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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.12.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011206023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901120602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901120602
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- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-06
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8SSS Borwurf an, daß unter dem Drucke von Vorkommnissen wie in Wreschen eine erfreuliche Verstärkung deS deutsch-nationalen Sinnes sich in Posen bemerkbar mache. Welches ist nun der Grund für die Verleugnung der Centrumspolitik und für die Verleugnung der Anschauungen, die in der „Köln. Volksztg." selbst vertreten worden sind? Offenbar hängt diese Ver leugnung mit der Tbatkache zusammen, daß weder die Dänen in Nord-SchleSwig, noch die Elsaß-Lotbringer den parlamen tarischen Besitzstand deS CentrumS bedrohen, während bekannt lich die Polen in Oberschlcsien, in Westpreußen, in Ostpreußen und in Rheinland-Westfalen CentrumSmandate gefährdet haben und in Zukunft gefährden werden. Hier liegt der Schlüssel des Geheimnisses der Haltung, welche das füdrende CentrumSorgan gegenüber den Polen im Gegensätze zu Elsaß- Lothringen und Nord-SchleSwig einnimmt. Damit aber ist auch der Maßstab geliefert, an dem die Stichhaltigkeit des „vernichtenden" Unheils der „Köln. Volksztg." über die preußische Polenpolitik gemessen werden muß. DaS Partei interesse über die nationalen Interessen — unter diesem Losungsworte rückt das Polenblatt am Rheine gegen die preußische Poleopolitik und die Hakatisten nach wie vor inS Feld. lieber Sport und -laltonalbewutztseiu bringt die Prager „Bohemia", das Hauptorgan der Deutschen in Böhmen, einen längeren Artikel, in welchem scharfe Kritik an dem Beschluß des „Verbandes deutscher Ballspielvereine" in Berlin geübt wird, nach welchem das Spielen mit tschechischen Vereinen, das früher „dem Taktgefühle der einzelnen Verbandsvereine" überlassen ge wesen war, bedingungslos erlaubt ist. Speciell richten sich die Vorwürfe des Prager Blattes gegen den Berliner Sportclub „Britannia", der mit der tschechischen „Slavia" in Prag Spiele veranstaltet. Dann heißt es weiter: Verträgt es sich mit dem Ehrgefühl der Berliner Herren, ein freundschaftliches Wettspiel mit einem Sportclub au »zu tragen, der ebenso gut wie jeder andere tschechische Verein auf dem extrem st en nationalen Stand punkte steht? Auf dem Standpunkte des fanatischen Tschechenthums, das in dem Deut schen und insbesondere in dem Preußen den verhaßten Erbfeind erblickt? Verträgt es sich mit dem Ehrgefühl eines Vereines, der sich wohl doch auch als ein deutscher Verein betrachtet, in einer Stadt, wie Prag, wo die Tschechen den Deutschen als erbitterte Gegner gegenüberstehen, dem tschechischen Publicum die Genugchuung zu verschaffen, daß für ein ihm gebotenes Schauspiel selbst ein deutscher Club aus Berlin „zu haben" ist? Es «war, wie oben erwähnt, durch eine früher von dem Berliner Verbände beschlossene Resolution dem „Taktgefühle" der einzelnen Vereine überlassen, mit tschechischen Vereinen sportliche Beziehungen zu unterhalten. Offenbar fühlten sich Diejenigen, welche nunmehr die „bedingungslose" Er- laubniß durchsetzten, durch das „Taktgefühl" genirt. Nunmehr brauchen sie sich von diesem Gefühle nicht mehr abhalten zu lassen — sie können spielen. Wenn wirklich, wie es hier heißt, der Prager Club auf aus gesprochen tschechischem Standpuncte steht, in Deutschenhaß macht, und so des internationalen Charakters des Sportes spottet; wenn er, wie die socialdemokratischen Gesang-, Radfahrer- u. s. w. Vereine Gesang und Radfahrerei, den von ihm gepflegten Sport nur als Mittel zum Zwecke der Schürung von Classenhaß treibt: dann allerdings wäre es Verrath des Deutschen Clubs in Berlin an der eigenen nationalen Sache, wenn er das Ansehen des Prager Clubs durch gemeinsame Wettspiele erhöhen helfen wollte. Die Nationalität kann man ohne Gefahr nur Denen gegenüber in die zweite Linie rücken, die dasselbe thun. Uebrigens würden gemeinsame Veranstaltungen in Prag, wie genug Bei spiele beweisen, gar bald auch das Sportwesen selbst schädigen: sie würden zu Prügeleien und Schlimmerem führen, Excesse, die gar lckicht eine Einschränkung des Sportwesens nöthig machen vürftrn. Es ist aufs Tiefste zu bedauern, wenn die Dinge so liegem, denn gerade das weite, freie Gebiet des Spieles und des Sportes, die Herz und Geist ausweiten, ist an sich der geeignetste Boden, auf dem die Zweige der verschiedenen Völkerstämme in einander wachsen oder wenigstens sich freundlichberübren könnten. Speciell der Rudersvort z. B. hat nicht wenig dazu beiaetragen, wieder friedlichere Beziehungen zwischen den „Erbfeinden" Deutschland und Frankreich anzubahnen. Wir beklagen es, daß dies in Böhmen und zwischen den Bewohnern ein und desselben Landes nicht möglich sein soll. Deutsches Reich. U Berlin, 5. December. (Das Erlöschen der An wartschaft auf Rente.) Nach dem neuen Jnvaliden- versicherungsgesetze erlischt die Anwartschaft auf Rente in etwa halb so langer Zeit, als nach dem alten Jnvaliditäts- und Alters- versicherungsgesetze. Es ist deshalb für den Versicherten die Gefahr vorhanden, daß er bei Verabsäumung rechtzeitiger und ausreichender Markenverwendung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes, ungeachtet der Erfüllung der Wartezeit seines an sich begründenden Rentenanspruchs verlustig gehen kann. Ein solcher Ausgang ist besonders dann zu besorgen, wenn der Rentenbewerber auf Grund freier Würdigung widersprechender ärztlicher Gutachten wegen Nichtanerkennung der Invalidität mit seinem Jnvalidenrentenanspruch in allen Instanzen ab- acwiesen wird, während er selbst fortfährt, die Fortdauer seiner Erwerbsunfähigkeit zu behaupten. Da in solchen Fällen das instanzielle Verfahren vielfach schon ein Jahr lang geschwebt hat, eine erneute Antragstellung aber erst regelmäßig ein Jahr nach der ersten rndgiltigen Abweisung möglich ist, so wird der Rentenanwärter, der seit der erstmaligen Erhebung seines An spruchs, sei es aus Unfähigkeit, sei es aus Furcht der Beein trächtigung seines Rentenrechts, nicht gearbeitet hat, nicht selten zur Zeit der Wicdererhebung des Antrages auf Invalidenrente die Anwartschaft überhaupt schon verloren haben, sofern er nicht von dem Rechte der Weiterversicherung Gebrauch gemacht hat. Es sei deshalb darauf aufmerksam gemacht, daß nach dem neuen Jnvalidenversicherungsgesetze die Anwartschaft auf Rente erlischt, wenn während zweier Jahre nach dem auf der Quit tungskarte verzeichneten Ausstellungstage ein die Versicherungs pflicht begründendes Arbeits- oder Dienstverhältniß, auf Grund dessen Beiträge entrichtet sind, oder die Weiterversicherung nicht oder in weniger als insgesammt zwanzig Beitragswochen be standen hat. Freiwillige Beiträge für eine länger als ein Jahr zurückliegende Zeit, sowie nach eingetretener Invalidität, dürfen nicht entrichtet werden. * Berlin, 6. December. Im „Anhang" zu Bis- marck's „Gedanken und Erinnerungen" sind scharfe Angriffe gegen den verstorbenen Professor Geffcken enthalten. Dagegen erlassen seine Söhne, vr. Joh. und Prof. Heinr. Geffcken, eine Erklärung in der „Kreuzztg.", in der es heißt: „Es ist unrichtig, daß unser Vater den Jesuiten und der Centrumspartei affiliirt gewesen sei. Es ist irrig, daß er jederzeit den Entwickelungsphasen des deutschen Reiches feind lich gegenüber gestanden habe. Es ist falsch, daß er ein hansea tischer Partikularist oder gar Welfe gewesen sei. Sein streng gläubiges Lutherthum machte ihn vielmehr naturgemäß zum religiösen Gegner des Katholicismus und zum politischen Feind des Ultramontanismus. Aber er verkannte noch weniger, als Bismarck selbst wenigstens zeitweise gethan, die Macht der römischen Kurie und wußte, daß man mit ihr gelegentlich pactiren müsse. Einzig und allein diesen Cha rakter trug die diplomatische Vermittlerrolle, welche er vor übergehend gespielt hat . . . Die Entwickelungsphasen des deutschen Reiches unter Bismarck verfolgte er mit lebhaftem Antheil, wenn auch nicht immer mit Zustimmung. Wieder und wieder hörten wir ihn von Bismarck als dem „provi- dentiellen Manne" reden, und dessen Leitung der äußeren Politik hielt er für unerreichbar groß. Die innere Politik Bismarck's allerdings beurtheilte er pessimistisch — wie mit ihm Viele. Don Partikularismus aber — das zeigen Bern hardts Erinnerungen — wußte er nichts, man müßte denn seine Thätigkeit als hanseatischer Ministerrcsident im Jahre 1866, wo er seiner Vaterstadt Hamburg dringend zum An schluß an Preußen rieth und sie dadurch vor dem Schicksale Frankfurts bewahren half, als unberechtigten Partikularismus bezeichnen wollen. Uebrigens finden sich auch in seinem hand schriftlichen Nachlasse mancherlei Klagen über das Elend der bundestäglichen Kleinstaaterei verzeichnet. Unser Vater war — wir wissen es wohl — kein Staatsmann nach dem großen Schnitte der Neuzeit; er liebte die kleinen Mittel und das ge- heimnißvolle Wesen der alten Diplomatenschule. Das hat neben anderen, völlig edlen Motiven mitgewirkt, um ihn zu dem verhängnißvollen Schritte der Veröffentlichung des be kannten Tagebuches zu treiben. Wenn wir dies unumwunden zugeben, und wenn wir insbesondere die Publication von Kaiser Friedrich's Tagebuch weder im Jahre 1888 gebilligt haben, noch heute billigen, so bestreiten wir doch Jedem, selbst dem Größten und Herrlichsten, der auf Deutschlands Boden gewachsen, das Recht, unseren Vater um politischer Gegner schaft willen dem Urtheile der Geschichte als Reichsfeind zu überliefern." — Bei dem Reichskanzler und der Gräfin von Bülow fand heute Abend ein diplomatisches Diner statt. — Der preußische Gesandte in Hamburg v. Tschirschky und Bögen dorff hat sich im Gefolge des Kaisers nach Schlesien begeben. — Der württembergisch« Staatsminister des Innern vr. von Pischek ist zum Bevollmächtigten im Bundesrathe er nannt worden. — Der Staatssekretär Nieberding ist an Bronchial katarrh erkrankt, er befindet sich aber auf dem Wege der Besserung. — Als Nachfolger des Generalleutnants v. Alten wird, der „Tgl. Rdsch." zufolge, neuerdings der frühere Gouverneur von Ostafrika, Generalleutnant v. LLebert genannt, der zur Zeit Führer der 6. Division in Brandenburg ist. Gleichzeitig meldet das Blatt, Herr v. Alten habe Insterburg noch nicht ver lassen, er habe überhaupt noch nicht die Genehmigung seines Ab schiedsgesuches erhalten. Andere Blätter melden dagegen: Gene- ralleutnaizt v. Alten, Commandeur der 2. Infanterie-Division zu Insterburg, welcher sein Commando kürzlich niedergelegt hat, und am 1. n. M. endgiltig aus dem Militärdienst ausscheiden wird, ist in Begleitung seiner Familie in Berlin ein getroffen, um hier vorläufig ständigen Aufenthalt zu nehmen. — Aus London wird gemeldet: „Wie „Daily Mail" er fährt, zeichnete sich der jüngste Empfang des deutschen Botschafters Graf Wolfs-Metternich seitens des Königs durch besondere Herzlichkeit aus. Der König verbreitete sich über die gegenwärtig bestehenden vortrefflichen Be ziehungen zwischen England und Deutschland und drückte die Hoffnung aus, daß sie möglichst freundlich auch in Zukunft bleiben mögen. Graf Metternich übermittelt« dem Könige den Ausdruck der nicht minder warmen und freundlichen Gesinnungen des Kaisers. Die Acußerungen des Königs sollen einen ausgezeichneten Eindruck in den deutschen amtlichen Kreisen gemacht haben." Man braucht das Letztere nicht zu bezweifeln und von dem Uebrigen nicht Alle- zu glauben. — Der frühere japanische Ministerpräsident Marquis I t o ist heut« Abend aus Petersburg hier eingetroffen. — Der hiesige koreanische Gesandte Chul Hun Min ist nach Berlin zurück gekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder über nommen. — Heut« hielten die Ausschüsse desBundesraths für Handel und Verkehr und für Justizwesen Sitzungen ab. — Voraussichtlich wird gegen Ende der Woche noch eine Plenar- sitzungdes Bundesraths stattfinden, in der die Vorschläge der Ausschüsse zum Etatsgesetz zur Annahme gelangen. Da die Einzeletats sämmtlich oem Reichstage bereits unterbreitet wur den und die Drucklegung des Etatsgesehes nicht viel Mühe und lange Zeit in Anspruch nimmt, kann vielleicht noch am Sonnabcn der Etat vollständig vorliegen. — Neber die Aussichten der Zolltarif-Vorlage im Reichstage äußert sich die „Nat.-Ztg." äußerst pessimistisch, wie folgt: „Was die Reichstags-Verhandlung über den Zolltarif be trifft, so dürfte man sich heut« übers Jahr noch innerhalb der selben befinden, nachdem sic etwa im Juli oder August durch eine Vertagung auf einige Monate unterbrochen worden — vorausgesetzt, daß nicht vorher ein pavlamentari- scher Zusammenbruch eintritt." Prophezeien ist ein schwierig Ding — besonders in der Politik. — Für die erste Berathung des Zolltarifs sind noch fünfundzwanzig Redner vorgemerkt. Es wird demnach unmöglich sein, in dieser Woche die Berathung des Zolltarifs zu Ende zu führen. — Der „Vorwärts" hatte im vergangenen Sommer behauptet, es gäbe Centrumsjournalisten, die sich vom Bunde derLand- wirthe unterstützen ließen und deswegen im Centrum gegen das Centrum kämpften. Die Beschuldigung richtete sich, wie sich später ker.russtellte, gegen einen Herrn Bauer, der in Bonn ein« social- und agrar-politische Correspondenz herausgiebt. Herr Bauer ließ damals den schweren Vorwurf an sich hängen, obgleich er von allen Seiten aufgefordert wurde, gegen den „Vor wärts" gerichtlich vorzugehen. Vor ein paar Tagen hatte er nun vor dem Schöffengericht« zu Köln di« Gelegenheit, seinen Ehrenschild zu säubern, allein er ließ durch seinen Anwalt er klären, daß er sich über seine Stellung zum Bunde nicht an zapfen lasse. Der „Vorwärts" hat wohl nicht Unrecht, wenn er sagt: „Herr Bauer hat die Gelegenheit vermieden, sich vor Gericht von der Anklage zu reinigen. Er hat damit ge standen !" — Die socialdemokratischen Gemeinde verordneten Grauer, Weißfleck, Kalte und Wedemeyer in Lichtenberg sind von dem Kreisausschuß des Nieder- barnimer Kreises ihrer Mandate für verlustig erklärt worden, da die Ausschreibung der Wahlen seiner Zeit rechtsungiltig ge wesen sei, weil die Angabe, wir viele Angesessene (Hausbesitzer) und Nichtangesessene zu wählen seien, gefehlt habe. — Der Director der Berliner Markthallen, G. Hauckwih, ist gestorben. Er war früher Officier. In den sechziger Jahren vertrat Herr Hauckwitz den Kreis Strasburg i. Pr. im Provinziallandtag. Von 1876 bis 1879 war er Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses und gehörte der nationalliberalen Partei an. Später ist er politisch nicht mehr in die Öffentlichkeit getreten. Ein schweres Herzleiden machte der Schaffenskraft des verdienten Mannes ein Ende. — Die „Tgl. Rdsch." schreibt: „ProfessorPaulsen. einVertheidiger des Sy st ems Althoff? Wie unsere Leser wissen, hat die „Nordd. Allg. Ztg." in ihren officiösen Rechtfertigungsversuchen des Systems Althoff in der Universitäts verwaltung auch Professor Paulsen als Kronzeugen für die Treff lichkeit des Systems ins Feld geführt, und zwar auf Grund der günstigen Kritik, die «r in seinem Buche über die Geschichte des gelehrten Unterrichts in Deutschland an der preußischen Uni- versitätsverwaltunq übt. Bewußt, oder, wie wir hoffen und vor aussetzen, unbewußt, geschieht damit eine Irreführung. Paulsen's Buch lag im Jahre 1884 fertig vor. Aber erst Ende der achtziger Jahre fing Herr Althoff an, an entscheidendem Einfluß auf die Besetzung ^von Lehrstühlen zu gewinnen, und 1890 zum ersten Male wurden Klagen über das neue System laut, die bald all gemein wurden. Danach ist klar, wie verfehlt es war, Prof. Paulsen zu einem Vertheidiger dieses Systems stempeln zu wollen." — In dem bekannten Processe wegen der „goldenen Hand" zwischen der „Kölnischen Zeitung" und I)r. Liman hat das Kammergericht heute, wie di« „Volksztg." erfährt, die in den beiden ersten Instanzen erfolgte Frei sprechung des vr. Liman endgiltig bestätigt, die über den Chefredakteur der „Köln. Ztg." verhängte Geldstrafe dagegen aufrecht «rbalten. — In dem bekannten Processe >des Justizraihs Wag - n e r geg«n den Eisenbahn fiscus, über den wir wieder holt berichteten — «s handelte sich um die Ueberfüllung eines Eisenbahnwagens —, hat das königliche Landgericht I Hierselbst in Abänderung des Urtheils des hiesigen königlichen Amts gerichts I die Klage abgewies« n. Das Landgericht hat die Ueberfüllung zwar auch nicht für ordnungsmäßig erklärt, jedoch aus rechtlichen Gründen entschieden, daß daraus ein A n s p r u ch auf Rückzahlung des Fahrgeldes nicht hergeleitet werden könne. Zu der gerichtlichen Verhandlung hatte der Eisen bahnminister einen Regierungsrath abgeordnet. * Halle a. S., 6. December. Die Halleschen Univer sitätslehrer haben es a b g c l e h n t, sich M o m m s e n' s Kundgebung anzuschlicßen. Ueber die Gründe, die sie zu dieser Stellungnahme veranlaßt haben, wird der „Voss. Ztg." aus Halle mitgetheilt: 8 4 des Statuts der Halleschen Hochschule schreibt vor, daß nur Lehrer und Beamte evangelischer Confessio n anzustellen seien, und nach dieser Bestim mung wird heute noch verfahren. Wurde einmal diese Norm durchbrochen, so mußte stets auch ein Dispens vom Minister eingeholt werden, wie es z. B. bei der Berufung des Rechts' lehrers Franz v. Li s z t geschah. Sachlich stimmt die Docentenschaft der Halleschen Universität aus vollstem Herzen mit Mommsen überein, aber sie erachte sich im Falle Spatm nicht für geeignet, in den Kampf einzugreifen. * Weimar, 5. December. In dem Entwurf eines Bil dungsstatuts für die Universität Jena, der zur Zeit dem Landtag vorliegt, ist ein Paragraph über Disci plinarmittel gegenüber den Universitätslehrern und -Beamten eingefiigt worden, in dem es heißt: „Durch Beschluß der Regierungen der Erhalterstaaten kann das Aufrücken in eine höhere Besoldungsstufe versagt werden a. den Beamten der Universität bei nicht tadelloser Amtsführung, d, den Lehrern der Universität, wenn und jo lange sie die ihnen nach den Universitätsstatuten in Bezug auf ihre Lehr- und Verwaltungsthätigkeit obliegenden Pflichten trotz Warnung fortgesetzt nick: erfüllen. Vor dem Beschluß ist, wenn es sich um einen Lehrer der Universität handelt, der Senat zu hören. Tee Beschluß ist dem Betroffenen unter Angabe des Gründe schriftlich zu eröffnen. Gegen den Beschluß ist der Rechts weg ausgeschlossen." rv. Weimar, 6. December. (P r i v a t te l e g r a m m.) Ter Landtag genehmigte heute in zweiter Lesung die Aus Hebung der Steuerfreiheit und das neue Be soldungsstatut der Akademiker in Jena. (-) Heidelberg, 5. December. Nach der Enthüllung oes Kaiser Wilhelm-Denkmals besichtigten der Grotz- herzog und die Großherzogin dasselbe eingehend und legten einen Kranz nieder. Darauf zog der Großherzog sämmt- liche Vorstände oer anwesenden Vereine ins Gespräch und nahm vom Vorstand« des Militäroereins, dessen Protektor er ist, das Vcreinszeichen entgegen. * Metz, lö. December. In der französischen Presse wurde der Bischof Benzler scharf angegriffen, weil er zu Ehren des kaiserlichen Statthalters, eines protestantischen Fürsten, die Mütteglocke habe läuten lassen. Hier lacht darüber natür lich Jedermann; der politische Leiter des „Lorrain", Priester Collin, aber kennt seine Franzosen, die auch das tollste Zeug glauben, wenn es ihnen gefällt, und giebt sich daher die Mühe, die Verhältnisse wahrheitsgemäß darzulegen. Die alte Mütte glocke gehört, das weiß hier jedes Kind, der Stadt und wird nicht auf Anordnung des Bischofs, sondern der Stadtverwaltung ge läutet. Beim Einzug des Kaisers oder des kaiserlichen Statt' Halters wird sie bestimmungsgemäß immer geläutet, und der „Lorrain" erinnert wohl passend daran, daß sowohl unter Bischof Dupont des Loges, als unter Bischof Fleck bei der Ankunft des kaiserlichen Statthalters jedes Mal die Mütte ihm ibre Grüße entgegensandte. Ob man in Frankreich dem „Lorrain" dies und was er sonst über Bischof Benzler sagt, daß er nämlich in allen seinen Handlungen sich durchaus unparteiisch und corrcct zeigt, glauben wird, kann uns gleichgiltiq sein, so benierlt die „Straßb. Post". * München, 6. December. Der Präsident derAbgeord netenkammer, vr. v. Orterer, nahm zu Beginn der gestrigen Sitzung Veranlassung, d :.uf hinzuweisen, daß am vorangegangenen Tage auf der I o u r n a l i st e n - T ri b ll n e sehr unvorsichtig mit Tinte umgegangen worden sei. Wenn ein derartiger Unfug noch weiter geübt würde — so meinte der Präsident —, müßte er zur Entfernung der Tintenschreibzeuge schreiten. Dieser Warnung liegt folgender Vorfall zu Grunde: Dem Berichterstatter eines hiesigen Correspondenz-Bureaus, welcher seine Berichte gleich mit Hektographentinte zu schreiben hat, war das Unglück passirt, sein kleines Schreibzeug umzustoßen, so daß sich dessen Inhalt zum Theil auf das Schreibpult ergoß und von dort einige Tropfen in den Saal, und zwar unglücklicher Weise gerade auf den Kopf des Abg. Prieger, hinabträufelten. Letzterer hielt sich darüber auf; es erschien alsbald der Boten meister auf der Tribüne, der einen anderen Journalisten, der zwar gleichfalls mit Tinte schrieb, aber keineswegs über dem Haupte des Herrn Prieger saß, wegen des Vorganges zur Rede stellte und ihm drohte, das Tintengefäß wegzunehmen. Das ließ sich der betreffende Journalist, der von dem ganzen Vorfall gar keine Ahnung hatte, nicht gefallen, indem er sich eine der- „Eilt «S so?" lächelt« der Fürst mit thränenschimmernden Augen. „Alles Gute rilt", sagte -er Prinz. „Ich möchte bald nach Petersburg reisen und vorher gesichert sein." „Auch unsere Tag« sind hier gezählt", versetzte der Fürst. „In kurzer Zeit muß ich meinen Dienst als Kammerherr wieder antreten. Da könnten wir zusammen reisen." „Also, heut« Abend, nicht wahr?" beharrte Frazzilo. „Gut, wenn eS sein muß! Ja, bestimmt!" Da öffnete sich die Thür und die Fürstin trat herein. „Wo bleibt denn Verowna so lange?" „Hier bei mir, bei uns", sagte der Fürst mit etwas unsicherer Stimme. „Eben wollten wir zu Dir hinübergehen. Unsere Ve- rvwna, unser Kind, hat sich soeben verlobt. Die Verlobung wird heut« Abrnd officirll verkündet!" „Verlobt? Mit wem?" fragt« die Fürstin zitternd. „Ah, der Herr Graf! Ich habe den Herrn Grafen nicht gleich bemerkt . . Also mit wem?" „Mit Seiner Hoheit dem Erbprinzen von H . . „Mit wem?" wiederholte die fassungslose Fürstin. „Ich ver sieht es nicht!" „Hier, hier ... mit dem hier stehenden Erbprinzen von H . . . DaS ist doch leicht zu begreifen!" „Ach Gott, ich träumte heute Nacht davon", rief die Fürstin. „Dann ist's schon gut", meinte der Fürst scherzend, „Du bist also mit einverstanden?" „Ich muß wobl", seufzte die überraschte Durchlaucht. „Ich bin vor grenzenlosem Erstaunen noch gar nicht zu mir selbst ge kommen, Herr Hoheit! Meine ehrerbietigste Gra ¬ tulation!" Man küßte sich gegenseitig und der Prinz nahm die Ge legenheit wahr, um der Fürstin gleich zum Namenstag zu gratuliren, indem er hinzufügte, er habe ein Malachtttischchen, wie sie eS wünschte, aus Moskau kommen lassen; fein Diener werde daS kleine Geschenk gleich nachher im Gabenzimmer auf stellen. Die Fürstin hörte nur halb auf die Worte, daS unerwartete Ereigniß lag ihr noch in allen Gliedern. Sie dachte an den armen Awanow Venteczin, der ja auch eingeladen war, und an vieles Andere. Nun war'S an den Tag gekommen, waS sie alle Tage her ahnte, schneller zur Wahrheit geworden, als ihr lieb war. „Und der Herr, der heute Nachmittag seinen Besuch machte, war wohl Ihr Hofmarschall, Hoheit?" „Jawohl, Durchlaucht, rin Graf Desan, sehr reich, aber kein deshalb brannte ich ihm auch durch, damit er mir durch seinen Uebereifer keinen Strich durch meine Absichten machte. Er wäre dazu im Stande gewesen. So hat er vorläufig keine Ahnung, was ganz gut ist." „Und Sie kamen schon mit der Absicht zu uns . . ." „Um Verowna zu werben, jawohl; denn ich liebte sie schon, ehe ich sie persönlich kannte . . ." „Oho, Hoheit, Sie haben mir heute große Ueberraschungen bereitet, aber Sie müssen des Guten nicht zu viel thun." „Doch, es ist wahr, was Frazzilo sagt", nahm Verowna das Wort und erzählte dem erstaunten Fürstenpaare die Ge schichte der Marmorbüste, die nun in der wirklichen Verlobung der Liebenden ihren Abschluß gefunden. Des Fragens und Erzählens war nun kein Ende. „Diese Liebesgeschichte grenzt allerdings ans Wunderbare und selten mag das Wort, daß Ehen im Himmel geschlossen werden, so gut gepaßt haben, wie hier!" „Ach Gott", sagte mit einem Male die Fürstin, „wir reden und reden und denken nicht an unsere Gäste, die sich bereits ein stellen werden. Sie entschuldigen, Hoheit." „Ich werde mich jetzt zurückziehen, bitte aber, mich vorläufig im Festsaal noch als Grafen Bienheim vorzustellen, bis die Verlobung verkündet wird! Und nun, süße Verowna, liebstes Bräutchen, einstweilen Gott befohlen." Er küßte sie, verneigte sich vor dem Fürstenpaar und ging hinab nach den Festräumen, wo auch der Fürst mit seiner Ge mahlin und Nichte bald eintrafen. Es begann nun das ein tönige Dorstellen der Herrschaften und darauf das Engagement zur Gratulcrtionscour; denn die Fürstin pflegte bei dieser Ge legenheit einen förmlichen Cercle abzuhalten. Otto Embder hatte das Geschenk des Prinzen nach dem Gabenzimmer ab geliefert; die noch eintreffenden Gäste wurden beim Eintritt in den Empfangssaal mit Namen und Titel laut angekündigt, was einer Vorstellung gleichkam. Endlich rief der Diener, die Saalthür öffnend: „Der Herr Graf v. Vesan, Hofmarschall Sr. Hoheit deS Erbprinzen von H . . . ." Aller Augen richteten sich auf ihn, das that dem ehrgeizigen Manne wohl. Hinter ihm schritt v. Eder und der Diener rief: „Herr Hofrath Baron von Eder." Man beachtete das kaum, nur ein Hofrath. /Endlich war auch diese Ceremonie über standen; man stellte sich zur Gratulationscour auf, defilirte durch das Gabenzimmer an der Fürstin vorbei, die für jeder Paar ein gütiges, dankendes Wort hatte. Frazzilo führte Verowna, er hatte sie gerade noch erobert; beinahe wäre ihm der liebestolle Iwanow zuvorgekommen. Gleich nach der Cour sollte die Tafel beginnen; die Ordnung der Cour galt auch für die Tafel. So wäre also Verowna Jwanow's Tischdame geworden. Dem die Plätze anweisenden Olnovka flüsterte Frazzrlo einige Worte zu, die sich auf den Platz des Hofmarschalls bezogen, den er ihm gegenüber zu placiren bat. Olnovka sagte es zu; Hofrath v. Eder kam an Desan's Seite zu sitzen. Das Festmahl nahm einen Verlauf, wie ihn solche Tafeln zu haben pflegen; man unterhielt sich so gut es ging, stand pflichtschuldigst bei dem Toast auf die Fürstin auf und leerte sein Glas. Graf Vesan, welcher dem Prinzen gegenübersaß, langweilte sich eigentlich, da die Dame, deren Cavalier er war, recht schlecht französisch sprach und Vesan selbst des Russischen nicht mächtig war. Mit dem Prinzen ein paar Worte zu wechseln, war nicht möglich, denn Frazzilo war für seine Um gebung überhaupt nicht da. Mit Staunen beobachtete Vesan das intime Plaudern und leise Kichern, welches Frazzilo un- genirt mit seiner Nachbarin betrieb. Es war das sonst dessen Art nicht. Der Hofmarschall wandte sich endlich an seinen Widersacher, den Hofrath, den er deutsch anredete: „Wer ist denn die Dame, welcher unser Herr so auffällig den Hof macht?" „Fragen Sie gefälligst leiser", bemerkte der Baron, „man versteht hier deutsch! Es wundert mich übrigens, daß Sie mich noch kennen. In Moskau kannten Sie nicht einmal meinen Schriftstellernamen." „Ach, lassen Sie die ärgerliche Geschichte! Sie weichen mir aus, indem Sie meine Frage unbeantwortet lassen." „Sie erfahren schon noch Alles zur rechten Zeit, heute ist doch keine Zeit mehr zum Depeschiren nach H ... Der Hofrath wandte sich seiner Dame zu und Vesan that in seiner Verlegenheit dasselbe, indem er seiner Tischdame die selbe Frage nach dem Namen der gegenübersitzenden Dame vorlegte. „Ei, sind Sie denn nicht vorgestellt worden oder haben Sie hier im Hause keinen Besuch gemacht?" „Das wohl, aber ich bin in Bezug auf Namen ziemlich vergeßlich." „Ach so. DaS ist die Nichte des Fürsten!" „Danke! Wahrhaftig eine Schönheit." „Es geht! Eine tscherkessische Schönheit." „Tscherkessisch? Ich denke, der Fürst gehört dem ältesten Adel Rußlands an . . „Das wissen Sie also auch nicht? Sie ist die Enkelin deS letzten Tscherkessenkönigs . . ." „WaS? Und deS Fürsten Nichte? Das ist doch nicht denkbar!" „Wieso? Ihr Vater hat eine Fürstin Saritzin geheirathet und der Fürst hat eine Saritzin zur Gemahlin, mithin . . ." „Ja so, ich danke vielmals " DaS Mahl war dem Reichthum deS Fürsten angemessen, auch eine Capelle fehlt» nicht, wenn sie auch nur au- Martapol war und bescheidenen Ansprüchen allenfalls genügen konnte. Bereits hatten einige Herrschaften begonnen, Champagner zu nehmen, als der Fürst sich erhob und an sein Glas klingle. Man erwartete eine gediegene Tischrede von ihm, er sagte jedoch nur: „Ich bitte alle Tischgenossen, auch diejenigen, welche noch bei den letztservirten Weinen bleiben wollen, sich gütigst mit Champagner versehen zu lassen, da man bei der Nachricht, welche ich den geehrten Herrschaften mitzutheilen habe, nur Champagner trinken darf." Die Neugier war aufs Höchste gespannt. Was konnte der Fürst mitzutheilen haben? Eifrig versah man sich mit Cham pagner und harrte des Augenblicks, da der Fürst sich wieder er heben würde. Endlich! Eine lautlose Stille herrschte, als der Fürst zu reden begann: „Werthe Festgenossen! Gäste und Freunde meines Hauses! Hochgeschätzte Damen und Herren! Ein Königskind weilt in unserer Mitte, Ihr Alle kennt cs! Es wuchs auf in meinem Hause, als wär's mein eigen Kind, es war unser Sonnenschein, unser Stolz, unsere Freude! Ich muß meinen Liebling hergeben, da ein edler Mann Verowna zur Gemahlin begehrt und sie ihm folgen will." „Unmöglich!" rief eine Stimme dazwischen. „Vetter Iwanow", rief der Fürst unwillig, „ich muß um Ruhe bitten! ... Ich mache daher den werthen Herrschaften die freudige Mittheilung, daß sich heute Ihre Durchlaucht die Prin zessin Verowna Tscherkinsa-Saritzin verlobt hat mit . . . Seiner Hoheit dem Erbprinzen Albrecht Alexander Frazzilo von H..." „Was?" rief Iwanow Venteczin laut. „Das ist eine lieber- rumpelung. Was ist das für ein Prinz, der sich mit den Gütern der Prinzessin verloben.will? Es soll da in Petersburg ein solcher umherlaufen . . ." Allgemeine Äestürzung; das übliche Toastiren unterblieb. Graf Vesan hatte sich halb von seinem Stuhle erhoben, er starrte auf den Prinzen, aufs Tiefste erschrocken, fast lähmend hatte die Nachricht auf ihn gewirkt: er glaubte zu träumen. Aber nein, da erklang wieder die bekannte Stimme Frazzilo'» an sein Ohr, der zu dem Beleidiger hinüberrief: „Ich laufe nicht in Petersburg umher, sondern bin hier? Ich bin der Erbprinz von H . . . und nicht gewillt, mich be leidigen zu lassen! Ich kenne die Hausgesetze der Familie Gallitschin-Sarihin, Iwanow Venteczin, und habe noch mit keinem Atbemzuqe Anspruch auf die Güter meiner Braut ge- macht. Sie, Fürst Iwanow, werden die Beleidigung auf der Stelle zuriicknehmen und mich um Entschuldigung bitten, anderenfalls aber mir Genugthuung mit den Waffen geben!" (Fortsetzung folgt.)
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