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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.12.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190112086
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19011208
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19011208
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-08
- Monat1901-12
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.12.1901
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LiMer. Tageblatt Anzeiger. ÄmtsSkrtt -es Königtichen La«-- un- ÄmLsgerichtes Leipzig, -es Mathes ««- NoNzei-Ämtes -er Lta-L Leipzig. Anzeige»-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklame» unter dem RedactionSstrich (»gespaUe«) 75 vor den FamUiennach- richte» («gespalten) KO H. Tabellarischer »ud Htffernsatz eaisprechenv höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offerteuannahmr 25 H (exel. Porto). Grtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostLesürderung X «0.—, mit Postbesördenutg 7V—. Änuahmeschluß für Äuzeigeu: Abend-Au-gabe: vormittag- 10 Uhr. Rorgeu-AaSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei de« Filialen mrd Annahmestelle« je ei>» halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet- a« die Expedition za richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet voa früh S bis Abend- 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig December 1901. 95. Jahrgang. Bezug--Preis 1» der Hauptexpeditio« oder de« im Stadt- bezirk u«d den Vorort« errichtet« Au-- aabrstelle» »bgeholt: vierteljährlich ^l 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung tn- Hau- ^l 5.50. Durch die Post bezog« für Deutschland «. Vesterrrtch i viertelt»-«. «. Maa abonatrt ferner mit entsprechendem Postauffchlag bet d« Postanstalten t» der Schweiz, Italien, Belgien, Holland. Luxem- bur» Dänemark, Schweden «ad Norwegen, NuKand, den Donaustaate«, de. Europäischen Türket, Egypten. Für all« übrigen Staate« ist der Bezug nur unter Kreuzband durch di« Expedition diese- Blatte- möglich. Di« Morgew-Ln-aab« erichetut um Uhr, die Abend-AuSgabe Wochentag- um 5 Uhr. Nr-artio» und Erveditton: Ioharmt-gaffe 8. Filiale«: Alfred Bah« vor«, iv. Klemm'» Sorttm. Unvwrsität-ftraß- S (Paultnum), Louis Lösche, Katharineustr. 14, Part, und Kchzig-platz 7. Nr. 625. Aus der Woche. Die Reichstagsabgeordneten sind durch da- sut prutu bibsrs noch nicht zurückgerufen, ernstliche Verhandlungen zwischen den m den Zollfragen positiv gerichteten Parteien dürften auch noch nicht stattHkfunden haben, und schon berechnet man die Chancen ziffernmäßig. Für außerparlamentarische Confer- vative dürfte es neu und interessant sein, zu erfahren, daß die Zollvorlagen von einer aus den Conservativen, den Socialdemokraten und der bürgerlich-demokratischen Linken gebildeten Mehrheit werden zu Falle gebracht werden. Wenn die Conservativen so handeln, wie der Graf Schwerin-Löwitz im Reichstage sprach, so wird dies sicherlich auch geschehen. Die» aber scheint uns ausgeschlossen. Wichtiger scheint eine Calculatio« der „Germania", schon weil au- ,hr hervorgeht, daß im Centrum, zwar nicht im Princip, aber im Einzelnen „nicht unerhebliche Meinung-verschiedenbeiten" herrschen. Da- Blatt bemerkt, daß nur eine vollständige vorher gängige Einigung der im Princip Uebereinstimmendeu den Mißerfolg verhindern könne. Daß eine solche Einigung nur auf einer „gemäßigten Mittellinie" erfolgen könne, ver schweigt da« Blatt gleichfalls nicht. Beides ist unwider leglich. Selbst wenn alle Zollfreundlichen, um eine nicht ganz zutreffende, aber kurze Bezeichnung zu gebrauchen, stets präsent wären — Abgänge infolge von Krankbeit u. s. w. sind unausbleiblich —, so würden trotz ihrer starken numerischen Ueberlegenheit häufig negative Abstim mungsresultate zu Tage kommen, wenn nicht alle oder fast alle sich vorher über jede einzelne Position ge einigt haben. Hoffentlich geschieht dies während der CommissionSberathung, so daß der CommissionSentwurf an allen Punkten das Ergebniß einer bindenden Vereinbarung zeigt. Müssen die Parteienverhandlungen noch während der zweiten Lesung im Plenum weitergehen und kommt eS, waS dann unvermeidlich, bei Abstimmungen zur Majorisirung von Zollfreunden durch Coalitionen von Zollfreunden und -Feinden, so wird schon die durch solche Fälle erzeugte gegen seitige Verärgerung der Verständigung bei der dritte« Lesung sehr hiaderlich sein. Die Vertreter weitgehender Forderungen müssen sich eben zu Zugeständnissen entschließen. Beharren st« auf Forderungen, h.x weder die Regierung noch die Mehr heiten m der Nerikalen und der nationalliberalen Partei bewilligen werden und können, so werden sie weder als Patrioten noch als Freunde der Landwirthschaft bandeln. Denn da« Scheitern der Action würde das Reich in nahezu allen seinen Gebieten io schwere, zerrüttende Kämpfe stürzen und der Landwirthschaft würden Taube und Sperling gleichzeitig davongeflogen sein. Das Bild ist allerdings nur vom extrem agrarischen Standpunkte zu gebrauchen, denn das, was geboten wird, ist wahrlich nicht wenig. Die Erkenntniß, daß die Präsenz allein nicht genügt, das Werk zu Stande zu bringen, bedeutet natürlich keine Ent schuldigung für frivolen Absentismus. Denn dieser würde auch nach zu Stande gekommener vollständiger Einigung den schließlichen Erfolg bedrohen. Die Obstruktion der Linken scheint beschlossene Sache, selbst freihändlerische Blätter, die nicht zum Freisinn stehen, reden ihr in versteckter und doch verständlicher Weise das Wort. Und das Organ deS Herrn Rudolf Mofse hat schon öfter mit ihr ge droht für den Fall, daß die Minderheit durch ein „Durchpeitschen" des Gesetzes „gereizt" würde. Gereizt ist die Minderheit schon durch die Existenz der Vorlage und das Verbum „durchpeitschen" ist in der Politik so dehnbar, wie seiner Zeit Herrn v. Puttkamer'S Adverb „sofort". Im Jahre 1895 oder 1896 »eterte der damalige socialdemo kratische Abgeordnete Bueb über das Durchpeitschen deS Etats. Dabei hatten die Beratbunzen gegen 50 Sitzungen in An spruch genommen. Also die Voraussetzungen, unter denen die Linke Obstruktion treiben zu wollen erklärt, sind gegeben und würden weder von den Zollfreunden von rechts, noch von der Regierung anders aus der Welt geschafft werden können, al» durch den Ver zicht auf die Action. Der Regierung sagt da- „Berliner Tage blatt bei der Gelegenheit der Androhung «in seltsame« Wort. Es weist auf die 3»/r Millionen Unterschriften hin, die die Socialdemokraten gegen die Zollerhöhung aufgebracht haben, und bemerkt dazu: „Das giebt zu denken, sollte wenigsten« der Regierung zu denken geben." Mit Verlaub, daS ist un vorsichtig. Es wäre eine leichte Aufgabe, unter Berücksichtigung der Berechtigung-Vermehrung, des Alters und Geschlechts, der Parteiorganisation-Verhältnisse, deS verschieveuen Verhalten der Regierungen und anderer Umstände, die ins Gewicht falle», den stricte« Nachweis zu liefern, daß die bekannte Antisemitenpetition an BiSmarck, die die Verkürzung der Juden in ihre» Rechten forderte, numerisch verhältnißmäßig nicht schlechter fuudamentirt war, al« diese socialdemokratische „Brotwucher"-Petition. Fürst BiSmarck und die Regierungen gaben dem antisemitischen Ansuchen keine Folge; e» ist aber nicht erinnerlich, daß das „Berl. Tageblatt" sich über diesen Mangel an Nachdenklichkeit bei den Regierenden ungehalten geäußert hat. Die Motion, die sich KrapulinSki und Waschlapp-ki in Galizieu und Russisch-Polen machen, hat die deutsche Luft nur wenig bewegt. Unsere Ultramontaoen extrahiren au- den Exceffen m Lemberg und anderen Orten die Erwartung, daß Oesterreich wegen seiner Polen in Berlin interveuire, damit Vorgänge „wie die Wreschener" sich nicht wiederholen; das ist echt ultramontan und damit vom deutschen Standpuncte hinlänglich charakterisirt. Einige evangelische Pastoren springen den Jesuitenkutten in leider nicht sehr erstaunlicher Verblendung insofern sei, als sie der Ver breitung der klerikalen Lüge Vorschub leisten, den Polen solle da- Gebet in der Muttersprache genommen werden. Sie können beten, wie sie wollen, ihre Kinder sollen nur in der Schule, die eine StaatSanstalt ist, die deutsche Staats sprache, die sie wohl verstehen, wenn e« der Herr Propst und der Herr Biear erlauben, ausschließlich gebrauchen. Ei» Raub der Muttersprache vollzieht sich allerdings, aber in Galizien. Dort wurden und werden zahllose deutsche Kinder von den Polen gewaltsam entuationalisirt. Der Be richt eine» Slave«, den die „Nat -Ztg." veröffentlicht hat, ist eine herrliche Rechtfevtigung der polnischen Excrdente«. Er Sonntag den 8. sagt un» übrige«» nichts Neue» und die ungeheuer« Verlogenheit, die au» dem polnischen Lärm spricht, überrascht gleichfalls nicht. Wenn aber die polnisch-welfisch-ultramontane Inter pellation „über Wreschen" im Reichstag beantwortet und besprochen werden sollte, wird e» Pflicht deutscher Abgeord neter sein, der sarmatiscben Heuchelei den Spiegel vorzu halten. Die preußische Regierung wird wissen, WaS sie zu thun hat. WaS in Galizien und Warschau sich zeigt, da ist da» wahre Gesicht auch der preußischen Polen. Die Vorgänge schreien nach der Verstärkung und Vermehrung der Maßnahmen zur Abwehr der großpolnischen Propaganda auf reichsdeutschem Boden, und durch Strenge allein ist der Pole zu zügeln. Da» zeigt die Geschichte der an der Nichts nutzigkeit seiner „freien" Bürger zu Grunde gegangenen „Königlichen Republik". Ver Zolltarif im Reichstage. * Unsre Besprechungen über die ReichriagSsitzungen vom Donner-tag und vom Freitag werden in erwünschter Weise ergänzt durch de» folgenden kritischen Bericht, der an die schon veröffentlichten desselben Herrn Verfassers sich anschließt. K Berlin, 7. December. Sech- Tage waren für die Tarifdebatte im Reichstag verabredet; nun solle« es neun oder zehn werden und die für di« erste ElatSberathung in den verschiedenen Busen ge tragenen Reden müssen noch einmal mit nach Hause genommen werden und über Weihnachten verschlossen bleiben. Dabei beginnen sich die bisher verhältnißmäßig kurzen Sitzungen zu verlängern, die vom Freitag dauerte bi« nach 6 Uhr. Di« Er wartung aber, daß wilde Leidenschaftlichkeit nicht au»brechen werde, hat sich dis jetzt erfüllt. WaS Herr Bebel am Donnerstag auSstieß, war, wie alle Augen- und Ohreuzeugen erkannten, berechnete, eiostudirte Wuth, man sah und hörte einen outrirenden Theater-Bösewicht. Gras Arnim hätte ihm nur mit seinem unüberlegten Zwischenrufe nicht Gelegenheit zu einem ZorneSauSbruche geben sollen, der wenigsten- echt scheinen konnte. Wenn der Präsident, von seinem Standpuncte mit Recht, dem Abg. Bebel den Umstand zu Gute rechnete» daß er von dem kreiconservative« Grafen gereizt worden war, so muß doch auf der andere» Seite fest gestellt werden, daß Brbel seinerseits die Gegurr, und ins besondere die Adeligen unter ihnen, unausgesetzt und in raffinirtester Weise vrovocirt hatte. Die ganze Rede war aufs Persönliche angelegt. Der verhungerte Knabe, der in den Himmel will, weil er kort nicht mehr zu hungern braucht, wurde übrigens—und dies muß dem Abg. Grafen Arnim auf« Haben ge schrieben werden — auch von viele» Anderen al» ein widerwärtiger Kniff angesehen. Und jedenfalls war sie nicht beweiskräftig für das, was der Villenbesitzer in der Schweiz vorbrachte. Vielleicht ist der Knabe der Sohn eine» kinderreichen Lager halter» eine» socialdemokratischen EonsumvereinS. Daß die Socialdemokraten die hartherzigsten Arbeitgeber seien, hat kürzlich in der „Soc. Praxi»" ein namhafter Socialdemokrat dargethan und man wußte ihm parteiosficiö- nicht ander- zu erwidern, als mit dem Vorhalle, es sei nicht nicht schön, so aus der Schule zu schwatzen. Herr Payer von der süddeutschen Partei glaubte Bebel einigermaßen nahekommen zu müssen, indem er e» al» Zweck der Zollvorlagen bezeichnete, die Arbeiter mit Weibern und Kindern zu zwingen, „den Schmachtriemen enger zu ziehen." Ein Theil seiner Parteigenossen wird aber mit zwingen ober durch Wegbleiben von der entscheidenden Abstimmung den Zwang vor sich gehen lassen. WaS der Stuttgarter RechlS- anwalt von der einmüthigen Abweisuug seiner Gruppe sagte, hat nicht viel auf sich. Sie soll geschlossen gegen den Doppeltarif, der auch unter Freunden der Vorlage Gegenstand der Meinungsverschiedenheit ist, und gegen die Getreidesätze deS allgemeinen Tarifs stimmen, die auch Anderen zu hoch erscheinen. Gegen die Sätze im Minimaltarif hat Herr Payer kein-« allgemeinen Widerspruch der süddeutschen „Demokratie" angeknüpft. Sie betragen 5 und L>/, Mark und da- ist, wie die „Frankfurter Ztg." bestätigen wird, eine „brodwucherische" Höhe. Der Abg. Payer ist also trotzseiner auS Concurrenzrücksichten einaeflochtenen Hetzrede nicht vollkommen zollfeindlich, und selbst Herr Richter findet e» für »öthig, in einem langen, gegen die Rede de» Minister» Möller, die vorzüglich „saß", gerichteten. Artikel sich dagegen zu verwahren, daß er Gegner aller Zölle sei, auch nur aller neuen Zölle. Au» industriellen Kreisen ist augenscheinlich „etwas eingetroffen" in der Redaction der „Freis. Zeitung". Außerdem: in Wiesbaden fehlte wenig und die freisinnige Partei war von einem zoll freundlichen Candidcrten bei Seite geschoben, und in Schaumburg-Lipp« ist demnächst wieder ein freisinnige« Mandat zu behaupten. Herr Richter findet nun, e» sei ein Andere», bestehende Zölle beizubehalten, und wiederum «in Anderes, neue emzufübrra oder bestehende zu erhöhen. Bei Militärvorlagen verhalt sich der freisinnige Führer ähnlich. Er lobt gegenüber einer neuen Mehrforderuua die vorau-gegangrne Mehrbrwilligung. Daß er auch diese verworfen hatte, verfehlt er niemals zu verschweige«. Urbrigrn« ist Herr Richter rin sehr gleichgiltiaer Herr, und wenn die Minister Möller und v. Rheinbaven sich vielfach gerade gegen ihn wendeten, so folgten sie der Macht einer Gewohnheit, mit der BiSmarck freilich lang« vor seinem Rücktritte gebrochen batte. Er hörte Richter konsequent nicht mehr an — nicht zum Schaden seine» Ansehen» selbst in freisinnigen Kreisen. Herrn Möller'» lichtvolle zolltechnische Auseinandersetzungen wären auch ohne den polemische« Zug wirksam gewesen. Sie haben, da» wird sich zwar nicht ,m Reich«ta^, aber in der Literatur geigen, in der Socialdemokratie Eindruck hervor- gebracht. Die Darlegung, daß die Sätze de- neuen Tarif» »ach dem ArbeitSwerthe der Maaren bemessen sind, daß also der Arbeit»lohn entsprechend geschützt wird, wird nicht spurlo» vorüdergrbtn. Da» gebildete Iung-Socialdemokraten- thum ist ja ohnehin, wa» Herr v. Rhrinbaben Herrn Bebel zu bedenken gab, schntzzöllnerisch. Herrn v. Metzsch, der, al» Herau»grfordert«r, den Reigen der mittelstaatlichrn Miaisterrrvner eröffnete und die Stellung nahme dersLchsischen Regierung vom Standpuncte Sachsen» und dem gemeindeutschen Standpuncte rechtfertigte, folgte zu nächst mit einem maßvollen Plaidoyer derbayerische Minister v. Riedel, der sich bei der Gelegenheit seiner Gerste wehrte. Der württembergische Minister Pis chek legte den Schwerpunkt seiner Darlegung in die Abwehr der Forderung noch höherer landwirtbsckaftlicher, insbesondere Gctreidezölle, als der Tarif ansetzt. In diesem Puncte dürften die deutschen Minister einmüthig hinter ihm stehen. Den Nachdruck, mit dem er betonte, daß eine große Zahl von Lauern kein Getreide verkaufe, werden sich aber wenige seiner Collegrn zu eigen mache. Herr Pischrck ist zwar nicht wie Frhr. v. Riedel Finanz minister, aber er weiß doch auch, daß die Bauern, die nicht Getreide verkaufen, Steuern bezahlen. Woher nehmen sie daS Geld dazu und zur Kleidung u. s. w. ? Sie verkaufen dann andere landwirthschaftliche Erzeugnisse, die nun geschützt oder besser geschützt werken sollen. So haben die Bauern neben dem indirecten Vortheil, den Herr Pischek zugab, einen directen von der geplanten Zollpolitik. Innere MeinuogSverichiedenheiten der Parteien sind bisher noch nicht zu Tage getreten. Herrn Spahn folgte Herr Speck, ebenfalls ein „Agrarier", und Herrn Paasche der Frhr. v. Heyl, der seine Stellung damit charakterisirte, daß er „mit besonderem Stolze" hervorhob, die Großindustriellen seiner Partei seien für den Getreide-Minimaltarif. Der Krieg in Südafrika. Wer ist der Bevollmächtigte der südafrikanischen Republik k Der Streit um daS vor einem Jahre Hierselbst beschlagnahmte Transvaalgold, daS einige Gläubiger der südafrikanischen Republik für sich in Anspruch nahmen, hat dem hansea tischen Oberlandesgericht Gelegenheit gegeben, sich über eine wichtige staatsrechtliche Frage auSzusprechen. Es handelte sich nämlich um die Frage, ob Rechtsanwalt Di-. Wolfsson, welcher für die Republik Widerspruch gegen die Beschlagnahme erhob, eine genügende Vollmacht zur Erhebung des Widerspruchs hatte. Hierüber macht das OüerlandcLgericht in einem Beschlüsse vom 1'. November dieses Jahres folgende interessante Ausführungen: Abgesehen von der versprochenen, aber bisher nicht vorgelegten Vollmacht des Vicc- Präsident«n der südafrikanischen Republik, Schalk Burger, hat vr. Wolfsson seine Legitimation auf dreifache Weise zu er bringen gesucht: Erstens durch die Proceßvollmacht des Staats präsidenten Krüger, zweitens durch die Proceßvollmacht des Dr. LeydS unter Berufung auf dessen notorische Stellung als bei dem deutschen Reiche accreditirten Gesandten der südafrika nischen Republik, drittens durch dieselbe Proceßvollmacht des Dr. LeydS und die diesem von dem Ausführenden Rath dec südafrikanischen Republik ertheilte Bollmacht. Die ersten beiden Versuche der Nachweisung der Legitimation sind zu verwerfen. Präsident Krüger hat die vorgelegte Proceßvollmacht zu Paris unterzeichnet und nach dem Wortlaute der Bestimmungen des Grundgesetzes der südafrikanischen Republik verliert der Staats präsident die Befugniß zur Vertretung des Staates, wenn er sich in das Ausland begiebt. Ebenso wenig kann vr. Leyds kraft seiner Stellung als Gesandter für befugt erachtet weiden, die südafrikanische Republik in einem Civilprocesse zu vertreten. Welchen Umfang auch immer seine Vollmacht als Gesandter haben mag, jedenfalls berechtigte sie ihn nur, seinm Staat in öffentlich rechtlichen Angelegenheiten gegenüber dem Staate, bei dem er accreditirt ist, nicht aber ihn, soweit er Subject von Privatrechten ist, als Fiscus, gegenüber beliebiger Privat personen zu vertreten. Jedoch kommt es hierauf nicht an, da die von dem Ausführenden Rathe dem vr. Leyds ertheilte Vollmacht vorliegt. Denn diese ist für ge nügend zu erachten, um vr. Leyds zur Vertretung der süd afrikanischen Republik in dem Widerspruchsverfahren zu legi- timiren. Daß der AuSfiihrende Rath seinerseits berechtigt ge wesen ist, für die südafrikanische Republik zu handeln und dem gemäß auch eine Vollmacht zu ihrer Vertretung in privatrecht lichen Angelegenheiten zu ertheilen, ist unbestritten. Es ergiebt sich schon daraus, daß an dem Beschlüsse der Staatspräsident Krüger theilgenommen hat, der, weil damals noch im Gebiet der südafrikanischen Republik aufhältlich, schon für sich zur Vertretung der Republik befugt war. Die von dem Ausführenden Rath dem Dr. Leyds ertheilte Vollmacht giebt diesem das Recht, alle der Regierung der üsdafrikanischen Republik gehörenden Gelder in Europa oder England zu kündigen und von den Schuldnern oder Depositären einzufordern; sie ermächtigt ihn ferner, alle der genannten Regierung gehörenden Antheile, Mittel und Guthaben in Europa oder England, gleichviel welcher Art, in welcher Form, auch immer zu kündigen, ein zufordern, zu verkaufen, zu verhandeln, zu realisiren oder zu verpfänden, sowie Alles zu thun, um solche Gelder, Antheile, Guthaben und Mittel unter seine persönliche Verwaltung und Control« zu bekommen. Des Weiteren führt das Oberlandes gericht dann aus, daß die zur Beseitigung der Beschlagnahme erforderlichen Maßregeln in den Kreis der Handlungen fallen, zu denen Dr. Leyds nach dieser Vollmacht legitimirt ist. Miß Hobhouse verklagt »as Lrieg-amt. Miß Hobhouse, welcher die Ehre gebührt, zuerst auf die Schandwirthschaft in den Concentrationslagern aufmerksam ge macht zu haben und welche, wie erinnerlich sein wird, al« sie sich ein zweites Mal nach Südafrika begab, von den Behörden zwang-weise auf ein anderes Schiff tranSportirt und nach England zurückgesandt wurde, hat nunmehr ihre gesammte Cor- resfwndenz mit dem Gouverneur von Capstadt und den anderen Militärbehörden in Südafrika veröffentlicht. Sie verließ England, um für die Flüchtlinge in Südafrika zu wirken, da ihr vom Kriegsamte der Besuch der Concentra- tionslager untersagt worden war, und gegen dies rechtmäßkgc Verbot konnte sie nicht« thun. Während sie aus der Reise war, wurde das Standrecht über die Capcolonie verhängt und auf Grund dessen ihr nicht gestattet, zu landen. Schlimm muß es um die Machtstellung Großbritannien» am Cap aussehen — wie Sir Henry Campbell-vannermann sich vor Kurzem an drückte, wrnn dasselbe die Anwesenheit eines schwachen Weibes daselbst so fehr zu befürchten scheint. Nun wird, wie telearaphisch schon gemeldet, bekannt, daß Lord Hobhouse, der Onkel der muthigen Dame, die Angelegen heit seiner Nichtt in die Hände zweier berühmter Rechtsanwälte gelegt hat. um zu prüfen, ob ihre Deportation rach England und die damit zusammenhängenden, gegen sie in Anwendung gebrachten Maßregeln gesetzlich berechtigt gewesen sind. Die Rechtsvertreter der Miß Hobhouse haben daraufhin an den Staatssekretär des Krieges geschrieben und ihm mitgetheilr, daß Miß Hobhouse beabsichtige, gegen Lord Kitchener, Lord Milner und die Beamten, welche sie auf dem Schiff gefangen hielten, zu klagen. Durch diese Klage wird eine constitutionelle Frage entstehen, und cs wird dem Gericht obliegen, zu ent scheiden, wie weit ein englischer Unterthan gesetzlich durch Stand recht seiner Freiheit beraubt werden kann. Die englischen Liberalen und der Srtcg. Das General-Comite des Nationalliberalen Bundes in London hielt letzter Tage in Derby eine Sonderversammlung ab, um über die gegenwärtige Lage in Südafrika zu berathen. Die Versammlung war von 500 Telegirten besucht, und obwohl die liberale Partei dieselbe als einen großen Erfolg für die Sache der Partei, für ihre Einheit und Stärke, sowie für die Sache der Boeren in Südafrika hinzustellcn sucht, kann man ihr doch solche Bedeutung nicht beimessen, um so mehr, als nur mühsam der Schein der Einigkeit bewahrt werden konnte. Von dem Executiv-Comite wurde eine Vorlage eingebracht, die Regierung zu veranlassen, ihre Bedingungen bekannt zu geben, zu welchen sic bereit sei, Frieden mit den Boerenstaaten zu schließen. Da die verschiedenen Minister aber in letzter Zeit des Oefteren Gelegenheit genommen haben, zu betonen, daß nur vollständige Uebergabe der Boeren Friedensverhandlungen mög lich machen werde, so ist der Beschluß des Comites so gut wie illusorisch, denn Herr Chamberlain wird den Liberalen im Par lament auf ihre direkte Frage dieselbe Antwort geben, die er ihnen indirect schon so oft gegeben hat. Sir Henry Campbell-Bannermann wurde dann ein Ver trauens-Votum crthcilt, und er gewissermaßen officiell als Führer der liberalen Partei anerkannt. Der Versuch, Lord Milner ein Tadels- und Mißtrauensvotum zu ertheilen, fiel durch. Der wichtigste Beschluß der Versammlung aber war der, die Regierung zu veranlassen, eine Special-Commission unter Führung eines geachteten und vertrauenswerthen Mannes nach Südafrika zu senden, und ihr die Friedens Verhandlungen mit den Boeren zu übertragen. Es ist kaum nöthig, hinzuzusügen, daß dieser Beschluß, so wohl gemeint er sein mag, niemals praktisch ausgefllhrt werden wird, so lange das gegenwärtige Ministerium, und vor Allem Herr Chamberlain, die Zügel der Regierung in der Hand hält. Auch in Sachen der ConcentraNonslager wurde beschlossen, die Regierung zu sofortigen Abhilfe-Maßnahmen zu drängen. BcrgcltttnaSmafzregrln Botha S? In London verlautet auf Grund von Privatmeldungen aus Südafrika, daß General-Cominandant Louis Botha in letzter Zeit die gefangenen englischen Officiere und Soldaten nicht mehr laufen läßt, sondern sie, wie nach dem erfolgreichen Gefechte mit der Colonne des Obersten Benson bei Braakenlaagte, mit sich führt und in Gewahrsam hält, um für jeden Fall Geißeln zur Hand zu haben. Louis Botha soll ferner dem Lord Kitchener die Mittheilung gemacht haben, daß er diese Geißeln Mann für Mann erschießen lassen wird, und zwar für jeden Boeren oder Afrikander, der von den Engländern durch Kriegs oder Stand gericht zum Tode durch den Strang oder die Kugel verurtheilt wird. Der britische Generalissimus hat bis heute noch kein» Meldung über diesen Entschluß Louis Botha's nach London ge langen lassen oder das Kriegsamt hat noch nichts darüber ver öffentlicht; aber auffällig ist cs immerhin, daß in der letzten Zeit Kitchener fortwährend die in dec Capcolonie gefällten Todcsuriheile in lebenslängliche Zuchthausstrafe oder Ver bannung umgewandclt hat. Man will es vielleicht auf eng lischcr Seite vermeiden, zuzugcstehen, daß man gezwungen ist, sich auf diese Weise mit den Boeren in ein Compromiß ein zulassen, um daS Leben der den Boeren noch fortwährend in pte Hände fallenden britischen Officiere und Mannschaften zu sichern. * Pretoria, 6. Tcceiuber. Tie TodeSziffern in bcn Concentrationslagern hoben sich in letzter Zeit wieder ganz besonders gesteigert, was den starken Regengüssen in de» letzten Tagen zugeschrieben wird. Die Militärbehörden beabsichtigen infolge dessen und, da der vrohende» Feindseligkeiten wegen die ConcentrationSlager nicht sicher genug zu sein scheinen, eine gründliche Nenderung des Systems der Lager. Es ist gleichzeitig vorgesehen, daß auch die Nichtcombattaiiten geeignete Unterkunft und Schutz finden. * Pretoria, 5. December. (Standard.) Di« Boeren beginnen, wie verschiedene Anzeichen vrrratheu, mit der Wiederaufnahme ihrer Thätigkeit, Mehrere Commondos tauchten wieder im Oranjeslaat auf, darunter ein großes Comniaiido, da- anscheinend von Tewct befehligt ist. Viljoen steht mit 400 Mann nördlich von Belfast an der Delagoabahn und wartet die Ereignisse ob. BeyerS zieht »ach Süden aus Sandriverpoort zu, augenscheinlich in der Absicht, westlich von Warmbad mit Badenhorst sich zu vereinigen. * London, 7. December. (Telegramm.) Große Beunruhigung herrscht in der Stadt JohanniSbnrg. Mehrere Comman- doS, wahrscheinlich unter Delarey, bedrohen die Außenlinien und die Stadt selbst. Tic Militärbehörde erließ deshalb Instructionen für dir Truppen und die Civilisten, die an allen Ecken angeschlagen wurden für den Fall eines BoerciiangriffeS. Deutsches Reich. * Leipzig, 7. December. An den Reich »tag hat per Centralverband Deutscher Kaufleute und Gewerbetreibender die Bitte gerichtet, einer Eingabe au de» Bunoesralh, eine Abänderung einzelner Bestimmungen der Gewerbeordnung betreffend, Beachtung und Unterstützung ,u widmen. Die erwähnte Eingabe besagt: Leipzig, den 3. December 1901. Einen Hohen Bundcsrath und dir Hohen verbündeten Re gierungen bittet der unterzeichnete Centralverband so gehorsam wie dringend, dem Reichstage :e^,I bald eine Novelle vorzu legen, wodurch die Reichsgewerbeoronung in folgenden Punkten abgeändert wird:
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