Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.03.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020305022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902030502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902030502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-03
- Tag1902-03-05
- Monat1902-03
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
1624 doch so viel Einfluß, daß er bei dem einen wie bei dem andern als dessen rechte Hand galt. Nur unter dem Grasen Zedlitz wurde er sür kurze Zeit etwas in den Hintergrund gedrängt." AuS dieser Auslassung gebt klar hervor, wie der Nach folger des Herrn vr. Kügler beschaffen sein muß, wenn er dir Gunst der Ultramontanen verdienen soll. Das Blatt gestattet sich aber auch, einen ziemlich unverblümten Vorschlag bezüglich der Person des Nachfolgers zu machen: „Man nennt un- unter Anderem den Namen eine- Regie rungspräsidenten, der früher einmal als Ministerialrath den» CultuSministerinm angrhört hat und dessen Großvater al« Philosoph in der Geschichte der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts einen bekannten Namen hatte." Auffälliger Weise ist der so bezeichnete Candidat — Re gierungspräsident Hegel — derselbe, der auch der „Nat.-Ztg." und der „Tägl. Nundsch." als voraussichtlicher Nachfolger Kügler'S bezeichnet wird, ein Mann der politischen und kirch lichen äußersten Rechten. Sollte der jetzige preußische Minister präsident wirklich gerade diesen Mann auSerwählt haben, um der Welt zu zeigen, wie der „innere Bülow" aussieht und daß dieser in der That der Meinung ist, Preußen werde noch lange nicht klerikal genug regiert? Ueber eine russisch-polnische Gtzmnasiastenbewrgung wird der „Schief. Ztg." aus Warschau, 3. März, geschrieben: Außer den Studentenunruben, deren socialistisch-revo- lutionärer Charakter immer offenbarer wird und die an Umfang alle früheren gleichartigen Unruhen bei Weitem Übertreffen, macht im russischen Westgebiete die Gym- nasiaftrnbewegung den Behörden immer mehr zu schaffen. Bald hier, bald dort kommt es zu De monstrationen, die zwar meist einen mehr oder minder kindischen Charakter tragen, aber doch im gegenwär tigen Augenblick die Lage der Regierung beträchtlich er schweren. Es handelt sich auch bei den Unruhen in den Mittelschulen um eine wohlorganisirte Bewegung; sicherlich spinnen sich von dieser auch Fäden zu den Studentenführern und den Leitern der polnisch-demokratischen Partei. Dena hervorgerufen ist die Schülcrbewegung durch einen Aufruf der »national-demokratischen Jugend von War schau'. Dieser Aufruf giebt eine entstellte, aus den Lügen der galizischen und russisch-polnischen Presse zusammen getragene Darstellung der Vorgänge in Wrescken und bebt hervor, daß auch Rußland dazu gesprochen habe; „eine ge meine, nichtswürdige, falsche Stimme wurde laut, dem Zischen einer Schlange vergleichbar.' Rußland habe wieder einmal der Welt eine Komödie vorgespielt; es habe sich gegen die Preußen entrüstet, ohne zu fühlen, daß eine Macht vor handen sei, die eS zum Schweigen zwingen werde, die polnische Jugend. „DaS gerühmte zarische Rußland, dieses große moskowitische Reich der Finsterniß und Barbarei, der nördliche Machthaber der gestohlenen Krone Polens, des blutbefleckten Littauens und Weiß rußlands: diese wilde, angriffslustige, mongolische Horde wagt, unsere Sklaverei zu höhnen und zu verspotten." Der Ausruf fordert die littauische Jugend aus allen Ecken und von den äußersten Enden Rußlands, aus den sogenannten „genommenen Provinzen", die polnische Jugend aus Podlachien und von der Lubliner Erde, auf: „Erhebt euch alle einmüthig und gebt der Wahrheit die Ehre. Bezeuget, daß Rußland, obwohl eS hinter listig die preußische Barbarei geißelt, Euch selbst das Lernen des Glauben» in der Muttersprache unmöglich gemacht hat." Jetzt sei der Augenblick gekommen, in die Fußstapfen der heldenhaften (!) posrner Kinder zu treten. „Möge sich dec KampseSmuth von ihnen über das grsammte polnische Vaterland vrrbreiten, die Thaten dieser Kinder daS ganze Volk ermuntern, den Widerstand zu be- kämpfen und zu überwältigeu, wo die Uebermacht die Polen er- drückt." In Podlachien, wie am Bug, Riemen und der Wilia, am Pripet, Dnjestr und Dnjepr sollen die „moskowitischen Bücher, dir in den Händen wie Feuer brennen, und Abscheu erregen" fort geschleudert werden. Eine höhere Bildung zu erlangen, sei nationale Pflicht, diese Bildung unter das Strohdach des Landmannes zu tragen, das heiligste Ziel; darin seien die Strahlen der Morgen- rvthe der polnischen Unabhängigkeit zu erblicken. Mehr aber und über AlleS stelle man die Freiheit und Unabhängigkeit des natio nalen Geistes. Es wird zum Schluß offen ausgesprochen, daß alle Polen behilflich sein würden, diesen Kampf zum siegreichen Ende zu führen." Wie man siebt, wird auch im Weichselgebiet die polnische Solivarität proclamirt, und man kämpsl gegen die Russen mit demselben Haß wie gegen die Deutschen. Die Polen wollen keine Slawen schlechthin, sie wollen Polen sein — von der Ostsee bis zum Schwarzen Meere politisch frei und un abhängig. Diese Erkenntlich hat die „VersöhnungSpolitiker" in den russischen Kreisen denn doch stutzig werden lassen, und wenn die russische Presse dem noch keinen Ausdruck leiht, so darf man nicht vergessen, daß die größere Sorge heule der Studentenbewegung gilt. Die Russen haben wieder einmal die Erfahrung gemacht, die ja auch den Deutschen nicht er spart ist: jede Politik des ZuckerbrodeS macht die Polen übermüthig, wenn die Peitsche fehlt. Deutsches Reich. 8> Berlin, 3. März. Eine Sitzung des Central vorstandes der natronalliberalen Partei findet am 9. März im ReichStagSgebäude, Zimmer 25, Vor mittags 1l Uhr statt. Tagesordnung: 1) Wahl eines Mitglied»« de« gefchäftSführenden Ausschusses an Stelle de« verstorbenen Herrn vr. Lehr. 2) Angelegenheit des RrlchSverbandeS der nationalliberalen Jugrndvereine. 3) Geschäftliche Mittheilungeu. Mittags 11 Uhr: Gemeinsame Sitzung des Ceutral- Vorstandes und der nationalliberalen Fraktionen dcS Reichstages und des preußischen Abgeordnetenhauses. Tage-- ordnung: Jahresbericht und Besprechung desselben. — Nach der Sitzung und zwar um 4 Uhr findet im Kaiserhof eia gemeinsame» MittagSessen statt, zu dem Gäste gern zugrlaffen werden. * Berlin, 4. März. (Die Polen und der Papst.) Die Polen in Preußen haben in überaus geschickter Weise daS Papst-Jubiläum für ihre „nationalen" Zwecke nutzbar zu machen verstanden. In Posen, daS ja als das politische Centrum der preußischen Polen schon deshalb anzusehen ist, weil dort der „ungekrönte König von Polen, Herr Florian v. Stablewski", residirt, nahmen die Ver anstaltungen einen besonders pomphaften Umfang an. Im Dom celebrirte der Erzbischof ein Hochamt. Der Domherr Dalbor hielt die Festpredigt. Sie war auf denselben Ton gestimmt, wie eine Predigt, die kürzlich in dem Städtchen Dölzig gehalten wurde; in scheinbar unverfänglichen Worten, die gleichwohl von allen Polen sehr aut als eine Andeutung darüber verstanden werden, daß der Papst sich der Polen be sonders annimmt, wurde auSgesührt, daß die katholische Kirche sich auch der „unglücklichen" Völker annebme. DaS echt jesuitische System der Verquickung von Religion und Politik, der die polnische Agitation eS verdankt, daß beute auch der geringste polnische Mann für die „nationale" Idee gewonnen worden ist, feiert im Osten Preußens an dem Papst-Jubiläum seinen höchsten Triumph. Die polnische Geschichte lehrt, daß man nicht immer dem Papstthum gegenüber die gleiche Stellung einnahm; aus dem Gipfel der Macht hat das pol nische Reich der Curie sich nicht gebeugt, sondern von ihr Unter werfung gefordert. Die Polen in Rußland dürfen das Papst- Jubiläum äußerlich nicht feiern; der unüberbrückbare Gegensatz zwischen Russen und Polen tritt hier wieder einmal sehr deutlich zu Tage, und die Mahnung galizischer Scklachzizen, sich aller russenfeindlichen Kundgebungen zu enthalten, findet in den weiteren Kreisen des polnischen Volkes keinen Widerhall. Die allgemeine Stimmung der Polen gebt dabin, daß sie ibr nationales Ziel erreichen wollen gegen Preußen und Rußland. Die Versuche in Preußen, am Sonntage, der eigentlichen Feier des Papst-JubiläumS, weißrothe Fahnen und Flaggen auSzuhängen, sind Wohl durchweg vereitelt worden. Man versuchte zwar, diese Zusammenstellung der polnischen Farben „harmlos" dahin zu deuten, daß der Papst sich in weiße Gewänder mit rotbem Saume kleide; doch bat die Behörde sich auf diese Deutung nicht eingelassen, sondern nur Fahnen und Flaggen in den preußischen bezw. deutschen Landcsfarben und den päpstlichen Farben ge duldet. (Köln. Ztg.) — Der Kaiser trifft am 11. März mittels Sonderzuges in Wilhelmshaven ein und begiebt sich auf dem Wasser wege an Bord des Linienschiffes „Kaiser Wilhelm II.", um dort Wohnung zu nehmen. Um 12 Uhr findet die Ver eidigung der Anfang Februar eingestellten Rekruten statt. Nach der Vereidigung wird der Kaiser dem II. Seebataillon, das auf dem Casernenhof neben dem Exercirhaus Ausstellung genommen bat, ein Fabnenband verleihen. Der Kaiser übernachtet auf dem Linienschiff „Kaiser Wilhelm II"; am Mittwoch gegen 3 Ubr Nachmittag» erfolgt die Abfabrt nach Helgoland. Der Monarch übernachtet vor Helgoland und sährt am Donnerstag, 13. März, Morgens 11 Ubr nach Bremerbaven, wo sich nur der Commandant meldet. Der Kaiser übernachtet in Bremerhaven an Bord deS Linien schiffes „Kaiser Wilhelm II." und begiebt sich am Freitag Morgen mittels SonderzugeS nach Bremen zu einem kurzen Besuch. Er kehrt so zeitig nach Bremerhaven zurück, daß bereits um 2'/, Ubr die Abfabrt von dort nach Bruns büttel erfolgen kann. In Brunsbüttel ist das Zusammen treffen mit dem aus dem Mittelmeer zurückgekebrten Schul schiff „Charlotte" in Aussicht genommen. Am Sonntag, 16 März, wird in Kiel um 12 Uhr die Verleihung eines FahnenbandeS an das I. Seebataillon stattfinden. — Der „Reichsanz." veröffentlicht eine Bekanntmachung über den Erlaß von Vorschriften durch den BundeSratb, betreffend die Einrichtung und den Betrieb gewerblicher Anlagen zur Vulkanistrnng von Gummiwaaren. — Das Reichsmarineamt beschloß die Erweiterung der Militärverwaltung deS Gouvernements Kiautschau durch Schaffung des Postens eines S t abS ch ess. Corvetlen- capitän Funke übernimmt diesen Posten. — Die Budgetcommission deS Reichstages ver bandelte heute über den Antrag Gröber betr. das Post- übereinkommen zwischen dem Reiche und Württemberg. Der Antrag verlanat Vorlegung des UebereinkommenS, um dem Reichstag die Prüfung zu ermöglichen, ob das Ueber- einkommcn eine Abänderung der Bestimmungen der NeichS- verfafsung enthalte, und Mittheilung darüber, welche Wirkung dieses Uebereinkommen aus den Betrag der zur ReichScaffe fließenden Einnahmen aus Portogebühren habe. Der Antrag wurde gegen die acht Stimmen der CentrumSpartei abgelehnt. Die Socialdemokraten stimmten mit der Mehrheit. — Ein neues Verzeichniß der vom 25. Februar bis 3. März 1902 beim Reichstage eingegangrnen, den Ent wurf eines ZolltarifgesetzeS betreffenden Petitionen, ge ordnet nach dem Gesetzentwurf und den Tarifouinuiern, abge schlossen am 3. Marz, ist im Reichstage ausgegeben worden. Ein OrtschaftSverzeichniß dieser gedruckten Petitionen hat noch nicht aufgestellt werden können, da die Petitionen erst am 3. März Nachmittags einzegangen sind. Der Deutsche Handel-tag in Berlin bittet um Ablehnung der von der Zolltarifcommission gefaßten Beschlüsse zum Tarifgesetze bezüglich der Ursprungsnachweise und BergeltungSmaßregeln. Der Rath von Dresden und der Oberbürgermeister von Aachen bekämpfen die Aufhebung der Communalsteuern auf Getreide, Mehl, Fleisch und Vieh in tz 10 a deS Tarifgesetzes. Beim Zolltarif selbst Nr. 1—4 sind Wünsche geäußert worden gegen Erhöhung der Lebrnsmittelzölle, sür aus reichende Schutzzölle auf alle landwirthschaftlichen Erzeug nisse und Kündigung der Meistbegünstigungrechle Amerikas, für einheitlichen Zollsatz auf Roggen, Weizen, Gerste, Hafer (Mindestsatz 7»/, .<) u. s. w. Für Blumen werden die vom Verbände der HandelSgärtner Deutschlands ausgestellten Zoll sätze verlangt, für Quebrachoholz 7 Pferde 25 Proc. vom Werth, Vieh 18 -6, Fleisch, frisch, 40 einfach zubereitet 60 -E, außerdem soll die Zollbefreiung im Grenzverkehr auf gehoben werden, Butter und deren Surrogate 40 — Die Budgetcommission des preußischen Ab geordnetenhauses bewilligte die Forderung der Regierung zur Förderung der Krebsforschung. Der Vertreter der Regierung tbeilte mit, bei dem Charits-Krankenhause in Berlin werde eine Untersuchungsstation eingerichtet, und ferner hätten Private 150 000 zur Errichtung eines In stitutes für Krebsforschung in Frankfurt a. M. zugesichcrt. Dem hiesigen Coniitö sür Krebsforschung sei von deutschen Aerzten 12 000 Fälle umfassendes Material zugegangen, aus dem hervorgehe, daß Krebs nicht erblich, aber an steckend sei. — Ministerialdirektor vr. Kügler wird, wie das „B. T." hört, während der zweiten Lesung des CultusetatS im Abgeordnetenhause noch sein bisheriges Ressort vertreten. Bis zur definitiven Ernennung seines Nachfolgers wird vr. Kügler, der am 14. März auS dem CultuSministerium auStritl, von dem Geh. Oberregierungsrath im CultuSmini sterium v. Bremen provisorisch vertreten werden. — Von dem Historiker Max Lehmann in Göttingen erzählt die „Nat.-Ztg.": Der Ordinarius sür neuere Geschichte in Göttingen, Prof. Max Lehmann, der bekannte Scharnhorst-Biograph, hat seinefi Austritt aus der dortigen königlichen Gesellschaft der Wissenschaften erklärt. Als Grund wird angegeben, daß e« sich um die Ernennung deS Fürstbischoss Kopp (BreSlau) zum Ehrenmitgliede der Gesellschaft gehandelt habe. Bon dieser Ernennung als Dank sür eine finanzielle Unterstützung, die der Fürstbischof zu einer Publikation der Gesellschaft gewährt hatte, war früher einmal die Rede; es war dies das Corpus der Papsturkunden, die Prof. Paul Kehr im Auftrage der Gesellschaft herau-giebt. Wir können indrß aus der uns zugehenden Mittheilung nicht ersehen, ob die Wahl de» Fürstbischofs zum Ehrenmitgliede nunmehr erfolgt und Professor Lehmann in Folge dessen ausgetreten ist — oder ob der Austritt etwa durch eine Anspielung veranlaßt worden, die Professor Lehmann in einem Aussatz des Januar-HestS der „Preuß. Jahrbücher" auf die beabsichtigte, aber bis dahin nicht erfolgte Wahl gemacht hatte. Dazu macht die „Voss. Ztg." folgende treffende Be merkungen: Im Hintergründe deS Vorganges stehl daS Be streben des Centrums, auf den Geschichtsunterricht an den preußischen Universitäten immer mehr Einfluß zu gewinnen. Max Lehmann, der Verfasser des Urkundenwerkes „Preußen und die katholische Kirche" ist der geborene Gegner dieser Bestrebungen. Daher der Conflict. Und dann noch eines. Die „Germ." behauptete jüngst, das Centrum hat keine Spur von Interesse an dem Historiker Prof. Kehr» dem, wie es damals hieß, die Schefser-Boichvrst'sche Professur an der Berliner Universität zufallen sollte. Dem scheint doch nicht ganz so zu sein. Prof. Kebr'S Arbeitsweise muß dem Fürstbischof von Breslau doch zusagen, sonst würde er sein Unternehmen schwerlich unterstützen. Nach diesem neuen Zeichen der Anerkennung von Seiten des Centruins steigern sich die Kehr'schen Aussichten auf die Berliner Geschichts- Professur um ein gutes Stück. — Nach angestellten Ermittelungen waren am 1. März d. I. in den einzelnen DirectionSbezirken der preußischen Eisenbahnverwaltuug 221 Stellen sür FahrkartenauS- geberinnen besetzt. Für daS Etatsjahr 1902 werden 45 Stellen hinzukommen, so daß dann 266 solcher Stellen vorhanden sein werden. Die größt« Zahl der Stellen, näm lich 100, entfällt auf Berlin, e» solgen Köln mit 44, Danzig mit 23, Erfurt mit 20, BreSlau mit 16, Hannover mit 13, Bromberg mit 12 und Königsberg mit 11 Stellen. In den DirectionSbezirken Cassel, Essen (Ruhr), Kattowiy und Mainz sind solche Stellen überhaupt nicht vorhanden. — Der Deutsche Holzarbeitrrverband bat in seiner Generalversammlung vom 2. d. MtS. e» abgelehnt, den von der Berliner Tischlerinnung und den Holzindustriellen errichteten Arbeitsnachweis, sowie die eingesührten Entlassungsscheine anzuerkennen. — Bei dem NelcbSkanzler und der Gräfin von Bülow sand beute Abend ein Diner zu etwa 50 Gedecken statt. Unter den Geladenen befanden sich: der österreichisch - ungarische Botschafter von SzögySny-Barich und Gemahlin, der großbritannische Bot schafter Sir Frank Lascelles, Lady Edward Cavendish und Miß Florence LoScelles, der schweizerische Gesandte vr. Roth, her belgische Gesandte Baron Greindl, Generaloberst von Hahnke und Gemahlin, der Ches des Civilcabinets vr. v. LucanuS, der Minister deS könig lichen Hauses v. Wedel und Gemahlin, dir Staatsminisler v. Thielen, grhr. v. Rheinbaben, Graf v. PosadowSky, vr. Studt, v. Podbieltki, vr. v. Delbrück und deren Gemahlinnen. — Der Bevollmächtigte zum BundeSraih, württembergische Wirk!. Geh. KriegSralh v. Schäfer, ist von Berlin abgereist. T HaderSlrbeu, 4. März. Bei den heutigen im Wahl kreise Hadersleben abgehaltenen Ersatzwahlen für 13 aus geschiedene deutsche und 12 dänische LandtagS-Wahl- männer wurden 15 deutsche und 10 dänische Wahl männer gewählt. * Oldenburg, 4. März. Die Dacht „Lensahn" mit den großherzoglich oldenburgischen Herrschaften an Bord bleibt bis Donnerstag, 6. März, in Tunis und wird dann zunächst nach Sicilien zurückkehren. Es ist beabsichtigt, die Häfen von Girgenti, Syrakus uud Augusta anzulaufen, wo der Großherzog am 8., 10. und 12. März zu verweilen gedenkt. * Aus Hannover läßt sich die „Frkf. Ztg." melden: Der Geschäftsführer der „Niedersächsischen VerlagS- anstalt", Ingenieur Momsen, ist seit einiger Leit ver schwunden. Wie verlautet, soll er circa 14 000 unter- fchlagen haben. Die „Niedersächsische Verlagsanstall" ist eine feit mehreren Jahren bestehende Gründung preußischer Verwaltungsbeamten und Hannoverscher Großgrund besitzer als Gesellschaft mit beschränkter Haftung, in deren Verlag die „Hannoverschen Tagesnachrichten" erscheinen, das Organ der Regierungconservativen und deS Bundes derLandwirthe. Da daS seiner Zeit gezeichnete Capital nur ca. 117 000 betrug, dessen größter Theil schon durch die Gründung absorbirl wurde, und da das Unternehmen mit großer Unterbilanz arbeitet, so ist der Verlust sehr empfind lich, wenn ihn die zum Tbeil sehr reichen Gesellschafter auch mit Leichtigkeit tragen werden. r. Greiz, 5. März. (Privattelegramm.) Der Weber- Streik ist beigelegt. Am Freitag soll in allen Fabriken die Arbeit wieder ausgenommen werden. >v. Rudolstadt, 4. März. Bei der ersten Lesung des Ein kommensteuergesetzes im Landtage erklärte Staatsminisler v. Starck, daß die allgemeine direkte Besteuerung der Bevölkerung des Fürstenthums ein solches Maß erreicht habe, daß es nicht möglich sein werde, sie ohne Schädigung der Leistungsfähigkeit der Einwohnerschaft noch zu steigern. Es sei dies auch dem Reich gegenüber anläßlich der Erörterung der in Folge deS Ausfalls der Reichsfinanzen inS Auge ge faßten Erhöhung der Matricularbriträge ausgesprochen. * Bon», 4. März. Der Kronprinz tritt morgen die Reise nach dem Reichslande und den süddeutschen Staaten an. Zuerst begiebt er sich nach Metz. In Bonn wird er erst mit Beginn des Sommersemesters wieder eintreffen. Oesterreich - Ungarn. Deutsche Staatssprache; Reue Rechtschreibung. * Wien, 4. März. Der Abgeordnete Funke hat in Beantwortung einer Einladung der Alldeutschen zu ge meinsamen Verhandlungen behufs Sicherung der deutschen Staatssprache im Namen der deut schen Obmännerconfercnz an die alldeutsche Ver einigung ein Schreiben gerichtet, in welchem cs heißt, die deutschen Parteien seien gerne bereit, alle hierauf be züglichen Schritte zu unterstützen, sic hielten aber Vor- berathungcn im engeren Kreise für nothwcndig. Daher möchten die Alldeutschen zum Zweck eines weiteren Ein vernehmens Vertreter zur Obmännerconfercnz ent senden. * Wien, 4. März. Der Unterrichtsminister hat an alle Landesstellen und Landesschulbehörden einen Erlaß ge richtet, in welchem es heißt, daß in allen niederen und mittleren Schulen vom Beginn des Schuljahres 1902/1903 ab die neue Rechtschreibung im Unterricht und in den neuen Lehrbüchern einzuführen ist und daß für die angestrebte Einführung dieser Recht gierungen der übrigen deutschen Sprachgebiete der schreibung überhaupt in Ucbereinstimmung mit den Re- 1. Januar 1903 in Aussicht genommen ist. seiner Gestalten, sparte ebenfalls nicht mit seinen kritischen Bemerkungen und Winken. So merkten sie Beide in ihrem künstlerischen Eifer nicht, wie sich die Mißstimmung hinter den Coulisscn immer mehr vergrößerte. Lotz, der Komiker, ging um her wie ein gereizter Löwe, der da sucht, wen er ver schlinge. „Der Mensch hat ja keine blaffe Ahnung vom Theater!" spottete der Hagere hinter den Couliffen. „Wer ist denn eigentlich dieser Jüngling? Irgend ein kleiner Jour nalist und Reporter aus Berlin, eine Cafvhausbekannt- schaft unseres guten Schröder, der sich in Berlin als Mäcen und Literaturfreund aufspiclen möchte. Wird ihm nicht viel nützen! Es kommt ja doch kein Mensch, der was ist, herüber." „Aber die Kritik und die Agenten aus Berlin — ?" wagte der jugendliche Liebhaber, ein Anfänger, schüchtern einzuwerfen. „Kinder, glaubt Ihr wirklich an den Schwindel?" lachte der hagere Komiker. „Wer wird denn da schon antanzcn? Ein paar Cafehausfrcunde — junge Leute, die selber Stücke schreiben und nichts zu sagen haben. Wenn er was wäre und Einfluß hätte, brauchte er das in Frankfurt wahrhaftig nicht." Beim Theater neigt man sich zur Skepsis. Die ver änderte Stimmung, sobald sic hinter den Eouliffcn an den einflußreichen Freunden und Gönnern des Dichters zu zweifeln begannen, machte sich bald bemerkbar. Man fing an, die Achseln zu zucken, allerlei schnöde Witze und Bemerkungen zu machen, ja, dem Regiffeur und Autor direct zu widersprechen. Und schließlich kam es zum AuSbruch. Im zweiten Act, den man wiederholte, hatte der Komiker eine „große" Scene, die einzige, mit der er so recht zufrieden war. Er hatte die Absicht, hier „seinem Affen Zucker" zu geben, sich „hinetnzuknicn", wie die EoultfsenauSbrllcke lauten. „Pardon, Herr Lotz", unterbrach ihn Franz — „ich möchte Sie bitten, die ganze Scene etwas gedämpfter zu nehmen, realistischer, natürlicher." Ter Komiker zuckte nervös zusammen, dann richtete er sich kerzengerade auf und verzog sein faltiges Gesicht zu einer höhnischen Grimasse. Die Hände in den Hosen« laschen, musterte er Franz frech von Kopf zu Fuß. „Das ist Ihre Auffassung . . . meine ist gerade ent gegengesetzt." „Nun, erlauben Sie, ich denke, daß die Auffassung des Autors —" Ein heftiger Zorn gegen diesen höhnischen, frechen Komödianten stieg in Franz auf; aber er bezwang sich und blieb äußerlich ganz ruhig. „Mir paßt das überhaupt nicht, daß Sie mich immerzu unterbrechen, Herr . . . Herr Leue! Das macht mich nervös — nervös — nervös!" schrie er plötzlich heftig, in jenem gemachten Zorn, in den sich Schauspieler so leicht zu versetzen wissen, wenn sie imponiren wollen. „Ich werde mir das Recht nicht nehmen lassen, meine Auffassung —" erwiderte Franz gelassen. „Und ich lasse mir keinen dramatischen Unterricht von Ihnen geben, Herr . . ." „Aber, lieber Herr Lotz!" mischte sich jetzt Schröder vermittelnd ein. „Dieser junge Mann erlaubt sich Dinge — Dinge, die ich mir nicht einmal vom Herrn Dtrector gefallen ließe. Er nmcht mich nervös — nervös — nervös", schrie er von Neuem. — Entweder er geht, oder ich! Ich spiele jetzt die Rolle überhaupt nicht mehr. Ich gehe so- fort zum Director . . ." „Na, dann wird sie eben ein Anderer spielen", rief Franz wüthend dem Schauspieler nach, der mit einer großartigen Handbewcgung abstürzte. Aus den Eouliffcn streckten sich von allen Seiten neu gierige Köpfe mit spöttischen Mienen hervor. Erstens war ein Streit, bei dem man nicht persönlich betheiligt war, immer eine kleine Zerstreuung im ewigen Einerlei der Probe, und dann gönnte man eS wirklich diesem fremden Herrn aus Berlin, der immer etwas zu nörgeln hatte. Schröder stand mit verlegenem Gesicht da und murmelte einige „neutrale" Worte. Gleich darauf kam der Dtrector durch die Parketthür in den Zuschauerraum gestürzt, während oben auf der Bühne Lotz mit gleich- gilttg-stolzcr Miene wieder auftauchte. Hcrbart's ohnehin rothcs Gesicht glänzte jetzt in purpurner Gluth. „Herr Doctor, ich muß doch bitten . . . da- geht wirklich nicht so weiter", stam»elte er mit unterdrücktem Zorn, „daß Sie immer bazwischenrcden und die Probe stören " „Die Probe stören, nennen Sie das, wenn der Autor seine Auffassung —" „Ach was Auffassung I Einer faßt's so auf und Einer so . . . das ist ganz gleich in Frankfurt." „Schön, dann kann ich ja gehen!" rief Franz wüthend, nach Paletot und Hut greifend, die er auf die Lehne seines Sitzes gelegt. „Unter diesen Umständen wäre es wohl das Beste . . . Ihr Freund Schröder ist etu so ausgezeichneter Regis seur und kennt Ihre Intentionen. Außerdem wissen meine Schauspieler selbst —" „Wenn ich gehe, geht auch mein Stück", rief Franz hochmüthig, während er in nervöser Hast in den Ueber- ztehcr fuhr. — „Das ist doch selbstverständlich. Den Autor kann Niemand ersetzen. Und Ihre Darsteller mögen die gewohnten Aufgaben beherrschen." »Herr — wenn Sie meine Schauspieler beleidigen —-!" schrie der cholerische, dicke Mann in den höchsten Tönen, die einem ehemaligen „klassischen" Helden zu Gebote standen. „Schreien Sie mich nicht so an, bitte! Ich stehe nicht in Ihrem Lohn und Brod", rief Franz wüthend, dem endlich der Geduldsfaden riß. — „Wenn ich Ihrem Pro« vtnztheater die Ehre erweise —" Der Director lachte höhnisch auf und auf der Bühne lachten sie pfltchtschulbigst mit. „Ehre ist gut . . . Seien Sie doch froh, wenn ich bas Zeugs gebe, daS sonst kein Mensch hat geben wollen." „Es ist gut . . . ich verzichte ^nbgtltig und ziehe hier mit mein Stück zurück ... In Frankfurt an der Oder wird das „Lumpenpack" nicht zur Welt kommen." — Er war jetzt wieder ruhiger geworden und schleuderte die letzten Worte verachtungsvoll der ganzen „Bande" in» Gesicht, die sich vollzählig auf der Bühne versammelt hatte. — „Sie, lieber Schröder, können nicht« dafür. Ich kann Sie nur bedauern. — Adieu!" Und grimmig seinen Hut auf das Dichterlockenhaupt stülpend, schritt er mit einem Achselzucken zur Thür hin aus. As freute ihn, daß er « den Komödianten und ihrem Oberhaupte ordentlich „gegeben" hatte. Dennoch war er unzufrieden mit sich selbst. War er nicht ein Rabenvater gegen sein Geisteskind? Hätte er nicht seine persönliche Empfindlichkeit -em Werk und der Sache zu Liebe zurückdrängen sollen? Nachdem er sich etwas be ruhigt hatte, ging er in ein WtrthShaus, sein Mittags- brod zu essen. Während er dasselbe ingrimmig und ohne Genuß hinuntcrschlang, dann ingrimmig zum Bahnhof ging und den Zug nach Berlin bestieg, probirten sie in zwischen noch immer das „Lumpenpack". Herbart hatte nach dem Verschwinden des Dichters - die boshaften Schauspieler behaupteten natürlich, er hätte nur einen „Abgang" gemacht — die Probe für kurze Zeit unterbrochen, um derweil mit seinen Getreuen KriegSrath zu halten. Das Stück vom Repertoire absetzen oder nicht ab setzen? das war hier die Frage. Anfangs waren sie natürlich Alle dafür; denn man mußte den „unver schämten Menschen" bestrafen, wollte überhaupt nichts mehr mit ihm und seinem Machwerk zu thun haben. Aber es wäre doch schabe um die bereits aufgcwendctcn Proben und um die verlorene Zeit, meinte Schröder kleinlaut, der übrigens nicht mehr von seinem „hoch begabten jungen Freunde, dem Dichter", sprach, sondern nur von „diesem etwas nervösen Herrn". Außerdem waren auch schon zahlreiche Billets vorans- bcstellt worden, denn die Reclame hatte bereits ihre Schul digkeit gethan. Das gab schließlich den Ausschlag. Und da der Autor einen Contract unterschrieben hatte, der ihm wenig Rechte gab, aber viel Pflichten auferlegte, so war die Meinug und Absicht „dieses Herrn" ganz gleichgtltig. Man würde das Stück auch gegen seinen Protest auf führen und war im Grunde froh, ihn auf diese Art von den Proben losgeworben zu sein. Die Probe wurde also einfach fortgesetzt „ohne den Herrn Verfasser", wie Schröder eine Viertelstunde später dem harrenden Per sonal verkündigte. (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder