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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.12.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011227026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901122702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901122702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-27
- Monat1901-12
- Jahr1901
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Ämtsölatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rashes und Polizei-Amtes der Stadt Leipzig. Anzeige« .Preis die 6 gespaltene Petitzeile 2S H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./l 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: BormtttagS 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Freitag den 27. December 1901. 95. Jahrgang. Amtlicher Theil. Sparkasse Liebertwolkwitz. Die Sparkasse zu Liebertwolkwitz ist vom 2. Januar 1902 an für den allgemeinen Verkehr wieder geöffnet und expediert wie früher jeden Wochentag außer Sonnabends von Vormittags 8—1 und Nackmiltags 2—4 Uhr. Die in der Zeit vom 2. bis mit 15. Januar k. Ja. zur Uebcrtraaung kommende» Einlagezinsen werden auf den vollen Monat Januar verzinst. Da der Verkehr bei der Sparkasse im Monat Januar am stärksten ist, bitten wir, die Einlagebücher, in denen nur Zinsen zuzuschrriben sind, erst im Monat Februar oder später vorzulegen. Ein Nachtheil erwächst durch die spätere Vorlegung dieser Bücher nicht. Liebertwolkwitz, am 24. December 1901. - Die Sparkaffenverwaltung. Beyer. Der Krieg in Südafrika. Ein Sieg Tewct'S. -p. Man batte erwartet, daß die Boeren, wie in den beiden ersten Kriegsjahren zu Weihnachten dem Feinde eine Ueberraschung bereiten würden. Dewet, der Ziethen aus dem Busch der Boeren, der als drohendes Menetekel für die Briten seit etwa acht Tagen wieder auf der Bildfläche erschienen ist, hat die Erwartung wahr gemacht und den berühmten Jeomanry-Truppen deS Generals Rundle eins versetzt, und zwar einen so überraschenden, kräftigen Schlag, daß entweder der Empfänger selbst sich der Wucht desselben noch nicht in ihrem ganzen Umfange bewußt geworden »st, oder daß eS für an gezeigt gehalten wurde, den großen Rothslift deS Londoner KriegSamteS abermals in Bewegung zu setzen. Man be richtet uuS: r. JohauueSburg, 2«. December. (Privat telegramm.) Kitchencr meldet osficiell: Dewet stürmte mit einer beträchtlichen Streitmacht am Weihnachtsabend erfolgreich das Lager derColonne Firma» bei Tweefontein, welche die Blockhanslinie Harrismith-Bethlehem bewachte, wobei er ein Feld geschütz und ei» Pompom eroberte. Die britische»» Verluste sind sehr schwer. Details noch unbekannt. *London, 27. December. (Telegramm.) Lord Kitchener meldet: „Dewet erstürmte am 24. December das Lager Firman's bei Tweefontein, wo sich vier Compagnien mit zwei Geschützen befanden. Ich fürchte, die Verluste sind bedeutend." * London, 27. December. (Telegramm.) Aussührlichere Nachricht. Ein Telegramm Lord Kitchener's auS Johannes burg vom 26. d. Mts. berichtet: General Rnndle meldet: Dewet erstürmte an» 24. December an der Spitze einer beträcht lichen Boerenschaar das Lager Firman's bei Tweefontein. Ich fürchte, daß die Verluste bedeutend sind. Tic von Firma» befehligten Truppen bestanden aus vier Compagnien Zeomanry mit einem Feldgeschütz und einer Maschinen- kanou«; sie hielten die Kopsstation der von Harrismith nach Bethlehem gehenden Blockhauslinie besetzt. Zwei Compagnien leichte Cavallerie sind zur Verfolgung Dewet's abgegangen. Tweefontein liegt im Nordostea deS Freistaates. Be zeichnend ist, daß die Engländer die empfindliche Schlappe bei der Bewachung einer der Blockhauslinien erlitten. Firman hatte die Aufgabe, sofort herbeizueilen, wenn ein Boerentrupp in die Falle gegangen war, um diesen auszuheben, nun ist er selbst hineingegangen. Dewet ist natürlich schleunigst, jedenfalls nach Durchbrechung der Blockhauslinie verschwunden und zwar, wie anzunchmeu ist, spurlos. Die leichte Eavallerie ist »hm nur pro tovwn nackgesandt worden, ul. uliguiä kocisss viäentuv und um den Anschein zu erwecken, daß Dewet NeißauS genommen habe. Besonders bewährt haben sich die „genialen" Blockhäuser bis jetzt nicht und sie dürften auch kaum den Boeren den GarauS machen, wenn zu ihrer Bewachung noch erheblichere Truppenaufgebote nölhig sein sollten, um Ueberraschungen »vie die bei Tweefontein vvrzubeugen. Auf diese Weise ver zetteln die Engländer ihre gesammteu Streitkräfte über das ganze Land hin und legen sie an bestimmten Puncten fest, wodurch sie sich selbst um jede Bewegungsfreiheit bringen, während die BoerentruppS noch unzenirter als bisher Herum streifen können. Tafelkop, wo kürzlich Oberst Damant geschlagen wurde, liegt ebenfalls im Nordoslen der Oranjerepublik. Wie jetzt bestätigt wird, waren die Verluste der Engländer erheblich schwerer, als zuerst angenommen wurde. Es wird uns darüber berichtet: * London, 26. Deceinber. Nach der Verlustliste sind von der Colonne des Obersten Damant in dein Gefecht bei Tasel- kop ain 20. d. Mts. 3 Osficiere und 29 Mann gefallen, 5 Ofsiciere und 35 Mann verwundet worden. Nimmt man noch die anderen von Kitchener unter dem 2l. December gemeldeten englischen Schlappen hinzu, so muß mau sagen, daß der Wiederbeginn der Feindseligkeiten für die Engländer lediglich aus einer ununterbrochener» Reihe von schweren Mißerfolgen bestanden hat. * London, 26. December. Zwanzig Batterien der Feld- und Festungsartillerie sollen in Len nächstfolgenden Wochen aus Südafrika zurückgezogen werden, da ihre Geschütze nicht genügend Bewegungssähigkeit für die gegenwärtige Art der Guerilla-Krieg- sührung gezeigt haben. * London, 26. December. Lord Roberts erließ einen Befehl, welcher besagt, daß angesichts der Entwickelung, welche die Kriegführung in jüngster Zeit genommen hat, die Ausbildung der Truppen von der Absicht geleitet sein müsse, sie für die Er füllung der Pflichten, die für Len Krieg wesentlich sind, tauglich zu machen. Leuten, deren Berus es nicht erlaube, sich der neuer dings eingerichteten einjährigen Ausbildung im Lager zu unter ziehen, dürfe es nicht gestattet sein, in Zukunft sich den Bolunteers anzuschließen. Es sei eine geringere Anzahl Mannschaften vorzu ziehen, sofern Liese jedoch eine gute Kriegsausbildung erhalten haben. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. December. Die Rede, mit der gestern der Kaiser in Gotha bei der Feier des 300. Geburtstages deS Herzogs Ernst deS Frommen die Ansprache deS Regenten Prinzen Hohen- lohe-Langenburg beantwortete, hat der Telegraph bereits im Wortlaute mitgetheilt; aber er bat es unterlassen, die Ansprache selbst oder wenigstens den Theil bekannt zu geben, auf den die wichtigsten Stellen der kaiserlichen Rede sich be ziehen. Dieser hochbedeutsame Theil lautet nach der „Goth. Ztg." folgendermaßen: „Ernst der Fromme gehört, im Lichte seiner Zeit betrachtet, keineswegs zu den rückständige»» Menschen, die den Fortschritt ängstlich von sich weisen. Das zeigt die rege Fürsorge, die er der Volksbildung auf allen Stufen zu Theil werden ließ. Gerade auf diesem Gebiete hat er anerkannt Musterhaftes geleistet in der Ueberzeugung, daß zur Veredelung eines ver wilderten Geschlechtes geistige Cultur unerläßlich sei. Sein religiöser Glaube stand zu fest, als daß er gefürchtet hätte, die Grundwahrheiten des Christenthums könnten durch wissenfchaftliche Aufklärung erschüttert werden. Auch war er in religiösen Fragen viel weitherziger als die meisten seiner evangelischen Zeitgenossen. Während diese vielfach in gehässigem Gezänk um einzelne Dogmen der Gemeinschaft untereinander wider strebten, war sein Heller Blick auf ein hohes Ziel gerichtet: Auf einen Bund aller evangelischen Kirchen, der sie nach außen hin zu einer starken Einheit gestalte, während im inneren mit Bezug auf Lehre, kirchliche Gebräuche und Einrichtungen jedem einzelnen Gliede volle Freiheit gewahrt bliebe. Seinen eigenen Sohn entsandte er an zahlreiche protestantische Höfe auch außerhalb Deutschlands, um in dieser Richtung ein gemeinsames Vor gehen der Fürsten herbeizuführen. Damals sind die Be mühungen die edlen Herzogs gescheitert. Allzu heftig waren die religiösen Streitigkeiten jener geschichtlichen Epoche, allzu groß die politische Zerrissenheit Deutschlands. Aber was Ernst der Fromme vergeblich erstrebte, sollte das für alle Zeiten unmög- lich fein? Die politische Zerrissenheit ist Gott sei Dank der Einheit gewichen. Daß eine solche Einheit ohne an Kraft einzubüßen, der Stammeseigenthümlichkeit aller einzelnen Theile volle Bewegungsfreiheit lassen kann, sehen wir an unserem deutschen Reiche; so wollte es die geschichtliche Entwickelung und die Eigenart unseres Volkes. Dieser Entwickelung und dieser Eigenart entspricht es, daß die evangelische Kirche Len» tiefen Wissensdrange der Germanen Rechnung trägt, die Ergebnisse redlichen, wissenschaftlichen Forschens nicht scheut und den verschiedenen Bekenntnissen in ihrer Mitte freien Spiel raum läßt. Aber gleich wie das Reich den einzelnen Staaten ihre Souveränetät belassen hat und sie mit seinem starken Arme schützt, so würde es für die Freiheit der einzelnen Glieder Les deutschen Protestantismus nicht eine Gefahr, sondern eine Sichern» g und Kräftigung bedeuten, wenn sie sich zusammenschlössen, zur Wahrung der hohen Güter, die ihnen allen gemeinsam sind, nicht zu Angriss und Kampf, sondern zu friedlichem, gemeinsamem Wirken. Dies war das Ziel des vocausschauenden Herzogs. Mit solche m Ziele greift sein Geist als lebendige Wirkung hinein in unsere Zeit. Schon ist in weiten Theilen unseres Vaterlandes der Wunsch nach Erreichung jenes ersehnten Zieles laut geworden. Mir ist» als ertönte heute über die Jahrhunderte hin weg die zur Einigung mahnende Stimme Ernst des Frommen an seine deutschen Glaubensgenossen. In welchem deutschen Gau könnte wohl diese Stimme freudigeren Widerhall erwecken als in unserem schönen Thüringen, das uns einen Luther geschenkt, in dem Friedrich der Weise geherrscht, aus dem der große Sebastian Bach hervorgegangen, wo Ernst der Fromme in väterlicher Treue die Geschicke seines Volkes ge lenkt hat?" Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß dem Kaiser die Ansprache des Regenten iin Wortlaute vorgelegen hat, bevor sie gehalten wurde, und daß sie nicht gehalten worden wäre, wenn der Kaiser nicht gewünscht hätte, seine Stellung zu der be deutsamen Anregung bezeichnen zu können, die in neuerer Zeit zuerst von Sachsen ausgegangen ist und die der Regent zu rühmen und fördern sich gedrängt fühlte. Und es ist begreiflich genug, daß der Kaiser den Wunsch hegte, auch seinerseits sich zu dem Ziele zu bekennen, daS in weiten Theilen unseres Vaterlandes ersehnt wird; nachdem er erst unlängst durch seine, die Ernennung des Professors Spahn betreffende Depesche bekundet, wie sehr ibn» die Er füllung berechtigter Wünsche seiner katholische»» Unterthaneu in Elsaß-Lstbringen am Herzen liegt, mußte er eine Ge legenheit herbeiwünschen, auch seinen Glaubensgenossen einen Beweis seines Trachtens nach Herbeiführung deS von ihren besten Gliedern ersehnten Zustandes innerer, Friedens bei voller Freiheit und äußerer Geschlossenheit zu geben. Auch daS mußte ihm am Herzen liegen, zu bekunden, daß er nicht allein in der katholischen Kircke den» ForschungSdrange sichere Stätten bereiten möchte. Näher auf das, was der Regent über die Nothwendigkeit sagte, daß die evangelische Kirche dem tiefen Wissensdrange der Germanen Rechnung trage, die Ergebnisse redlichen wissenschaftlichen Forschens nicht scheue und ver schiedenen Bekenntnissen in ihrer Mitte freien Spielraum lasse, ist der Kaiser allerdings nicht eingegangen; aber dadurch, daß er versickerte, die von dem Regenten gegebeneAnregung entspreche den von ihm selbst scheu lange gehegten Gedanken, gab er unzweideutig zu erkennen, Laß sein Gedankengang dem des Regenten völlig entspreche. Und dies ist höchst erfreulich. Alles was zur äußeren Zusammenfassung des Protestantismus dient, wird an dem Kaiser einen mächtigen Förderer haben. Lern zugleich als Ideal ein friedlicher innerer Zustand vorschwebt, der die Einengung der freien Forschung und gegen seitige Verketzerung ausschließt. Freilich verfehlte der Kaiser auch nicht, die Schwierigkeiten anzudeuten, die der Erreichung des letzteren Zieles eutgegenstehen. Als Grund seines bisherigen Schweigens über seine Stellung zu der Einheitsbewegung in der evangelischen Kirche bezeichnete er nämlich seine Abneigung, auch nur in Wünschen und Hoffnungen der Selbstständigkeit Anderer nabe zu treten. So lange eS nun z. B. zum Wesen und zur Selbstständigkeit der hannoverschen Landeskirche gehört, Geistliche der Union nicht nur fern zu halten, sondern auch als Irrlehrer zu bezeichnen, so lange wird auch der Wunsch, daß die einzelnen evangelischen Kirchen als Neben an einem Weinstockc sich fühlen, eben nur ei»» Wunsch bleiben. Aber wenn auch der Kaiser seinerseits nicht daran denkt und denken kann, Aeußerungen der Selbstständigkeit einzuschränken, die die innere Einigkeit erschweren oder unmöglich machen, so wissen wir doch aus seiner Kundgebung, daß er Alles freudig begrüßen und fördern wird, waS von den evangeliscken Kirchen selbst zur Herbeiführung der inneren Einigkeit auSgehen wird. Und auch damit ist schon viel gewonnen. Es wird den wackeren Männern, von denen die Bewegung auSgeht und getragen wird, ein mächtiger Ansporn sein, weiter zu wirken, bis daS große Ziel erreicht ist. F-ttilletsn. Gräfin Leszek. 9j Roman von Heinrich Lee. Nachdruck verboten., Leonard schlief in dem Abtheil nebenan. Ein Alp quälte ihn. Daß er seiner Direction wieder einmal durchging, das machte ihm keine Schmerzen; auch seine Gage hatte er, denn zufällig war gestern der Fünfzehnte gewesen. Aber daß er sich nicht wenigstens noch einen anständigen Vorschuß schnell vorher hatte ouSzahlen lassen, das war cs, was ihm bis in seine Träume hinein tiefen Kummer machte. Spät am Abend kehrte Misko zurück. Der Salon, das Schlafzimmer, auch das Camilla's — Alles war dunkel. Er klingelte. Ein Kellner kam heraufgestürzt. „Wo ist meine Frau?" Der Kellner wußte es nicht, wohl aber der Portier. „Madame sind ausgegangen — mit Demoiselle." „Wohin?" Das konnte der Portier nicht sagen. Misko wartete. Er wartete die ganze Nacht. Am nächsten Tage, ohne daß er geschlafen hatte, durch streifte er ganz Paris, er ging zur Polizei, er setzte alle Detectiv« institute in Bewegung. Am dritten Tage meldete sich ein Gepäckträger vom Nord- Bahnhof. Von den beschriebenen beiden Damen hatte er zu sammen mit einem College»» der Einen das Gepäck besorgt, die Dame war noch mit einer anderen, die aber verschleiert war und krank zu sein schien, in den Zug eingestiegen, der nach Deutsch land ging. Nach Deutschland! Und Misko warf sich in den nächsten Zug. Siebentes Capitel. Dreißig Stunden lang hatte Sisi geschlafen. Als sie die Augen aufschlug, lag sie auf dem Bett eines Berliner Hotelzimmers — nur mit Mühe war es überhaupt gelungen, da man die Schlafende überall für eine Kranke hielt, ein solche- Zimmer zu erhalten — und verwundert, noch schlaf trunken und traumumfanaen, sah sie sich um. - Reben ihr auf einem Stuhle faß Camilla, „Wo bin ich?" fragte Sisi. „Wir sind in Berlin." Sisi glaubte noch zu träumen. Aber nein — sie war ganz wach. Sie richtete sich auf. „In Berlin? — Wo ist Misko?" „Den wirst Du Dir aus dem Kopf schlagen. Den haben wir in Paris gelassen. Jetzt sind wir ihn los. Blos die Scheidung fehlt noch, und mit der wird's nicht lange dauern." Sisi verstand noch immer nichts. In ihrem wirren Kopfe drängten sich alle Vorstellungen und Erinnerungen zu einem un entwirrbare»» Knäuel zusammen. In diesem Augenblick öffnete sich die Thür und Leonard trat ein. Er kam von einer Be sorgung, die er in der Stadt gemacht hatte. „Leonard!" schrie Sisi auf. Mit einem Male war das Geschehene vor ihr lebendig. „Ihr habt mich von ihm fortgeschleppt", schrie sie, „Ihr habt mich ihm gestohlen." „Schweig", knirschte Leonard, auf sie zutretcnd, „oder sprich leiser. Willst Du uns die Leute auf den Hals Hetzen?" Nur zu schreien brauchte sie und die Leute kamen herbei — er sagte es selbst. Aber vor seinem Blick verstummte sie, duckte sich, wie ein schwaches Thier vor seinem mit der Peitsche be waffneten Bändiger. „Es ist für Dich mit ihm vorbei", fuhr Leonard in sanfterem Tone fort. „Er denkt, Du bist ihm sortgelaufen, und glaube nicht, daß Du ihn vom Gegentheil überzeugen wirst. In Deinem eigenen Interesse haben wir Dich von ihm fortgebracht. Noch ein paar Tage — und Du wirst cs selber einsehen und ihn vergessen haben. Ich komme von einem Reitinstitut. Ich habe eine Manege gemiethet, morgen fangen wir mit dem Pro- biren an." Hiermit war für Leonard die Sache abgethan. Auch Camilla sprach kein Wort mehr. „Du wirst Dir von Camilla jetzt andere Kleider anziehen lassen", fügte er noch hinzu, „und dann werden wir zusammen essen gehen." Darauf verließ er das Zimmer. Sisi weinte vor sich hin. Wie ein Opferthier ließ sie Alles mit sich geschehen, was Camilla für gut befand — und Camilla, die wohl einsah, daß es das Beste war, wenn sie in ihrem Schweigen verharrte, störte sie nicht in ihren Thränen. Allmählich dämmerte in Sisi eine gewisse Beruhigung auf. Es war eine Lüge, daß Misko glauben konnte, sie wäre ihm fortgelaufen. Er wird sie suchen, und er wird sie finden. Als Leonard zurückkam, hatte Sisi ihre Thränen gestillt. Sie waren in ihr erschöpft. Man fuhr in ein gutes Restaurant. Sisi fühlte großen Hunger, und sic sprach den Speisen tüchtig zu, auch zwei Glas Wein trank sie aus, die ihr Leonard eingoß. Essen und Trinken erhält den Leib, und Sisi fühlte sich gestärkt und gekräftigt, auch in ihrem Gemüth. Am Abend ging man natürlich in den Circus. Leonard hatte sich als Künstler freien Eintritt beschafft, und so saß man nun vorn in der ersten Reihe, auf der Künstierbank. Als Sisi hier Platz nahm, da war es ihr »nittcn in allem Unglück und ii» ihrcin Gram um Misko doch plötzlich wie einem Fisch zu Muthc, der lange auf dem Sand gelegei» hatte und der nun ins Wasser, in sein Element, zurllcksprang. Camilla und Leonard gäbe»» in» Allgemeine»» über die Vorstellung sehr herbe Urtheile ab. Am meisten räsonnirte Camilla über die schlechte Panneaureitcrin, und das that Sisi merkwürdig wohl. Sie fand: Camilla hatte ganz recht. Was blieb ihr denn auch übrig, als sich vorläufig zu fügen? Was Leonard befahl, das mußte sie eben thun. Sich ihm widersetzen, war unmöglich. Wenn sie an Misko eine»» Brief schrieb? Aber Camilla bewachte sie fortwährend. Misko war so klug, er würde schon heraus bekommen, wo mai» sie hingeschleppt hatte. Am nächsten Morgen begann Leonard mit den Uebungen. Die Reitbahn, die er gemiethet hatte — um sehr theures Geld, aber für das Geld sorgte Camilla, nachdem sic am Nachmittag vorher bei einem Juwelier Unter dei» Lindei» einen Theil der Schmucksachen versetzt hatte — befand sich in einem im Westen gelegenen Tattersall. Auch zwei Pferde hatte er gekauft — feiste, ruhige, schon ziemlich alte Thiere, die ihm die Direction des Circus, den sie gestern besucht, wegen einiger Schönheits fehler, die sic hatten, uin einen billigen Preis gern abgelassen hatte. An der Decke der Reitbahn hatte Leonard schon gestern von kundigen Handwerkern einen großen eisernen Ring befestigen lassen, auch Peitschen, eine Longe »ind Schuhe hatte er gekauft, aus einem ton Sisi's Unterröcken, von dem sie den unteren Rand abschnitt, hatte Camilla einen Proberock zurecht gemacht — Alles war bereit. Die Reitbahn — es gab in dem Tattersall noch eine zweite, größere, die aber den ganzen Tag über von den Abonnenten be nutzt wurde — hatte, wie jetzt das kalte Licht des Winter morgens durch ihre hohen, aus grünlichem Glase bestehenden Fenster hineinfiel, etwas Oedes, Ungemüthliches. Auf den» ver lassenen Büffet standen, wohl noch von gestern her, gebrauchte Weingläser und Champagnerkühler mit leeren Flaschen, eine unangenehme Kälte drang durch den ganzen Raum, und auS der alten Lohe, die schon lange nicht frisch aufgeschüttet war, stieg ein modrig-beizender Geruch auf. Aber Sisi spürte von dem Allen nichts. Sie klopfte, noch in ihrem Mantel dastehend, mit froher Miene dem Fuchswallach, den Leonard für sie be stimmt hatte, den Hals, und der Wallach schloß gleich Freund schaft mit ihr. „Gicb Küßchen!" sagte sie, und der Wallach schmiegte seinen Kopf an ihre Schulter. Dann, auf die Hand tretend, die Leonard ihr unterbreitete, schwang sie sich auf. Leonard ließ das Thier im Trabe erst eine Weile mit ihr iin Kreise herumgehcn, dann legte er ihr die Longe um die Hüften. Die Longe ist ein Seil, das den Pobircnden am Fallen hindern soll. Um den Körper des Probirenden als Schlinge gewunden, zieht cs sich oben durch bei» an der Decke angebrachten Ring und »vird unten, ain anderen Ende, von dem Lehrer festgchalten. Fällt der Probirende, so zieht der Lehrer die Longe an, und un beschädigt hängt der Fallende in der Luft. Leonard commandirte und Sisi sprang. Mehr als einmal mußte er die Longe anzichen, und Sisi zappelte, während der Wallach unter ihr davonlief, in der Luft. Sisi wurde „heftig" und Leonard mußte sie zur Ruhe mahnen. Als der Vormittag herum war und Camilla ihr in einem Neben raume in die anderen Kleider half, war Sisi sehr nieder geschlagen. Die Probe hatte sie sehr ermüdet, sie war in Schweiß gebadet und sie verzweifelte daran, jemals wieder auf »hie frühere Höhe zu kommen. Aber Leonard tröstete sie. „Das »st der Anfang", sagte er, „noch zwei, drei Wochen, und wir sind fit." Es war der einzige Gedanke, der Sisi in den nächsten Tage»» beherrschte. Zu Hause, im Hotelzimmer, legte sie sich auf den Teppich und Camilla mußte sich mit der ganzen Last ihres Körpers auf ihre auseinandergebogenen Oberschenkel stellen, damit diese ivieder ihre Gelenkigkeit bekamen. Und Leonard schien recht zu haben, von Tag zu Tag wurde es besser und die Longe kam immer seltener in Gebrauch. „Warum er nicht kommt?" fragte Sisi sich manchmal, wenn sie an Misko dachte. Ihre Sehnsucht nach ihm, ihre Angst um ihn wuchs — und doch, bei dem Gedanken, daß er plötzlich da sein und sie holen könnte, kroch sie in sich zusammen, und dann war sie zufrieden, daß er nicht da war und daß sie Tag um Tag ungehindert mit Leonard weiter üben konnte — so lange, bis der große Abend da war, der Abend, an dem sie zum ersten Male wieder in die lichtstrahlende Halle hinausritt, an dem ihr zum ersten Male wieder der Beifallssturm der tausend köpfigen Menge entgegenfcholl. Und Sisi dachte über das große Räthsel nach, den großen Zwiespalt, der in ihre Brust gelegt war. Zwei Mächte stritten sich um sie — Iväre Misko jetzt gekommen, sie wäre an seine Brust geflogen — und hilflos, zu schwach, um aus eigener Kraft sich zu entscheiden, pendelte sie -wischen beiden hin und her. MiSko kam nicht. Die Uebungen waren jetzt so weit -r-
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