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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.03.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190203286
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19020328
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19020328
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-03
- Tag1902-03-28
- Monat1902-03
- Jahr1902
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.03.1902
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p.I'M L - ><^N. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. 96. Jahrgang Freitag den 28. März 1902 »en ^7:101,LV Ll.rr I. IX I I> i. V. I l». - IX « Ix «.Ix «IX «Ix »Ix l U I X X Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen >?luSgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. der untersten Capland und vr. 6. 6. gewesen — in Capstadt selbst ganz gewöhnliche Tages ereignisse, und zwar thaten sich dabet stets die australischen und kanadischen Truppen hervor. Man kann sich darnach vorstcllcn, wie cs erst an der Front aussieht, und jeder Südafrikaner weih, daß offene Meuteret in der britischen Feldarmee zn den täglichen Ereignissen gehört. Und nun zum Schluß noch einige Worte über die Ge danken der englischen Oppositionspreffe hinsichtlich der Sendung des Lord Wolseley: „Lord Wolseley", sagt ein anderes Londoner Blatt, „geht angeblich ans Gesundheitsrücksichten nach dem Cap. Albernes Gewäsch! („Rubbish"!) L o r d W o l s e l e y ist so gesund wie eine Forelle im Bach. Er geht, weil König und Negierung insgeheim an erkenne n.daßwirin Südafrikageschlagen sind! Er hat geheime Aufträge, Frieden zu schließen. Gelingt ihm dies, so wir- seine Mission ihren Zweck er füllt haben; gelingt es ihm nicht, so wird man die Mythe von seinen Gesundheitsrücksichten aufrecht er halten. Unser Land steht am Nande des Abgrundes. Wir sind bereits zu einer Macht zweiten Ranges de- gradirt. Unser Znsammenbruch als Weltmacht ist that- sächlich schon eingetreten". Und dies ist die Wahrheit. Uns Südafrikanern ist cs schlechterdings unverständlich, wie sich das kontinen tale Europa immer noch durch die Bombastereien der englische» Finanzkreise und der ihnen dienenden eng lischen Regierung kann weiß machen lassen, es stehe kritisch um die Bocren. Nachgerade sollte der deutsche Michel wissen, daß die Bocren durchaus in der Lage sind, den Krieg Jahre und Jahre fortzuspinnen, Eng land aber nicht, und zwar sehr einfach auS wirty - sch östlichen Gründen nicht. Ich habe zuverlässige Nachrichten, daß die als settlerg im Lande zu bleiben wünschenden englischen Großhändler Caplands schaarcnweisc mit den Boercn sympathisiren, d. h. eine Beendigung des Krieges um jeden Preis wünschen und durchdrückcn werden, weil sie es satt haben, noch ein viertes, fünftes und sechstes Jahr, einem unfähigen „Imperialismus" zu Liebe, sich ruiniren zu lassen. Jener Preis aber ist die volle Unabhängigkeit der Boerenrepubliken. Garantirt England diese nicht, so wird eben weitere drei Jahre fortgckämpft, bis John Boll, der ja schon eine ganze Reihe von Sprossen von seiner Hochmuthsleiter herabkletterte, auf ' angelangt ist, dann aber auch ganz gewiß Natal mit verliert. empfindlicher Verlust für Südafrika und das ganze britische Reich betrachtet. „Times" schreibt, Cecil Rhodes trug die britische Flagge über ein Gebiet, welches nahezu so groß ist, wie Britisch-Jndicn. Er that mehr, als irgend ein anderer Zeitgenosse, um seinen Landsleuten einen klaren Begriff von den Aufgaben der britischen Rasse bcizubringen, mit allen Fehlern, die nicht bestritten werden können, mit allen Jrrthümern, die sein edelstes Werk verdarben, sicht cr wie eine Heldenfigur da. (!?j Khaki — auülatur et altera pars! Man schreibt uns: Zu Ihrem „Khaki" überschriebenen Sonntagsartikel über die Unterstützung des englischen Mutterlandes in seiner Rccrutcnnoth durch die Colonien und über die „Entschlossenheit, den Krieg bis zum Ende ausznfechteu" (derselbe war aus der Feder eines unserer Londoner Eorrespondenten. D. Red.), erlaube ich mir, einige Stimmen englischer Oppositionsblättcr zu Ge hör zu bringen. „Es wird täglich mehr klar", so schrieb „Reynolds' Ncwspaper" (bekanntlich das weitaus verbreitetste Wochenblatt Englands und geradezu klassisch in seiner von Beginn des Krieges bis auf den heutigen Tag ein getroffenen Prophezeiungen der Niederlage Englands), „daß diese Negierung deS Großcapitalismus Zchntausende der Söhne der Armee in Südafrika lediglich für Börsen zwecke opferte. Aber das Schmachvollste ist die soge nannte Loyalität der Colonien. Diese Ge meinwesen haben nicht einen Heller zu den Kricgskostcn beigctragcn, aber mit einer unerhörten Dreistigkeit ge- bcrden sie sich, als ob sie alle Kosten gezahlt hätten. In Wahrheit sind sie froh gewesen, ihre arbeitsscheuen Bummler los zu werden gegen den patriotischen Sold von fünf bis zehn Schillings pro Tag! Diese feurigen Briten konnten nämlich für geringeren Sold gar nicht ge- miethct werden, während unsere Tommies noch nicht den fünften oder zehnten Thcil dieses Sündengeldes erhalten! Es ist gar nicht cinzuschen, was unser Land eigent lich von diesen Colonien hat. Sic zahlen absolut nichts für die Vcrtheidignng des Reichs. Jede dieser Colonien hat nämlich eine gewaltige Barriere von Schutzzolltarifcn gegen die Einführung — englischer Maaren! Cham berlain hat aber in seinem fortwährenden Beginnen, unser Land herabzuwürdigen, dcmüthigendc Bitten an diese Colonien gerichtet, England vor der Vernichtung zu retten — man denke: England, das fünfmal so viel weiße Einwohner hat, als alle diese Colonien zusammen genommen! Dabei stecken Australien und Neuseeland bis über die Ohren in Schulden und machen rechts und links selber bei aller Welt Anleihen. Neuseeland ist direct bankerott, rind sein Premierminister hat nach Entdeckung seiner Mißwirthschast die Colonic ans sehr sonderbare Weise verlassen. Trotz alledem erdreisten sich diese banke rotten Colonien, unserem in jämmerlicher Noth sitzenden Mutterland«: zu dictiren, welche Politik cs in Südafrika zu befolgen hätte: aber das Tollste ist, daß sie überhaupt nur noch mitmachcn, d. h. weitere Bummler zu zehn Schilling pro Tag senden wollen, unter der Bedingung, daß das Krtegsministerium die Flcischliescrungen für die Armee nicht mehr in Argentinien bestellt, sondern sic — dem anrüchigen Premierminister von Neuseeland gicbt als Belohnung für sein Hurrahschreicn!" Soweit das englische Blatt. Ja, ja, man muß die Krisis nicht nur durch die Ncutcr'schc Brille betrachten, sondern englische Oppositionsblätter lesen, um zu wissen, daß es mit unserer deutschen Hochachtung vor „Englands Rcichthum" und „Englands unerschöpflichen Macht mitteln" eitel Humbug ist. England ist ja gar nicht reich! Wenigstens nicht als Staat. Bekanntlich betrug bereits vor diesem Kriege allein der als „Kriegsschulden" gebuchte, aus den 41 Kriegen der sogenannten glorreichen Regierung der alten Queen stammende Thcil der Staatsschuld sechs hundert Millionen Pfund Sterling gleich zwölf Mil liarden Mark. Dieser enormen, das arme Volk Eng lands belastenden Schuld hat der gegenwärtige Krieg mindestens weitere sechs Milliarden hinzugefügt, und zwar directe Kosten, von den fabelhaften indirekten Verlusten nicht zu reden, den die Verwüstung ganz Süd afrikas—nun, auch der eigenen britischen Capcvlonic— dem britischen Handel und Nationalvermögen znfügte. Was cs aber mit der „Loyalität" der colonialen „Frci- willigcn"-Corps in Wahrheit auf sich hat, dies kann ich Ihnen aus allerpcrsönlichstcr Kcnntniß der Zustände in Südafrika auscinandcrsetzen: In meiner Nachbarstadt Worcester, sechs Stunden Eisenbahnsahrt von Capstadt entfernt, befindet sich seit mehr als fünfzehn Monaten ein etwa 6W Mann starkes Contingent Australier. Diese Leute hatten längst ihre Zeit abgcdicnt, blieben aber in Worcester, im Frühjahr 1901, weil ihnen vom „reichen" England seit sechs Monaten — nicht ein Penny Sold gezahlt morden war! Sic erklärten, und zwar Officicre wie Gemeine, daß sie nicht eher in ihre Heimath zurückkchrcn würden, ehe sic nicht ihre ihnen rechtmäßig zustchcnde Löhnung bis auf den letzten Heller erhalten hätten, „Sic würden sich inzwischen schon für die Betrügerei schadlos zu halten wissen." Und nun etablirtc dies Corps der Rache in dem stillen, durch seinen Wein- und Früchtebau wohlhabenden Worcester eine wahre Schreckensherrschaft, stürmte jede Woche ein paar Mal alle Kneipen, raubte die Whisky- und Brandyvorräthc, attackirte die Einwohner, nament lich die Malayencolonic, in ihren Häusern, steckte einmal sogar die Moschee und etliche Malanenhäuser in Brand, hinderte dann mit Waffengewalt die Feuerwehr durch Zerschneiden der Spritzenschlänchc und Zertrümmern der Spritzenwagcn am Löschen, und ließ, als man von Capstadt endlich drohte, man würde eine Polizcitrnppc gegen die Meuterer senden, -em Commandantcn von Cap stadt sagen: „Das möge cr nur thun, sic wären durchaus darauf vorbereitet, diese Truppe mit blutigen Köpfen hcimzuschickenl" Diese Sorte „loyaler" und „kriegstüchtiger" Australier sitzt heute noch in Worcester fest! Tie bilden aber keineswegs eine Ausnahme. Im Gegentlicil, derartige brutale Ausschreitungen meuternder TommicS waren — ich bin bis zum.Junt vorigen Jahres dessen Augenzeuge Der Krieg in Südafrika. Friedensaction. „Daily Mail" behauptet, in der Lage zu sein, zu er klären, -aß sich in Folge der von der Executive der Bocren unternommenen Schritte in der allgemeinen Lage nichts geändert hat. Auch die englische Regierung habe ihre Haltung nicht geändert. Der Krieg werde kräftig fort- gcsetztwcrdcn, um sokräftigcrsogarangesichts des nahenden Winters und der Ankunft neuer Verstärkungen in Süd afrika. Der Krieg werde fortgesetzt werden, bis dlc Boercn um Frieden bitten, und wenn sie diesen Schritt nicht thun, bis sie gefangen sind. Es sei kein Waffenstill stand geschloffen worden, und die Operationen werden überall so kräftig wie je fortgesetzt, nur nicht gegen Steijn und De Wct während der Konferenz. Gur informirte Leute glauben, der Besuch der Executive in Pretoria und am Rand werde einen guten Einfluß auf sie haben: sic würden sehen, was jetzt zugcstanden wird, daß der Handel sich wieder belebt und der blühende Zustand dort werde einen peinlichen Vergleich mit ihrer prekären Existenz auf dem hohen Veld Hervorrufen. Cecil Rhodes s. * Loudon, 27. März. (Telegr. der „Voss. Ztg."j Cecil Rhodes' Lod wird von den Morgenblättern durchweg als i IX o.n. ».rx i ix t. !> » IX X I). t. IX NMst'r Tagtblait Anzeiger. ÄmlsVlatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rothes und Molizei-Amtes der Stadt Leipzig. IX IX IX IX t.llest-I) «.Ix Xlx »Kk.l-Ix xN«.t-IX Nitrit: XIX I. IX I. IX i. IX I. IX I. IX I. p. «-IXVV «. IX - . ßß k-? xo. i. ix i. ix i. ix i. ix .s,t. Ix I. IX I IX i.Opx.z xv >.» i. ix Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedarttonSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Fanttliennach richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (exel. Porto). was man lernt,' muß mit dem im Zusammenhänge stehen mit dem, was man im Leben braucht. Heutzutage tauchen in der Welt viele neue Fragen auf, aber die Literaten sind dümmer denn je; sie ballen sich an ConfuciuS und kommen darüber nicht hinaus. Der Kaiser hat zwar moderne Schulen eröffnen lassen, in denen in gewerblichen Dingen unterrichtet wird, aber da man die auf diesen Schulen gebildeten Leute nicht angestellt hat, will kein Mensch dort mehr studiren. Nur Leute niederer Herkunft gehen dorthin, während doch gerade die Besten und Vornehmsten diese Schulen besuchen sollten. Neuntens: Die Unterweisung im Landbau, im Handwerk und im Handel muß in ganz neue Bahnen gelenkt werden. Man muß dem Volke in seinem Erwerb Beistand leisten und ihn fördern. Dadurch hebt man den allgemeinen Wohlstand. ES sollten Landwirthschastsschulen eingerichtet werden, in denen auswärtige Lehrer ihre Kenntnisse vortragen und neue Methoden geprüft werden können. Zu diesem Zwecke sollten reiche Landleute Grund und Boden hergebea; wenn die Reichen vorangehen, so folgen die Armen nach. Zu gleich sollten aber auch Eommissionen eingesetzt werde», die di« Entwickelung von Handel und Gewerbe verfolgen und darüber Mittheiluugen ui den Zeitungen machen. Bauer und Kaufmann sollten sich in die Hände arbeiten. Hat der Bauer keinen Reis zu verkaufen, so leidet auch der Kauf mann darunter. Ebenso leidet aber auch der Kaufmann, wenn es den Industriellen an Unternehmungsgeist fehlt, und durch mangelhafte Organisation deS Handels werden wieder Landbau und Industrie geschädigt. In China hat man z. B. reichlich Wolle, Kameelhaare, Hühner- und Entensedern, Pferde- und Kuhhäute, aber die Chinesen verstehen Liese Artikel nicht zu bearbeiten; daher müssen sie billig an das Ausland verkauft werden. Dort werden sie verarbeitet und dann theuer wieder an China zurückverkauft. So verdienen die Ausländer viel Geld durch uns. Zehntens: Auch das Heer muß reformirt werden. Man muß den Mann wie den Führer ausbilden. Ersteres ist leicht, letzteres schwieriger. Es kann kein Zweifel bestehen, daß die Strategie sehr wichtig ist. Darin sind die Reiche des Westens uns weit überlegen. Aber wenn die Waffen der Soldaten nicht scharf sind, so ist das dasselbe, als batten diese keine Hände; versteht man es nicht, die Wege und Flüsse passirbar zu machen, so ist das, als hätte man keine Füße, und kennt man die Gegend nicht, hat man keine geographischen Kenntnisse, versteht man cs nicht, Entfernungen zu bestimmen und das Terrain zu erkunden, so ist eS als hätte man keine Augen und Ohren. China hat gegenwärtig hunderttausende von kampffähigen Männern ohne Augen, ohne Ohren, ohne Hände und ohne Füße. Zwei Dinge muß der Soldat vor Allem besitzen: Vaterlandsliebe und ManneSzucht. In Deutschland trägt daher der Kaiser selbst die Uniform. Für den Kriegsfall ist Alles wohl vorbereitet. Auch für die Verwundeten wird gesorgt; die Kaiserin besucht sie. Der Soldatenstand wird höher geehrt als der Cwilstand; daher ist das Reich so stark. Aber bei uns sind die KriegSmandarine faule Leute ohne Patriotismus. ElftenS: Bergbau muß erlernt und betrieben werden, damit die Schätze deS Bodens erschlossen werden. Zwölftens: Man baue Eisenbahnen, die daS Reich durch ziehen, wie das Blut den Körper. DreizehntenS: Chinesisches und europäisches Wissen muß mit einander vereint werden, und zwar muß das Beste, was Europa zu bieten hat, dem einverleibt werden, was China besitzt. VierzehntenS: Die Zahl der Soldaten darf nicht ver ringert werden. Wer von Abrüsten und Genießen spricht, ist verachtenSwerth. FünfzehntenS: Man muß sich bemühen, den eigenen Ton den Fremden gegenüber zu mäßigen, damit daS Reich nicht großen Schaden nimmt. Wir haben die letzten Puncte nur ganz kurz skizzirt. Aus führlicheres ist darüber im ersten Hefte der vortrefflichen in Shanghai erscheinenden, von C. Fink, dem Cbefredacteur des „Ostasiatischen Lloyd", herauSgegebenen illustrirten Zeitschrift „Der ferne Osten" (Verlag der deutschen Druckerei und Ver- lagSanstalt) nachzulesen, in der L. OvontiuS sich näher über den interessanten Gegenstand verbreitet. Werden Cbang Chin-tungS wohlgemeinte ausgezeichnete Rathschläge befolgt, dann wird es keine zwei Generationen dauern, biS China reformirt und mündig geworden ist. —e VezugS« Preis i» der Hauptexpeditton oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljShrlick4.50, — zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau« 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährt. 8. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem- bura, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten Ist der Bezug nur unter Kreuzband durch di« Expedition diese« Blatte« möglich. Nr-action und Lrpe-ition: Iohannt-gasse 8. Fernsprecher 153 und 222. FMalerpedtttonen: Alfred Hahn, Buchhandlg., Universitätsstr. 3» L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. KönigSpl. 7. Haupt-Filiale in Serlin: KSniggrätzerstraße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. 3393. Die Keformbewcgung in China. Eia Gute« scheint die gewaltige Katastrophe, die China soeben durchgemacht bat, gehabt zu haben, die lange Zeit hindurch fremden- und reformfeindliche Kaiserin-Witlwe, von deren Wort ja Alles abhängt, ist, wenn nicht Alles trügt, als kluge, mit den thatsächlichen Verhältnissen rechnende Frau, doch wohl in der lieber,eugung erschüttert worden, daß der mauerartige Abschluß Chinas gegen die Cultureinflüsse der westlichen Mächte nur zu neuen Eruptionen des Fremden- hasseS, zu neuen Demüthigungen China« und damit zu neuen schweren Gefährdungen der Dynastie führen muß. Das Letztere ist eS wohl, was den Ausschlag gegeben und die Kaiserin-Regentin zu Edicten veranlaßt hat, die Ernst machen mit der Entsendung talentirter Leute inS Ausland, wo sie praktisches Wissen sich aneignen sollen, um eS dann zur Hebung des geistigen Lebens ihrer Volksgenossen zu ver wenden. Bei der Wandlung, die sich am Pekinger Hofe vollzogen bat oder noch im Vollzüge begriffen ist, dürfte in erster Linie der Einfluß des greisen GeneralgonverneurS der Hu- Provinzen Chang Chi-tung maßgebend gewesen sein, der in seinem den bezeichnenden Titel „Lerne" tragenden Reform buche durchweg höchst vernünftige Nathschläge gibt und sich als ein hochgebildeter, mit offenen Augen und überraschendem Verständniß in die Culturwelt des Westens blickender Beobachter erweist. Im zweiten Theil seines WerkchenS, der ur.S bier am meisten interessirt, macht er in 15 Abschnitten auSführlickc praktische Vorschläge, die sich in der Hauptsache, wie folgt, kurz charakterisiren lassen. Erstens: Es ist dringend geboten, die Kenntnisse zu ver mehren. Wer als ein Thor in den Kampf des Lebens tritt, wird nicht- erreichen. Kraft und Klugheit sind die Vor bedingungen der Macht; beide kann man nur durch Erziehung erwerben. Man muß die Welt verstehen lernen und sich das WissenSwerthe aneignen. Gerade jetzt, wo unaufhörlich neue Erfindungen gemacht werden, ist das besonders nothwendig. Die einzelnen Länder machen ihre Erfahrungen und Er findungen sich gegenseitig nutzbar, sie stehen in lebhaftem Wechselverkehr. In dreißig Jahren könnte China auch wohl einen neuen Aufschwung nehmen, wenn eS nur in den Welt verkehr mit eintreten wollte. Zweitens: Man soll inS Ausland geben und lernen, dann wird man Einsicht in die Lage der Welt gewinnen. Sehen ist besser als kören. Ein Jahr im Auslande unterrichtet über westliche Bildung besser als sieben Jahre angestrengten StudirenS daheim. ES ist besser. Erwachsene »ach Europa zu senden, als Leute unreifen Alters. Prinzen und Beamte sollten gehen. Japan ist nur ein kleine» Reich. Wodurch entwickelte eS sich zu solcher Macht? Weil Marquis Ito, der eigentlich nur ein ganz schlichter Landmann war, inS Ausland ging und lernte. Auck Peter der Große ging nach Holland und England und lernte, wie Schiffe gebaut wurden und sah sich in der Welt um; dann kehrte er beim und reformirte sein Reich. Rußland ist jetzt das größte Reich der Welt. Drittens: Die Errichtung vieler neuer Schulen, die ihre Zöglinge auf die Anforderungen der Gegenwart vorbereiten, ist unerläßlich, denn wer Leute zum Studium ins Ausland senden will, muß dafür sorgen, daß sie erst daheim unter richtet werden. Sonst könnte man eben so gut von Bäumen Früchte ernten wollen, eh' jene überhaupt gepflanzt sind, oder Fische in einem See fangen wollen, der noch gar nicht vorbanden ist. Das wird viel Geld kosten, aber eS giebt überall Klöster, die durch Betteln reich geworden sind. Die westliche Lehre greift heut zu Tage sehr rasch um sich, während Buddhismus und Tocotismus absterben; zu den Mönchen hegt kein Mensch mehr Vertrauen. Man sollte daher in jedem Kreise von zehn Klöstern sieben für Schulen ver wenden. Das so gewonnene Capital würde mit Leichtigkeit zur Errichtung von 100 000 Schulen reichen. Viertens: Es müssen neue Lehrmethoden eingeführt werden. Europa ist nur durch seine Schule» so mächtig ge worden. Dort erhalten die Lebrer ganz genaue Anweisungen, was sie unterrichten sollen. Die Schule bildet die Jugend so aus, daß sie nachher als Beamte ihren Pflichten nach kommen kann. Man sollte daher daS Brauchbare von dort herübernehmen. In China ist eine gleichmäßig« Bildung un bekannt. Volk und Beamte verstehen sich nicht. Ja China ist der Lehrplan ganz willkürlich, die Lehrer erklären nichts und lassen leichte Bücher lesen, um sich die Arbeit zu er leichtern. Geld sollte von den Schülern nicht verlangt Werden, nur ihren Unterhalt müssen sie selbst bestreiten. Fünftens: Man soll zahlreiche europäische Bucher über setzen. Es hat wenig Werth, europäische Lehrer anzustellen; dagegen sind die europäischen Bücher von unschätzbarem Werthe. Europäische Lebrer verlangen Dolmetscher, zu welchen Posten sich aber nicht immer genug gebildete Leute finden. Ein europäischer Lehrer verlangt auck zu viel Gebalt, daS die Schulen oft gar nickt aufbringen können. Wissen schaftliche Commissionen müssen für die Ucbersetzungen das Beste auSleaen und überall müssen Buchhandlungen zum Ver kauf von Buchern errichtet werden. Sechstens: eS müssen Zeitungen im ganzen Lande ver breitet werden. ES giebt viele Dinge, welche die Beamten gern verschweigen möchten, aber dann sind die Zeitungen da, die Alles besprechen und frei und öffentlich kritisiren, ganz unbekümmert darum, ob daS den davon Betroffenen an genehm ist oder nicht. Diese Besprechungen führen dann zu Rede und Gegenrede, eS bleibt nicht« verborgen, alle Fehler, die gemacht werden, werden ausgeveckt. DaS sollte nicht ein großer Nutzen, ja ein Glück sein? Manche Haffen die Zeitungen und behaupten, sie würden von betrunkenen Narren und nichtswürdigen Leuten geschrieben. Ich aber sage, wer meinen Fehler kennt, der zeige ihn mir nur. Sieht man, daß rin Mensch krank ist, und sagt eS ihm nicht, wen» er e- nicht selbst weiß, so ist das genau dasselbe, wie wenn man ihn absichtlich sterben läßt. Siebente»«: Die Gesetze müssen reformirt werde». Achten-; Dir Prüfungen müssen reformirt werden. ^D-S, Anvahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Lormittag« 10 Uhr. Morgrn-AuSgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expeditton ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Deutsches Reich. 6. H. Berlin, 27. März. (Internationale Ge werk s ck> a f t s c o n g r e s s e und ihre Erfolge.) Ein Theil der socialdcmokratischcu Agitatoren ist jetzt mit den Vorbereitungen für eine Anzahl internationaler Ge werkschaftskongresse beschäftigt. Der internationale Bergarbeitercougrcß, der auf deutschem Boden abgehaltcn werden wird, dürfte denn auch zahlreich be schickt werden, aber als feststehend kann schon jetzt gelten, daß er die internationalen Beziehungen nicht fördern wird. Das Letztere gilt auch von -em internationalen Textilarbeiter«: ongreß, der in Zürich vom 1. bis zum ö. Juni abgehaltcn werden soll: der vorige hatte in Berlin getagt. Die Textilarbeiterbcwcgung schlägt nur sehr schwache Wellen, in Deutschland hat sie sich seit dem vor einer Reihe von Jahren in Cottbus total verun glückten Riesenstreik nicht wieder erholen können; in allen Cassen der Textilarbeiter herrscht gleichmäßige Ebbe, und wo das Geld fehlt, hört überall die Jntcrnationalität auf. Das müssen jetzt selbst die holländischen Dia mant a r b e i t c r erfahre», die seiner Zeit für die streikenden Collcgen in Hanau Tausende geopfert haben und jetzt trotz wiederholter Nothrufc nur einige Hundert Mark aus Deutschland zuruckcrhaltcn. Im Großen und Ganzen ist denn auch die Stimmung bei der deutschen Arbeiterschaft für internationale Cvngressc eine sehr flau e. Leit dem Riesenstreik in Hamburg, der haupt sächlich auf Anregung englischer Agitatoren unternommen wurde, die Hunderttausend!: in Aussicht stellten, dann aber so gut wie nichts sandten und nicht einmal im Stande waren, den Zuzug einiger Tausend arbeitswilliger eng lischer Hafenarbeiter zu verhindern, begeistert sich so leicht kein deutscher Arbeiter für internationale Kongresse. War doch anch der internationale Glasarbeitercon- greß, der vor Kurzem auf deutschem Boden abgehaltcn wurde, ein total verunglücktes Unternehmen- Seine Ver anstalter hatten sich von dem Versprechen der englischen Genossen, den streikenden Glasarbeitern ihre wohlgcfüllte Casse zur Verfügung zu stellen, verführen lassen, und merkten zu spät, daß sic genasführt waren. Es ist also begreiflich genug, daß die frühere Schwärmerei für inter nationale Cvngressc bei den zahlenden Genossen mehr un mehr schwindet. A Berlin, 27. März. (ReickSauSgaben für inter nationale Maßnabmen.) Sollte, was wahrscheinlich ist, die in Brüssel am 5. d. M. abgeschlossene Zucke reo n vention von den VertrabSstaaten ratificirt werden, so wird sic auch die Schaffung einer neuen Position im ReichSbauShaltSetat zur Folge haben. In der Convention ist nämlich festgelegt, daß zur Ueberwackung der Ausführung deS Vertrage« eine ständig Commission mit dem Sitz in Brüssel eingesetzt und daß dieser ein ständiges Bureau beigegeben wird. Da» letztere soll Nachrichten aller Art über dieZuckergesetzgebung und Zucker statistik nickt nur der Vertragsstaaten, sondern auch der übrigen Staaten sammeln, übersetzen, ordnen und veröffentlichen. ES wird natürlich Kosten verursachen, und diese Kosten werden auf die einzelnen VertragSstaatea vertheilt werden. Schon jetzt weist der ReichSbauShaltSetat eine ganze Anzahl von Positionen auf, welche sich, wie die neu zu erwartende, auf internationale Maßnahmen beziehen. Sie sind sowohl im Ordinarium wie im Extraordinarium enthalten; in jenem z. B. die Reichsbeiträge für da« Berner Bureau deS Verbandes zum Schutze de- gewerblichen EigrnthumS, zn den Kosten der internationalen Erdmessung, der Com mission zur Vorbereitung internationaler SchifffahrtScongreffe, de« internationale» Pariser Maß- und Gewicht-bureaa-, ia
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