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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.12.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011210016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901121001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901121001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-10
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Bei den vielfachen Besprechungen, die die Errichtung einer specifisch-katholischen Geschichtsprofessur an der Universität Straßburg in der Presse gefunden hat, ist es auffällig, daß eine hochinteressante Erklärung Döllinger's zu der Frage der Confeffionalisiruna des Geschichtsunterichts der Aufmerksamkeit derselben, wie es scheint, entgangen ist. Die Erklärung findet sich mitgetbeilt im 3. Bande von Ignaz von Döllinger's Leben von I. Friedrich, S. 644 ff., woselbst eine Rede erwähnt wird, die von Döllinger im Jahre 1882 m der Kammer der bayerischen ReichSräthe aus Anlaß der Debatte über einen von der infalli- bilistischen Majorität der 2. Kammer gefaßten Beschluß, daß der Geschichtsunterricht an den Mittelschulen in der Regel nach Confessionen zu ertheilen sei, gegen diesen Beschluß gehalten hat. Ist es selbstverständlich ausgeschloffen, diese Rede ihrem ganzen Inhalte nach hier wiederzuHeben, so mögen doch einige Stellen derselben uns zeigen, wie Döllinger — und doch handelte es sich damals nur um die Gymnasien, nicht schon um die Univer sitäten! — als den schärfsten Gegner der Idee solcher Con- fessionalisirunz sich bekannt und wie er es besonders auch für seine Pflicht gehalten hat, auf die Gefahren warnend hinzu weisen, die, ganz abgesehen von dem Widersinn der Sache an sich, mit dem Einschlagen solcher Wege für unser Vaterland verbunden seien. Wenn dem damaligen Beschlüsse der zweiten bayerischen Kammer, wie heute wieder den im Falle Spahn zu Tage ge tretenen gleichen Bestrebungen, die Auffassung zu Grunde liegt, daß es „eine katholische und eine protestantische Auffassung der Geschichte gebe und daß also Katholiken nicht im Stande seien, Geschichte vorzutragen, welche das protestantische Gefühl nicht ver letze, daß also umgekehrt auch Protestanten nicht fähig seien, Ge schichte für katholische Zöglinge vorzutragen", so giebt Döllinger die Berechtigung solcher Auffassung zu für die Zeiten, als die Geschichte als Wissenschaft sich noch in ihrer Kindheit befand, für die Zeiten etwa vor zweihundert Jahren, als der Gegensatz der Confessionen so ausgeprägt war, daß den Protestanten der Papst lediglich als der Antichrist galt und sie di« ganze Geschichte de» Mittelalters unter diesen einen Gesichtspunkt stellen zu sollen glaubten, während umgekehrt katholischerseits die Theorie vorgetragen und praktisch geübt wurde, daß jede Abweichung von der Kirchenlehre mit dem Tode bestraft werden müsse. Es gab aber damals noch keine Wissenschaft der Geschichte. „Eine solche haben wir erst seit ungefähr 40 Jahren, und es ist keine Ueberhebung, wenn die Deutschen behaupten, daß sie auf diesem Gebiete das Meiste, das Beste, das Gründlichste geleistet und eine reiche Literatur der Geschichte geschaffen haben, welche alle anderen Nationen sich zum Muster genommen haben und als Vorrathskammer gebrauchen. Unter diesen Umständen kann man nicht mehr, wie früher, von einer berechtigten katholischen und einer berechtigt protestantischen Auffassung der Geschichte reden, sondern jetzt ist es der Unterschied zwischen einer wissen schaftlichen und objektiv gehaltenen und einer blos eingebildeten, aber parteiisch zurechtgemachten tendenziösen Geschichte, der sich in der Literatur und mitunter wohl auch im Unterricht geltend macht." Für diese seine Ueberzeugung weist dann Döllinger auch auf seine eigenen Erfahrungen hin. Ihm selbst war einst von dem Ministerium Abel der Auftrag geworden, ein Lehrbuch der Ge schichte für die Gymnasien, und zwar für den katholischen Unter richt, auszuarbeiten. „Ich habe das damals unternommen, d. h. ich fing an und arbeitete mich hinein, und nachdem ich einen Theil der Geschichte ausgearbeitet hatte, fand ich, daß eS mir un möglich sei, weiter auf diesem Wege zu gehen und solchen An forderungen, daß nämlich dieses Lehrbuch ganz confessionell ge halten sein, ganz dem angeblich katholischen Standpunct ent sprechen solle, irgendwie Genüge zu thun, und ich habe daher den Auftrag der Regierung zurückgegeben und gebeten, mich davon zu entheben." Und auch auf seine Erfahrungen al- Hoch schullehrer beruft er sich. Er selbst habe an der Münchener Hochschule gerade jene Partien der Geschichte vorgetrage», welche al» am meisten der konfessionellen Entstellung auSgesekt be trachtet werden, und manches Jahr Zuhörer beider Confessionen gehabt, „aber ich habe nie gehört, daß der eine oder der andere über die Auffassung dieses TheilS der Geschichte Veranlassung zu Klagen gesunden habe, und wer heutzutage in einer dem Stande der Wissenschaft entsprechenden Schule seine Bildung -mpfangen hat, der kann und wird dasselbe leisten". Und welche Uebelstände werden schließlich mit einer solchen Scheidung der Confessionen im Geschichtsunterricht verbunden sein? Wird nicht an den Gymnasien selbst die Folge sein, „daß die jungen Leute mit Mißtrauen gegen ihren Classenlehrer er füllt werden und die Folgerung ziehen: darf ich ihm denn in anderen Gebieten trauen, z. B. in der Geographie?" Denn so viel unterliege doch keinem Zweifel, daß, will man einen wissen schaftlichen Gegenstand tendenziös behandeln, man auch die Geographie, die Naturgeschichte u. s. w. confessionell färben könne. Vor Allem aber Eins — und hier möge es erlaubt sein, die Schlußworte jener Rede Döllinger's wörtlich noch hinzu zufügen: „Ich glaube, es würden große Uebelstände entstehen, wenn die Trennung des Geschichtsunterrichts nun von Neuem wieder unternommen würde. Es würde nicht nur, wie der Herr Cultusminister hervorgehoben hat, gegen das Beispiel aller übrigen Staaten sein, es würde sich sofort die Frage ergeben: ist denn Einer schon, weil er katholisch oder protestantisch ge boren oder erzogen ist, auch zuverlässiger Lehrer im Fache der Geschichte? Würde nicht noch eine weitere bessere Bürgschaft, als der Zufall der Geburt, erforderlich werden? Man würde in kurzer Zeit noch weiter darin zu gehen gedrängt werden, was auch damals unter dem Abel'schen Ministerium beabsichtigt war, aber wegen der Schwierigkeiten nicht ganz durchgefllhrt werden konnte, man würde dahin kommen, die Laien von dem geschichtlichen Unterricht auszuschlicßen und ihn wieder nur Geistlichen anzuvertrauen. Das ist auch in der zweiten Kammer in Aussicht gestellt worden, denn der Herr Referent hat auf die Bischöfe hingewiesen, als Jene, welche das nothwendige Lehrmaterial zu beschaffen hätten, wenn die Scheidung des Geschichtsunterrichts durchgeführt werden sollte. Ich muß es den hochwürdigsten Herrn Bischöfen überlassen, über das ihnen zur Disposition stehende Lehrmaterial nähere Aus kunft zu geben, ich wüßte dasselbe nicht zu finden. I st e S d e n n überhaupt so rathsam.istes wirklich no th- wendig, immer neue Trennungen herbei zuführen, immer neue Schlagbäume zu er finden, welche uns in Deutschland, in Bayern confessionell einander entfremden, eine Kluft, welche leider noch nicht ganz überbrückt i st, n o ch c r w e i t e r n s o l l e n? Ich glaube nicht, daß das in der Absicht der hohen Kammer gelegen sein kann." soweit Döllinger. Daß es übrigens eine Zeit gab, wo wirklich noch katholische Geschichtslehrer an den Gymnasien sich fanden, die ganz im Döllinger'schen Sinne ihre Aufgabe bei Ertheilung dieses Unterrichts auffaßten, dafür möge ge stattet sein, noch ein Beispiel hier vorzuführen. Der Schreiber dieser Zeilen hat seine ersten Gym nasialjahre in den 40er Jahren des vorigen Jahr hunderts in der Bischofsstadt Fulda zugebracht. Er ist in der Geschichte auf dem überwiegend von katholischen Schülern besuchten Fuldaer Gymnasium nach einem von einem katholischen Lehrer der Anstalt verfaßten Handbuch für den biographischen Geschichtsunterricht unterrichtet worden, aus dessen Vorrede hier folgende Worte citirt seien: „Noch bemerke ich, daß mein Buch, welches zunächst für eine Anstalt aus gearbeitet wurde, die sowohl von katholischen, als von evange lischen Schülern besucht wird, nicht das Geringste enthält, was durch Inhalt oder Ausdruck für die eine oder die andere christ liche Confession nach irgend einer Seite anstößig sein könnte, und daher in dieser Beziehung an keiner Anstalt der Einführung desselben ein Hinderniß im Wege steht, man müßte denn an den Geschichtsunterricht Anforderungen stellen wollen, welchen nur der kirchcn- geschichtliche Theil des konfessionellen Religionsunterrichts zu genügen vermag." Und was diese Worte der Vorrede versprechen, das erfüllt das Buch, wie das schon eine in dasselbe aufgenommenc Biographie Luther's zeigt, die dem Reformator in jeder Weise gerecht wird. Es war der Verfasser der spätere Direktor der Fuldaer An stalt, gestorben in Wiesbaden als Direktor des dortigen könig lichen Gymnasiums, der auch sonst als Historiker rühmlichst be kannte Oberschulrath Vr. Karl Schwartz. Aber freilich, diese Zeiten liegen weit zurück, und daß auch jetzt noch jenes biographische Handbuch am Fuldaer Gymnasium gebraucht werde, darf man wohl mit Recht bezweifeln. Der Krieg in Südafrika. Boerenfrauen. Man schreibt aus London, 6. December: Die folgenden Schilderungen sind einem Privatberichte ent nommen und werfen interessante Schlaglichter auf den Charakter und das Verhalten der Boerenfrauen in den schweren Kriegs zeiten. So verhältnißmäßig schnell nach den ersten Niederlagen die Begeisterung für den Krieg bei einem Theile der Boeren abflauie und einer allgemeinen Unlust Platz machte, die sich theils in Urlaubnahmen, im Sichdrücken, theils in immerwährendem Zurückweichen vor dem Feinde äußerte, um so länger und stärker hielt dieselbe bei den Frauen vor, die beim ersten Aufrufe freudig ihre Gatten und Söhne hinausgcschickt hatten, um ihren Herd zu oertheidigen gegen den übermächtigen verhaßten Erbfeind, und am liebsten selber den Mauser zur Hand genommen hätten, um Schulter an Schulter mit ihren Männern zu fechten und zu fallen. Mehrere Frauen brachten es sogar anfangs dahin, in Mänr.ertleicern an dem Kriege theilzunehmen, es kam dann zu allerlei Unzuträglichtciten, und sie wurden nach Hause geschickt. Der Haß gegen die Engländer kam bei den Boerenfrauen in ganz anderer Weise zum Ausbruch, und manch eine hat ihren Gatten, der übermäßig lange auf Urlaub bei ihr weilte, nicht eber Ruhe gelassen, bis er wieder hinauszog — vielleicht auf Nimmerwicderkehr! Die Aernisten saßen meistens mit ihren Kindern und vielleicht einem alten, nicht mehr waffenfähigen Ohm auf ihren entlegenen Farmen und warteten sehnsüchtig auf Nachrichten vom Kriege uns von ihren Angehörigen; und wenn dann einmal Reiter am Hori zonte' erschienen, dann wuchs die Ausregung ins Ungemesscnc: waren es schon Engländer, die da kamen? War's der heim kehrende Gatte — siegreich oder geschlagen.' Waren's Freund: mit Todesnachrichten von Angehörigen? Niemand durfte unge fragt vorbei; über den Stand des Krieges gab es jetzt zum Min desten Auskunft. Gastfreundschaft wurde dabei stets in reichem Maße geübt und Küche und Keller mußten herzeben, was nur möglich war, Ivar doch auf — wer we'ß auf wie lange Zeit — wieder einmal eine Aussprach- möglich. Bei einer solchen Mahlzeit wechselten Fragen und Aniworten in einer eigentbümlich altfränkischen Weise, indem bei der Frage stets die dritte Person angewandt wurde, wie z. B. „Wieviel Eng länder hat Obm schon todtgeschosscn?" Daß sich in solchen Tagen die ganze Unterhaltung nur um den Krieg drehte, war ja natür lich, und im Laufe einer solchen Unterhaltung konnte man das Fcucr und die Opfcrfreudigkeit bewundern, welche aus diesen hoch gewachsenen, starkknochigen Frauen sprachen, und daß sie auch apabel waren, ihren Worten die That folgen zu lassen, das haben sie oft genug bewiesen, indem sich immer wieder verkleidete Frauen unter den Kämpfenden fanden, indem sie von ihren Vor- räthcn beisteuertcn, so viel sie konnten, und indem sie ihre Söhne noch im Knabenalter an die Front schickten. Das jetzt die Brust der Boerenfrauen, die mit ihren Kindern in offenen Lagern, unter freiem Himmel, unter der brutalen Ank sicht der englischen Söldner, allen Unbilden der Witterung aus gesetzt, ihre Kinder an Entbehrungen und Krankheiten dahin- weiken sehen, nur noch von einem einzigen. Alles beherrschenden Gefühle, einem tiefen, unauslöschlichen Hasse gegen England er füllt wird, kann und muß Jeder diesen Frauen nachfühlen. Jetzt ist nicht mehr von Patriotismus und von Opfer bringen die Rede, jetzt sind sie mit ihren Kindern selbst bedauernswerth: Opfer auf dem Altäre des Vaterlandes, ein Geschick, welches sie mit Würde tragen; aber der Haß, den die Engländer durch Alles, was sie diesen Armen gethan haben, säen, den Vic Säugling: mit der Muttermilch cinsaug-n, dessen Ursache die größeren Kinder mit erleben, den ihnen di« Mütter mit jedem Bissen, den sie ge nießen, predigen, wird ihnen dereinst noch blutige Früchte tragen. * London, 9. December. (Tclegram m.) Die „Times" berichten aus Pretoria unter dem 7. December: Die Com - mandos Botha's sind nach Nordosten und Süden ver sprengt worden; es waren häufig Angriffe auf die Eisenbahn gemacht worden. Die Boeren zeigen das Bestreben, nordwärts zu ziehen, da ihr Operationsfeld durch die konsequente Er weiterung des Blockhaussystems beschränkt ist. Es wird noth- wendig sein, alle 600 oder 700 Uards Blockhäuser zu bauen und mit einander durch Drahtgeflechte zu verbinden, um die Distrikte zu säubern; Blockhäuser, die eine Meile von einander getrennt liegen, sind machtlos. Die Boeren nörolich der Delagoalinie werden von den Engländern nicht belästigt und sind mit allem Röthigen versehen. De Wet befehligt 1000 Mann im Süden von Heilbronn. (Wiederholt.) * London, 9. December. (Telegramm.) Die „Times" melden aus Pretoria, vom 7. December: Die Boercnabthei- lungen in Osttransvaal sind bestrebt, nach Norden zu ge langen, da die Linien der Gendarmerieposten den ihnen gelassenen Flächenraum cinschränken. Während die Gegen» nördlich der Delagoabahn von der Gegenwart der britischen Colonnen zeit weise befreit ist, heimsen die Boeren die Ernte im Ohrigstadihalc cin- das die britischen Truppen niemals betreten haben. Sie Vertheilen das Getreide über Vas ganze Gelände, wo cs für den künftigen Gebrauch verborgen werde. Es sei unmöglich, dies zu verhindern, falls die britischen Truppen den Feind nicht unaus gesetzt verfolgen können. Zu diesem Zwecke müßte sie gegen wärtige Zahl der mobilen Colonnen verdoppelt werden. Im An schluss« an diesen Bericht betonen die „Times" die Nothwendigkeii. schleunigst weitere ansehnliche Verstärkungen beritte ner Truppen nach Südafrika zu entsenden. Nötigenfalls müßte wieder an den Patriotismus des Mutterlandes und der Colonien appellirt werden. Größere Anstrengungen dürften er forderlich sein, falls der Krieg nicht noch ein Jahr oder länger dauern solle. (Magdeb. Ztg.) * London, 9. December. (Telegramm.) Das Blatt „Central News" will wissen, die Regierung wevde dem Parlament Vorschläge zur Besserung der Lage der gefangenen B o e r e n f a m i l i e n unterbreiten. Die Conccntrationslager sollen aufgehoben und di« Boerenfamilien in ruhigen Bezirken ange siedelt und von den Ortsbehörden bis auf Weiteres verpflegt werden. Chicago, 9. December. (Telegramm.) Gestirn wurde hier eine Versatnmlung zum Protest gegen die englische Kriegführung in Südafrika ob- gehalten. Es wurde beschlossen, an den Präsidenten Roose vcltdie Bitte zu richten, die Bestimmungen des Washingtoner Vertrages von l871 durchzuführcn und die Verschiffung von Kriegsmaterial nach Südafrika zu verbieten. (Wdhlt.) Deutsches Reich. 1t. Leipzig, 9. December. Die Deutsche Verleg er- kammer als geschästSiührendcr Ausschuß des Deutschen, Leipziger, Berliner und Stuttgarter VcrlcgervcreinS bat an den preußischen Cultusminister eine Eingabe gerichtet gegen die beabsichtigte Vereinheitlichung der Schulbücher in Berlin. Die Eingabe sübrt aus, wie eine solche Maß regel, die den Charakter eines MonopolcS an sich trage, während die sonst bei Einführung von Monopolen selbstver ständliche Entschädiaung ter Geschädigten feble, tief ein greifend Wirten müsse auf den Schulbücherverlag, auf Ver leger wie Autoren. Dem Beispiele Berlins würden ander« größere Städte folge» und cs würde dies geradezu eine Ver nichtung mancher Existenzen bedeute». Den gewählten Schulbücher» würde andererseits cin Uebergewicht ver liehen, das sich nicht rechtfertigen lasse, den« es sei unmöglich, ei» für alle Zeiten gütiges Scbulbucv zu schassen; cs sei deshalb in dem freien Spiel der Kräfte das relativ Beste zu erreichen und dieses System babc unsere Sckulbücherliteratur auf ibre anerkannt hohe Stuf« geführt. Außerdem werbe eine völlige Stagnation auf diesem Gebiete cintrelcn, die zu einer verderblichen Verknöcherung führen müsse. DaS einzige Bedenken, das zu einer solchen Aber die Bäuerin blieb auch da neben ihm stehen und ihre Augen wanderten mit seinen weit hinab zum Dorfe, — übe. ihre Arbeit und seine Arbeit. In ihm stiegen Bitterkeit und Zorn zugleich auf. „Was willst Du denn noch hie? Willst denn Du noch was von mir? He?" „Sei man nich böse!" rang es sich langsam von ihren Lippen, „'s hat mir nu doch balde das Herze abgedrückt us dem Wege, was ich Dir sagen wullte: unser Korn iS wieder das schönste stundenweit in alle Dörfer; wie willst Du nu Alles alleene einbringcn in die Scheune, unser ganzes, schönes Korn?" Er fand die Antwort nicht, die er ihr geben wollte, und that, wie er sich in solchen Lagen immer geholfen hatte: er schnauzte. „Weeß ich's!" schrie er sie an. „Dir geht'-- doch amende ooch nischt mehr an! Wu iS denn das überhaupt unser Korn?" Die Frau ging in ihre Kammer und küßte ihr Kind. Sie wühlte in Kisten und Truhen und wußte doch nicht, wonach. Ganz unten in einem Commodenkasten lag etwas Trockenes, Raschelndes, und als sie das Seidenpapier entfernt hatte, hielt sic ein Kränzlein in den Händen, — ihren Brautkranz. Sie grübelte, bis ihr Kopf auf die Wäsche im Kasten sank und die Augen naß wurden, und den Hexen-tanz ihrer Pläne und Er innerungen durchschwirrtc immer wieder ein Gedanke: wie bringt man nu der Mensch, wenn Ich nich mehr hie bin, alleene die ganze Ernte hecm vom Felde? In der anderen Stnbc, auf seinem Lager, wand und warf sich der Bauer; In der Luft lag etwas, das sein Denken nicht auf glatte und bekannte Bahnen kommen ließ. Er wurde nicht klug daraus, was ihn drückte, und konnte doch nicht schlafen. Und so kamen sich in einer bangen Nacht, als g e s ch i e d e n e Leute, Marie und Gottlieb Klinke näher, als jemals seit dem Tage Ihrer Vereinigung. Foirilletsn Die Scheidung. Novellette von Max Bit tri ch. »toHdruck »erSetr». Marie und Gottlieb Klinke hatten mit offenem Munde da» Urtheil gehört, da» monatelang ersehnt worden war. Der Richter hatte dem Bauer und der Bäuerin, die ungezählte Mal« vom Dorfe nach der Stadt gewandert waren und bei denen kein Versöhnungsversuch gefruchtet hatte, «in paar Worte des Urtheil» sogar wiederholt, al» er die Geschiedenen unschlüssig stehen blerben sah: „Sie find geschieden. Das Kind verbleibt der Mutter!" Das war also da» Ende! Die Wolken hatten sich verdichtet an dem klaren, blauen Himmel, unter dem einstmals die beiden jungen Menschen zu- fammengekommen waren. Fünfzehn Jahre hatte da» Paar mit. einander gewirthschaftet; fünfzehn Jahr« hatten sie die Hände gerührt und nach dem gleichen Ziele geblickt, hatten den Pflug durch den Acker gelenkt und «amen gestreut, di« Sense ae- schwung«« und Garben gebunden; fünfzehn Jahre hatten sie sich abgearveitet im HauS und auf Feld und Wiese, — und vierzehn Jahre hatte ihnen gemeinschaftlich, wenn der Himmel auch ein mal dunkel bezogen gewesen war, »in tiefe», «lese« Geheimniß gelacht: zwei Kinderaugcn. Das war nun das Ende: „Da» Kind gehört der Mutter!" hotte der Richter gesagt. Und: „Sie sind geschieden!" Zwei Menschen gingen langsam di« knarr«nd« Treppe des GerichtSgebäudeS hinunter und schritten über den hallenden Corrivor. D«r Mann drückte sich an das Geländer, und da» Weib glitt an k«r Wand entlang. So strebten sie ausiinandrr, und doch — was war es nur? — hielt sie noch etwa» zu sammen: sie gingen in gleichem Schritt und Tritt. Und obwohl si« sich nicht ansahen, hörte jedes Ohr die tiesen Athemziiae des anderen Menschen, und jedes Auge sah des anderen einsamen Wanderers Bewegungen. So stolverten sie durch ein paar Straßen, und sein Fuß stockte an einigen Thiirrn; hier hatten sie sonst zusammen ge gessen und getrunken oder Vorräthe gekauft. So lange sic nicht geschieden gewesen waren, und der Vroceß über ihnen geschwebt hatte, wie der Habicht über den Hühnern, so lange nicht sicher gewesen war. wer am meisten bluten würde, hat der Bauer auch allein die Stätten der Erholung und de« Vergessens auf gesucht. Er hatte dann keinen schlechten Tropfen zu sich ge nommen: „Ach was, die ganze Quälerei hat doch weiter keinen Zweck! Schinderei und kein Glück im Hause! Meßen wir noch ein Gläschen 'runter!" — Während er die Erinnerung an seine Schuld so zu bannen gesucht hatte, waren die Monate vergangen. Heute, da Gottlieb Klinke die Genossin los, da er frei war, wollte der Fuß nicht die Stufen des Gasthauses hinausgeheu. Der Bauer zögert« und starrt« die Landstraße hinaus, die ihn noch durch Dunkelheit und Nacht zu dem Hause führen mußt«, unter dessen Dach er ohne Aufhören gewirthschaftet hatte mit der, die neben ihm berlief, wie der Schatten, und noch nicht wußte, wohin. Am liebsten hätte er sie von sich gewiesen — im Zorn über sein« UnschlUsfigkei». Wa» hatte sie noch von ihm zu verlangen? Doch das rechte Wort für die Abweisung kam ihm nicht in den Sinn, da» Wort, da» ihr nicht seinen Aerger gezeigt hätte. Sie war nicht mehr sein, sie war Luft für ihn, nun hatre er so wrnig Anlaß, rücksichtslos zu sein, wie nachgiebig. War er doch „frei"! lind doch mühte und quälte er sich ab, der Lage ein Ende zu machen. Al» sein Auge lange hinausgeblickt hatte aus die Landstraße, hatte ihn ein Entschluß gepackt. „Ach was", murmelte Gottlieb Klinke vor sich hin, aber doch so, daß seine Genossin jedes Wort hörte, „ach was, 's !s vielleicht besser, man geht heim. Erlebt hat man heute grade so genug! Und noch dazu von der schlechten Sorte!" „Das meen' ich ooch!" erwiderte sie. — Vier Beine schleppten sich durch den Staub weiter. Ueber den Bahnstrang schritten sie, wo kürzlich ein junges Paar unter die Räder gelaufen war, und zögerten einen Augenblick, ohne sich bewußt zu werde», weshalb. Aber es ging doch wie ein zweifaches Seufzen durch die Luft, und die langen Reihen der Pappeln und der Ebereschen standen trotz der rothen Beeren büschel starr wie Stein an den Chausseegräben, — todt wie Cypresscu an der geraden Flucht der Gräber. Und weiter gingen der Mann und das Weib an gelben Ge treidefeldern vorüber, und die Hände ließen mechanisch die vollen, kornstrotzenden Aehren durch die Finger gleiten. Die beiden Menschen hatten vor einer Stunde, im Gerichts saal, ihr Ziel erreicht, um wieder aufleben zu können, wie sie vorher in Zank und Streit gemeint hatten, — und nun zog ihr ganze» Leben an ihnen vorüber, flink wie an der Seele des Ertrinkenden, und sie fühlten sich in ihrer Freiheit noch nicht glücklich. Die Sterne leuchteten schon am Himmel, und der Mond schaut« groß darein, — auf de» reiche», im herbstlichen Winde rauschenden Erntesegen und auf die beiden stummen Menschen. Die gingen jetzt den Fußpfad hinan zwischen den Feldern, auf denen der Bauer in den nächsten Tagen die Sense rausche» lassen wollte, und er öffnete die Thür des Hauses, in dem sie wohl nur noch die eine Nacht gemeinschaftlich zubringen würden. Denn morgen würde sie ausziehen mit dem Kinde. Als läge ihm alles Ungemach der letzten Monate bleiern in den Beinen, so schwer war Gottlieb Klinke die Treppe zur Hausthür emporgestiegen. Die Bäuerin folgte ihm müde. Er wollte sie an sich vorübergehen lassen, als er, auf das Geländer gestützt, noch einmal über das Meer der gelben Halme blickte, — über Fein Meer.
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