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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.12.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011225017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901122501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901122501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-25
- Monat1901-12
- Jahr1901
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Anzeigen-Prel- die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entspreche»» höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (exel. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbefSrderung ^4 60.—, mit Postbesördermrg 70-—. Äunahmeschluß für Ädrige«: Abend-AuSgabe: vorurtttags 10 Uhr. Morg«»-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei de» Filiale» und Annahmestelle» je ein, halbe Stunde früher. Anzeigen find stets au die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh S bi- Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Pol» iu Leipzig Str. 658. Mittwoch den 25. December 1901. 95. Jahrgang. ZUM Feste. Das glückliche Vorrecht der Jugend, in der Sehnsucht nach und in der Freude unter dem Weihnachtsbaume Alles zu vergessen, waö im Laufe der vergangenen Monate die Lebensfreude getrübt und in den kommenden wiederum trüben wird, ist dem gereiften Theile unserer Nation in diesem Jahre mehr als seit langer Zeit versagt. Hat doch die Vertreter dieser Nation vor ihrer WeihnachtSpause in langen und er regten Sitzungen eine wichtige wirtschaftliche Frage beschäftigt, die selbst alte Parteigenossen trennte und ihren aufregenden und spaltenden Einfluß auf die breitesten Volksschichten nicht nur bis in die Festvorbereitungen hinein auSgeübt hat, son dern auch bi- tief in' daS neue Jahr auSüben wird. Aber lautem Geklirre scharfer Waffen aus dem Arsenal der Politik gebietet unser religiös bedeutungsvollste-, gemüthlich liebste» Fest vorübergehendes Schweigen, sollte e» wenigstens gebieten. Und wer sich in einem lange vorbereiteten und nun schon lange währenden Kampfe, ohne in der Sache seinen Standpunkt verrücken zu lassen, von Voreingenommen heit gegen anders Meinende und Wollende, gegen die in anderen Lagen stehenden Personen und Classen, frei zu halten wußte, der muß gefunden haben, daß des Kampfes Gegenstand kein solcher ist, daß er ein tiefgehendes Zerwürfniß nicht rechtfertigen könnte. Es handelt sich um Hinneigung zu verschiedenen Mitteln, die den gleichen Zweck, die nationale Wohlfahrt, erreichen Helsen sollen. Daß diese Mittel auch in der Wissenschaft verschiede»« Be- urtheilung finden, sollte, statt die Gegensätze zu verschärfen, versöhnend wirken. Denn dieser Zwiespalt unter den Ge lehrten erbringt doch den Beweis, daß nicht so sehr ein Widerstreit der Interessen, ein Trachten, dem Andern zu nehmen, um sich zu geben, als vielmehr ein Abweichen ia der Erkenntniß, ein redliche» Irren — hier oder dort — uns in diesem WirthschaftSstreite trennt. Allen Männern der Wissenschaft, Vie in ihm hervorgrtreten sind, muß zugestanden werden,daß sie sich von persönlichem oderElassenegoiS- m uS nicht leiten lassen,vernunftgemäß garnicht leiten lassen können. Daß die Kämpfenden billiger Weise keinen anderen Vorwurf al» den deS Irrens gegenseitig erheben dürfen, zeigt auch die Thal sache, daß unter allen Erwerbsgruppen Meinungsverschieden heit darüber herrscht, was ihnen in ihrer Gesammtheit bei der Gestaltung der Zollpolitik frommen könnte. Der Streit für und wider den Tarif ist weit mehr das Gewand, in das eia altes, leider echt deutsches gegenseitiges Nichtdulden- oder doch Nichtgeltenlaffenwollen sich kleidet, als daß er um seiner selbst, um der Abwehr eines Zustandes willen geführt wird, von dem man einschneidende Schädigungen befürchtet. Diese auf dem Boden allzu sorglich gepflegter socialer Vorurtheile empor gewucherte Fehdebegier in einer unk derselben Volks gemeinschaft auf seine menschliche und nationale Berechtigung einmal ernstlich und ehrlich zu prüfen, wäre eine Mühe, mit der das Fest der Liebe würdiger geehrt würde. Alle Glieder des Volksleibes müssen sich in ihrem Wohlergehen untrennbar verkettet fühlen. Diese Wahrheit ist unS seit Langem nicht so klar vor Augen getreten, als in diesen traurigen Tagen, wo der Zeiten Ungunst in der Hütte, im Bürgerhaus« und in manchem Palaste die Weihnachtslichter trüber brennen läßt, vieler Orten Arbeitslosigkeit und schlimmeres Schicksal — dies gerade in sonst vom Leben bevorzugten Schichten — die Festesfreude ganz verscheuchen und einst glänzende Existenzen in tiefstes Dunkel gerissen haben. So im ganzen Vaterlande, so nicht am wenigsten in unserer engeren Heimath, in unserer Stadt. Seit der letzten Winter sonnenwende ist Vieles gestürzt, was stark schien, Biele klein geworden, waS groß gewesen, sind dem Kummer und der Sorge Stätten bereitet worden, die sie vordem fliehen mußten. Und auch die Schuld ist nicht fern ge blieben. Aber der höher steigend« Sonnenball soll unS Hoffnungsstrahlen in die Herzen senden, und wir dürfen uns von ihnen erwärmen lassen, denn der Kern im Volke ist gesund geblieben, die alten Tugenden, die Arbeitsfreude, die Bescheidenheit, die ernste Lebensführung, sind, wenn auch verdunkelt, so doch nicht auSgemerzt worden, und wenn der Zeiten Bedrängniß sie wieder in einstiger Stärke wirken lassen wird, so werden wir da» Mißgeschick, daS unS heim gesucht, segnen dürfen. Mögen Goldhunger, Goldglanz und Jagen nach groben Genüssen manche bessere Regungen geschwächt haben, Deutschland hat sich nicht selbst verloren. Dien bezeugt die warme Antheilnahme, die die Nation dem Kampfe widmet, den ihre großen Führer in dieser Stund« für die Freiheit der Wissenschaft kämpfen, und auch die äußeren Anstöße dieser Abwehr fremder feind licher Gewalten wiesen eine erfreuliche Seite auf: der AuSgang von Angelegenheiten, wie die, die den Namen de» Professors Spahn trägt, wird leider voraussichtlich der ge wohnte unbefriedigende sein, aber daß sie beginnen können, in nicht zu langen Zwischenräumen wieder beginnen, zeigt unS, daß Jde-li-muS und redlicher Wahrheit-drang i» Vaterlande wohl einscklummern, wohl geknebelt, niemals aber erstickt zu werden vermögen. Nnd der Idealismus ist daS Zeichen, ia dem Deutschland siegen und auch materiell Widriges überwinden wird. Der Lrieg in Südafrika. Die voeren und die FriedenSvarschläge Rosebery s. An den Kreisen der Brüsseler Transvaalgesandtschaft werden die Mittheilungen des „New Uork Herold " über eine Unter redung mit den Boerendelegirten als durchaus ungenau be zeichnet. Alle in Europa befindlichen maßgebenden Boeren- vertreter stimmen darin überein, daß durch die Reden der liberalen Parteiführer Rosebery und Asquith die Lage nicht im Geringsten verändert worden ist. Beide Politiker haben die Gestaltung der staatlichen Un abhängigkeit der Boerenrepubliken als unmöglich er klärt und verlangen deshalb die Fortsetzung des Krieges bis zur gänzlichen Unterwerfung der Boeren. Demgegenüber ist es für die Boeren ganz gleichgiltig, ob zugleich eine „liberale Amnestie" und „weitgehende Autonomie" zugesichert wird. Auf einer derartigen Grundlage werden die Boeren weder mit einer liberalen noch mit einer conservativen Regierung verhandeln. Einzelheiten über die angebliche Ermordung Eingeborener durch die Boeren. Man schreibt uns aus London, 23. December: Lord Kitchener hat in einer Depesche an das britische Kriegs amt Einzelheiten über die angebliche Ermordung von Ein geborenen durch die Boeren mitgetheilt. Während man früher niemals auf Aussagen von Kaffern irgend welchen Werth gelegt hat und es nie vorkam, daß ein Eingeborener ver eidigt wurde, um dadurch seine Aussagen zu erhärten, hat man nunmehr zu diesem Mittel gegriffen, um Material gegen die Boeren zusammenzuhäufen, und die unerhörtesten Anklagen werden gegen die Boeren erhoben, Anklagen, die einzig allein auf Aussagen Schwarzer basirt sind. So hat ein Basuto nach Kitchener's Telegramm beschworen, daß die Boeren im August 1900 einen Mann, der den Eng ländern Nachrichtendienste geleistet hatte, 15 Tage lang ge bunden und nur zweimal am Tage mit elender Nahrung ver sehen haben. — Lord Kitchener führt mehrere solcher unter Eid gemachter Angaben an, und es lohnt sich nicht, alle aufzuführen. Eine Mär aber ist so schauerlich, daß dieselbe doch detaillirt mitgetheilt werden muß. Im November oder December 1900 wurde (wie schon kurz erwähnt. D. Red.) ein auf dem Wege von Pretoria nach Rustenburg befindlicher Wagentransport von den Boeren weggenommen. Einer der ein geborenen Wagenführer wurde von zwei Boeren, deren Namen Lord Kitchener sogar angiebt, in Segeltuch eingewickelt, mit Brennmaterial überhäuft und dann mit Paraffinöl übergossen und lebendig verbrannt. Die Zeugen dieses haar sträubenden Vorfalles sind alle Kaffern. Wunderbar erscheint es, daß kein Brite von dem Transportzuze diese fürchterliche Handlung beobachtet hat, denn man muß doch annehmen, daß der Transport nicht nur von Kaffern geleitet wurde und daß sich eine Anzahl britischer Soloalen als Bc- deckungsmannschaften bei dem Transporte befunden haben müssen. Oder sollten dieselben so rasch davongcritten sein, daß sie Ken entsehstchen Act nicht mehr beobachtet haben, einen Act, der sich jedenfalls doch nicht in aller Still- hat vollziehen können und der selbst die Aufmerksamkeit des geängstctsten Tommy hätte auf sich ziehen müssen. Aus Kimberley rapportirt Kitchener insgesammt 57 Morde von Eingeborenen, über welche Einzelheiten aber noch nicht in seinen Besitz gelangt sind. Früher galt eines Kaffern Eid für belanglos, heute construirt Kitchener darauf die schwersten Anklagen. Wie Tommy i» -en Blockhäuser» sich Sie Zeit vertreibt. Daß es in den Blockhäusern, wenn die bösen Boeren weit fort sind, manchmal recht stumpfsinnig sein muß, wird Niemand bezweifeln, und es ist verständlich, wenn die Herren Briten auf allerlei thörichte Gedanken verfallen, um sich die bleierne Zeit zu verkürzen. „Navy and Army" bringt in ihrer letzten Nummer Abbildungen von blinden Wachen und imitirten Kanonen, die einige erfinderische Tommies an dem berühmten Drahtzaun entlang aufgestellt haben. Wie man Vogelscheuchen herrichtet, so haben die wackeren Briten Strohpuppen fein her- ausstaffirt — die Brust der voll uniformirten Zaunwächter ist mit Orden bedeckt —, ein Knüppel vertritt die Stelle des Gewehrs, und selbst Kanonen haben sie aus Rädern von Ochsen karren und über die Achse gelegten Ofenrohren nachgeahmt, daß man von Weitem wirklich meinen könnte, es stünden Menschen auf Wache zwischen den Blockhäusern. Der Scherz ist so übel nicht, mag aber insofern gefährliche Folgen haben, als Tommy im Blockhause den blinden Wachen allzu viel Ver trauen schenken wird und in der so wie so nicht übermäßig großen Pflichttreue es häufig vorziehen wird, im sicheren Block- Hause zu hseiben, anstatt sich den sicher treffenden Kugeln der Boeren auszuseben. Diese werden sich übrigens kaum lange täuschen lassen, denn ihr auf dem weiten Veldt geschärftes Ange wird bald die List entdecken und herausfinden, daß da, wo solche Puppen stehen, die Besatzung sich friedlichen Schlummer erfreut. * Pretoria, 23. December. („Reuter'« Bureau") Bester» nähme» die Nativ»»! ScutS südlich von Oliphant 14 Boeren gefangen. — Oberst SoleabrandeS überrascht, im PieterSburg - Distrikte »in voerenlager und macht» 60 Befangene. Deutsches Reich. Berlin, 24. December. (Zur geschichtlichen Ent wicklung de» KatholiciSmuS und de« Protestan tismus in den Ostmarlen.) In der neuesten Nummer der .Historischen Zeitschrift" bespricht k. Simson dir vor einiger Zeit von vr. Han» Plehu veröffentlichte „Geschichte deS Kreises Straßburg in Westpreußcn". Simson geht in seiner Besprechung u. A. au die Darstellung der konfessionellen Entwicklung im Kreise Straßburg ein, indem er schreibt: „Eine groß« Rolle spielen in dem consessionell getheilten Gebiete die ReligionSkämpse vom 16. Jahrhundert an. Man sieht auch hier, welchen Umfang die Reformation in der zweiten Hälfte deS Jahrhunderts angenommen hatte und wie daS evangelische Bekenulniß später zurückging. Dauernd mußten die Evangelischen während der ganzen polnischen Zeit uni ihre Existenz ringen. Interessant und auffällig ist eS, daß bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein im Gegensatz zu den heutigen Verhält nissen durchaus nicht Polnisch und Katholisch, Deutsch und Protestantisch identisch waren. Die ersten Evan gelischen in Straßburg waren sogar fast durchweg Polen." — Da wegen des Wreschener Processes die Polen und ihre klerikalen Schleppträgern so laut über die Bedrängung deS KatholiciSmuS durch „hakatistische Germanisalionöpolitit" schreien, so ist cs ganz nützlich, daran zu erinnern, daß während der polnischen Herrschaft in Westpreußen die Evan- gelischen dauernd in ihrer Existenz bedroht waren. Die weitere Tbatsache, daß die ersten Evangelischen in Straßburg fast durchweg Polen gewesen sind, wird auf die Masse der -olnischen Bevölkerung natürlich keinen Eindruck zu macken vermögen. Aber von den gebildeten Polen dürfte doch der eine und der andere sie uä notam nehmen. Berlin. 24. December. („Vorsicht!") Unter der Ueberschrift „Vorsicht!" veröffentlicht der „Vorwärts" eine ehr beachtenSwerthe Kundgebung der socialdemo kratischen Parteileitung. Dieselbe besteht zunächst in der Wiedergabe einer Notiz der socialvemokratischeu Frank furter „Volksstimme", die an den Zusammenbruch des social demokratischen Saalbau-Unternchmens in Fürth eine Warnung vor übereilten Parteigründungen geknüpft und bemerkt hat: mit dem glühendsten Idealismus könne auch nicht die kleinste Hypothek verzinst werden. Diese Warnung wird von der social- demokratischenParteileitung nicht bloS fürSaalbautcn wiederholt, sondern überhaupt aufdaS„GründuugSsieber"der gewerkschaftlich und politisch organisirten Arbeiterkreise ausgedehnt. Denn, so beißt eS wörtlich, „nicht Alles, was wünschenSwerth ist, ist auch erreichbar, und mit „Bcschlüssefassen" und „begeisterter Zustimmung" werden wirlbschaftliche Unternehmungen nicht über Wasser gehalten." — Das ist sehr richtig und man kann eS uur loben, daß die Arbeiter in so entschiedener Weise vor übereilten Gründungen gewarnt werben. Aber wie paßt eine solche Warnung zu der Art, in der die Socialdemokratie die Möglichkeit einer Sociali- sirung des Wirth schastssystemö beurtheilt? Die Antwort hierauf darf nur lauten: Wie die Faust aufs Auge. Wird doch jene Socialisirung mit dem denkbar größten Optimismus für „erreichbar" erklärt und daS „Bescklüssefassen" nebst der „begeisterten Zustimmung" — zwei Momente, vie man heute mit Spott abthut — werden von den socialdemokratischen Führern nicht nur nicht verschmäht, sondern bilden sogar mit die wesentlichsten Bestand- theiie der socialdemokratischen Agitation für die Herbeiführung deS „ZukunftöstaateS", obwohl weder das Eine noch das Andere das Unternehmen einer Socialisirung deS WirthschaftS- stfftemS „überWasser halten" kann. In dieser Beziehung sich selbst „Vorsicht!" zuzurufen, daran denkt die socialdemokratische Parteileitung natürlich nicht im Geringsten. * Berlin, 23. December. Ein recht interessanter Briefwechsel zur Getreidezollfrage hat im klerikalen Lager stattgefunden. Nach der „Fuldaer Zeitung" sollte der Centrumsabgeordnete Müller-Fulda in einer öffentlichen Versammlung geäußert haben, er finde es gewissenlos, wenn man den Landwirthen einen Getreidezoll von 7,50 vorgaukele. Hierüber verlangte Graf Spec, der Führer des klerikalen rheinischen Bauernvereins, eine Erklärung, da er und seine Gesinnungsgenossen allerdings einen solche» Zoll in vollem Ernst forderten; der Brief deö Grasen Spee schloß wie folgt: Ich glaube, Sie werden sich nicht verhehlen können, daß die verantwortliche Stellung als Führer der christlichen und für mich Ipeciell des Rheinischen Bauernvereins uns nicht gestattet, zuzu geben, daß von irgend einer Seite derartige Vorwürfe gegen uns erhoben werde». Ich werde mich freuen, zu erfahren und ver öffentlichen zu können, daß die erwähnte Aeußeruug Ihrerseits nicht gefallen ist, während ick im entgegengesetzten Falle Sie um Rück nahme der genannten Aeußernng bitten oder nicht umhin können würde, unseren Organen zu gestatten, auf das Allerentschiedenste gegen solche Verdächtigungen uns zu vertheidigen. Die Antwort des Abg. Müller-Fulda besagt: Die fragliche Aeußerung, wenn solche auch nicht wörtlich wieder- gegeben ist, stelle ich nicht in Abrede. Dieselbe hat jedoch auf die Beschlüsse deS Rheinischen Bauernvereins nicht den mindesten Bezug, zumal mir letztere damals überhaupt noch nicht bekannt waren. Ich bestreite dem Verein, feinen Führern, überhaupt allen Producenten, keineswegs das Recht, ihre Wünsche in vollem Um- fange geltend zu machen, halte dieS sogar angesichts der gegnerischen Agitation, welche die Aushebung der Schutz zölle aostrebt (?) für ganz zweckmäßig. Meine Bemerkung bezog sich lediglich aus Diejenigen, welche, obwohl ihnen die Ver hältnisse und das Maß des Erreichbaren ziemlich genau bekannt sind, Loch den Glauben zu erwecken suchen, als brauchten die Ab- geordneten nur den guten Willen zu zeigen, dann würde ein der artiger Zollsatz auch Gesetz werden. Indem ich Ihnen nochmals versichere, daß ich meine Bemerkung in keiner Weise gegen die Wünsche des Rheinischen Bauernvereins oder dessen Führer gerichtet habe, daß ich sogar mit dessen Beschlüssen, insbesondere soweit sich solche auf Futtermittel erstrecken, zum Theil ganz (l) einver standen bin, verbleib« ich u. s. w. Der sortbrstehende Gegensatz der Auffassung tritt in dieser Antwort ebenso deutlich hervor, wie da« Bemühen, seine weitere Erörterung vorläufig zu verhindern. * Berlin, 2l. December. (Oeffentliches Interesse.) Der „Köln. Ztg." wird geschrieben: Bor Jahresfrist etwa bat der Staatssekretär des Inner» im Reichstage die Zu sicherung gegeben, die Staatsanwaltschaften würden angewiesen werden, Anklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen daS Gesetz über den unlautern Wettbewerb in erheblicherem Maße zu erheben und die Antragsteller nickt regel mäßig auf den Weg der Privatklage zu verweisen; er erkannte dabei an, daß der Begriff deS öffentlichen Interesses von den Staatsanwaltschaften bei der An wendung des Gesetzes vielfach viel zu eng aufgefaßt würde, beider ist der Erfolg, den man nach den Worten des Grafen Posadowsky in gewerblichen Kreisen erwartete, aus geblieben, die Staatsanwaltschaften lehnen es nach wie vor in den meisten Fälle» ab, sich mit der Anklage zu befassen, sie beurtheilen den Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses noch ebenso einseitig wie vor der Erklärung des Staatssekretärs. Mitunter hilft ja eine Beschwerde bei den oberen Beamten der Staatsanwaltschaft, aber vielfach bleibt auch dieser Schritt ergebnißlvs. Wer will sich darüber wundern, daß ein Verband, der sich verschiedene Körbe mit seinen sachlich durchaus begründeten Strafanträgen geholt hat, schließlich unlustig wird, sich noch weiter mit der Ueber- wackung des unlautern Wettbewerbs zu befassen. Den Nutzen aus dieser ablehnenden Haltung der Staatsanwalt schaften haben allein Diejenigen, deren Aufgabe eS ist, den menschlichen Scharfsinn anzustrengen, um Mittel und Wege ausfindig zu machen, durch welche daS Gesetz wirkungslos ge macht werden kann. DaS Gesetz hat allerdings gewollt, daß Fälle unlautern Wettbewerbs, die nur eine Schädigung des einzelnen oder eines engeren Kreises zur Folge haben, auch nur von denjenigen verfolgt werden sollen, welche unmittel bar dabei interessirt sind. Wenn aber ganze Geschäfts- und Industriezweige geschädigt werden, wenn der un lautere Wettbewerb hart an Betrug streift und außer dem zu einer Schävigung der weitesten Kreise der Abnehmer führt, dann sollte doch die Staatsanwaltschaft kein Bedenken darüber haben, daß die Uebernabme der Verfolgung dem öffent lichen Interesse entspricht. Das Verhalten der Staatsanwalt schaften ist um so auffallender, als sie doch bei anderen Straf- lhaten geneigt sind, die öffentlichen Interessen al« mit- betheiligt zu erachten; man braucht nur daran zu erinnern, daß bei der Beleidigung jedes mittelbaren Beamten die Anklage meist im öffentlichen Interesse erhoben zu werden pflegt So wichrig auch das Ansehen deö L^mtcnftaudc- ist und so sehr cs geboten erscheint, demselben einen aus reichenden Schutz zu gewähren, so ist doch der Schutz dc« Industrie- und Gewerbelebens gegen die Ausschreitungen des Wettbewerbs nicht weuiger wichtig. (-) Bcrltn, 24. December. (Telegramm.) Der Kaiser empfing gestern Vormittag den Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg, der auch zur Frühstückstafel zugrzogen wurde. L. Berlin, 24. December. (Privattelegramm.) Die „Nat.-Ztg." schreibt: Die Preßfchde gegen den Ministerial direktor Althoff vom CultuSministerium wird anscheinend plan mäßig fortgesetzt. Hiesigen Blättern wird übereinstimmend aus Halle tclegraplnrt, in dortigen UniversitätSkrelse» „verlaute bestimmt", daß Director Älthoss in Folge der gegen ibn ge richteten Angriffe amtsmüde sei und im April als Nach folger des UniversitätScuratorS Schrader nach Halle gehen solle. — Richtig ist, daß der Geh. Ober-RegierungS- rath vr. Schrader am 1. April von seinem Amte als Curator der Universität Halle zurücktritt — alles Andere dagegen entbehrt, wie wir mit Bestimmtheit versichern können, jeder B egrüu düng. V. Berlin, 2 t. December. (Privattelegramm.) Eine englische Meldung, daß Deutschland an Venezuela ein Ulti matum gerichtet haben soll, wird der „Nat.-Ztg." von wohl unterrichteter Seite als unzutreffend bezeichnet. — Wie die „Münch». Allg. Ztg." mittheilt, bestehen zur Zeit nock erhebliche Meinungsverschiedenheiten inner halb der verbündeten Regierungen, ob und wie die Frage der Beseitigung des fliegenden Gerichtsstandes der Presse bereits in der laufenden Session des Reichstags zu lösen sei. * Lübeck, 23. December. Dem „Lüb. Anz." zufolge ist der Elbe-Trave-Canal wegen Ausbesserungsarbeiten an der Behlendorfer Schleuse auf voraussichtlich vier Wochen geschlossen. r. Braunschweig, 21. December. (Privattelegramm.) HerzogErnst von Altenburg traf heute zum Weihnachts besuch beim Regenten hier ein. rv. Weimar, 2 t. December. Am l. Juli d. I. war vom BezirkSdirector, Landtagsabgeordncteu vr. Eucken in Eisenach, eine socialdemokralische Versammlung, in der Landtags abgeordneter Baudert sprechen wollte, verboten worden. Zwei Tage darauf berief Baudert eine neue Versammlung ein mit der Tagesordnung „Mein Landtagscollege Eucken und LaS Ver sammlungsrecht". Auch diese wurde verboten. Auf erbobene Be schwerde bat daS Ministerium daS Verbot bestätigt mit der Begründung, daß daS Vorgehen Baudert'ö, insonderbeit auch in dem Wortlaut der Tagesordnung sich als eine Ver höhnung der Behörden darstelle, die aus dringenden Gründen des öffentlichen Wohls nicht geduldet werden könne. * Aus Vaden, 23. December. Nack der amtlichen Frequenz übersicht zählt die Technische Hochschule in Karlsruhe unter 1598 Studirenden 386 Ausländer. Hiervon ent fallen allein auf Russisch-Polen: 180! Noch etwas besser dürste es in die Augen springen, wenn man sich die einzelnen Abteilungen ansiebt; z. B. Elektrotechnik: 205 deutsche Studireude und 170 Ausländer! Die „Badische Post" knüpft hieran folgende Betrachtungen: „Es fehlt also nicht mehr viel, dann ist die Redensart am Platze: ES ist erreicht! nämlich die Majorität seilen« der Aus länder. Traurig, aber leider bittere Wahrheit! Zur weitere» Charakterisirung diene Folgendes: Zur Vertheilung der Labora- toriumsplätze werden von denr betreffenden Professor alle Eku- LirenLen eingeladen; persönliche Wünsche werden noch Möglichkeit erfüllt, so verkündet der Docent. Die Zusammenstellung der einzelnen Gruppen beginnt; ein Studirender bittet im Laufe der ' Gruppirung um das Wort: „Ich möchte nur mit deutschen Herren ! zusammen arbeiten." Was ist die Antwort de« Professor«? „Es l thut mir leid, ich habe keine deutschen mehr." Eine Antwort, wi-
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