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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.12.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011206023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901120602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901120602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
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Amtsvlatt des Äönigttchen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Notizei-Ämtes der LLadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Neclamen unter dem Rcdactionsstrich (-gespalten) 75 H, vor den Familiennack,- richten («gespalten) '>0 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenannahme 25 H (excl. Porto). — M» Grtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen Ausgabe, ohne PostbefÜrderung «0.—, mit Postbesörderung 70.- . Annalimeschlnb sür Anzeigen: Ab end-Au-gabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgen-AuSgabr: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Berlag von E. Polz in Leipzig Nr. «22. Freitag den 6. December 1901. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Ter Typhus tm rngltschen Heere. ES Hai noch keinen Krieg gegeben, in dem nicht mehr Menschen leben in Folge von Krankheiten als "durch Waffen verloren ge gangen wären, und der südafrikanische Krieg bildet von dieser Regel wahrlich keine Ausnahme. Kein Wunder also, wenn man sich gegenwärtig in England sehr mit dieser Frage beschäftigt. Unter den Büchern und Broschüren, die während der letzten Zeit über diese- Thema erschienen sind, hat eine tleine Schrift be sonderes Aussehen erregt, die den Titel: „l'xptiotck, tds Oestroyer ok Erwies anä lts Abolition" trägt und aus der Feder des englischen Militärarztes Or. Leigh Canney stammt. Der Verfasser beweist zunächst zuhlengnnäß, wie es der Wissen schaft in den letzten fünfzig Jahren gelungen ist, die drei gefähr lichen Krankheiten, die durch Genuß ungesunden Masters ent stehen, bczw. verbreitet werden, Typhus, Ruhr und Cholera, zurückzudrängen, und «r zeigt dann, daß die Leitung der britischen Armeen selbst in den letzten Kriegen sich diese Errungenschaften Ser Wissenschaft nicht zu Nutze zu machen wußte. Nur im Aschantifeldzuge begann man zuletzt das Trinken von ungekochtem Wasser zu verbieten, und sofort verschwand der Typhus fast voll kommen. Or. Canncy sagt offen, wenn jetzt in Südafrika der Typhus wieder so schrecklich gewüthet habe, sei dieses lediglich die Schuld der Oberstcommandirenden und des Kriegs ministeriums. Man habe einfach keinerlei Vorsichtsmaßregeln getroffen und die Leute trinken lasten, wann und wo sie wollten, und das Alles, trotzdem man di« Gefahr ganz genau kannte. Man habe nicht mehr Vorsicht angewandt, als im Krimkricge oder in den Kreuzzügen. Daß in den britischen Casernen sowohl in der Heimath als auch in den Colonien alle Vorsichtsmaßregeln befolgt werden, die von der Wissenschaft auf gestellt worden sind, und daß dadurch diese Krankheiten immer mehr in den Hintergrund gedrängt worden sind, macht die Sach« nur noch schlimmer; um so weniger hätte man diese Lehren im Kriege vergessen sollen. Die amtlichen Feststellungen ergeben, daß allein bis zum Endedes Jahres 1900 ü b e r 50 000 Mann durch Krankheitenkampfunfähiggemacht wurden, was man hätte vermeiden können, wenn man den Leuten nicht erlaubt hätte, ungekochtes Wasser zu trinken. Dabei sind nur die Soldaten mitgerechnet, die für die ganze Dauer veS Kluges kampfunfähig wurden, während noch weit mehr sich zeit weilig in den Lazarethen befanden und so zum Mindesten die Be wegungen der Armee hinderten. Vor drei Jahren habe man sich nicht genug darüber wundern können, daß die Derwische in un sinniger Verzweiflung gegen einen Hagel von Blei stürmten; was werde man in fünfzig Jahren darüber denken, daß 50 000 Eng länder schmutziges Wasser aus dem Paardefluß tranken? Or. Canney ichlägt vor, >sowohl in Friedens- als auch in Kriegszeiten jedes Sanitäw ,rps eine Wasterabtheilung erhalten solle, deren Aufgabe es sein müsse, dafür Sorge zu tragen, daß, wo irgend möglich, nur gekochtes Wasser getrunken werde. Jeder Mann müsse beim Eintritt in das Heer über diese Verhältnisse unterrichtet werden, so daß ihm gar nicht mehr der Gedanke kommen könne, Wasser zu trinken, daS nicht von dem Wasser corps untersucht worden sei. * Pretoria, 5. December. („Reuter's Bureau".) Gestern wurden drei Boerenlager überfallen und dabei 250 Boeren zu Gefangenen gemacht, nämlich über 100 südwestlich von Ermelo, 93 in txr Nähe von Nyestroom im Waterberg- District, wo das überfallene Lager zu Beyer's Commando ge hörte und 19 im nordwestlichen Transvaal, wo Liebenberg's Lager genommen wurde. politische Tagesschau. * Leipzig, 6 December. Die Annahme, daß in der gestrigen S'yuag drS Reichs tags die Gegeniäye schärfer auf einander platzen würben, als eS an den vorangegangencn Tagen der Zotllarifvebatle geschehen war, dal sich als richng erwiesen. Ter Präsiden! mußte nicht nur häufig mahnen, die Redner nicht zu unter brechen, sondern auch unparlamentariscbe Redewendungen rügen und zur Ordnung rusen. Den Löwenanlbeit an den Recuficauonen trugen natürlich die S or i a lve m o kra t e n, koch hallen diese dir Genugtduung, daß auch ein conservativer Graf sich einen Ordnungsruf holte und außerdem den Vorwurf hinnebmen mußte, den Abg. Bebel durch einen Zwischenruf schwer provocirt zu haben. Herrn Bebet ruhig anzuhören, ist freilich eine überaus schwere Aufgabe. Das Alter scheint auf diesen Parlamentarier keinen milvern- den und mäßigenden, sondern einen aufreizenden, eihitzenden Eiufluß auszuüben, und wenn dieser Einfluß sich noch steigert, so erlebt der Reichslag wohl noch Scene», die ihm bisher erspart geblieben sind. Gestern balle Herr Bebel einen be sonders wilden und — dlinven Tag. WaS das Ausland ge- than bat und lbut, was insbesondere Amerika plani, um sich gegen den deutschen Export möglichst abzuschließeu: von alle dem wußte Herr Bebel nichlS ober wollte eö nickt wissen. Als wären allein auf der Welt und könnten nach Belieben handeln , als dürften unsere gesetzgebenden Faktoren nach nichts Anderem als nach billigen Lebensmitteln trachten und nicht einmal fragen, ob wir Geld zum Kaufe selb» deö billigsten Brotes haben, so bezichtigte der socialdemokratische Redner die Väter der Vor lage und deren Befürworter der schriödeslen Rücksichtslosig keit gegen die wahren Interessen deö Volkes unv malte die Folgen, welche die Annahme der Vorlage haben müßte, in den schwärzesten Farben. Daß er recht angesehene schutzzöllnerische Mitglieder seiner eigenen Partei mit diesen Vorwürfen traf, kümmerte ibn nicht — und anscheinend kümmerte es auch diese College» nicht. S e zollten ibm stürmischen Beifall, als ob er auch in ibren Namen und aus ibrro Seelen spräche. Und in einer Hinsicht lbat er d es auch: er verurlheilte unsere ganze Staats- und Geiellschafis- ordnung in den grauen Grund und erwarb sich dadurch auch bei den socialdemokratische» Schutziöllnern Anspruch aus Anerkennung und Dankbarkeit. Seine gestrige Rede wird daher auf Partcikosten in Millionen von Exemplaren ver breitet weiden. Von den beiden anderen Rednern aus dem Hause, dem Antisemiten Voge l und dem bayerischen Conser- vativen Nißler, die sich im Wesentlichen auf den Boden der Vorlage stellten, machte nur der Letztere tieferen Eindruck auf die Hörer, weil es ihm gelang, die neuliche Behauptung Richter'- über die Grundlosigkeit der Schilderungen von der Noth deS Bauernstandes über den Hausen zu werfen; die Feststellung der Tbatiache, daß in Bavern selbst die Freisinnigen der Ei Höhung der Getreide zölle größtentbeilS zusiimmen, schien selbst auf die Linke einigen Eind'uck zu machen. Was die Vertreter des Bundesralds betrifft, die gestern zum Worte kamen, so ist ihnen nach;»- rübmen, daß sie in durchaus übereinstimmender Weise sich äußerten und dadurch die immer wieder auslauchenve Be hauptung widerlegten, es fehle „oben" an der nöthigen Einigkeit. Besonders angenebm mußte die Erklärung des iäcksiicken Siaai-ministerS v. Metzsch berühren, die sächsische Regierung dürfe nicht particularlstlfch handeln, sie müsse sich auf den im Interesse deS Reiches richtigen volk-wirtbsckast- lichen Standpunkt stellen. Auch der preußische Finanznunister v.Rbeinbaden sprach wirksam und widerlegte in glücklicher Weise eine Reibe vonBebanptungen Bebel's. Zweifellos aber war unter den NegierungSvertreiern der eindrucksvollste der neue pieußnche Hand-lSminister Möller, der sich zwar schon öfter außerbalb des Parlaments über die Tageefrage geäußert hat, aber noch eine Antwort auf die Frage 'chulcig war, wie er als HandelSminister dazu komme, eine Stellung eiuzunebmen, Vie vielfach in Haudelskreisen mißbilligt werde. Seine gestrige Rede war eine Antwort auf diese Frage und ver dient schon deshalb hier nochmals skizzirt zu werben. Bezüglich der Grundsätze des neuen Tarif- w>eS der Minister darauf hin, daß für die darin ent baltrnen Zcllerböhungen wesentlich auch die Berück sichtigung des ArbeitsinhaltS maßgebend gewesen sei, iür welche erst die Pi obuclionSstatistik die Grundlagen geichaffeu babe. Unter diesen Gesichtspunkt fallen namentlich die er höhten Zölle für Maschinen. Die Unparteilichkeit unv Gründ lichkeit der Vorbereitung des Tariseutwurss verdiene das höchste Lod. Die Reden der Linken zeigten, baß man sich auch dort der Macht der Verhältnisse beuge. Selbst der Abg. Richter scheine anzucrkcnnen, daß obne Schutzzölle nicht auszukommen sei, und wenn der Abg. Golbein sich auf die Grunrlage des bisherigen autonomen Tarifs stelle, so bandle es sich za nur noch nm einen quantitaiiven Unterschied, nicht mebr um einen priucipiellen Gegensatz Die Bekanplung, daß er- böbte G-ireidezölle den Abickluß von Handelsverträgen un möglich machen würden, ser aus die Erfahrungen von l89l nicht zu gründen. Damals sei der e> mäßigte Getreide zoll weniger eine Coucession an Oesterreich - Ungarn, als vielmehr eine innerpvlitische Maßregel in Folge der ungewöhnlich gesteigerten G treidepreise gewesen. Das in den folgenden Jahren — wiederum rusällig — eingetretene starke Sinken der Preise babe die agranickc Bewegung den Couflict beivorgerufen, für den ein Staatsmann einen Aus gleich suchen müsse. Die Politik der Freisinnigen sei eine chimärische. Sie würden eine Mehrheit für ihren Standpuncl im Reichstage auch im Falle einer Auflösung nickt erlangen 'können. Als Gegenwntung ihrer Haltung würden aus der agrarifcken Seile Forderungen erhoben, die auch sür die Re gierung unannehmbar seien. TaS Programm könne nur lauten: Schutz der Laudwirtbsckaft bis an die Grenze, daß die Handelsvertragspolitik aufrecht erkalten werden kann. Es sei aber ans der anderen Seite dock eine zu primitive Auffassung wirtbschastspolnischer Verhältnisse, wenn man behaupte, dieZollerböbung sürGetre de brücke die Lebenshaltung der Arbeiter entfpieckend herab. Die ktzr die Bergarbeiter vorbanbcne Statistik der Lohn verhältnisse zeige fest dem Eintritt deS Schutzzollsystems bis jetzt ein febr erhebliches Steigen deS Lohnes, der dem all gemeinen wirtbschafilicken Aufschwünge beS Landes gefolgt sei. Es sei alw für den Arbeiter kein schlechtes Geickäst» wenn ein System, das Gelreibezölle enthalte, ein für die Gesammtwiribschast förderliches sei, und von dem vor liegenden Tarife bürie man erwarten, daß er den Fort schritt der wirtbschafilicken Entwickelung günstig beeinflussen werde. Tie Landwiribsckajt dürfe jedoch nickt ver gessen, daß sie an Bedeutung für die deutsche National- wlilhsckaft gegen die Industrie znrückze rrlen sei, unv >n wie hoben, Grade auch ibr Gedeihen von dem der Exportintustne abbäuge. Wenn der Abg Golbein die au dieser direkt oder indirect beiheiligte Bevölkerung auf 38 Pioc. berechne, so bürste diese Ziffer noch zu niedrig gegriffen fein. Die bis- kerigen Zölle im Ganzen betragen nur 9,4 P»oc. des WertheZ der Einfuur, und zwar im Besonderen die Zölle aus Nal- rungs- und Genußmitlel 20,7, auf Fabrikate 10, aus Rohstoff- iür die Industrie >,3 Piocent. Dieses Verbältniß sei bock zu beachten. Die Gründe lür die Erhöhung ter Getre-bezölle bürfe inbefsen auch er, der Minister, in ihrem vollen Gewichte anerkennen. Ter HanvelSiniuister sei nickt dazu da, einseitig Hantelsintcrcfsen zu vertreten, sondern müsse die Interessen des gesammlrn WirtbsckaftslebenS im Auge haben. — Da noch einige zwanzig Redner sich zum Worte gemelbet haben, io ist nickt abzuseben, wie lange die erste Lesung deS Zoll tarif- noch dauern wird. Als vor wenig Wochen die Press? des Freisinns in dem Genüsse schwelgte, ausländische Zeitungsstimm'n ge.ren die deutsche Zollpolitik auszuspielen, fand bas fahrende Centrumsorgan ebenso scharte wie zutreffenve Woi ic gegen biescs Gebühren. Jetzt aber, wo russische Pantlawistenblätter, die tsckeckiscke und die magyarische Hetzpresse in bolrem Ein klang mit der engli'cken Iingopreffe den W r e i cke n e r Proc eß ihrem ganz unmaßgeblichen deutich-seintlicken Urtbeile unter werfen, jetzt sollen nach dem Verlangen der „Köln. Volkszlg." jene ausländischen Stimmen Deutichlaud zu denken geben und die Erkennung erschließen, daß die prenssilchr Polcn- zolitik grundverkehrt sei. Mil einem derartigen Wideripruck in Bezug auf die Einschätzung ausländischer Urtbeile begnügt sich aber die „Köln. BoikSztg." nickt. Durch die weitere Behauptung, daß der Staat in der Provinz Posen un vergleichlich viel sckäi fer als in Elsaß-Lothringen unv Nord-SchleSwig vorgehe, verleugnet das führende Centruinsorgan vollständig die bisherige Cenirumspolitik betreffs ter Nordmark und der Weslinark deö Reiches. Tenn ras rheinische CentrumSblatt vergißt mit seiner eben er wähnten Behauptung, daß daS Centrum die Politik der Ausweisungen aus Nord-SckleSwig und die dortige G.'rmanisirungSpolitck überhaupt bekänipfl hat. Als am 16. Februar 1899 Johannsen und Genossen wegen der Aus weisung dänischer Unterthanen interpellirt halten, verurlheilte Herr Or. Lieb er am folgenden Tage alle gegen die Ausbreitung der dänischen Sprache getroffenen Maßnahmen und verwarf die Ausweisung-Politik mit bei, Worten: „Wir dürfen niemals eine wohlwollende und gereckte Behandlung berAuSländer außer Acht lassen . . .; man muß dem Fremden an der Noitmark sein gutes Recht lassen." — Was aber Elsaß-Lothringen anbetriffl, so vergißt die „Köln. Volkszlg.", welche Stellung daS Centrum zum Diclalurparagrapben einnimmt. Hierüber sprach sich im Namen des CentrumS Gras von Hompesch in der ReichSiagSsitzung vom 4. März 1898 — um nur einer Erklärung des Centrums zu gr« denken — dahin aus, daß seine Partei stets für die Auf hebung des Diciatuiparagiapben eingetreten sei. Jetzt sollen die Ausweisungen aus Nord-SckleSwig und die Herrschaft eeS Dicialuiparazraphen in den Reichslanden mit einem Male im Vergleich zu der preußischen Polenpoltitik ganz gelinde und bedeutungslose Dinge sein. Die Reibe ker W:cersprücke, in welche die „Köln. Vo kSztg." sich den Polen zuliebe verwickel», ist aber hiermit immer noch nicht ersck öpst. Nacktem bas klerikale Blatt erst vorgestern auf die deutichen Eifvlge bei den — nach dem Wresckener Prrccß abgebaltenen — Sl abtverord neten wahlen in mehreren Städten der Provinz Posen nachdrücklich bingewiesen bat, weil ihatsächlick in Gnesen, Krolosckin und Wongrowitz die Pole» nunmehr gänzlich auS der Stadtvertretung vei sckwunden sind, rechnet es dem Oderpräsidenten von Posen, v. Bitter, die Auffassung zum FeuiHeton. 20' Die Marmorliebe. Sine Hofgeschichte von Jean BernarL. NaLkruck verlotm. Ein Diener trat ein und präsentrrte eine Karte auf silbernem Teller: „Ferdinand, Graf v. Besan, Hofmarschall Sr. Hoheit Les Erbprinzen Albrecht Alexander von H . . ." „Ich lasse bitten", sagte der Fürst und wandt« sich dann an sein« Gemahlin: „Wie mag dieser deutsche Hofmarschall plötzlich in diese Gegend kommen? Ich erinnere mich, daß vor einiger Zeit einmal das Gerücht ging, ein Prinz von H ... be mühe sich um Prinzessin Petrowna . . . Ah, da» ist unser Besuch!" Graf Desan trat ein und verbeugte sich. „Sehr erfreut, Herr Hofmarschall." „Durchlaucht, ich wollte nicht verfehlen, bei meinem kurzen Aufenthalte in hiesiger Gegend Ihnen meine Aufwartung zu machen!" Der Fürst stellte seine Gemahlin vor, und bald entspann sich ein Gespräch, welches von Seiten deS HofmarschallS in geschraubt diplomatischer Weise geführt wurde, weil er fürchtete, sich bei den difficilen Fragen des Fürsten bezüglich deS Inkognitos seines Herrn zu versprechen. Nach kurzer Zeit empfahl er sich, um draußen im Parkhaus« zu warten, bis Otto Embder seinen Auf trag auigerichtet. DaS war bald geschehen; der Fürst, gutmüthig, wie <r von Natur war, willfahrte dem Wunsche des Grafen, obwohl er davon etwas überrascht war, weil der Herr Hofmarschall den Grafen Blenheim gar nicht erwähnt hatte. Sollte . . . ? Nein, für ein Mitglied der Geheimpolizei sprach der sogenannte Hof marschall zu schlecht russisch. Der Fürst dachte bald nicht mehr daran, das bevorstehende Fest beansprucht« seine Aufmerk samkeit. Di« Festräume der Villa lagen im Parierregeschoß und wur den aufs Herrlichst« mit Blumen, Blattpflanzen und Sträuchern geschmückt; der wieder einigermaßen hergestellte Olnovka traf eben die letzten Anordnungen, al- ein Diener auf ihn zutrat, um zu fragen, wo Seine Durchlaucht anzutreffen sei. „Seine Durchlaucht waren eben noch hier; ich denke, der Fürst ist nach oben gegangen. Da- wollen Sir denn?" „Der Her-Graf von Bienheim ist bereit» anqekommen, obwohl es »och eine Stunde bis zum Beginn der Tafel währt. Er bittet, Seiner Durchlaucht gemeldet zu werden." „Hm! Da sehen Sie nur im Arbeitszimmer nach, der Herr Graf liebt das Warten nicht." Der Fürst saß wirklich an seinem Arbeitstische und sah die eingelaufenen Zeitungen durch, als ihm die Ankunft des Grafen gemeldet wurde. Er erhob den Kopf, als habe er nicht recht ver standen, er sagte jedoch nichts, obwohl er sich dachte, es sei doch noch eine Stunde Zeit; er nickte — und bald darauf stand dec Graf vor dem alten Manne. „Ah, das ist schön, Herr Graf", sagte der Fürst freundlich, „da können wir noch ein Stündchen gemüthlich plaudern. Nehmen Sie Platz, Cigarre gefällig?" „Vorerst danke ich, Durchlaucht!" Gestatten Sie, daß ich stehen bleibe, da mein augenblicklicher Besuch einer ernsten Sache gilt." „Ei, wahrhaftig, Sie sehen mit Ihren vielen Orden fast so ernst und feierlich aus, wie heute Nachmittag der Herr Graf, wir hieß er gleich, von Vefan! Ein Cartcllträger kann nicht ernster dreinschauen!" „Wollen mich Durchlaucht anhören? Ich werde so kurz als möglich sein; dai heißt, die Kürze meiner Rede richtet sich ganz darnach, wie Ewer Durchlaucht daS aufnehmen, waS ich zu sagen habe." „Wahrhaftig, Sie haben auch den Hut noch in der Hand. Also ick höre." „Gestatten Sie mir, daß ich mich Ihnen vor Allem vor stelle . . ." „Oho, bester Graf", rief der Fürst und erhob sich besorgt, „was ist Ihnen denn; ich denke, wir sind alte Bekannte?" „Sie kennen mich als Graf Bienh«im, der ich auch bin, aber ich bin in Wirklichkeit noch mehr: ich bin der Erbprinz Albrecht Alexander von H . . . Warum ich gerade in dieser Stunde mein Jncognito für Sie, Durchlaucht, lüfte, wird Ihnen gleich kl-ar werden. Ich halte in aller Form bei Ihnen um die Hand Ihrer Nichte, Prinzessin Berowna Tscherkinsa, Durch laucht — an." Der alt« Fürst mußte sich an der Stuhllehne stützen. daS hatte er nicht erwartet; es verstrich eine Zeit, bis er sich soweit gefaßt hatte- um wenigsten« etwa« zu sagen: „Zwei schwerwiegende Thatsochen haben Sie gelassen aus gesprochen. Die erste glaube ich Ihnen natürlich aufs Wort, die zweite, Ihre Liebe zu meiner Nichte Berowna, nicht minder; allein über die Hand der Prinzessin habe ich nickt allein zu bestimmen, sondern außer Berowna selbst, auch Seine Majestät. Er liegen da eben so eigentbümliche Verhältnisse vor, die zum Theil in der Abstammung der Prinzessin väterlicherseits begründet liegen, und Ihnen allem Anscheine nach . . ." . . bekannt sind", ergänzte der Prinz mit größter Ruhe den Satz. „So, bekannt? Wohl durch die Prinzessin selbst?" „Jawohl, Durchlaucht." „Sie haben mit Berowna bereits gesprochen?" „Ich versicherte mich ihrer Neigung, ehe ich diesen Schritt unternahm." „Mein« stolze Berowna sollte . . .* „Wenn Sie es bezweifeln, Durchlaucht, so ersuche ich dringend danim, di« Prinzessin selbst zu befragen." „Da- soll geschehen, Hoheit, Alles nach Recht und Billigkeit!" -- Der Fürst klingelt- und herrschte den erschienenen Diener an: „Ich lasse Ihre Durchlaucht Prrnz«ssin Tscherkinsa sofort hierher bitten, aber sofort!" — Der Diener eilte, und nach einigen Mi nuten rauschte Berowna ins Zimmer in voller Festtoiletde, schön und stolz wie eine Göttin. „Aber, Onkelchrn, was giebt «S denn? Ich bin knapp mit der Toilette fertig ... Ah, Herr Graf, entschuldigen Sie, ich sah Sie nicht sogleich." „Ich begrüße Sie, Durchlaucht, in aller Ergebenheit! Ihr Herr Oheim wünscht mit Ihnen zu sprechen." „Ah, lieber Onkel, was ist denn?" „Dieser Herr hier ist Seine Hoheit der Erbprinz Albrecht Alexander von H . . Graf von Bienheim und . . . Nun, müssen Sie mir dvaufhelfen, Hoheit . . . „Graf von Helmborn und Herzog Frazzilo, und so writer", scherzte der Prinz. Berowna verneigte sich förmlich. „Seine Hoheit haben eS für gut befunden, sich unter einem bescheideneren Titel in unser Hau- elnzufllhren . . . Seine Hoheit haben soeben in aller Form um Deine Hand angehalten. Was hall Du darauf zu antworten? Ich sagte Seiner Hoheit, daß eS vor Allem auf Deinen Willen ankomme. Also, bitte, antworte! Oder willst Du die Antwort verschieben?" „Nein, nein", sagte Berowna vlöhlich eifrig. „Ich erkläre eS als meinen festen und ernsten Willen, die Werbung Seiner Hoheit des Erbprinzen von H . . . von Herzen gern anzu- nebmen!" „Also doch!" „Aber, Onkelchrn, Du bist plötzlich so ernst, betrübt Dich meine Zustimmung? Freut Dick mein LiebeSglück nicht?" „Liebesglück! Ihr Beiden träumt von Liebeiglück und wißt nicht, daß in der Näbe eines Thrones meist kein Liebesglück blüht: doch das habt Ihr mit einander zu tragen. Ich kann nur meiner Warnung Ausdruck geben. Sollte sie in den Wind geschlagen und trotz aller Hindernisse eine Verbindung angestrebt Werve», so muß ich doch hauvtsächlich betonen, daß Du, Verowna, nach dem Hausgesetze der Gallitschins und Saritzins bei einer Heirath mit einem Ausländer der in Rußland gelegenen Güter verlustig gehst; es müßte denn sein, daß die Gnade Seiner Majestät hierin anders verfügte, was ich jedoch nicht glaub«." „Wir haben bereits darüber gesprochen", sagte Verowna leise. „Ich habe um die Hand Derowna's angehalten, Durchlaucht, nicht um ihre Güt«r", fügte der Prinz hinzu. „Schön, also darüber ist auch schon gesprochen woroen. Wie steht es jedoch mit Ibren Angehörigen, Hoheit; wissen die selben um Ihr Vorhaben? Bedenken Sie Ihre hohe Stellung!" „Mein Herr Bater weiß nichts von meinem Schritt, ich hoffe jedoch. . ." „Sie hoffen, Hoheit? Hoffen Si« nicht zu viel; in diesem Puncte pflegen regierende Herren keinen Spaß zu verstehen . . „Ich aber noch viel weniger", versetzte der Prinz ernst und bestimmt. „Ich liebe Berowna, und sic wird meine Gemahlin mit oder ohne Einwilligung meines Herrn Vaters. Im letzteren Falle bin ich entschlossen, auf die Thronfolge zu verzichten und in russische Dienste zu treten. Meine Güter in Italien machen mich finanziell von H . . . unabhängig. Dies werde ich auch in kürzester Zeit Seiner Majestät in geeigneter Weise erkläre». Und nun, Durchlaucht, bitte ich um Ihre gütige Entscheidung. Nicht wahr, Berowna, dann soll Durchlaucht unser Bater seins" „Ja, Frazrilo, wie er der meine schon lange war!" „Jbre Erklärung, Hoheit, ist ebrenhaft und männlich, ach, und trotzdem, wenn ich an Ihren Herrn Bater denke, über- sckleicht mich eine Webmnth sondergleichen. Der einzige Sohn die Hoffnung des Lander .... Mein theurer Prinz, ist es Ihr «rnster, fester Wille?" „Ich pflege nur einmal etwas zu betheuern." „Hoheit, so nehmen Sie dieses Mädchen, das mir mehr ans Herz gewachsen ist, als ein eigenes Kind sein könnte; nehmen Sie Verowna, unser Alles, uni» seien Sic glücklich, indem Sie diel holde Welen glücklich machen. Meinen Segen haben Sie!" Frazzilo und Verowna küßten sich und umarmten dann den alten Herrn, ihn stürmisch küssend. „Und dürfte ich noch um eine Güte bitten, theurer Daker?" „Und tue wäre?" „Daß heute bei dem Festmahle unser« Verlobung verkündet wird!"
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