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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.12.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011209022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901120902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901120902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-09
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December: Soeben ist hier ein Buch, betitelt Riruiuxtou" (mit Reimington) von Capitän March Philipps, erschienen, in welchem dieser englische Officier seine Ansichten über die Boeren und über die Kriegführung der Engländer gegen dieselben niederlegt. Er staunlich ist die Kühnheit dieses Mannes, denn in schonungs losester Weise verurtheilt und verdammt er den Geist, in welchem dieser Krieg von seiner eigenen Nation geführt wird. Er über trifft in seinem Urtheil die schlimmsten Anschuldigungen, die von Seiten der schärfsten Pro-Boeren-Organe gegen das britische Söldnerheer erhoben worden sind, und wenn man ihm vollen Glauben schenkt, so mutz man wirklich zu der Ueberzeugung kommen, daß eS Grotzbritannien niemals gelingen wird, den hart näckigen, verzweifelten Widerstand der Boeren und der hollän dischen Rasse im Allgemeinen zu brechen. Capitän Philipps lebte bereits viele Monate vor Ausbruch des Krieges in Johannesburg und stand in lebhaften persönlichen Beziehungen zu Briten wie zu Boeren. Als der Krieg ausbrach, trat er bei „Rimington's Kundschaftern" ein, einem Elitecorps, das besonders für den Späher- und Nachrichtendienst bestimmt war. Er machte wie! Gefechte mit und hat das Beldt nach allen Himmelsrichtungen hin auf der Suche nach versprengten Boeren- abtheilungen durchstreift; er hat gesehen, wie die Heimstätten der Boeren dem Erdboden gleich gemacht wurden, und hat selbst dabei geholfen, Feuer an dieselben zu legen. Betont werden mutz, datz der britische Officier den Krieg an sich für berechtigt hält, datz er aber trotzdem einige der Fundamentalgründe verurtheilt, welche di« Regierung dazu geführt haben, den Krieg zu unternehmen, und vor Allem verurtheilte er auf das Aeuherste deren Methoden. DeS Autors Ansichten über das Niederbrennen von Farmen sind an geradezu ergreifend geschilderten Scenen dargelegt, und vor Allem ist eine Beschreibung bezeichnend und hochinteressant. Er schildert, wie er selbst mit einem Theile seiner Leute auf Be fehl des Generals eine Farm, in welcher sich drei Frauen und mehrere Kinder befanden, niederbrennen mutzte, und sagt selbst, daß er den Insassen der Farm nur eine Frist von zehn Minuten gewähren konnte, um Kleider und nöthigstes Material auS den Häusern zu schaffen. „Methoden Cromwell's dürften heutzutage nicht mehr angewandt werden. Wir können die Hol länder weder ausrotten, noch ihre Zahl wesentlich vermindern. Wir können genug thun, um den Hatz gegen uns untilgbar und den Durst nach Rache zur ersten Pflicht jedes Holländers zu machen." Der englische Officier hebt hervor, daß, wenn er ein Boer wäre, er wie die Boeren fechten würde. Es ist kindlich, zu behaupten, es sei ein Verbrechen der Boeren, den Kampf fortzusehen, oder daß sie irgend etwas gethan hätten, das nicht im Einklang« mit civilisirter Kriegsführung stünde. Auch auk den Geist, der die Boeren in diesem Kriege beseelt, wirft die Schilderung des Capitäns interessante Streiflichter. Er ist der festen Ueberzeugung, datz die Boeren so lange kämpfen werden, bis der letzte waffenfähige Greis oder Knabe todt oder deportirt ist, und das Farmniederbrennen der Engländer hält er für sehr unklug, „denn jede niedergebrannte Farm bedeute für die Boeren den Zuzug neuer Rccruten aus dem holländischen Element der Cap-Ansiedelung". „Die Noth und Beschwerden der Uitlanders" sind nach Ansicht des Verfassers Erfindungen Milner's und Chamberlain's, und er führt aus, wie er und seine Freunde vor Ausbruch des Krieges sich über diese sogenannte Nothlage der Uitlanders amüsirt hätten, und wie sie in den Artikeln der „Times" erst gelesen hätten, daß es ihnen so furchtbar schlecht ginge. Das Chamberlain-Milner Hauptargument, die Boeren hätten beabsichtigt, ganz Südafrika über den Haufen zu werfen und an Stelle desselben ein geeintes holländisches Südafrika zu sehen, erscheint dem englischen Officier gänzlich hinfällig. Das isolirtc Leben der Farmer mache solche Pläne gänzlich unmöglich, und fi- besäßen im Durchschnitt eine viel zu geringe Kenntnitz der politi schen Eintheilung Südafrikas. Alles, was über die Interessen ihrer beiden Republiken und deren Status yuo hinansginge, sei den Boeren völlig gleichgiltig. In dem Buche werden noch mehrere hochinteressante Fragen erörtert, und dasselbe erscheint dazu angethan, der sich mehr und mehr kräftigenden Pro Boerenpartci in England ein Hebel mehr zu werden, um di: gegenwärtige Regierung aus dem Sattel zu heben. Politische Tagesschau. * Leipzig, 9. December. Wenn der Reichstag feiner ursprünglichen Absicht, der ersten Lesung des Zolltarifs nur 6 Tage zu widmen, treu geblieben wäie, so hätte sich am Sonnabend die Sitzung jedenfalls interessanter gestaltet; aber da man „Zeit dal", so beherrschten Redner zweiten und dritten Ranges das Feld und setzten dem schwach besetzten Hause matte Wieder holungen schon früher von besseren Kräften vorgebrachter Argumente vor. Lebhaftes Interesse erregten nur die Ausführungen deö HaupivertraucuSmauneS Les Bundes der Landwirthe, LcS Frhrn. v. Wan gen heim, die in der Erklärung gipfelten, datz seine Freunde den ganzen Tarif ablebnen würden, wenn es nickt gelänge, die Marimalsätze zu einem lückenlosen Mindesttarif für die landwirthschafl- licken Produkte auszugestalten und die Zollsätze zu er höhen. Das Work Ablehnung ist hiermit zum ersten Male von der Rechten in verbindlicher Form gefallen, und eS fragt sich nun, wieweit die beiden conservativen Parteien und die reinen Agrarier dcS EentrumS sich zu dieser Parole bekennen werden. Am Sonnabend wurde man darüber nicht aufgeklärt, denn weder der bayerische Bauernbünkler Hilpert, noch der CcntrumS- abgeoronete Herold, noch der freiconservatwe Ab geordnete v. Tiedemann, noch endlich der württem- bergiiche Couservative Schrempf können als Autoritäten für eine namhafte Aozabl ihrer Eollegen gelten. So wird man denn auf die Fonsetzung der Debatte warten müssen. Daß dieses Hinziebeu einer Berathung, die das Beste doch der Commission überlassen muß, beiKeinem Theile der Ab geordneten große Mißstimmung erregt, ist begreiflich. Die „Nationallibcrale Correspondcnz" giebt dieser Mißstimmung ziemlich drastischen Ausdruck, indem sie schreibt: „Ter sechste Tebattelaq zum Zolltarif lieferte durch den gänzlichen Mangel neuer Gesichtspunkte und durch die ertödtende Langweiligkeit den Beweis, daß die Diskussion sich bereits erschöpft hat und reckt gut nach den ursprünglichen Dis positionen des Seniorenconvents hätte zu Ende geführt werden können. Aber das „führende" Cent rum war anderer Ansicht und bat diese dem Eeniorenconvent aufzudrängen vermocht, obwohl der Reichstag nicht weiß, woher zur ordnungsmäßigen Berathung und Erledigung des Etats die Zeit nehmen. Tenn es bleiben nach Weihnachten knapp 6—8 Wochen zur Be- wältigung dieses großen Arbeitsmaterials übrig. Draußen im Lande wird man kaum verstehen, weshalb die Zoll- taris-Berathung noch weiter die ganze nächste Woche hindurch geschleppt werden soll und die dringende Arbeit der ersten Etatsberathung liegen bleiben muß. Die Berank- wortung für diese schleppende Geschäftsführung trifft das Centrum, Las mit solcher genialen Leitung doch lediglich den Socialdem o kraten in die Hände arbeitet. Diese Einsicht kann dem „führenden Centrum" unmöglich gemangelt haben. Tie späteren unausbleiblichen Verlegenheiten und Verwirrungen in Folge dieser schon jetzt hervortretenden Verschleppungspolitik deS Centrums werden beweiien, welche Wege voller parlamentarischer Unzuträglichkeiten, die geradezu zur Obstruktion treiben, Las Centrum den Reichstag „führt"! — Wie früher schon angedeutet, wollen die Social demokraten bei jeder einzelnen Position der Sprcialberathung zum Zolltarif Masfenreden halten und für alle Positionen namentliche Abstimmung beantragen." Unter diesen Umständen ist es doppelt nötbig, datz zwischen den in den Zollfragen positiv gerichteten Parteien baldigst eine Verständigung über die Mittel zur Verhütung weiterer Verschleppung herbeigcführt werden. Der ReichShauShaltSetat für LaS mit dem 1. April 1902 beginnende Rechnungsjahr hat eine Gestaltung erfahren, der man seit einer längeren Reihe von Jahren nickt mehr begegnet ist: die Deckung der nicht durch ordentliche Ein nahmen ausgeglichenen Ausgaben ist nickt ganz, wie es in diesem Zeiträume geschah, durch Matricularbeiträge in Aussicht genommen, es ist die Anleihe mit 3.5 Millionen zu diesem Zwecke herangezogcn. Man beabsichtigt also, ordentliche Ausgaben wenigstens theilweisc Lurch außer ordentliche Einnahmen zu decken. Tie kürzlich ausgesprochene Vennuthung, daß man versuchen werde, die Last, welche den Einzelstaaten für 1902 erwachsen würde, zu erleichtern, hat sich also bestätigt. Man hat nur einen anderen als den zuerst vermutbeien Weg zur Erreichung deS Zieles gewählt. In Frage gekommen war dieser übrigens auch, denn die Denkschrift zum Etat erwähnt ausdrücklich. Laß auch erwogen sei, die ordentlichen Ausgaben bei einzelnen BerwaltungSzweigen, worunter wohl in erster Reihe die Mari ne Verwaltung in Betracht gekommen wäre, theilweisc durch Anleihe zu decken. Auf diesem Wege hätte man, da dies mit den Neubauten der Kriegsschiffe schon jetzt zum Tbeile geschieht, einen Bruch nur erweitert. Es ist übrigens ziemlich gleickgiltig, ob die 35 Millionen der Anleihe Marine- ober allgemeinen Neichözwecken dienen; die Haupt sache ist, daß.die Bundesstaaten von dem Drucke, der aus den 35 Millionen entstanden wäre, befreit werden. Wie schwer dieser Druck gelastet hätte, weiß man nicht nur bei vnS in Sachsen, sondern auch in der Mehrzahl der Einzel staaten. Es befremdet uns deshalb, daß in den „Hamburg. Nachr." ein früherer Parlamentarier, der die einzelstaatlicken Finanznölbe recht gut kennt, mit dem Auskunftsmittel der Neichsanleihe nicht einverstanden ist. Er schreibt nämlich: Tcr Truck, dcr den Einzelstaaten aus den 35 Millionen Mark entstanden fein würde, wäre schwer gewesen. Taß er aber unerträglich gewesen wäre, ist nicht gut eiuzusehen. Wenn da-Z Reich Anleihen aufnehmen kann, so können eS die Einzelstaaten auch. Der Vort heil aber, der auS dem Druck auf die Einzelstaaten entsprungen wäre, liegt klar auf der Hand. ES hätte sich in diesen eine solche Stimmung gegenüber dem Reichstage ausgebildet, Laß es diesem doch schwer gefallen wäre, der Forderung auf Herbei- iührung einer Neichssinanzreform Widerstand zu leisten. Gewiß mahnt die 24-Millionen-Spannung zwischen Matricularumlagen und Ueberweisungen auch jo noch ganz energisch in gleicher Richtung, der Nachdruck wäre bei anderem Verfahren aber viel größer gewesen. Das ist ja richtig, daß die Einzelstaaten, wenn sic noch 35 Millionen mehr hätten aufbringcn müssen, noch sehn süchtiger einer Neichssinanzreform entgegengesehen hätten; aber ihre Sehnsucht nach einer solchen braucht gar nicht mehr gesteigert zu werden. Wobt aber ist dies beim Reichsschatzsekretär resp. dem Reichskanzler dcr Fall, dem 35 Millionen Reichsanleihe unbequemer sein müssen, als Anleihen der Einzelstaaten. Und was den Reichstag betrifft, so gilt von ihm das Gleiche. Wir sind daher von dem bei der Aufstellung deS ReickShaushaltSetatS gewählten Auskunftsmittel auch insofern befriedigt, als dieses Mittel gerade da, wo bis jetzt die Notbwendigkeit einer Reichs- finanzresorm am wenigsten erkannt wurde, die Einsicht in diese Notbwendigkeit vertiefen muß. Im Urbrigen ist dem ReichShauS- baltsetat sür 1902nachzurübmen, datz er mit großem Geschick aus gestellt ist. Man hat Sparsamkeit walten lassen, wo man nur konnte, und bat trotzdem nicht vergessen, daß Sparsam keit am falschen Orte der Verschwendung gleichkommt. Mil Rücksicht auf die wirthschaftlicke Depression und den dadurch erzeugten Mangel an Arbeitsgelegenheit ist mancher Posten eingestellt worden, der sonst hätte unter bleiben oder mit geringerer Summe hätte eingestellt werden können. Tie socialpolitische Rücksichtnahme spricht aus recht vielen Positionen. Daneben haben sich Heer und Marine einer Zurückhaltung befleißigt, die nur auf die schlechte finanzielle Lage zurückgefüdrt werden kann. Sc könnte der Etat rasch erledigt werden, wenn das HauS nicht gewöhnt wäre, bei den einzelnen Etatspositionen alle- Mög liche und noch Mancherlei hinzu zur Sprache zu bringen. Unter dem Titel „Können wir aus LüdjLtlan- ver zichten !" veröffentlicht der dcr deutschen Sprache bekanntlich nur aus Utilltälsgründen sich bedienende dänische Literar historiker vr. Georg Brandes in den „Südjütischen Jahrbüchern" eine Abhandlung über die Bedeutung Südjüt- landS für die dänische Cultur. In dem bemerkenswerten Artikel, der offenbar die Ansicht vieler Politiker Dänemarks widerspiegelt, heißt es: Was haben wir nicht allmählich, seitdem das Deutfchthum vor- wärts drang, für Verluste an südjütischer Intelligenz erlitten. Einige der hervorragendsten Geister Deutschlands sind deutsche Süd- jüten, so der vorzüglichste Historiker des Reiche-, Theodor Mommsen, unser bitterer Feind; so der Jurist Beseler; so gegenwärtig an der Berliner Universität Denker wie Friedrich Paulsen. Nicht wenige hervorragende jüngere Philologen wie ASmuS Sörensen sind deutsche Schriftsteller geworden. Wenn wir nun mit Gleichgiltigkeit auf Schleswig- Berdeutsckung blicken, jo würde in Zukunft Alles, was dies Land hervorbringt, an das deutsche Reich fallen — und wir erlitten einen unübersehbaren Ver lust. Dabei können viele gedankenlose Menschen einen so kindischen Glauben hegen wie den, daß die Königsan eine der Verdeutschung Halt gebietende Scheide bilden würde. Nein, das Deutfchthum würde tausendfach sich nordwärts züngeln und die dänische Sprache wäre bald ein mit galoppirender Schwindsucht behaftetes Wesen. Ich verstehe de» Standpunct, von dem auS gesagt wird: „Es ist das Allerbeste für ein fo kleines Ding wie Dänemark, daß es ver nichtet wird und in Deutschland ausgeht. Was thut es, ob der König Christian oder Wilhelm heißt! Besonderen Vortheil haben ja doch die Wenigsten davon, Dänen zu sein." — Das ist rin naturwidriger Standpunct, aber ein NützlichkeitS- standpunct. Ich verstehe dagegen nicht, daß man das In teresse für Südjütland aufgeben kann, ohne gleichzeitig da- In teresse für Dänemark aufzugeben — und das thut die Jugend unserer Tage Läufig. Was hier in Frage kommt, ist weniger unser Bestehen als Staat, denn als geistige Volksindividualität. Wir sind Unserer allzu wenig; wir können nicht auf ein Element verzichten, welches unS so viel unserer allerbesten Cultur zugesührt hat. Selbst wenn wir erobert wären, würde die Frage noch fortbestchen." Diese Auslassung läßt an Deutlichkeit nicktS zu wünschen übrig. Wie die Franzosen den Verlust der ReichSlandc nicht verschmerzen können, so sehnen die dänischen Chauvinisten sich nach Nordschleüwig. Interessant sind die von Brandes an geführten Beweggründe. Die Marmorliebe. Eine Hofgeschichte von Jean Bernard. Nachdruck u«rb»t«n. Nicht sehr gnädig vom Prinzen empfangen, theilte er seinem Herrn mit, daß zwischen dem H . . . schen und dem russischen Hofe betreffs der Verlobung des Prinzen Frazzilo und der Prin zessin Tscherkinsa ein Briefwechsel stattgefunven habe. Er sei wegen dieser Angelegenheit vom Kaiser empfangen und beauftragt worden, Seiner Hoheit mitzutheilen, datz er persönlich dem Prinzen alles Glück wünsche, aber gegen den Willen des H . . . scheu Hofes nichts thun könne und wolle. Um diesen Bescheid vorzubringen, brauchte der Hofmarschall in weitschweifigen Redensarten mindestens eine halbe Stunde. Frazzilo hörte ihn ruhig an, dann fragte er ihn: „Wie kommen Sie dazu, sich zu einer Audienz zu drängen, nachdem Sie wohl wissen, daß ich auf mein Audienzgesuch noch ohne Bescheid bin? Oder wenn Sie in meinem Interesse zu handeln glaubten, warum haben Sie Sein« Majestät nicht auf merksam gemacht, daß ich noch eines Bescheides harre? Warum haben Sie nicht lieber erklärt, Sie könnten zu Ihrem tiefsten Bedauern den gegebenen Auftrag nicht übernehmen? Warum sind Sie nicht zu mir gekommen und haben mir mitgetheilt, Sie seien zur Audienz befohlen? Sie haben auch sicher Nachrichten aus H . . ., warum erhalte ich solche nicht? Antworten Sie lieber nicht, wenn Sic nicht aufrichtig sein wollen!" „Seine Hoheit der Herzog ist über das Geschehene sehr un- gehalten, und hofft, daß Eure Hoheit in kürzester Zeit das Un recht, welches dem Lande und der Familie zugefügt ist, Ansehen und out machen werden." „Ist das Alles, was man Ihnen schrieb?" „Das liberale Blatt „Der Bote" will aus irgend einer russi schen Zeitung die Kunde von Ihrer Verlobung entnommen haben. Hoheit können denken, welches Aufsehen diese Nachricht in H . . . erregt hat. Herr Trael hat zwar eine Derwarnuna bekommen, und mutzte die Mitteilung dementiren, da bei Hofe absolut von einem solchen Ereigniß nichts bekannt sei; trotzdem spricht ganz H . . . von diesem Gerüchte. Herrn Trael wurde be fohlen, seinen Lesern mitzutheilen, daß Seine Hoheit dcr Erb prinz nach Petersburg zurückgekehrt sei und bald in H . . . ein treffen werde." „Besitzen Sie eine Nummer des „Boten", in welcher die Nach richt von meiner Verlobung enthalten ist?" „Nein, Hoheit, mit diesem liberalen Blatte stehe ich in keinerlei Beziehung." „Es könnte Ihnen nicht schaden! Da Sie sonst nichts zu wissen scheinen, können wir zum Schluß kommen. Sie haben mir doch die volle Wahrheit gesagt? Ich werde eine Audienz hier haben, oder sonst Gelegenheit finden, dem Zaren meine Sache vorzutragen. Das wird in kürzester Zeit geschehen, da ich doch nicht Monate lang hier weilen kann. Ich werde in dem einen wie in dem anderen Falle von Ihren Eröffnungen rück haltlosen Gebrauch machen. Kann ich das, ohne Sie in Gefahr zu bringen?" „Ich habe den Auftrag deS Kaisers so aufgefatzt, wie ich ihn mitgetheilt." ,,Si« geben also zu, datz er auch anders aufgefatzt werden kann? So reden Sie doch." „Ich wüßte nicht." „Das heißt, Sie wollen nicht. Im Allgemeinen kann mir das gleichgiltig sein, denn ich thue doch, was ich für Recht halte. Da Sie aber im Augenblick noch mein Hofmarschall sind, muh ich mit Ihnen doch üb«r diese wichtigen Dinge reden, die Sie allerdings nicht in meinem Interesse behandeln." „Ihr Interesse, Hoheit, ist identisch mit dem Interesse dcS HerzogthumS, dem ich diene!" „Sehr gut gesprochen! Fern sei «s von mir, Sie diesem Interesse abwendig machen zu wollen. Sie beschleunigen aber durch Ihre Handlungen und Jntriguen den Zeitpunkt, in welchem meine Interessen und die Interessen d«S HerzogthumS ganz verschiedene Dinge sein werden. Hat mein Herr Vater den Eintritt dieses Zeitpunktes aus mir unbekannten Gründen fördern wollen, so hat er in Ihnen daS geeignetste Werkz<ug gefunden. Ich sage Ihnen dies und noch Einiges, weil ich weiß, daß Hie das Alle» nach H . . . berichten werden. Hat ist auch ganz gut, weil ich meinem Herrn Vater leidir nicht mehr schreiben kann, nachdem er meinen herzlichen Brief nicht zu beantworten für gut fand. Sollte die Audienz und der Bescheid Seiner Majestät nicht zu meinen Gunsten ausfallcn, dann betrachte ich mich als Privat mann und werde mich nach meinen italienischen Besitzungen zurückziehen; ich gebrauche in diesem Falle auch keinen Hof marschall mehr. Sie dürfen mir alsdann nicht c:wa Nachreifen. Ich ermächtige Sie ausdrücklich, dies meinem Herrn Vater mit- zutheilen. Hochderselbe wird für einen so brauchbaren Diener, wie Sie sind, schon irgend einen anderen Posten haben. So, Herr Hofmarschall, das wäre Alles, was ich Ihnen zu sagen habe." Graf Desan wollte noch etwas erwidern, doch der Prinz ver ließ das Zimmer, so daß auch er sich zurllckziehen mutzte. Frazzilo ginc^ zu Baron von Eder hinüber, der eben einen Brief las. „Nachrichten aus H . . ., Hoheit, da gehen ja nette Dinge vor." „Kann ich mir denken! Wer schreibt denn?" „Okenmann." „Ah, die treu« Seele. Bitte, lesen Sie mir vor, wenn ich Alles wissen darf." „Im Gegentheil, Hoheit müssen das erfahren. Osenmann schreibt an mich in Beantwortung meines Schreibens, das ich kürzlich an ihn richtete." „Lesen Sw, lieber Baron!" Der Hofrath laS vor: „Längst hätte ich Ihren werthen Brief beantwortet, aber ick kam nicht dazu; überdies wollte ick gewissen Dingen auf den Grund kommen, über die man da und dort flüsterte. Da stand eines Tages im „Boten" klipp und klar, Se. Hoheit habe sich mit einer tscherkessischen Prinzessin verlobt. War das eine Aufregung im Schloß und Ministerium, so was habe ich noch nicht erlebt. Ihre Hoheit die Frau Herzogin hatte Weinkrämpfe und Ihre Hoheit Frau Erbprinzesfin Mathilde kam von Vienheim herein, sie zu trösten. „Der Bote" mußte widerrufen, obwohl ich ja wußte, daß die Nachricht wahr war. ES ist die höchste Zeit, daß der Prinz heirathet, fall die Frau Herzogin gerufen haben; es muß Alles in Bewegung gesetzt werden, um diese Verlobung aufzulösen. Se. Hoheit der Herzog waren anfangs sehr zornig, dann ward er milder, als des Prinzen Brief mit dem Bildnitz ankam; allein, die Frau Herzogin wollte nichts von Nachgeben wisse». Herr v. Gawinvt war ihr in ihrem Bemühen insofern behilflick, als er die Frage der Ebenbürtigkeit aufwarf. Dcr Herzog griff die Frage lebhaft auf und der Tele graph spielie zwischen H . . . und Petersburg; natürlich habe ich nickt Alles in Erfahrung bringen können, aber immerhin Wesent liches Der russische Hof betrachtet die tscherkessische Prinzessin für vollkommen ebenbürtig, aiich soll der Zar nicht abgeneigt fein, um alle Zweifel zu heben, der Prinzessin, seiner Verwandten, den Rang einer „Großfürstin" und Titel „Königliche Hoheit", sowie das Verfügungsreckt über die Hälfte ihrer Familiengüter zuzuerkcnnen. Als ich dies hörte, freute ich mich sehr, da ich von Ihnen wußte, wie glücklich Se. Hoheit dadurch 'würde. Allein, d'e Frau Herzogin hat ihre geheimen Pläne und be stürmte unfern hoben Herrn, bis er nackgab und dem Zaren die Unannehmbarkeit der gemachten Vorschläge notificirt«, zumal Sc. Hoheit der Erbprinz auf einem Glauben-Wechsel der Prin zessin bestehe. Ob das der Fall ist, weiß ich nicht: aber man erzählt sich, es sei aus diesem Grunde schon zu einem Zerwürfnitz zwischen den hohen Brautleuten gekommen." „Schändlich", rief der Prinz dazwischen, „meine eigene Mutter! Doch lesen Sie weiter." Ter Baron las: „Nun tritt das Projekt, Ze. Hoheit mit der Wittwr seines verstorbenen Bruder? zu vermählen, ungescheut in den Vordergrund. Es ist der Lieblingswunsck der Frau Herzogin und Se. Hoheit der Herzog soll fick auch bereits für den Plan erwärmt haben. Man glaubt, wenn Se. Majestät fick schroff abl-bnend verhalte, wo:» ja die beste Hoffnung sei, werde Sc Hobeit in gekränkten: Stolze fick nicht nur von Rußland, sondern auch von der Bvaut abwenden, und dann könne dic Annäherung an Ihre Hoheit Mathilde versucht werden. So, wie jetzt, ha! das Intriguiren hier noch nie geblüht; auch mir traut man nicht, seitdem ich constatirter Weise einen Brief aus Rutzland erhalten habe. Man merkt mir sehr auf die Finger, geehrter Herr Baron, darum babe ick nickt direkt aus H ... an Sie geschrieben, sondern habe Ihren Brief in ein zweites Couvert gesteckt und «inen Bekannten in München gebeten (Se können sich schon denken wen), das Schreiben an Sie abzusenden. Hoffentlich werden Sie cs erhalten, damit unser theurer Herr erfährt, wie er dran ist. Schreiben Sie mir nickt; russische Briefmarken erregen hier Brr- dockt! Ich werde auch ohne Antwort wieder berichten, so
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