständen weitere Treffen in Aussicht. Delarey ließ mittheilen, daß er Methuen als Geisel für die FreilassungKruitzinger'szurückbehalten werde. Der Schauplatz dieser neuesten englischen Niederlage liegt im westlichen Transvaal, östlich von der Eisen bahnlinie Vryburg-Mafeking, an welcher sich auch die Orte Mari bogo und Kraaipan befinden, wohin sich ein Theil -er geschlagenen Truppen Lord Methuen's hatte retten können. Die ganze längs der Westgrenze Transvaals hinziehende Eisenbahnlinie ist mit Blockhäusern besetzt, von Kroonstad (an der Eisen bahn Bloemfontein-Pretoria) ist eine Blockhauslinic über Klerksdorp und Ventersdorp nach Tafclkop gebaut und das zwischen Ventersdorp und Mafcking liegende Lichtenburg, wohin Lord Mcthucn ziehen wollte, ist — nach englischen Angaben — beständig von britischen Truppen besetzt. In diesem Gebiete nun ist eine min destens 1300 Mann starke englische Truppe mit 5 Ge schützen unter persönlicher Führung des Generals Lord Methuen von 1500 Boeren mit 2 Geschützen angegriffen, gefangen oder zersprengt worden. Die sonst bei den Engländern übliche Erklärung für eine Niederlage, näm lich daß die Boeren eine überwältigende Mehrheit gehabt Hütten, trifft also diesmal nicht zu, und daß die Maul- thiere wieder einmal durchgegangen sind, kann doch allein nicht als eine genügende Erklärung für die Niederlage angesehen werden. Es hat offenbar wieder an allen militärischen VoHichtsmaßregeln gefehlt. Eine solche Ge legenheit läßt sich ein Boerengencral wie Delarey nicht entgehen, und die Ansicht Lord Kitchcncr's, daß es sich wahrscheinlich um eine Diversion zn Gunsten De Wet's handele, ist etwas weit hergeholt, wenn die Niederlage Lord Methuen'S auch die Folge haben mag, daß Lord Kitchcner so viele Truppen aus dem östlichen Transvaal nach dem westlichen werfen muß, um Louis Botha und De Wet die Reorganisation ihrer Streitkräfte zu er leichtern. Politische Folgen mag die Niederlage Lord Methuen's insofern haben, als sie die Boeren in ihrem Widerstande bestärkt und ihnen neuen Zuzug aus der Eapcolonie verschafft. An eine Beendigung der Feind seligkeiten ist jetzt wohl um so weniger zu denken, als der Winter in Südafrika vor der Thür steht und in Folge dessen die Operationen der Engländer in den nächsten Monaten eingeschränkt werden dürften. Das macht es denn auch den Boeren wieder leichter, ihre Streitkräfte zu sammeln und zu vermehren. Der Wunsch des Königs Eduard, noch vor seiner Krönung im Juni den blutigen Krieg in Südafrika beendet zn sehen, könnte daher nur in Erfüllung gehen, wenn England den Boeren ver ständige Zugeständnisse macht. Delarey hat in den letzten Wochen sich als so kühner Bvlksheld gezeigt, daß sein Ruhm sich jetzt dem De Wet's und Botha's nähert) er galt allerdings immer schon als einer der tüchtigsten Boerengencrale. Im vorigen Jahre schlug er die Engländer am 20. Februar und dann wieder am 25. März bei Hartbeestfvntein, über fiel im Mai den General Dixou bei Vlakfontein, welche Ueberraschung den Engländern gegen 200 Mann an Todten und Verwundeten kostete, erbeutete im September in unmittelbarster Nähe Pretorias eine britische Batterie und griff im selben Monat das Lager des Obersten Kekevich bei Woodvill an. Oberst Kekevich geschlagen. 0. N. Die Colonne des Obersten Kekevich, der be- bekanntlich nach der Niederlage der von Donop'schen Colonne bei Elandslaagte-Klerksdorp in der Verfolgung -es Delarey'schen Cvmmaudos von Venterödvrp aus mit Lord Methuen und Grecnfell zusammenwirken sollte, ist nach verlustreichen Gefechten bei Hartebecst- fontein (26 Kilometer nordwestlich Transvaal) und bei Doorn la agte (60 Kilometer nordwestlich von Klerksdorp und 40 Kilometer östlich von Tweebosch, wo Lord Methuen sein Geschick ereilt hat) von einem Com- mando Delarey's am 4. März zersprengt worden. Dar aus erklärt sich auch, warum er Methuen nicht zu Hilfe kommen konnte. * London, 11. März. Wie das Kricgsamt berichtigend bekannt giebt, befand sich Methuen, als er von den Boeren angegriffen wurde, nicht auf dem Marsche von Wynburg nach Lichtenburg, sondern auf dem Marsche von Vryburg nach Lichtenburg. * London, 11. März. (Unterhaus.) Lambert fragt an, ob die Regierung beabsichtige, in Folge der Niederlage Lord Methuen's neue Verstär kungen nach Südafrika zu schicken. Kriegsminister Brodrick erwidert, Kitchcner erhalte immer noch Ver stärkungen) 6000 Mann Aeomanry würden sich im Laufe des nächsten Monats einschiffcn, bedeutende Abtheilungen von Infanterie nnd Caval- lerie seien gleichfalls bereit, abzugchen. Kitchcner werde jede Verstärkung erhalten, die er verlange, er, Redner, glaube indeß nicht, daß außer den bereits in Aussicht genommenen Verstärkungen noch andere noth- wendig sein würden. (Genützt haben sie bisher alle- sammt nichts. D. Red.) * Washington, 11. März. Die Bocrendclcgirten Wessels und WolmoranS statteten dem Präsi denten Roosevelt einen Abschiedsbesuch ab. Sie werden Chicago und andere Städte besuchen und sich etwa am 20. März wieder einschiffcn. * Eapstadt, 8. März. Cecil Rhodes befindet sich krank in Muizcnbcrg, einer an der See liegenden Vorstadt von Capftadt. Er fühlt sich besser als in den beiden letzten Tagen, doch verlangen die Reizte absolute Ruhe. Sein Herzleiden macht ihm schon seit zwei Jahren viel zu schaffen und eine Verschlimmerung des selben soll durch die jüngste Hitze hervorgerufen worden sein. Prinz Heinrich in Amerika. * New Bork, 11. März. Das Abschicdsmahl an Bord der „Deutschland" war um IV2 Uhr Nachmittags beendet. Am Schlüsse desselben steckte Prinz Heinrich eine American Beauty-Rose an, wobei er bemerkte: Dies ist das Abzeichen, welches ich während meiner ganzen Reise bewundert habe. Jeder der Gäste steckte dann ebenfalls eine solche Rose an die Brust. Alsdann nahmen die Ver treter des Präsidenten Roosevelt von dem Prinzen Ab schied. Admiral Evans schüttelte dem Prinzen die Hand und sagte: „Ich habe Prinz Heinrich und meinen Brüdern von der deutschen Flotte nur Folgendes zu sagen: Wir freuen uns, daß Sie gekommen sind, wir bedauern, daß Sie fortgehen und wir hoffen, daß Sie wie der- k vmmc n. Es macht mir große Freude alsVer - treterdcramerikanischenFlvtte.dieHand der Freundschaft zu ergreifen, welche Sie so gütig über den Atlantischen Ocean her über« us st reckte n." Generalmajor C 0 rbin sagte: „Die Erinnerung an diese Reise wird für immer in mir wohnen." Unterstaatssekrctür Hill sagte zum Prinzen Heinrich: „Die Erinnerung an Ihren Besuch wird stets in unserem Herzen und in den Herzen des amerikanischen Volkes fortleben." Darauf wurde eine photogra phische Aufnahme gemacht, die den Prinzen, um geben von seinem Gefolge, zusammen mit den Vertretern des Präsidenten Roosevelt zeigt. Um 2 Uhr sandte der Prinz ein Abschiedstelegramm au den Präsidenten Roose velt. Von Deck der „Prinzessin Victoria Louise", die neben der „Deutschland" lag, tönte Gesang herüber, den die „Bereinigten Sänger des Hudson-County" anftiimntcn. Der Mayor von New Bork Sette Low entbot dem Prinzen den Abschiedsgruß der Stadt. Darauf ersuchte ihn Prinz Heinrich, den New Borgern folgende Botschaft zu über bringen: „Ich danke den New Borkern für alle Freund lichkeit, welche ich tief zn würdigen weiß. Wenn ich nach Amerika zurückkehren sollte, werde ich, sobald ich New Bork erreiche, das Gefühl haben, daß ich auf s Neue daheim bin." * Hoboken, 11. März. Der Dampfer der Hamburg- Amcrika-Linie „Deutschland" mit dem Prinzen Heinrich an Bord ist um 3 Uhr 30 Min. Nachmittags von hier abgegangen. Ein Sängerchvr von Hoboken stimmte bei der Abfahrt den „Gruß an die Heimath" an. Der Hafen mar prächtig geschmückt. Die „Hohenzollern" war bereits um 2 Uhr nach Sandy Hook «-gegangen, um dort die „Deutschland" zu erwarten. N. New Bork, 11. März. (P r i v a t t e l c g r a m m.) Tausende erwarteten auf Fähren des Hudsonflusses, auf der in der Nähe der „Deutschland" liegenden „Victoria Louise" und in der ganzen Umgebung der Docks der Ham- burg-Nmcrika-Linie die Abfahrt der „Deutschland". So oft Prinz Heinrich auf der Commandobrllcke sichtbar wurde, erschollen begeisterte Zurufe. Von der Beendigung des Frühstücks ab, wo der Prinz sich von den zurück bleibenden Herren verabschiedete, hielt er sich zumeist oben auf, die Vorbereitungen zur Abfahrt verfolgend. Als gegen drei Uhr die „Hohenzollern" auf der Ausfahrt mit dem Heimathswimpcl am Hauptmast vorbeikam, jubelten ihr die Massen zu. Auch der Prinz grüßte. In herrlichstem Sonnenscheine umringten zahlreiche Führen, Schlepper und andere kleine Fahrzeuge die „Deutschland" bei ihrer Ausfahrt, so daß es schwierig war, freie Fahrt zu be kommen. Endlich, gegen ^4 Uhr, erscholl die Absahrts- pfcife) Hunderte von Sirenen erwiderten heulend, und langsam, von einem Schlepper gezogen, ging die „Deutsch land" vorwärts, immer aufs Neue von begeisterten Zu schauern begrüßt. Prinz Heinrich stand hoch oben auf der Brücke, die Mütze schwenkend und immer wieder grüßend, so lange er in Gesichtsweite war. Gegen 4 Uhr erscholl der Salut von Governors Island, die Ausfahrt in die New Bvrker Bucht anzeigend. Viele kleine Zwischenfälle und Bemerkungen aus dem Volke bezeugten bei Gelegen heit die herzliche Zuneigung aller Classen der Bevölkerung und die sympathische Würdigung des Besuches des Prinzen. N. New Bork, 11. März. (Privattelegramm.) Der Abfahrtstag des Prinzen war ein sonniger, heiterer Frühlingstag. Die Nachbarschaft der Hobokener Docks, die Ufer und Anhöhen waren von Mcnschenmassen dicht be setzt, die dem Prinzen glückliche Reise und „Auf Wieder sehen!" zuriefen. Im Auftrage des Prinzen empfing der Hofmarschall v. Seckendorfs vierzig Abgeordnete der Briefträger und nahm ein Relicfbtldniß des Märtyrerpräsidcntcn Lincoln entgegen und versprach als Gegengeschenk ein Bildniß -es Prinzen mit Autograph. Die Abfahrt der „Deutschland" verzögerte sich eine Viertelstunde, Passagiere, Freunde und Bekannte der selben drängten herzu, um den Prinzen zu sehen. Bei der Abfahrt ertönten brausende Hurrahrufc, die Sirenen aller Schiffe erschollen und die Forts „Wadsworth" nnd „Ha milton" feuerten Salut, worauf die Sirene der „Deutsch land" antwortete. Die Garnison des Forts „Wadsworth". stand auf einem Hügel in Parade. Der Prinz befand sich, bis die „Deutschland" den Ocean erreichte, auf der Brücke und erwiderte von dort die Abschiedsgrüße. * New Bork, 11. März. Die Abschiedsrede des Prinzen Heinrich in Philadelphia wird von allen Seiten sehr freundlich besprochen. Biele Blätter über schreiben ihre Berichte mit den Worten -es Prinzen: „Laßt uns versuchen, Freunde zu sein." Alle Zeitungen bringen äußerst warme Abschiedsgrüße. „N e w Bork Times" schreiben: Es giebt keinen Amerikaner, der dem Prinzen während seines kurzen, aber ercigniß- reichen Aufenthaltes in diesem Lande begegnet oder nicht begegnet ist, welcher nicht bereit märe, zuzugeben, daß es ein g l ü ck l i ch e r G e d a n k e seines kaiserlichen Bruders war, ihn hierher zu senden, ohne daß der geringste Grund vorläge, anzunchmen, daß er irgendwelche andere Mission hatte, als diejenige, sich seinen Wirthen angenehm zu machen und ihre freundschaftliche Gesinnung für eine Nation zu gewinnen, deren so liebenswürdiger Vertreter er ist. Die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland sind aus gesprochen besser seit dem Besuche des Prinzen Heinrich, der somit der herzlichen und guten Wünsche, welche das amerikanische Volk seinem scheidenden Gaste mit auf die Reise giebt, im höchsten Maße würdig ist. — „S u u" schätzt den Tact des Prinzen, sein feines Berständ- niß, seine Würdigung des amerikanischen Sinnes für gute Kameradschaft und der Wunsch, zu erfreuen und erfreut zu werden, hätten ihm die allgemeine Achtung und Liebe er worben. „Ein Lebewohl dem guten Kame raden!" Fauilletvn. 10) Die drei Freunde. Noma» von Robert Misch. Nachdruck vcrbotkn. Der vfsiciclle Verkehr zwischen den beiden Familien beschränkte sich freilich nur auf einige Höflichkeitsbesuche. Alter und Lcbensanschauungcn der Familienhäupter seien zu verschieden, meinte der Herr Oberlehrer, der die „Schmach" der Hochzeitlicken Fackelbegleitung und des „öffentlichen" Unfugs nebst Bolksauflauf nicht vergessen konnte. Aber die jungen Mädchen verkehrten nach wie vor mit Paula, bis sie plötzlich gen Osten entschwanden. Eva lernte einen jungen Königsberger Professor kennen nnd heirathete ihn. Klärchen machte ihr das bei einem Besuche in der Prcgelstadt nach und nahm einen wohl habenden Kaufmann von dort. Schließlich siedelte auch Herr Rennebohm selbst, dem seine Schwiegersöhne eine gute Anstellung verschafften, mit den Seinen dorthin über. Ein anfangs recht lebhafter Briefwechsel zwischen Königsberg und Charlottenburg schlief bald ein, wie cs bet allen solchen Briefwechseln der Fall ist. Im Ganzen waren sic ja auch recht glücklich. Bruno war ein guter Vater und Gatte; er liebte Paula zärtlich und suchte ihr jeden Wunsch nach Möglichkeit zu erfüllen. Aber die bekannten „Wölkchen" am Himmel ihrer Ehe fehlten nicht und schienen sogar langsam zu wachsen. Sic hielten sich so gerade über Wasser, frei von allzu großen Schulden und Sorgen; doch wollten weder Ruhm noch Wohlstand zunehmen. Als Zeichner hatte er sick > einen gewissen Namen gemacht; man nahm ihm seine Arbeiten willig ab und bezahlte sie anständig. Davon lebten sie eben, nicht allzu glänzend, da er stets nur wider willig zum Zeichenstifte griff. Paula s Hausfrauen eigenschaften verbreiteten jedoch einen Schimmer von Be haglichkeit und Wohlhabenheit über das Heim. Bruno s zu Zetten immer wieder hervorbrechende Zigeuner- und Verschwcnbernatur erschwerte ihr daö freilich. Als Maler hatte er trotz aller Anstrengungen nicht sehr große Erfolge erzielt in diesen fünf Jahren. Seine „Nymphenjagd" war zwar zur Kunstausstellung zugclassen worben, aber hatte nicht dieselbe veachtung gefunden, wie sein erstes Bild, die „Zigeuncrrast". War das Motiv zu gewagt, das Format zu groß: verkauft wurde eS nicht. Einige Kunstreferate thatcn es mit zwei verächtlichen Zeilen: „zweifelhafte Lichtexperimcnte, unverdaute Böcklin-Nachahmung" ab. Nach beendeter Ausstellung wanderte es wieder in sein Atelier zurück. Nachdem er cs noch einige Male an Kunsthändler und auf Ausstellungen verschickt und immer wieder zurückbe- kommcn hatte, zierte es nun endgiltig seinen „Salon", worüber sick Paula im Hinblick auf das freie Sujet stets ein wenig schämte. Zum Glück hatten sic ja weiter keinen Verkehr, als mit einigen jungen Künstlern, die keinen Anstoß nahmen an den so gänzlich unbekleideten Damen und dem kecken Motiv. Ein zweiter, in kleineren Dimensionen gehaltener Ver such mit einer „großen Maschine" lief ähnlich ab. Einige Porträtaufträge hatte er ja nach seinem ersten Erfolge bekommen, aber das langweilte ihn und wurde auch schlecht bezahlt, da die Leute kein Geld hatten. Und die Geld dafür anlegcn konnten, gingen zu den bekannten Mode malern. Die Anderen ließen sich eben photographiren. Bekanntschaften und Protection, die solche Aufträge verschaffen, hatte nnd suchte er nicht. Allo hörte auch das allmählich wieder auf. Dann malte er einige Gcnre- scenen im damaligen Anckdotengeschmack mit Atelier beleuchtung für den Knnsthandel und den Verkauf. Aber da er keinen großen Namen hatte, brachten sic ihm nur mäßigen Ertrag. Und künstlerische Freude hatte er auch nicht daran. Da illustrirte er denn doch lieber. Das war ehrlichere Kunst, ging leichter und schneller von der Hand und brachte mehr Geld ein. Hier nnd da bekam er noch einen Auftrag von seinem alten Freunde Rosenthal, dem Antiquitätenhändler, der ihn jetzt besser entlohnte, als früher. Bruno schämte sich zwar, lehnte anfangs immer ab, führte aber, da er das ttteld meistens gerade sehr nöthig hatte, den Auftrag zu letzt doch immer wieder aus. — Wenn er sick auch nichts merken ließ — nur Paula gegenüber verrieth er manchmal seine Enttäuschung —, innerlich brannte die Wunde seines unbefriedigten Ehr geizes heiß nnd schmerzlich. Daö nagte und fraß an ihm und ließ ihm keine Ruhe bei Tag und Nacht. Uno wenn dies brennende Gefühl gar zn heftig wurde, dann betäubte er eS mit den alten Zigcunerfreunben. Biele Wochen arbeitete er wie ein Wahnsinniger und verließ daö HanS fast gar nicht, dann rührte er aber oft Tage und Wochen lang keinen Pinsel und Stift mehr an. Dann trieb er sich am Tage in den Cafös, Nachts in den Kneipen nmhcr und er ließ sich weder durch Paula's Bitten noch durch ihre Thräucn davon abhalten, bis er erschöpft zusammenbrach. So untergrub er langsam seine zarte Gesundheit. Es hätte eines cisenfestcn Körpers bedurft, solchen Extra- vacanzen, harten Lebenskämpfen und Enttäuschungen zu widerstehen. Nur Paula's und Leue's aufopfernde Pfcge brachte ihn nach solchen Krisen wieder auf die Beine. Zu letzt schickte ihn der Arzt, da die Mittel für Italien nicht reichten, nach Görbersdorf in Schlesien, von wo er auch ziemlich gekräftigt, aber des Arbeitens völlig entwöhnt, zurückkchrte. Als ob er cs ahnte, daß seine Lebenszeit nur noch eine kurz bemessene sei, daß er sie auskosten und den Becher der Freude bis zum letzten Tropfen leeren müsse, ehe das große Schweigen kam, so richtete er jetzt sein Dasein ein. Mahnten ihn Paula und Franz zur Schonung der zarten Gesundheit, so rief er scheltend: „Einen Todtkrankcn, einen Spitalbruder wollen sie aus mir machen. Den Gefallen thue ich Euch nicht. -- Ich fühle eine Kraft in mir, etncLebenskraft wie nie zuvor. Ich bin jung. — Ich will mein Leben genießen." Und forderte ihn Paula auf, ein neues, großes Bild anzufangcn — sie that eS, um ihm neuen Arbeitsmuth zu geben, ihn wieder ans Haus zu fesseln — so gab er ihr lachend zur Antwort: „Wozu ? ES nimmt's ja doch keiner. Zu leben haben wir ja ... so viel verdiene ich ja mit dem Zeichcnstift . . . Die großen Pläne habe ich aufgcsteckt . . . eS nützt ja doch nichts. Wozu also das Streben?" * » Paula geht unruhig in -cm kleinen gemüthlichen Eßzimmer umher. Gleich nach dem Mittagessen ist Bruno aufgcbrochen; er ginge ciu wenig ins Cafü. Sic weiß, was dies „wenig" zu bedeuten hat, daß er erst spät in der Nackt, aufgeregt und fiebernd, nach Hause kommt. Auch heute hat sie ihn zurückhalten wollen, aber er hat sie kurz abgefertigt: „Was soll ich zu Hause? Ich brauche Anregung." Damit ist cr gegangen. Warum nur gerade heute diese fieberhafte Augst, die sie gepackt hat und nicht aus ihrem Banne läßt?! Es ist März — Vorfrühling. Die Bäume haben bereits dicke, bräunlich schwellende Knospen angesctzt, die sich jeden Tag öffnen können. Durch die Fenster flnthet ein Strom weicher, milder Luft und tönt das Geräusch des Straßcn- lebcus ins Zimmer, Lachen und Jauchzen spielender Kinder, hier und da das Rasseln eines Wagens. Ihre eigenen Kinder hat sic bereits zu Bett gebracht. Sie schlafen noch nicht, sic hört sic »och kichern und schwatzen in ihren Betten. Allmählich, je mehr sich die Schatten des Abends hcrnicdersenken und den letzten rothcn Schein am Himmel verdrängen, wird cs still ans der Straße und im Kinderzimmcr. Sie lauscht hinein auf die Athemzüge der sanft Schlummernden. Nur ihr eigenes Herz hört sie klopfen — stürmisch, unregelmäßig. Diese Angst, diese furchtbare Angst, die cs znsammeupreßt! — Was fürchtet sie denn? Hat sie nicht erst neulich wieder den alten Doctor aufs Gewissen ausgcfragt? Hat cr nicht zur Antwort gegeben: „Görbersdorf hat ihm sehr gut gcthan — freilich halten muß cr sich. — Wenn cr sich hält, ist eine Gefahr für die nächsten Jahre nicht zu fürchten. Es kann bei guter Pflege Alles noch gut werden." An Pflege läßt sic cs wohl nicht fehlen, aber — mein Gott, wenn sic wüßte, wo er wäre, würde sie ihm Nacheilen, ihn holen. Da sitzt cr nun in irgend einer rauchige» Kneipe, trinkt schlechtes Bier, singt, raucht, spielt Karten oder schwatzt unermüdlich, athmet den heißen Dunst lin den dicken Tabaksqualm ein, erhitzt sich und geht dann zuletzt in die kühle Nachtlnft hinaus. Alles das ist Gift für seine kranken Lnngcn. Warum sitzt cr nicht bei ihr und läßt sich etwas von ihr vorlesen wie früher, wo cr an seiner Zeichnung strichelte oder behaglich ausgcstrcckt auf dem Sopha ruhte? Wenn cr Gesellschaft haben will, warum sucht er sie außer halb? Sie ist ja bereit, sie ihm ciuzuladcn. Und Franz kommt ja so fast jeden zweiten Abend. Aber das ist ihm alles zu still, der Freund ist ihm zu ernst geworden; der predigt zu viel „Moral", er sagt ihm zu oft, daß Bruno an seine Gesundheit, an seine Frau und Kinder denken solle, daß man streben und schaffen müsse, so lange und so weit Einen die Flügel tragen, unbekümmert um Lohn und Anerkennung. Denn eine strenge Göttin, die Opfer und mühevollen Dienst und unausgesetzte Anbetung verlange, sei die Kunst. Und wer sich ihr nicht ganz allein
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