01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.03.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020324016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902032401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902032401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-03
- Tag1902-03-24
- Monat1902-03
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Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes un- Nolizei-Äintes -er Stadt Leipzig. Nr. 15«. Montag den 2^. März 1902. Anzeigen-Preis die «gespaltene Petitzeile 2S Reklamen unter dem RedaettouSstrich (4 gespalten) 7b H, vor deu Familiennach- richte» (6gespalteu) SV H. Tabellarischer und Ztffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen uad Offertenannahme 25 (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung KO.—, mit Postbesörderuog ^l 70.—. Fnnahmeschluß für Anzeigen: Abeud-AnSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» in Leipzig. 86. Jahrgang. Schädliche Schmetterlinge. In jedem Jahre gegen Ausgang hücs Winters er faßt unser Rath in sehr anzuerkennenüer Weise mehrere Male eine Bekanntmachung (IX. 683), die Verfolgung von vier, als Raupen sehr schädlichen, Schmetterlingenoarten aus allen Stufen ihrer Entwickelung seitens der Grund- stücksbesitzer und der Garteninhaber betreffend. Diese Schmetterlingsarten sind der Braunweißling, der Gold after, der Ringelspinner und der Schwammspinner, fehlerer in vielen Gegenden besser unter dem Namen „Dickkvpf" bekannt. Aus der Bekanntmachung geht nicht hervor, wie diese verschiedenen THiere als Falter, Puppen und Raupen ausschen, welche Größe sie haben, wie sie gefärbt sind, wie sie ihr Leben einrichten u. s. w. DaS würde auch den für solch' eine Bekanntmachung disponiblen Raum viel zu weit überschreiten und vcrmuthlich dem großen Publicum, das meistens gegen eine mit einer Strafandrohung ver bundene Auferlegung von Pflichten ein gewisses Bor- urtheil hat, auch weniger nutzbringend sein,als eine kurze, knappe Darstellung des betreffenden Sachverhaltes. Es würde da, ich kenne meine Pappenheimer, leicht gesagt und als Beschönigungsmittel einer Unterlassungssünde vorgeschützt werden: „Da hätte ich gerade Zeit, den Quatsch zu lesen — das Zeug ist mir viel zu gelehrt — was ver stehen die am grünen Tisch davon —" und was dergleichen Redensarten mehr sind. Für solche Geister sind auch die folgenden Be merkungen, Erläuterungen und Erweiterungen nicht ge schrieben, hätten auch gar keinen Sinn, denn mit dem „Philisterthume kämpfen Götter selbst vergebens." Ich setze meine Feder nur in Bewegung, weil ich hoffe, stv ich sage sogar, weil ich glaube und überzeugt bin, einer verständigeren, besseren Minorität meiner Mitbürge rinnen und Mitbürger damit einen Gefallen zu erweisen, einmal des praktischen Nutzens halber, dann aber auch der Lelchrung wegen. Das ist doch kaum zweifelhaft: wenn man alle Jahre zu bestimmter Zeit jene Bekanntmachung liest, da will man doch auch einmal gerne wissen, wie man mit dem betreffenden Ungeziefer daran ist und wie es sich mit den Belialskindern eigentlich verhält. Die erste in Acht und Aberacht erklärte Art ist ein Tag falter, die drei anderen sind Nachtschmctterltnge, und ge hören zu -er Gruppe oder Familie, die man Spinner nennt — auf lateinisch, oder richtiger auf griechisch, ^ombz-x, ein Wort, das zunächst allerdings Seide, dann Seidenraupe und folglich auch Scidenschmctterling be deutet. Der Seidenschmetterling, obgleich ursprünglich ein verdienstvoller Chinese, hat bei seiner ganzen Familie Gevatter gestanden, da er ja doch in der That der „Spinner" der Spinner ist. Da der Tag vorgeht, obwohl er laut der Schöpfungs geschichte jünger ist als die Nacht, die sich nach M cphist o- pheles erst „das stolze Licht gebar", so ist cs, wie die Verhältnisse liegen, recht und billig, hier mit dem Tag schmetterling zu beginnen. Der Baumweißling (Vieris oder kontia oder Kporia — ganz nach Belieben — orataegi) ist in mehr als einer Beziehung ein merkwürdiger Bursche. Zunächst weicht er darin von allen seinen Vettern, die mit ihm zur alten Gattung kioris gehören, und cs sind deren nicht wenige, ab, daß er einen „höheren Flug" genommen hat wie sie, indem er seine Eier auf Bäume, wenn auch nur auf kleine und modrige, legt, jene aber sich mit niederen Gewächsen, nämlich mit Kveuzblüthlcrn und besonders mit Kohlartcn als Futter für ihre Raupen begnügen. Die zweite wunderliche Sache in seiner Lebcnsgeschichte liegt in seinem Vorkommen. Nehmen wir ältere Schriften, die über deutsche Schmetterlinge handeln, etwa Ochsen- hcimer ' s und Trcitschke' s Werk „Die Schmetter linge von Europa" (1807), zur Hand, so lesen wir „ist allenthalben sehr gemein", und Vater Linnv nannte ihn etwa 70 Jahre früher „eine Pest der Gärten". Das scheint bis in die dreißiger Jahre des vorigen Jahr hunderts hinein auch wirtlich so gewesen zu sein, von da an aber fing er in Norddeutschland an immer seltener und seltener zu werde». Ich habe von 1856 bis 1865 in Mitteldeutschland, in Thüringen und am Harze Jnsectcn beobachtet und gesammelt, und dann wieder von 1872 bis 1879, und habe den Baumweißling in der Zeit weder als Raupe, noch als Schmetterling jemals gefunden, das erste Mal, daß ich ihn, und allerdings gleich in größerer Zahl, antraf, war 1883 bei Köscn. Auch der ältere Taschenberg, der vor einigen Jahren als Professor in Halle verstorbene vorzügliche Kenner der schädlichen Jnsecten, sagt 1879: „seit einer Reihe von Jahren bei uns sehr selten geworden". Andere Forscher sprechen sich ähn lich aus und bemerken, daß, während der Schmetterling früher alle Jahre häufig gewesen wäre, er jetzt nur in längeren Pausen einmal zahlreicher aufträte. Solche Flugjahre waren z. B. bei Neustadt-Eberswalde nach Pro fessor Eckstein 1873 und 1889. Im nordwestlichen Europa war er immer ziemlich, in Großbritannien nach Westwood sogar sehr selten, sonst findet er sich von den Küsten des Atlantischen Oceans bis nach Japan und Lappland bis zum Libanon und bis Nordasrika, aber immer mehr im ebenen Culturlande als im Gebirge, wo er auf einzelnen wärmeren Lagen beschränkt, bis etwa zu einer Höhe von 1800 Meter vorkommt. Was ist die Ursache dieser doch gewiß immerhin merk würdigen Erscheinung? Sollte sie die Folge energischer Verfolgungen sein? Das bezweifle ich sehr stark, oas würde für Schmetterlinge und Jnsectcn überhaupt ein ganz vereinzelter Fall, wenigstens in Deutschland, sein, wenn auch in England allerdings mehrere, aber von HauS aus seltene und an bestinnntere Localitäten fliegende Falter durch Verfolgungen kleiner und großer, aber innncr kindischer Liebhaber, d. h. in diesem Falle Sammler, ausgerottet zu sein scheinen. Ich vcrmutye, ohne cs freilich beweisen zu können, daß die Abnahme des Baumweißlings eher darauf zurückzusühren sein dürfte, daß sich irgend eine Form ihm feindlicher Organismus, etwa ein Schmarotzerinsect oder seuchenerregendc Bacillen, deren Angriffen Schmetterlingsraupcn nnd be sonders gesellig lebende gar sehr auSgcsctzt sind und von denen sie ganz plötzlich, gleichsam wie durch neue ent standene Epidemien befallen werden können, eingestellt und im Laufe der Jahre weiter ausgebrcitet haben. Daß der Bestand des Falters sich in Deutschland wieder zu heben scheint, wäre begreiflich, denn der Krankheitserreger kann zurückgegangen sein, oder die Raupen haben eine gewisse Immunität gegen ihn erlangt. Dem sei nun, wie ihm wolle, ob der Baumweißling eine große Seltenheit oder ein sehr häufiges, den Gärten verderbliches Thier bei uns ist, so wird die Nathsverordnung, wenn sie in diesem Falle auch nichts nützt, doch ganz gewiß noch weniger schaden, und wir wissen nicht, ob nicht vielleicht in zehn oder zwanzig oder noch mehr Jahren die Sache mit dem Schmetterlinge nicht genau wieder so liegen wird, wie vor 1840. Unmöglich ist das nicht, und man thut immer gut, sein Pulver hübsch trocken zu halten. Doch widmen wir uns jetzt der Beschreibung der körperlichen Eigenschaften des Baumweißlings und der Betrachtung seiner Lcbenserschcinungcn im engeren Sinne. Wenn man ihn vorurtheilslos betrachtet, so wird man zugeben müssen, daß er eigentlich ein hübsches Thier ist. Er ist stattlich, flattert 5 bis 6,5, in großen weiblichen Exemplaren sogar bis 7 Centimeter. Seine Oberseite ist weiß, und zwar „lilienweiß", nur die Adern oder Nerven sind, was sehr charakteristisch ist, sehr dunkel braungrau bestäubt oder beschuppt und diese Bestäubung dehnt sich da, wo die Adern am Flügelranü ihr Ende erreichen, stärker aus. Tie Unterseite der Vorderflügel ist leicht schwarz bestäubt, Bruststück und Hinterleib sind mit einem langen, nicht allzu dichten, graulich weißen Haarkleide be setzt. Es giebt in seinem ungeheuer ausgedehnten Ver breitungsgebiete eine Reihe von Varietäten, localen Rassen und Abänderungen, von denen eine von der Balkanhalbinsel, deren gräuliche Flügel oben und unten fast ohne Schuppen sind und die deshalb „ulopea", die „Haarlose" heißt, die merkwürdigste ist. Der Falter fliegt bei uns in dem letzten Drittel des Mai und das Weibchen legt seine gelben, kegelförmigen Eier dicht beieinander in Häufchen von etwa 150 Stück auf die Unterseite der Blätter der zahlreichen Futterpflanzen und stirbt dann, nachdem das Männchen schon eine Woche vorher, un mittelbar nach der Begattung, aus dem Leben geschieden war. Die Futterpflanzen sind kleinere Bäume, sowohl von Kern- als von Steinobstsorten, Weih- und Fiolhdorn, aber auch Eichen. Nach 14 Tagen erscheinen die kleinen, ganz gelblichen und vorn und hinten schwärzlichen sechzehnfllßigen Räupchcn, die als Geschwister beieinander bleiben. Zunächst fressen sie vielleicht, doch ich weiß es nicht, die Schalen ihrer Eier, dann aber die Oberhaut ihres Geburtsblattcs auf beiden Seiten, so daß nur -essen Rippenskelett zurückbleibt. Jetzt geht ein Theil von ihnen auf die nächsten benachbarten Blätter über, bleiben aber durch Gespinnstfäden mit dem zuerst benagten Blatte und so mit ihren Geschwistern im Zusammenhänge, ziehen das ganze Büschel, das meist nur Pflaumengrößc erreicht, zu sammen, und ein sogenanntes „kleines Raupennest" Lüdet, das auch als Ganzes an das nächste Acstchcn an gesponnen ist, nnd zwar so fest, daß es alle Herbst- und Winterstürme überdauert. Innerhalb des gemeinsamen Gespinnstes macht nun jede Raupe vor Eintritt des Winters noch ein eigenes, sozusagen Privatcigenthum, nnd überwintert mit ihresgleichen in diesem luftigen Palaste, trotz grimmiger Kälte. Es sei gestattet, hier eine beiläufige Bemerkung einzu flechten. Vor geraumer Zeit in eben diesem „Tageblatt" ein „Eingesandt", in -cm darauf aufmerksam ge macht wurde, daß wir im Laufe -cs nächsten Frühlings und Sommers nach einem so milden Winter wahrscheinlich sehr viel durch schädliche Jnsectcn zu leiden haben würden, für welche diese Witterung doch äußerst günstig wäre. Diese, übrigens weit verbreitete Ansicht ist grund falsch und beruht auf einem Trugschluß: die schlechtesten Winter für die Jnsectcn sind die nassen, in denen lindes Wetter mit Kälte häufig und plötzlich wechseln, die besten sind solche, in denen der Schnee ziemlich hoch liegt, lange liegen bleibt und gegen das Frühjahr rasch und ein- für allemal wegschmilzt. Man überlege sich nnr einmal die Sache: wenn eine dichte Schneedecke über die Oberfläche deS Bodens gebreitet ist, wird die Temperatur gleich mäßig bleiben, es dringt keine übermäßige, sondern nur die nöthige Feuchtigkeit in die Erde, nnd zu denen in zahl reichen Arten und zahllosen Individuen, die hier ihre Winterquartiere haben. Es mag oberhalb dieser Decke so kalt werden, wie es will, die kleinen Schläfer werden weder mittelbar, noch unmittelbar davon betroffen, unter den monatelang anhaltenden gleichen Verhältnissen wer den keine störenden Veränderungen in den physiologischen Vorgängen ihres Körpers eintrcten, Alles verläuft hübsch gleichmäßig, ohne ein zeitweiliges Zuviel oder Zuwenig. Nun denken wir uns, was in diesem Jahre nicht gerade schwer ist, denn wir haben cS erlebt, den schneclosen Boden nach einer acht- oder vierzehntägigen Periode gelinder Kälte von — 2 bis 3 Grad Celsius, die gerade ausrcichtc, die Erde fest und scheinbar trocken zu machen, d. h. sic ge frieren zu lassen. Das schadet den in ihr ruhenden Thicrcn nichts, denn die Kälte war nach nnd nach cingctretcn und hatte die Organismen nicht plötzlich überfallen. Jetzt tritt auf einmal und unvermittelt starker anhaftender Regen bei einer Wärme von -j- 6—7 Grad 6. ein, der Boden wird weich durch die in ihm gefroren gewesene und jetzt aufgethaute Feuchtigkeit und durch das tagelang ans ihn hcrabstrümende Himmelswasser. Tie hohe Tem peratur muß auf die Wintcrschlüfcr in der Erde ver ändernd einwirken, sie muß ihe physiologischen Verhält nisse umstimmen, wenn cs die THiere auch noch nicht weckt. Nachdem das milde Wetter 4—5 Tage angehalten hat, lange genug, um doch nicht ganz unbedeutend einwirten zu können, tritt ganz unvermittelt und plötzlich eine Kälte von — 4—5 Grad E. ein, das in den gefrorenen Boden, in seine Ritzen und Höhlungen cingedrungene Wasser gefriert, cs erweitert dadurch die Erdüffnungen, es drückt auf die in ihm ruhenden THiere, ja es läßt die eigenen Säfte erstarren, das Eis nimmt mehr Raum in den Lücken zwischen ihren Organen und Geweben ein, dieselben werden gedrückt und gepreßt, stellenweise sogar zer rissen, und so müssen gewaltsame Eingrifse in die Or ganisation eines großen Bruchtheils der Winterschläfer stattfinden, die nur ein kleiner Bruchtheil dieses großen Bruchtheils zu überleben im Stande sein wird. Wie es mit den überwinternden Thicrcn in der Erde geht, so geht cs auch mit denen über der Erde. Es ist wunderbar, wie widerstandsfähig die Jnsecten gegen den Einfluß einer scharfen, anhaltenden Kälte sind, wenn sie nur nicht von plötzlichen Wärmcperioden unterbrochen wir-, denen ebenso plötzliche Kältcperioden folgen. Eine schöne, sel tene Gluckcnart unseres Vaterlandes hat Raupen, die halbwüchsig überwintern, und zwar in keinem Versteck, sondern laug ausgcstreckt und dicht an zarte Aestchen ihrer Futterpflanze angedrückt und sie mit lhren starken, breiten Bauchbcincn umklammernd. Die THiere werden vor Kälte hart und fest wie Stöckchen: wenn man sie in ein Gefäß wirft und schüttelt, so klappern sie und man kann sic glattweg durchbrechen, und doch erwachen sie im näch sten Frühling, nachdem sie aufgethaut sind, zu neuem Leben, als wäre ihnen nichts Außergewöhnliches wider fahren. Ebenso wring schadet große Kälte den jungen überwinternden Raupen des Baumweißlings in ihrem Neste. Im nächsten Frühling, aber selten, bevor eine Tem peratur von mindestens -s-13 Grad 6. eingetreten ist, ver lassen die Raupen das Wintcrncst und verfertigen sich in derselben Weise, wie sie dieses im Sourmcr hcrgestellt hatten, ein neues, größeres und bequemeres, das sie am Morgen, wenn der Thau aufgctrocknet ist, verlassen, und in das sic, wenn sic den Tag über in der Nachbarschaft gefressen haben, zurückkchrcn. Alle bleiben mit dem selben durch einzelne lockere Fäden, „Ariadnefäden" ihrer Bedeutung nach, in Zusammenhang, auch bei cintretcnder schlechter Witterung suchen sie ihr schützendes Heim und bei anhaltendem Regen nnd Wind bleiben sie überhaupt zu Hause. Nach der letzten, vierten, Häutung ist die Raupe 38—42 Millimeter lang, hat einen schwarzen Kopf und schwarze Brustfüßc, auf dem Rücken eine dunkel- braun-schwarze Grundfarbe, auf der sich rechts und links neben der Mitte je ein breiter, bald hellerer, bald dunkler braunrother Streifen abhebt, während tiefer an den Seiten, dicht über den Füßen, eine feine rothc LänqSlinie verläuft. Die Oberseite ist dicht mit mäßig langen, weiß lichen Haaren bedeckt, die grane Unterseite aber unbe haart. Die erwachsenen Raupen kriechen auseinander, der Geschwistcrbnnd löst sich auf, und jede von ihnen sucht sich, zwar ans demselben Raum, aber doch nicht nahe bei einander, ein Plätzchen, wo sie sich in eine hell gelbgrünc, gelb und schwarz gestrichelte, mit Borsprüngen, Ecken : nd Kanten versehene Puppe, wie sic bei den Weißlingen und den meisten anderen Tagfaltern sind, verwandelt, die im Freien an ihrem Hintercndc mit einigen Fäden und Feuilleton. Ihr Letztes Wort. Von Maarten Maartens. Aus dem Englischen von C. B. Nachdruck verboten „Höre mich — Du!" sagte sic. Sie waren allein geblieben im Salon, der überheizt, die Luft schwer von Blumenduft und Wohlgerüchcn, den Kerzen im Aestsaal, die gelblich brannten im Schein des verlöschenden Fcucrs. Die Hochzeit ihrer Tochter war vorüber, die letzten Gäste — Verwandte — waren fort: es war vier Uhr des Nachmittags — eines feuchten, nebligen November-Nach mittags. „Welch' ein Tag für eine Hochzeit!" Er gähnte. „Na, wenn Sissic nur glücklich wird! Frauen, wenn sie heirathcn, sind wohl immer glücklich, nicht wahr?" „Oh, immer!" antwortete sic. Er fuhr zusammen beim Ton ihrer Stimme, -er war ihm ganz neu — er sah sic groß an. — Dann trat er hinter sic. Ein wohlfrisirter, weißhaariger Stutzer, ungefähr fünfundfünfzig Jahre alt, erfreulich anzusehcn, und tadellos angezogen. „Du bist auf jeden Fall glücklich gewesen, mein Lieb ling", sagte er, „bist auch immer glücklich gewesen!" Er strich leise, liebkosend über ihren Nacken. „Wir können unfern Töchtern nichts Besseres wünschen, als daß sic so glücklich werden mögen wie Du es bist." „Sic müssen cS nehmen, wie cs kommt", sagte sic weh- müthig. „Nun ist die Letzte fort. Gott gebe, daß sie ihren Mann liebt!" „Natürlich liebt sie ihn, jede gute Frau liebt ihren Manu. Welcher Gedanke, eine Deiner Töchter, die ihren Mann nicht liebte!" Wieder spielte er liebkosend mit den Löckchen in ihrem Nacken. „Lag', daß Du mich liebst — schnell!" Er wartete ihre Antwort nicht ab und bewegte sich zur Thür hin. „Ich will auf eine Stunde in meinen Club", sagte er. Dies war der Augenblick, in welchem sic ihn aufhiclt. „Höre mich — Du!" sagte sie. Sie war aufgestanden und blickte ihn an. Eine Matrone, nahe der Fünfziger, war sic noch eine schöne Frau. „Aber Alice, was ist Dir —" ,.O still!" sagte sie. „Höre! Laß mich reden — Endlich —" Einen Moment blieben sie sich regungslos gegenüber: er erstaunt, sie nach Athcm ringend. „Wir haben zwei Söhne und drei Töchter", Hub sie an. „Das letzte Kind hat uns heute verlassen." „Eine unleugbare Thatsache", sagte er, verlegen lachend, weil ihr ganzes Wesen ihm befremdlich war. „Wir haben Glück gehabt mit unseren Töchtern. — Frei lich, wir Beide haben anch unser Möglichstes für sie gcthan." „Glück gehabt!" wiederholte sie. „Die Ehe ist wohl daö einzigste Glück für das Weib! Das hast Du wohl immer gedacht." „Das ist es auch, oder kennst Du ein größeres?" „Nein. Es ist bas höchste Glück, das heißt, cs kann cs sein. Aber nicht das Vcrhcirathctsein an sich — wie es sich auch gestaltet — wie Du zu denken scheinst." „Sissie hat eine ganz gute Partie gemacht. Ihr Mann scheint mir auf seine Art ein ganz guter Kerl zu sein — ich denke mir —" „Was denkst Du Dir?" „Sie werden ganz gut mit einander auskommcn, wie die meisten Menschen." Sie wandte sich, mit leisem Stöhnen, dem erloschenen Feuer zu. „Meiner Töchter Seelen!" seufzte sic, „meiner Töchter Seelen!" Er kam von der Thür zurück. „Du bist übermüdet", sagte er, „und nervös. Trink' eine Tasse starken schwarzen Kaffee, leg' Dich ruhig etwas hin vor Tisch. Tage, wie der heutige, sind eine furchtbare Anstrengung. Dir wird wieder ganz wohl sein, wenn Du etwas geruht." „Wenn ich nur sicher sein könnte, daß sic ihre Männer lieben!" sagte sie, und blickte unverwandt in das Feuer. „Ich denke ost, baß Mary — Mary — „Du thust ihr Unrecht", schaltete er schnell ein. „Um des Himmels willen, bringe Mary nicht auf solchen Ge danken. Sie ist romantisch, und heut' zu Tage giebt cs keine Romantik mehr. Romantik bringt nichts ein. Ihr Mann ist ganz gut, wenn sie ihn nur richtig zu nehmen versteht. Er hat eine Unmenge Geld nnd wenn er sich gern amüsirt —" „Nicht doch", sagte sie. „Mary ist mir am ähnlichsten. Nun", und sie lachte unharmonisch, „sie müssen es nehmen, wie es kommt — wie ich. Wir können fast Alles für unsere Kinder thun, außer ihr eheliches Glück sichern." „Wenn sie Alle so viel Glück haben wie Du", sagte er, „dann werden sie keinen Grund zur Klage haben." „Du liebst den Ausdruck Glück haben", antwortete sic. „Habe ich Glück gehabt?" „Du verstehst ganz gnt, was ich meine", sagte er ärger lich. „Mache mich nicht ohne Grund lächerlich. Wenn ich sage „Glück haben", so heißt das nur, das Alles so wett gut gewesen ist. Und — sich — Alice — ich habe Dich nie so sonderbar gesehen, wie Du cs heute Abend bist — Du mußt zugeben, daß Du einen viel schlechteren Mann hättest bekommen können, als ich einer bin." „Ja", sagte sic langsam, „oh ja, ich hätte einen viel, viel schlechteren Mann haben können." „So bist Du wieder mein liebes Weib. Wir haben uns seit beinah dreißig Jahren doch geliebt. Gicb mir einen Kuß, ch' ich zum Club gehe." „Nein!" rief sic. „Bleib! Ich muß sprechen, noch diesen Abend. Eh' Du das Zimmer verläßt. Ich muß Alles sagen. Höre mich! Setze Dich! Höre mich! Laß mich reden!" Er setzte sich, ganz verblüfft und zupfte an seiner Marüchctte. „Du sagtest, daß ich Dich seit beinah dreißig Jahren geliebt habe", sprach sie, vor ihm stehend. „Ich danke Gott, daß Du daö gesagt hast. Ich bin Dir ein treues Weib gewesen, nicht wahr? Ich habe die Kinder erzogen, habe sic geliebt und für sie gesorgt: sie haben ein glück- lichoS Heim gehabt. — Anch Dn hast immer ein glück liches Heim gehabt — sprich, ist cS nicht so?" „Meine geliebte Alice, Tu bist immer die beste aller Frauen gewesen, und ich —", er sah lächelnd zu ihr ans. „Ich bin immer der beste der Männer gewesen, wolltest Du sagen?" „Nun, nein. Das klänge etwas albern, wenn man das von sich selber sagte. Immerhin —" „Ich will nicht behaupten, daß Du mir ein liebloser Gatte gewesen bist: wir sind ganz gut mit einander aus gekommen. Ich habe mein Möglichstes gcthan und wir sind zufrieden gewesen." „Aber! Du sprichst, als hättest Du Dir nie etwas aus mir gemacht." „Nein." Ihre Stimme klang wchmüthig, feierlich. „Das wäre nicht wahr. Ich habe mir sehr viel aus Dir gemacht — einst. — Ich habe Dich lieb gehabt, Reginald, als wir hciratheten. Ich hatte Dich aufrichtig lieb, sah bewundernd zu Dir auf, mit der Liebe eines einfachen, ehrlichen Mädchens für den Mann, der sie gebeten, sein Weib zu werden. Ich glaube, ich hätte Dich mit der Zeit lieben gelernt." „Alice! Mein Gott — Alice!" „Oh, rege Dich nicht auf! Ich habe nie einen Anderen geliebt. Wohl bin ich Männern begegnet, von denen ich gedacht, daß ich sie hätte lieben können, wäre ich mit ihnen verheirathct gewesen, aber höchstwahrscheinlich hätte ich mich getäuscht gesehen." „Aber ich! Mich! Willst Tu sagen, daß Du mich nie geliebt hast? In des Himmels Namen, was soll das heißen? Und ich, der Dich sein ganzes Leben geliebt hat, und —" Sic wandte sich zu ihm. „Hast Du mich jemals geliebt, als um Deiner selbst willen?" fragte sie. „Ich verstehe nicht, was Du damit sagen willst, Tu ha,t selber keine Ahnung von dem, was Du sagst. Trink' doch tchivarzcn Kaffee und —" „Ich weiß nur zn wohl, was ich sagen will. Seit über zwanzig Jahren habe ich gewartet, um cs Dir zu lagen. Ich habe öfter versucht, es zu sagen, in einer andern Weise — in einer sehr andern Weise, aber ich gab den Versuch auf. Ich sah, wie absolut nutzlos cs lem würde. Es konnte nichts bessern. Hätte nur gc. schadet." „Warum cs denn jetzt sagen?"
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