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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.12.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011205021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901120502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901120502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-05
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeige« »Prei- die 6 gespaltene Petitzeile LS H. Reklamen unter dem RedactionSftrich s4 gespalten) 75 vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsap entsprechend höher. — Gebühre« für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbeförderung .äl «0.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. ^nnahmeschluß für Aryeize«: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expeditton ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz ia Leipzig. Nr. «2«. Donnerstag den 5. December 1901. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Die militärische Lage. In einem letzten Wochenrapport führt Lord Kitchener, wie gewöhnlich, auf, wie viel Boeren verwundet, getödtet und ge fangen wurden, und es sind dieses Mal recht wenige; im Uebrigen fällt der Bericht bezüglich der Operationen und der Erfolge der verschiedenen britischen Colonnen sehr mager aus, läßt aber doch auch wieder Manches zwischen den Zeilen lesen. Zum Beispiel führt Kitchener rund 1600 Pferde als von seinen Truppen erbeutet an, muß aber hinzusetzen, daß die meisten derselben unbrauchbar waren, woraus zu schließen ist, daß sie nicht etwa eine wirkliche Kriegsbeute repräsentiren, sondern einfach von den Boeren aufgebraucht und als nutzlos zu- rückgelaflen wurden. Das macht aber für die Engländer keinen Unterschied, wenn es sich darum handelt, schöne runde Ziffern aufzuführen und die Liste ihrer brillanten Feldzuoserfolge aus zuschmücken. Der britische Oberbefehlshaber und das Londoner Kriegsamt müssen eben zu solchen kläglichen Mitteln greifen, um daS Volk glauben zu machen, daß die englische Feldarmee in Südafrika überhaupt noch Erfolge erzielt. Des Weiteren erzählt Kitchener, daß General Lord Methuen im westlichen Transvaal „nur ganz geringem Widerstand begegnet ist", ohne daß jedoch irgend welche Details über diesen „Widerstand" gegeben werden. Hätte Methuen bei den betreffenden Gelegenheiten günstige Resultate zu ver zeichnen gehabt, so würden solche in dem Kitchener'schen Rapport gewiß nicht fehlen; er selbst erklärt diesen Umstand dahin, daß „weitere Nachrichten von Methuen fehlen" — und das läßt unter Umständen tief blicken. Im östlichen Transvaal „operiren und bewegen sich die Colonnen der Generäle Bruce Hamilton, Spence und Plumer gegen die Feinde im District von Ermelo" — und dies ist Alles, was wir darüber zu hören bekommen. Von der bereits gemeldeten erneuten Concentration der verschiedenen unter dem Oberbefehle des Generalcommandanten Louis Botha stehenden Boerencommandos im Ermelobezirk sagt Lord Kit chener gar nichts, obwohl dies augenblicklich die allerwichtigste Thatsache auf dem Kriegsschauplätze sein dürfte. Die „Be wegungen und Operationen" der drei genannten englischen Generäle werden die Pläne Louis Botha's und die erneute Zu sammenziehung der ihm zur Verfügung stehenden Commandos schwerlich unterbrechen oder gar verhindern können, und so hält der britische Generalissimus es wohl für bester, sich mit Be zug hierauf lieber nicht aufs Prophezeien und Renommiren zu verlegen, da er kürzlich in dieser Hinsicht gerade mit Botha zu schlechte Erfahrungen gemacht hat. Sein eigener Bruder, General Walter Kitchener, der bekanntlich die letzte „Umzing lung" Botha's an der Zululandgrenze und im südöstlichen Trans vaal dirigirte, hat ihn dabei im Stiche gelassen und wurde des halb von dem gestrengen Lord von seinem Commando abberufcn und nach England geschickt. Im Oranje-Freistaat hat General Elliot einen vollständig erfolg- und nutzlosen ausgedehnten Marsch in breiter Front von Betlehem über Reih nach Kroonstadt gemacht, um das ganze Gebiet vom Feinde zu säubern, und traf auf seinem Wege nur einige kleine Commandos an, die aber vor seiner Uebermacht kluger Weise immer rechtzeitig davonritten. An geblich soll Elliot jedoch „große Beute" an Vorräthen und Vieh beständen gemacht haben — wenn auch merkwürdiger Weise Kitchener sich die schöne Gelegenheit entgehen läßt, über diese „Erbeutungen" irgend welche Ziffern, wie sonst doch immer üblich, anzuaeben. In der Capcolonie sind die Erfolge der britischen Co lonnen ebenso imaginär gewesen, wie auf allen anderen Tbeilen deS Kriegsschauplatzes, und General French hat zugestehen Feuilleton. 19! Die Marmorliebe. Eine Hofgeschichte von Jean Bernard. Nachkruü verboten Fort war sie; die Fürstin schüttelte das Haupt. „Ganz richtig ist cS nicht! Ich werd's schon noch erfahren; dann muß der Fürst energisch eingreifen." Die alte Dame, wie Recht hatte sie! Das Glück und die strahlende Zuversicht war ja deutlich im Antlitze Dcrowna's zu lesen — und deshalb floh sie. Gewiß nur deshalb. Großes Glück im Herzen verlangt Einsamkeit; die Prinzessin wandelte, frohen Gedanken nachhängend, im Parke; sie blieb vor einem Lorbeerbäume stehen: „Diese herrlichen, glänzend grünen Blätter, wie sie in der Sonne schimmern! O, ich erinnere mich, wie der Baum kahl und dürr dastand: so war ich bis vor Kurzem ein Wesen ohne rechten Lebenszweck, dürr, kahl und traurig; da kam die Sonne meines Lebens und siehe, es grünt und blüht in mir, als sei der Frühling meines Herzens angebrochen!" So schwärmte sie im Jubel der ersten Liebe, aber sie nicht allein; auch er, Prinz Frazzilo, fühlte sich wie neugeboren. So muß es einem Manne zu Muthe sein, der stundenlang eine schwere Last getragen und endlich am Ziel, die lästige' Bürd« niedersetzen darf. Frisch athmet er auf und fühlt sich glücklich. Der Prinz war nach dem Parkhause gegangen, hinter wel chem sich die Ställe befanden, und sah Embder im Gespräch mit fürstlichen Dienern. „He, Embder", rief er, „wir wollen losreiten." „Sogleich werd' ich satteln, Hoh . . . Herr Graf." Kiner der fürstlichen Diener half dem Otto eifrig, während der Graf zuschaute. Als nun die Pferd« vorgeführt wurden, fragte der Prinz: „Wie ist das, Embder, lassen Sie sich denn immer so helfen?" „Wir helfen stets einander aus, Wenns gerade eilt", meinte Otto. „Das ist schon recht, allein man darf sich daS nicht so bieten lassen. Da, Embder, geben Sie das Ihrem CollegeN, Sie dürfen nicht gar zu geizig sein." Er reichte ihm ein größeres Silberstück, das Embder seufzend dem russischen College« übergab, denn er war in der That etwas habgierig. Dann ging es fort in schlankem Trabe zum Parkthore hinaus irr di« Alle«, die nach Mariapol führte. Mit ein«m Male rief müssen, wie Kitchener zugesteht, daß der gefürchtete und erfolgreiche Commandant Theron an der Westküste der Colonie nach wie vor im Lande umherreitet, englische Kriegs- vorräthe u. s. w. aufhebt und fortschafft, und im Uebrigen „durch die britischen Colonnen hindurch nach Süden ent kommen ist", aber — „nc> rsst vill k« given Kim" —, er wird keine Ruhe finden, eine Drohung, auf welche Theron bestens vorbereitet sein dürfte, und dann giebt er ja den Engländern auch keine Ruhe. * London, 5. December. (Telegramm.) Die Rechts beistände der Miß Hobhouse haben dem Kriegsminister Brodrick ihre Absicht angezeigt, in England gegen Lord Kitchener, Milner und ihre Officiere Schritte wegen unberechtigter Deportation, Einkerkerung und thätlicher Beleidigung der Miß Hobhouse einzuleiten. * London, 4. December. Die Verhandlung gegen vr. Krause wurde, nachdem die Zeugenaussagen nichts Wesentliches ergeben hatten, auf den 12. d. M. v e r t a g t. politische Tagesschau. * Leipzig, 5. December. Zum Zolltarif Haven sich nunmehr sämmtliche Fractionen des Reichstages durch je einen Redner geäußert. Namens der nationalliberalen Partei erklärte in der gestrigen Sitzung der Abg. Paasche, daß sie das Haupt gewicht darauf lege, die Exportindustrie durch langfristige Handelsverträge sicher zu stellen. Da die Regierung überzeugt sei, auf der Basis der vorgeschlagencn landwirihschaftlichen Minimalzölle günstige Handelsverträge abschließen zu können, so werde der größte Theil der Partei sich ebenfalls auf diesen Boden stellen, doch ohne auf die agrarische Forderung einer Minimalgrenze für alle landwirthschaftlichen Producte ein zugehen. Ueber die Höhe der Zölle im gegenwärtigen Stadium eine Erklärung abzugeben, lehnte der Redner ab. Der Tarif entwurf im Ganzen fand seine vollständige Billigung. Dem Vorwurfe einer hochschuhzöllnerischcn Tendenz des Tarifs hielt er eine Vergleichung mit dem rücksichtslos protektionistischen System Amerikas entgegen, das nach der neuesten Roosevelt'schen Botschaft auch in Zukunft keine Aenderung erleiden dürfte. Die freisinnige Vereinigung vertrat der Abgeordnete Goth ein, der in eigenthümlicher Verwechselung der Rollen den Freunden einer kräftigeren Handhabe für wirksame Handels vertragsverhandlungen eine unbegründete „Angst vor dem Aus lande" zum Vorwurf machte. Bezeichnend für den Wandel der Anschauungen, dem selbst der frc'ihändlcrische Doktrinarismus sich nicht völlig entziehen kann, war, daß auch dieser Redner sich nicht gegen Schutzzölle überhaupt erklärte, sondern nur anerkannt wissen wollte, daß die Herabsetzung eines Zollsatzes nicht ein Uebel zu sein braucht, sondern gegebenen Falls auch an sich nütz lich sein kann, was eigentlich Niemand bestreitet. In dieser Richtung will die Partei in der Commission Mitarbeiten. Sie wird für die Ueberweisung des ganzen Tarifs an die Commission stimmen, nicht, wie die freisinnige Volkspartei, nur für die Ueberweisung einzelner Theile. Der Redner der Reichspartci, Abg. Gamp, trat gegenüber dem Vorredner mit Geschick für den Anspruch der Landwirthschaft auf wirksameren Zollschutz ein. Die Forderung erhöhter Minimalzölle, wie sie der Graf Schwerin-Löwitz namens der konservativen Partei zum Aus druck brachte, eignet sich die Reichspartei nicht an; die bezüg lichen Wünsche des Herrn Gamp beschränken sich auf die Be der Prinz seinem Begleiter zu: „Hören Sie, Embder, Sie reiten heute, als hätten Sie etwas Besonderes vor. Sehen Sic denn nicht die alte Frau vor uns, die wir beinahe llberritten hätten?" „O, das ist die alte Bettlerin, die hier gewöhnlich anzu treffen ist, wenn wir Heimreiten. Die stellt sich, als ob sie schlecht höre, um uns zum Langsamreiten zu zwingen; Leute, die schnell reiten, Pflegen nichts zu geben." „Embder, Sir haben doch recht häßliche Eigenheiten. Warum mißgönnen Sie der Alten das Almosen, das sie bisweilen von uns bekommt?" O, das sag' ich nicht; aber die Frau könnte Besseres thun, als sich hier auf der Straße umhertreiben." „Gut, Embder, wir reiten langsam, ich will wissen, warum die Alte hier zu finden ist." „Ich werde mit ihr reden, wenn Sie es befehlen." „Nein, sie versteht Sie nicht, Sie sprechen zu schlecht russisch . . . . Mütterchen", rief der Prinz, sein Pferd anhaltend, „wir haben Euch schon öfters hier gesehen. Was tragt Ihr denn in Eurem Korbe? Ihr treibt wohl einen einträglichen .Handel?" „Früher schon, Herr Graf, aber jetzt bin ich blos Botenfrau und arbeite sonst Alles, was man mir gerade aufträgt. Die Krankheiten meines Sohnes und meines Mannes habe« Alles aufgezehrt." „Sind sie denn jetzt wieder gesund?" „Sohn ist gestorben und Vater liegt daheim, halb blödsinnig vor Schmerzen. Der Arzt sagt, eine Operation könnte ihm noch helfen, allein da müßte man ihn zwanzig Werste weit fortbringen — und der Aufenthalt im Spital kostet Geld, wenn auch für Arme nicht so viel; aber der Doctor meint oft, es sei wenig Geld, wenn es viel ist. Es ist nicht daran zu denken, etwas zu sammenzusparen , wenn man jeden Tag leben soll und nicht viel verdient . . . Embder winkte hinter dem Rücken des Prinzen der Frau, sie solle nicht so viel reden, so daß sie plötzlich betroffen innehielt. „Nun, was ist denn, Mütterchen", nahm der Prinz das Wort, „warum schweigt Ihr? Wieviel braucht Ihr denn, um Euren Mann ins Spital zu bringen?" „O, fünfzig Rubel würden nicht ganz zureichen, Herr Graf, Sie sehen, eS ist schrecklich viel Geld und gar nicht auszubringen. Aber ich werd's doch noch zusammenvcrdienen mit der Zeit, und", sagte sie leiser hinzu, „zusammenbetteln!" .Mütterchen, ich werd« mich erkundigen, ob Ihr die Wahrheit sagt. Einstweilen will ich Euch glauben, hier nehmt das Papier uns bringt den Mann ins Spital!" Sie nahm daS Papier und die Reiter trabten davon; sie ent faltete cs: „Jesus", rief sie, „hundert Rubel, d«r Graf hat sich versehen . . . Sie, Herr Graf, Herr Fürst", schrie sie den seitigung der Differenzirung der Getreidearten. Die pol nische Fraktion wird, wie ihr Redner, der Abg. v. Komie - rowski, ihre „vorläufige" Stellungnahme kennzeichnete, in der Commission insbesondere das Verlangen auch der polnischen Landwirthschaft nach ausreichenden Agrarzöllen unterstützen. Einen Ausgleich für die Vertheuerung der Lebenshaltung sieht der Redner, gleich dem Abg. Spahn, in der vom Reichskanzler seiner Zeit in Aussicht gestellten theilweisen Verwendung der Mehrerträge aus den erhöhten landwirthschaftlichen Zöllen für socialpolitische Zwecke, vergißt also gleichfalls, daß man dauernde und noch dazu stets wachsende Ausgaben nicht auf außerordent lich schwankende Einnahmen basiren kann, am wenigsten auf Einnahmen aus Schutzzöllen, deren erster Zweck es ist, die Ein fuhr zu mindern, was eine Verringerung des Ertrags zur Folge hat. Im Ganzen verlief die Sitzung ziemlich ruhiy; in den nächsten Sitzungen werden die Gegensätze wahrscheinlich mit gesteigerter Schärfe auf einander platzen. Immerhin dürfte nach längeren Commissionsverhandlungen, in denen die neueste Roosevelt'sche Botschaft jedenfalls mehr als im Plenum ge würdigt werden wird, eine nicht unerhebliche Mehrheit zu einer Verständigung auf der Basis der Regierungsvorlage erfolgen. Zum „Falle sballn" hatte bekanntlich das klerikale „Regens burger Morgenbl." die angeblich aus Straßburg stammende Mitlheilung gebracht, „daß die A l u m n e n des Priester-Senn- nars die Vorlesungen des Herrn Spahn nicht besuchen, daß ferner die von der „Germania" als bevorstehend bezeichnete Note der preußischen Regierung über die Errichtung der theo logischen Facultät dem Vatican bereits übermittelt und von ihm abschlägig beantwortet worden sei; in Folge dessen, sowie durch die kühle Aufnahme des Professors Spahn seitens der Katholiken sei die Regierrung verschnupft und denke nicht mehr daran, einen katholischen Philosophieprofessor zu berufen." Die „Germania" ist nun in der Lage, „dieser politischen Brunnenvergiftung" dadurch cntgegenzutreten, daß sie die vor stehenden Behauptungen als absolut erfunden erklärt. „Thatsächlich besuchen Alumnen des Priester-Seminars die Vor lesungen des Herrn Professors Spahn — dies sollte doch ein Straßburger wenigstens wissen! —, thatsächlich ist die letzte No e der Regierung über die theologische Facultät von der Kurie nicht abschlägig Geschieden und thatsächlich betreibt die Regie rung die Berufung eines katholischen Philosophen an die Universität zu Straßburg." „Welche dunklen Ehren männer", so fragt die „Germ.", „können Interesse daran haben, so der Wahrheit ins Gesicht zu schlagen, wie der Verfasser obiger Mittheilung im „Regensb. Morgenblatt"?" — Da dieses Blatt als Organ des streitbaren Bischofs von Regensburg gilt, so ist der Ton, den die „Germania" dagegen anschlägt — „politische Brunnenvergiftung", „dunkle Ehrenmänner" —, sehr bemerkenswerth und beweist aufs Neue, daß im klerikalen Lager sehr tiefgehende Meinungsverschiedenheiten herrschen. Wenn von Regensburg aus gegen Prof. Spahn intrigirt wird, so stellt das seiner wissenschaftlichen Ueberzeugungstreue ein günstiges Zeugniß auS. Der Gedanke an die bloße Möglichkeit, daß die öster reichische Regierung durch die Pöbeleien ihrer Unterthanen in h»att.icn in die Lage gerathen könnte, in Berlin Erklärungen abzugebcn, ist dem „Vorwärts" schwer auf das „internationale", in Wahrheit antinationale Herz gefallen. Tas socialdemokratische Ccntralorgan wirft nämlich die Frage auf, ob Deutschland der englischen Negierung das Bedauern über die Kundaebungen gegen Chamberlain ausgesprochen habe. Es ist eine Frechheit sondergleichen, diese Kundgebungen mit den pöbelhaften Aus schreitungen der galizischen Polen auf eine Stufe zu stellen. Davonreitenden nach, „Durchlaucht, es ist ein Jrrthum, es ist >nn Hunderlcr!" Aber Niemand hörte sie — und sie mußte das Geld behalten. „Merkwürdig, was es für reiche Menschen giebt! Sonst hat ec mir einen Silberrubel geschenkt, und ich bin drei Werst weit deswegen gelaufen. Heute hundert Rubel, es ist gar nicht zu be greifen . . . Wie werde ich das am besten machen, daß ich nicht in Verdacht komme? Ich gehe zum Doctor und erzähl' ihm Alles; er muß ja doch meinem Manne den Schein ausstellen. Ja, so ist's am besten. Sonst bringt mich die Banknote noch ins Gefängniß! Nein — hundert Rubel auf einmal, so ein Glücksfall! Und wie er dabei freundlich lächelte und wie hell sein Auge glänzte! O, der muß sehr, sehr glücklich sein!" Zwölftes Capitel. Als Graf Bienheim in dem gemietheien Landhause bei Mariapol ankam, erhielt er von der Wirthschafterin einen Brief cingehändigt. Ein Bote des Gerichts hatte ihn abgegeben. Das Schreiben enthielt eine Einladung zum Verhör; der Graf ent schloß sich, sogleich zum Richter zu gehen. Er wurde auf das Zuvorkommendste empfangen und der Richter brachte ohne Umschweife den Grund der Einladung vor: „Es haben sich da in Petersburg und Moskau einige An stände ergeben, welche Sic, Herr Graf, jedenfalls sofort auf klären können. Nehmen Sie gefälligst Platz. Wir kennen uns ja von der Einbruchsgeschichte her, und die ist auch der Aus gangspunkt der Beanstandungen. Se. Durchlaucht Fürst Gallitschin-Saritzin, kaiserlicher Kammerherr, ein bei Hofe sehr einflußreicher Herr, haben Sie und den Herrn Barou aus Anlaß ihrer Hilfeleistung bei dem nächtlichen Einbrüche jetzt im Mini sterium für die Verleihung der Rettungsmedaille vorgeschlagen. Da Sie Beide Ausländer sind, hat man sich nach Ihren Per sönlichkeiten erkundigt. Sagen Sie, H«rr Graf, ist Ihnen der Herr Hofmarschall Graf Vesan in Petersburg bekannt?" „Jawohl! Wie sollte ich ibn nicht kennen, da er aus H . . ist und Se. Hoheit den Erbprinzen Albrecht Alexander begleitet. Ich stamme auch aus H . . . und muß ihn also kennen!" „Das stimmt", sagte d«r Richter. „Nun, eben dieser Here Graf wurde um Auskunft über Ihre Persönlichkeiten gebeten. Er gab an, Sie seien allerdings ein Graf zu Bienheim und Helm born, aber einen in Ihrer Begleitung befindlichen Baron Redev, welcher ebenfalls für die Rettungsmedaille vorgeschlagen ist, be hauptet er, nicht zu kennen. Ihr Paß, Herr Graf, ist im Paß amte eingetragen und vollkommen in Richtigkeit; ein Paß für einen Baron Redev existirt dagegen nicht. Nun weiß man jedoch, daß ein Baron dieses Nam<nS Ihr Begleiter ist und kürzlich Weder ist irgend ein amtlicher Vertreter Großbritanniens durch jene deutschen Kundgebungen bedroht worden, noch läßt sich die Chamberlain'sche Beleidigung auch nur entfernt mit dem Ur- theile des Wreschener Landgerichts vergleichen, das in seiner rechtlichen Grundlage anzuzweifeln selbst das Polenblatt am Rheine nicht gewagt hat. Wenn der „Vorwärts" trotz alledem die galizischen Pöbeleien mit den deutschen Protesten gegen eine schnöde Beleidigung auf eine Stufe stellt, so bekundet er damit wieder einmal seine sattsam bekannte antinationale Gesinnung. Ter weifte Rabe Massabuau, der in der französischen De- putirtenkammer für ein Büudnift mit TrulichlauS plaidirt hat, fängt an, sich schon wieder grau zu verfärben und ver schwindet so vielleicht bald wieder unter dem schwarzen Schwarm« der ordentlichen Krähen. Erst hat er thatsächlich von einem Bündniß mit Deutschland gesprochen und dies empfohlen, hat aber flugs im stenographischen Protokoll das Wort Bündniß in „Annäherung" umgewanoelt, weil er keine Zustimmung fand, und nun hat er nochmals zum Rothsttft gegriffen, um abermals abzuschwächen. Man berichtet uns darüber: * Paris, 4. December. Der „Temps" veröffentlicht eine Note, in welcher erklärt wird, daß der Deputirte Massabuau aus dem officiellen Berichte über sein« Rede die Jules Ferry betreffende Stell« (dieser sollte s. Zt. für ein Bündniß mit Deutschland gewesen sein, was aber nicht der Fall ist. D. Red.) gestrichen habe, weil der Bruder Jules Ferry's, der Deputirte Charles Jerry, dir Absicht geäußc« habe, gegen diese Worte zu protestiren. Das England freundliche Abendblatt „La France" greift Massabuau wegen seiner Rede sehr schars an, während die übrige Presse spottet, oder, was noch schlimmer ist — schweigt. Die dem nationalistisch-antisemitischen Abgeordneten nahestehen den Organe gehen mit einigen scherzhaften Wendungen über die Sache hinweg. So sagt der „Gaulois": „Die Frage ist, wie es scheint, recht brennend! Das „Echo de Paris" meint spöttisch: Man sieht, Herr Massabuau ist ein Feind schwerer Lösungen!! Im gleichen Tone bemerkt der „Figaro": Das ist denn doch kühn! Der „Radical": In der That äußerst einfach! Es handelt sich ja n u r um ein Bündniß mit Deutschland. Die „Libr« Parole" meint entschuldigend von ihrem antisemitischen Freunde, er sch manchmal doch besser inspirirt gewesen als diesmal. D»k! „Rappel" will feststellen können, daß die Worte Massabuau'S auf die Anwesenden wie ein kalter Wasserstrahl gewirkt hätten. Auch die nationalistische „Patrie" bedauert diese Worte ihres Freundes. Die Politik aller guten Franzosen gehe weder auf ein Bündniß mit Deutschland, noch auf ein solches mit England. Der „TempS" widmet einen langen Leitartikel der Rede des Socialisten Bourrat, straft aber Massabuau mit Schweigen. Das Gleiche thun die „Döbats" und die nationalistische „Liberia". Massabuau sprach auf der Tribüne die Erwartung aus, die Bedingungen des Bündnisses würden in Gegenwart des Ministers d«s Aeußeren erörtert werden, nun ist es ihm am Ende lieber, wenn seine Lünvnißrede auch in der Kammer todtgeschwiegen wird. Er gleicht anscheinend dem einen der Spießgesellen in den „Kranichen des Jbikus", von dem eS heißt: „Doch dem war kaum das Wort entfahren, möcht' er's im Busen gern bewahren". Massabuau scheint es davor zu grauen, vor den Richterstuhl der öffentlichen Meinung geschleppt zu werden, nachdem er ihr in der Kammer den Puls gefühlt. Aber am Ende entgeht der „Bösewicht", wie Jule- Ferry, der den Versuch nicht eines Bündnisses, wohl aber einer Annäherung an Deutschland zuerst machte, doch nicht dem „Rache strahl". nach Moskau reiste. Der Herr ist demgemäß in Moskau verhört worden; er zeigte einen Paß auf den Namen v. Eder vor und gab an, den Namen Redev bei seinen schriftstellerischen Arbeiten zu verwenden. Darüber wußte der Graf Vesan nicht» anzugcben, weshalb der Herr Baron in Haft behalten wurde. Können Sie darüber Aufklärung geben?" „Aber natürlich, cs ist genau so, wie Baron v. Eder auS- gesagt hat, ich füge hinzu, daß dieser Schriftstellername Redev auch dem Grafen Vesan nicht unbekannt sein kann, da der Nam« in der Kunstwelt geradezu berühmt ist. Freilich, Graf Vesan'» Kunsüiebe und Kunstverständniß war nie weit her; vielleicht sprachen zu seinem Verhalten noch andere Gründe mit, die ich hier nicht erörtern will, über die ich ihn jedoch persönlich zur Rechensckmft ziehen werde!" „Soll ich das ins Protokoll mit aufnehmen lassen?" „Ganz, wie es Ihnen beliebt!" „Ich meine nur, es sei nicht wesentlich und könnte Ihne« schaden, Herr Graf . . ." „O, was das betrifft, mag Gras Vesan eher Furcht haben, ich könnte ihm schaden. Er mag froh sein, wenn er auS der Affäre mit einem blauen Auge davonkommt." „Sie wollen sich mit ihm schlagen?" „Nichts weniger, als das; jedoch, es gehört diese Erörterung nicht zur Sache. Was geschieht nun mit dem Baron v. Eder?" „Er wird auf Ihre Aussage hin jedenfalls sofort in Freiheit gesetzt, falls nicht Gras Vesan, der sich nach Moskau begeben, dagegen Einspruch erhobt." „Ah. der Graf ist in Moskau? Wissen Sie seine Adresse?" „Zutällig ja." „Wenn ich um Angabe bitten darf, würde ich sie zu einem Telegramm benützen." Der Richter gab ihm die Adresse und erklärte, daß das Proto koll damit geschlossen sei. Prinz Frazzilo sandte sogleich eine Depesche an den Hofmarschall ab des Inhalt-: „Sollte binnen 24 Stunden Baron v. Ever nicht hier bei mir emtreffen, so werde ich sofort persönlich meinem Herr« Vater Bericht erstatten und Ihre Entlassung beantragen. Frazzilo." Diese Depesche wirkte Wunder, denn Baron v. Ever wurde aus der Haft entlassen, da der Herr Hofmarschall sich plötzlich besann, den Baron gut zu kennen; Baron v. Eder tonnt« also mn 'einem Malachittiscbckien und den Briefschaften abreisen, freilich bemerkte er nicht, daß Graf Vesan im letzten Augenblick gleich falls in den Zug Anstieg. Der Hofrath zeigte dem Grafen »el« graphisch an, daß er frei und sogleich abger«ist sei.
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