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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.03.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-03-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020327012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902032701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902032701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-03
- Tag1902-03-27
- Monat1902-03
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Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklame« auter dem RedactioaSstrich (L g«spaltea) 7b vor den Famtltenaach. richte, (S gespalten) KO Tabellarischer und Ziffrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen and Offrrteaannahme LS H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbrsörderung «0.—, mit Postbejörderung .^l 70.—. Aaaahmeschluß für Anzeigen: Abead-Au-gab«: vormittag« 10 Uhr. Morgea-Au-gabe: NachmUtag« 4 Uhr. Bet de» Filialen a»d Annahmestellen je «ine halb« Stund« früher. Anzeige« fmd stet« au di« Expedition zu richte«. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geäffaet voa früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Druck aad Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 158. Donnerstag den 27. März 1902. S6. Jahrgang. Gefühle und Politik. In erregtester Spannung lauscht die Welt auf Nachrichten aus Südafrika oder London, die die schwache FriedenSkoff- nuag, welche von der Reise von Boerenfübrern zum Präsi denten Steija erweckt worden sind, verstärken könnten. In zwischen bat sich über da« gemüihliche Berbältniß der deutschen Nation zu den Kriegführenden eine Stimme ver nehmen lassen, die ein Recht hat, gehört zu werden, ja, die zu hören Pflicht erscheint. Sie gehört dem Grafen Berchem an, der unter dem Fürsten Bismarck lange UnterstaatSsekrctär de« Auswärtigen Amtes war und sich zeitlebens als glühender deutscher Patriot gezeigt bat. Der katholische bayerische Aristokrat ist, wie sein Landsmann und StandeSgenosse Fürst Chlodwig Hohenlohe, ein nuelinüd- lichcr Förderer des Gedankens einer Einigung Deutschlands uater preußischer Spitze gewesen, und er bat eS nicht bei der Propaganda bewenden lasse«, sondern am Werke selbst, als eS sich vorbereitete und als e« geschaffen war, freudig und tüchtig mitgewirkt. Der Graf schreibt nun am Schlüsse eines in der »Münchener Allz. Ztg." veröffentlichten Artikels: „Wer nicht mit Blindheit geschlagen, wird zu würdigen wissen, Welch« eraste Gefahren, abgesehen voa Frankreich, die unberechen baren inneren Schwierigkeiten unserer östlichen Nachbarn in sich schließen, mögen unsere Beziehungen zu deren Regierungen noch so gute sein. Da gestattet mau sich den Sport, England z» provociren in der Voraussetzung, daß dasselbe dagegen nicht reagirea werd«! Gerade England gegenüber aber gilt heute der Satz, daß di» Empfiavlichkeit momentan schwacher Regierungen sorgfältig zu schonen und daß eS unzulässig ist, sie zum Eiagkständniß ihrer Schwäch« zwingen zu wollen. Dasjenige Lager, au« welchem die Verherrlichung der voeren und die Klage über die Niedertracht ihrer Gegner am lautesten erschallen, ist merkwürdiger weise im Wesentlichen jenes, welches sonst zumeist die BlSmarck'ichen Traditionen heilig hält. Den Anhängern dieser Richtung sei warm empfohlen, den Mahnruf des Staatssekretärs (v. Richthofen) zu beherzigen und die strengen Urtheile uachzulesen, welche Fürst BiSmarck über Schwärmerei und Macht der Gefühle in der Politik dutzendfach gefällt und veröffentlicht hat. Mit ihm ist daran festzuhalten, daß, wenn ein Anlaß vorliegen sollte, mit einer fremden Macht anzubinden, dies Sache kühler, reiflicher Ueberlegung und zunächst der kaiserlichen Regierung ist, die sich in guten Händen befindet, daß eS aber nicht patriotisch ist, eine fremde Macht ohne greifbaren Grund zu provociren und dadurch die Freiheit der Wahl unserer Bundesgenossen einzuschränken einer europäischen Lage gegenüber, welche diese Freiheit gebieleriich erheischt. „Wir haben nicht eines Richteramtes zu walten, sondern deutsche Politik zu treiben". Letztere erheischt aber Beherr schung unsere« Temperaments und Sammlung unserer Kräfte zur Bertheidig ang langgestreckter Angriffs- fronte« und zur Lösung der Ausgaben der Zukunft". Man mag über dies« Darlegung denken oder empfinden wie man will, Graf Berchem kann jedenfalls in keinerlei Betracht auf eine Stufe gestellt werden mit einem anderen ehemaligen ReichSdiplomatea, der däufig über die Frage geschrieben und, wa« der ehemalige UnterstaatSselretär keineswegs thut, unbedingt die Partei der Engländer genommen bat. Dem Grafen Berchem kommt eine größere staatsmännische Autorität zu und er wendet sich in einem bratschen Blatte an das deutsche Publicum, während jener Herr e- in der Regel vorzog, mittels zwar deutsch ge schriebener, aber in England erscheinender, vermuthlich eigen artig finanzirter Zeitschriften zu reden, so daß der Ge danke einer Verbindung anderer Zwecke mit dem Aufklärung»- und BerudigungSzwecke nicht leicht ab zuweisen war. Im Uebrigen bat sich Graf Berchem wie kaum ein Anderer unter dem neuen CurS als ein Mann accreditirt, der völlig unabhängig nach oben ist. Er war noch Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amte«, als Fürst BiSmarck entlassen wurde, und blieb es auch noch geraume Weile nach diesem Zeitpunkte — eia Beweis dafür, daß seine spätere Entschließung nicht den Cbarakler einer Demonstration für den großen Kanzler, dem er ja allerdings persönlich sehr zugetban war, und gegen des Fürsten Nachfolger trug. Erst al« Graf Berchem erkennen mußte, daß die erprobten Bahne» der auswärtigen Politik verlassen seien, gab er der Kritik des Neuen den denkbar stärksten Ausdruck, indem er au- dem Dienste schied, sehr zum Bedauern der Neuen, die mit Recht den Schritt als Kritik empfanden und mit gleichem Rechte voraussahen, die Denkenden in Deutschland würden ihn so ausfassen. Graf Berchem hat in seiner Eigen- schäft als Gegner des diplomatischen Dilettantismus, der Uebertragung von Sentiment- in die auswärtige Politik, dem Dienste den Rücken gekehrt, und bei einen, solchen Manne ist es sowohl auSgeschloffeo, daß er zur südafrikani schen Frag« höfischen Meinungen und Empfindungen zu Liebe vom deutichen Standpunkte so Stellung nimmt, wie er eS thut, wie es undenkbar ist, daß er, indem er von der großen Mehrzahl seiner Landsleute abweicht, seiner seits Geutimeot» gegen Sentiment- setze. Diese Gründe rechtfertigen wohl die Weiterverdreituag seiner Ausführung. Urbrigens fällt eS dem Grafen Berchem gar nicht ein, da- fast allgemeine deutsche Urtheil über das Vorgehen England- in Südafrika umwanveln zu wollen, wie manche ohnehin britenfreundliche Blätter anzunebmen scheinen. Er verurtheilt dieses Verhalten selbst folgendermaßen: Grwiß war Englands verholten in Südafrika «In verfehltes. S« hält« sich mit den tmmrrhia beachtenSwerthrn Angeboten Krüger*« begnüge«, di« dargrboteuea etwa 80 Proceot Gewinn annehmen und sich mit einer Etappe zusri«denst«lleu sollen, welche im Laus« vtelleicht eine« Jahrzehnt«, aller Wahrscheinlichkeit nach friedlich, »um Ziel« geführt hab«» würd«. So hätte vermuthlich da« heutig« Rußland g«haad«lt, welche« in Ast«n oha« großen Lärm überall stetig sortschr«it«t und auch jetzt dem japanisch-englischen Bündnisse »in sremtdlichrs Lächeln entgegensetzt, still zuwartend, b!« sein, Eisenbahnen vollendet sein aad ihm gestatten werden, eine andere Sprache zu führen. Für die Art der englischen Kriegführung hat er k-in Wort der Vertheidigung. ES kann also auch seine Absicht nicht sein, die Gefühle des Mitleids mit den Boeren und der Empörung über ihre Behandlung in da- Gegentbeil zu ver kehren oder auch nur abzuschwächeu. Eine solche Absicht würde sich schon von selbst bei einem Manne verbieten, der stets ein so feine- Empfinden für Recht und Unrecht bewiesen bat und schlechterdings nicht wünschen kann, daß seinen Landsleuten dieses Empfinden verloren gehe. Auch das kann er nicht wollen, daß die deutsche Nation und ihre berufenen Vertreter Schmähungen wie die Cbamber- lain'S geduldig aus Furcht vor eugliichenNasenstüber» hin- nehmen. Er weiß zu gut, daß eine Nation, die Derartiges zaghaft über sich ergehen läßt, nicht nur dem Schmäher und seinen Freunden nicht imponirl und diese von demütbigenderen Zumuthungen nicht abhält, sondern auch in bedenklichem Grade selbst Einbuße erleidet an jenem Selbstbewußtsein, ohne das in der Stunde der Gefahr eine kräftige Abwehr zur Unmöglichkeit wird. Er will nur davor warnen, daß wir in unserer exponirten Lage unser moralisches Unheil über fremde Handlungsweise und unser Mitempfinden mit leidenden Anderen ausschlaggebend sein lassen bei der nüchternen Erwägung, waö zu lhuo und zu lassen ist, wenn wir nicht eine Verwickelung herbeiführen wollen, die uuS selbst in Bedrängnis) stürzen könnte, ohne daß dauiit deu Gegenständen unseres Mitleid- da- Geringste genützt wäre. Daß solche Warnung am Platze ist, da- hat die bekannte NeichStagörede de- Abg. Liebermaun von Sonnenberg und haben die ZustimmungSadressen, deren er sich hinterher rühmte, nur zu überzeugend bewiesen. Der Krieg in Südafrika. Die Jagd auf Delarey. * Loudon, 26. März. (Telegramm.) Lord Kitchener meldet aus Pretoria unter dem 25. März: Mehrere Colonnen berittener Truppen unternahmen am 23. März Abends ohne Geschütze oder irgendwelche Bagage combiuirte Bewegungen gegen Delorey. Abschließende Berichte über das Ergebnis; derselben liege» noch nicht vor. Die Colonnen Kekewich's und des Generals Walter Kitchener erbeuteten drei Fünfzehnpsünder und zwei Pom Poms, machten 98 Gefangene und erbeuteten eine Menge Wagen und Vieh. Die Truppen legten in 24 Stunden 80 Meilen zurück. * London, 26. März. (Telegramm.) Ein Telegramm Loid Kitchener's vom 25. März Nachmittags besagt, daß nunmehr olle Meldungen bezüglich der in seinem letzten Telegramm berichteten combinirten Bewegung eingegangen seien; die Gejammtzahl der Gefangenen betrage 135. Gerade jetzt dürfte cs von Interesse sein, an die Bediugunge« Kitchener's zu erinnern, welche dieser den Boeren am 7. März 1901 stellte. Unter allen Umständen dürfte es von Interesse sein, daran zu erinnern, welche Bedingungen Lord Kitchener am 7. März 1901 den Boeren stellte, nämlich: Bei allgemeiner Einstellung der Feindseligkeiten Uebergabe aller Gewehre, Munition und Geschütze seitens der Boeren; Amnestie in Transvaal und dem Oranje freistaat für alle bona licku begangenenKriegShandlungen, aber nicht fürNcbellen, die jedoch nicht gezwungen werden sollen, nach Natal oder der Eapcolonie zurückzukchrcn; wenn sie cs jedoch thun, sollen sie nach den dort er lassenen Kriegsgcsetzen abgenrthcilt werden; Zurückfllh- rung der Kriegsgefangenen; Ersetzung der Militärver waltung durch die Verwaltung einer Krvncolonie „so bald als möglich". Einführung eines repräsentativen Elements und schließlicher Selbstverwaltung, „sobald die Umstände eS gestatten"; Errichtung eines von der Executive unabhängigen Obersten (Berichtes; Benutzung der englischen und der holländischen Sprache in den vfsent- lichcn Schulen und Gerichten; „AnS Gnade" Zahlung von 1 Million Pfund Sterling für Beschädigungen durch den Krieg, ohne daß die englische Regierung eine Ver antwortung für die Schulden der republikanischen Regie rung übernimmt; Möglichkeit einer Anleihe für Farmer -um Aufbau ihrer Farmen, wenn sie den Treueid leisten; keine Kriegssteuer auf Farmen, um die Kosten deS Krieges zu decken; Erlaubniß zur Führung von Waffen für Jagd zwecke; kein Wahlrecht für Koffern, ehe eine Repräsen- tativ-Berfaffung eingeführt ist, und auch kann soll da» Uebergewicht der Weißen gewahrt bleiben, Farbige sollen jedoch dieselben Rechte wie diejenigen in der Eapcolonie haben; dieses Anerbieten gilt als hinfällig, wenn eS nicht nach einem, zur Erwägung genügenden Zeitraum ange nommen wird. Diese Vorschläge Kitchener's wurden von LouiS Botha am 16. März 1901 abgelehnt und am 9. Mat er klärte Herr Chamberlain im Unterhause, daß di« Regie- rung sich durch die Vorschläge nicht mehr für gebunden er- achte. Die Boeren konnten dieselben nicht annehmen, weil ihre Kampfgenoffen von Natal und der Eapcolonie von der Amnestie ausgeschlossen wurden und weil die Zusagen mit Bezug auf die Gewährung der Selbstver waltung zu unbestimmt waren. Wenn die englische Ne gierung sich heute noch weigert, den Rebellen Amnestie zu gewähren und die Einführung der Selbstverwaltung nach einem im Voraus festgesetzten kurzen Zeiträume zu- -ugestehen, dürfte keine Aussicht auf baldige Beendigung der Feindseligkeit sein. Die bedeutendste Persönlichkeit der jetzigen Transvaal- regierung ist Reitz. Lr ist ein Mann von Erziehung und Bildung, Schrift steller und Dichter. Reitz ist, wie „Daily Mail" be hauptet, Deutscher von Abstammung. Jedenfalls ist er in der Eapcolonie geboren und er ist englischer Jurist von Beruf. Reitz war 14 Jahre lang Justizminister im Freistaat und wurde 1889 zum Präsidenten gewählt. Diese Stellung legte er in; Jahre 1895 airS Gesnndheits- rücksichten nieder. Zur richtigen Vcurtheilung der durch die neuesten Meldungen etwas verschobenen Lage in Südafrika mag eine kürzliche Unterredung mit dem Vorsitzenden der europäischen Londergesandtschaft, Abraham Fischer, von großem Werthc sein: „. . . Keine der englischen Verheißungen, so rief der unverzagte Afrikaner mit seinem in strenger Beurtheilnng aller Thatsachen wurzelnden Optimismus ans, ist in Er füllung gegangen. Vor dem Kriege haben die Engländer uns versichert, daß es nur ein Spaziergang nach Pretoria sein sollte und daß dafür 00 000 Soldaten nnd ein paar Millionen Pfund Sterling vollständig genügten. Wäh rend des Krieges haben sie der Welt wicderbolt versichert, daß der Krieg nur noch einige Monate dauern würde. Sv hieß es nach Paardcberg, nach der Besetzung von Bloemfontein und Pretoria, nach der Einnahme von Kvmatipvvrt, nach der Uebergabe Prinsloo's, nach dem Betannlwerden der Eorrespvndenz zwischen Steijn und Reitz im Juni des vorigen Jahres nnd noch bei vielen anderen Gelegenheiten, und teinc ihrer Prophezeihungen hat sich erfüllt. Warum sollen wir also Schwarzseher sein? Wir haben nichts prophezeit; das Einzige, was wir erklärt haben, ist, daß unsere Leute bis zum letzten Mann kämpfen werden, und weiter haben wir auf Gott vertraut, auf den Gott, der unser Golk schon voit so viel tvefahrcn und Nöthen errettet hat. Die Lage der EommandvS ist gegenwärtig entschieden nicht ungünstiger als den vorjährigen Sommer, und der Geist der Bürger ist standhafter als je zuvor. Die Männer, die nun noch im Felde stehen, haben die harte Prüfung glänzend bestanden. Und trotz asicS Elends, aller Leiden und Entbehrungen, ermuthigen auch die Frauen sie zum Kampfe. Der Starkmuth der Frauen ist sicher nicht minder groß als der der Männer. Und gegen dieses vereinte Heer von Uner schütterlichen kämpft nun die gewaltige A r in ee Englands. Jeder Bericht, der einlänft, zeugt von diesem Geist. In der letzten Zeit haben wir zwei Rapporte em pfangen; der letzte, datier vom 15. Februar, war sehr e r m uthi g e n d. Er gab Aufschluß über den Zu stand der Evwmandvs in Transvaal, im Freistaat und in der Eapcolonie, und brachte von allen günstige Zeitung. Uebcrall war Proviant in Uebersluß vor handen, Munition und Gewehre genügend, an Pferden kein Mangel. Präsident Steijn ist ohne Sorge und guten Muths. Sein felsenfester Wille und sein heiterer Sinn in allen Lagen wirken begeisternd auf die Bürger. „Vor letztes Jahr kämpften wir mit Hoffnung, heute kämpfen wir mit Vertrauen. Wir fechten nun nicht mehr bis zum bitteren Ende, sondern bis znm glücklichen Ende." Diesen seinen berühmten und die Lage am besten kenn zeichnenden Ausspruch kann ich bestätigen. Staatssekretär Reitz erhält sich ungeschmälert seinen stolzen Optimismus, macht Verse und Berschen auf die verschiedenen Ereignisse, Gedichte, die von Commando zu Eommando wandern, vom Norden der südafrikanischen Republik bis zum äußersten Süden der Eapcolonie. Die Bürger hegen unbegrenztes Vertrauen zu ihren Führern, nnd diese wieder wissen, daß sie in -er Gefahr jenen unbedingt vertrauen können. In dem Rapport vom 15. Februar wird auch von zwei großen Stegen LouiS Bvtha'S Bürger» im Osten von Transvaal berichtet, Siegen, bei denen E v n v o i S w e g g e n o m m c n und viele Gefangene gemacht wurden, die jedoch von den englischen Berichten bis heute nicht eingestandcn worden sind. ES ist also kein einziger Grund zu Besorg- nih vorhanden, sondern, im Gegenthcil, lauter Gründe zu Vertrauen." Auf die Frage, ob während deS kommenden Winters nicht Nachtheile von den BlockhanS-Gürteln be fürchtet werben, antwortete Herr Fischer: „Wenn sich die Boeren während des Winters nicht in einem von ihnen eingeschlofscnen Gebiete halten können, so ist in den beiden Republiken noch Raum genug vorhanden, wo sic nicht behindert sind durch die BlockhauS-Ltnien." Deutsches Reich. Berlin, 20.März. (Gefängnißstrase fllr jugend liche Missetbäter.) In der .Medizinischen Reform" entwirft ein Schularzt von einer letzthin stattgebabten Ge- richt-verbaudlung ein Bild, da- die schon oft geäußerten Be denken gegen die Gefangnißstrase bei jugendlichen Angeklagten lebhaft verschärfen muß. Es bandelte sich um mehrere Kinder, die „Bandendiebstähle" begangen haben sollen. Nach der Darstellung de- Arzte-, der al« gerichtlicher Sachverständiger der Verhandlung beiwobnte, sprach sowohl di» Art dieser Diebstähle, wie der körperliche Zustand der Angeklagten für die geistige Zurückgebliebenheit der Missetbäter. Trotzdem wurde nur rin Kind sreigesprochen, und zwar nicht etwa auf Grund der Annahme mangelnder Einsicht der Strafbarkeit seiner Handlung, sonder« nur wegen Mangel« der Beweisbarkeit der Tdat. Die drei anderen er kiesten 6 Monate, beziehungsweise 3 Monat», beziehungsweise K Wochen Gesänguiß. E« ist nun allerdings nicht ausge schlossen, daß di« Darstellung in der „Mediciaischrn Reform" etwa« einseitig gefärbt ist, da der Verfasser selbst mittbrilt, der Gerichtshof sei ihm mit Rücksichtslosigkeit begegnet; auf der anderen Seit» aber spricht für di« Richtigkeit der Dar stellung der Hauptsache nach di» Tbatsachr, daß wiederholt daS Gutachten der ärztlichen Sachverständigen bei Straf Verhandlungen einfach unberücksichtigt geblieben ist. Nnu wäre eS ja gewiß eine Beschränkung der freien Beweis - Würdigung der Richter, wenn sie unter allen Umständen an das Urtheil der mevicinischen Sachverständigen gebunden sei: sollten, aber man kann nicht leugne», daß daS Vertrauen d r Richter auf die Richtigkeit deS eigenen Ermessens manchmal ein zu großes ist. Ganz besonders aber bei der Frage der Strafmündigkeit von Kindern sollten die Gericht. Höfe, so lange wir noch kein anderes Strafensystem haben, in der Verneinung der Strafmündigkeit eher zu viel als zu wenig tlum, und sie sollten, wenn ein Arzt das Vorhandensein der zur Erkenutuiß der Strafbarkeit erforderlichen Einsicht be> streitet, unter allen Umständen von dem 8 50 Abs. l des R.-St.-G.-B. Gebrauch machen, der in diesem Falle die Freisprechung Vorsicht: die» sollten sie um so mehr rbun, al ter Abs. 2 dieses Paragraphen ihnen ja die Möglichkeit giebt, den oder die Misseihäter einer Besserungsanstalt zu überweisen, wo sie unter Umständen bis zum vollendeten 20. Lebensjahre zurückbehalten werden können. In dem vor' liegenden Falle bandelte es sich nm Kinder, die nach den, Zeugnisse de» Rectors der Schule in der Erziehung vollständig verwahrlost und sich selbst überlassen waren. Unter solchen Umständen wäre die Unterbringung in einer Besserungsanstalt sicherlich da« Angebrachteste gewesen, zumal da ja daun die Kinrer dort jabrelang hätten zurückbehalten werden können. Von der Gefängnißstrafe ist, darüber ist man sich längst einig, eine Besserung richt zu erwarten, sicherlich dann am wenigsten, wenn die Bestrafte« geistig zurückgeblieben und dadurch der Verführung durch die schlechten Elemente, mit denen sie im Gefängnisse Zusammenkommen, desto zugänglicher sind. Sind jugendliche Missetbäter, die zur Aburtbeilung gelangen, zweifellos im Besitze der erforderlichen Einsicht, so sind ja Vie Gerichte, wenn eS sich um schwerere Delikte handelt, leider in die Nothwrndigkrit versetzt, auf Gefängniß- strafe zu erkenuea. Wenn aber auch nur irgend ein Zweifel an dem Vorhandensein deö Erfordernisse« der Erkenntniß von der Strafbarkeit der begangenen Handlung zulässig ist, sollten die Richter froh sein, daß das Gesetz ihnen die Handhabe bietet, der Verantwortung für eine Bestrafung zu entgeben, von deren Erfolglosigkeit, ja vorauSsicbllichen Schädlichkeit sie selbst in ihrem Innern durchaus überzeugt sein müssen. Die Sache hat aber auch eine politische Seite. Es ist eine Thatsache — und eS wäre traurig, wenn eS nicht so wäre —, daß jeder Mensch gerade mit Kindern besondere- Mitleid hat. Wenn nun unter den hier geschilderten Umständen gegen Kinder ein Urtheil ergebt, da« mit der Auffassung de« medizinischen Sachverständigen in vollem Gegensätze steht, so wild die Socialvemokratie sofort bei der Hand sein, da« natürliche Mitgefühl mit den Kindern gegen die heutige Justiz und die Gesellschaftsordnung überhaupt auSzubeuteu. Dies besorgt in dem gegebenen Falle denn auch der „Vor wärts", der seinen Artikel mit dem Satze schließt: „DaS Walten der heutigen Justiz gegen unerwachsene und un erzogene Kinder ist die Todsünde der entarteten Gesellschaft." Das ist natürlich eine ganz gewaltige Uebertreidung, und wir bezweifeln stark, daß im socialistischen Staate die Justiz von Irrlhümern frei wäre, aber man sollte immerhin nicht der Socialdemokratie bequeme Waffen liefern. ? Berlin, 26. März. (Das Gesundbeten und Ver wandtes in Frankreich und der Schweiz). Der „Pelikan", der seinen zoologischen Namen mit dem wobl- klingcnvrn „Emmanuel" vertauscht hat, enthält in seiner MärrauSgabe eine Mittbeilung aus Frankreich, die deswegen von Interesse ist, weil sie erkennen läßt, daß auch in Frank reich, und zwar unter Mitwirkung de« Klerus, das Ge- sundbeteu im Schwünge ist. In jeder Mittbeilung wird nämlich berichtet, wie eine Mutter eiaem ihrer Sohne Kunde von der Erkrankung eines anderen Sohnes au Lungen entzündung und von seiner Genesung giebt. In Bezug hieraus schreibt der Briefempfänger an den „Pelikan-Emmanuel": „AIS ich die erste Nachricht von der schweren Krankheit er hielt, kam mir der Gedanke, eine Novene (neunlägige An dacht) zum Pater Eymard zu machen, und ich versprach im Falle der Erkürung, eS im „Emmanuel" zu ver öffentlichen. Wobl selten habe ich mit solchem Vertraue« unr so sicherem Glauben, erbvrt zu werden, gebetet, als da. Es stedt sür mich ohne allen Zweifel fest, daß wir einer be sonderen Gnavenbezeugung deS ehrwürdigen Pater« Eymard theilhaftig geworden sind — am letzten Tage der Novene konnte mein Bruder bereit« da« Beil verlassen — und ich bitte Sie de-balb, diese Gnade der Zat l der Danksagungen im „Emmanuel" beizählen zu wollen." — Berichtet wird über den ganzen Vorgang unter der Spitz marke „Pater Eymard und die Kranke«!"; e« scheint demna.b der genannte Geistliche dafür bekannt zu sein, daß er „Gnaden- bezeugungrn", wie die gedachte, zu gewähren pfleg«. Di- Mitwirkung de« KleruS bei einer offenkundigen Beibätigung von Geschäft«katholiciSinu« erdellt au- einer Ankündigung teS „Pelikan-Emmanuel" über da- „Skapulier res Todesangst leibenden Herzen- Jesu und deS reinsten Herzen- der schmerzdastr« Mutter Maria." Ta- Tragen diese« SkapulierS bedeutet u. A. „rin beständiges, zwar lautlose», aber doch beredte« Gebet" und die Aussicht ausErlangung der ..ganz besonderen Gnaden, welche der göttliche Heiland au dieses Skapulier geknüpft hat", lieber die Bedeutung der Rückseite de« SkapulirreS, die mit einem rothen Kreuze vrrsebeu ist, wird der „Pelikan-Emmanuel" demnächst bc- richten. Inzwischen hält er die genannten Vortbeile für ge nügend, „um die frommen Seelen zur Anschaffung und Ver breitung diese« so segensreichen SkapulirreS anzuipornen". Der Preis beträgt 25 sür da« Stück und jede» Skapulier wird vor dem Versende« geweiht. Der letztere Umstand beweist, daß von geistlicher Seit« diesem SkapuUer-Handel die Mitwirkung nicht versagt wird. Der Ort der Hanvlung ist da« Kloster St. Josef in der alten Dchweizerstadt Schwyz. » Berlin, 26. März. lGraf PosadowSkn über das F rauen st u-tu m.) In Preßcrörre- rnngen über -le Zulassung -er Frauen »uw
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