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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.12.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011210026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901121002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901121002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
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Oberst Wilson und seine Kitchenrr-Schützen, die zwei Tage lang mit De Wet Fühlung hatten, waren beiaah« ein geschlossen. Oberst Remington be freite, nachdem er in einer Nacht dreißig Meilen marschirt war, Wilson. Beide englische Truppenthrile kehrten daun mit geringen Verlusten (?) nach Heilbronn zurück. Man wird gut thua, die englischen Verlustlisten abzu warten, wenn sie üblicher Weise auch nur in homöopathische? Dosen verabfolgt werden; dann gestaltet sich das Bild von den Kämpfen bei Heilbronn vielleicht noch etwa« anders. De Wet bat in den von ihm besetzten District die Ellbogen frei. Mözen die Engländer auf ihrer Hut sein! Die Zersplitterung der Boeren in viele kleine Strrifcorps erleichtert aber die Verpflegung und erhöht ihre Beweglich keit, während sie andererseits den Engländern immer größere Opfer auferlegt. Die Zabl der Blockhäuser wächst ins Ungemessene und damit auch die Zabl der zur Besatzung er forderlichen Etappeatruppen. UebrigenS muß, wie au« Privatbriefe» hervorgeht, die in englischen Blättern ver öffentlicht werden, daS Leben in diesen Käsigen geradezu trostlos sein. Die englischen Gesammtverluste sind bekannt und es er übrigt nur noch, einige Mittheilungen über den verbrauch an Pferden und Mauitdieren zu machen. Die Ziffer der von Beginn des Feldzuges (1. Oktober 1899) di» 1. April 1900 nach Südafrika geschafften, bezw. dort bereits befindlichen Pferde und Maulthiere beträgt dezw. 75 000 und 40 000. Vom 1. April 1900 di» 1. April 1901 wurden befördert: 1) Pferde: AuS England 21 225, auS Amerika und Oesterreich (!) 76 214, zusammen 97 439. 2) an Maulibieren 42 500 Stück. Ueber die Zahl der vom 1. April 1901 bi» heute beförderten Pferde und Maulthiere liegen noch keine genauen Ziffern vor; man kann sie aber, gering gerechnet, auf 55 biS 60 000 bezw. 20 000 schätzen. ES ergiebt dies die riesige Ziffer von 225 000 Pferden und 100 000 Maul- thieren. Dabei sind wieder große Transporte aus Amerika und Ungarn angekündigt. * Odessa, 9. December. (Meldung der Russischen Telegraphen- Agentur.) Gegenüber einer Meldung von An kaufen vonPserden für England wird von amtlicher Seite sestgestellt, daß seit An- fang diese« Jahr,» kelue beträchtlichen Absendungen von Pferden skattgefnnden haben, und daß Absendungen auch nicht bevor- stehen; die Au-fuhr ist im Ganzen beschränkter gewesen, als in früheren Zähren. Tie Loucentrationslager. * Landau, 10. December. (Telegramm.) Der Unterstaats, sekretär im Tolontalamt BoSlow führte in einet Rede in Crewe au«: Die Uebernabme der Toncentrationslager von der militärischen Verwaltung aus da» Colonialamt führt» zu kleinen Mißhelligkeiten. Es soll kein Geld gespart werde», um di« Lager so gesund als möglich zu machen. Alle, welche sich nach Len günstiger gelegenen Lagern an der Küste begeben wollen, werden vollständige Freiheit haben, das zu thun. Urbrigrn« sollen die großen Lager abgebrochen und durch kleine ersetzt werden, in denen 2000 bis 3000 Flüchtlinge Unterkommen finden. Viele der in den Lagern Untergebrachten sind in dieselben gekommen auf Kitchenrr'« Zusicherung, Laß sie nicht auS der Heimath fortgeschafft würden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 10 December. Daß der Reichstag gestern die Arendt'sche Interpellation, betreffend die Zahlung von Veteranenbeihilfen, nicht erledigen konnte, war nickt feine Schuld; aber baß das über aus spärlich besetzte Haus schon nach einer kurzen Debatte über den Zolltarif keine Lust an der Weilerberatbung hatte: daS war seine eigene Sckuld, resp. die der „sübrenven" Partei. Zur Haupifrage des Tages batten nur drei Redner gesprochen, da verlas der Präsident Gras Ballestrem zum gioßten Erstaunen der nicht eingeweihien Abgeordneten einen Vertagungsantrag, der von dem sührenden Centrum ein gebracht und von den Socialdemokraten unterstützt war. Die nationalliberale Fraction hatte weder diesen Vcr- tagungSantrag unterstützt, nock stimmte sie für ibn. Und warum dieser BeitagungSantraz? Die „Nationallib. Corr." giebt auf diese Frage folgende Antwort: „Es war kein Redner mehr auszutreib en, d. h. Herr Singe'r wollte nicht vor leerem Hause sprechen!! Und auf die Wünjche de» Abg. Singer nahm das Centrum Rücksickt! Tas eröffnet eine verheißungsvolle Perspective sür die zukünftige weitere Be handlung der Zolltarif-Vorlage. Auf der Rednerliste standen, wie wir vernehmen, noch die Abgg. Singer, Gras Kanitz, Heim, vr. Pachnicke und vr. Arendt. Wenn diese Herren keine Lust zu reden verspürten oder nicht im Saale anwesend waren, so beweist dies, daß di« längere Hinausipinnung der Zolllarisdrbatte nur aus dem müh- samsten Wege künstlich erfolgte und daß wir uns durchaus im Recht mit der Behauptung befanden: die erste Lesung hätte bereits am Sonnabend geschlossen werden können und müssen, um für diese Woche der EtatSberathung Platz zu machen. DaS Tentrum bat es anders gewollt; aber bereits dieser erste Tag unter der „Führung des Centrums" zeigt auf das Drastischste, auf welche Ver schleppungswege der Reichstag unter Leitung des ausschlag gebenden und sührenden Centrüms geräth." Trotz dieses verfrühten Abschlusses der gestrigen Debatte über den Zolltarif war der Taz kein verlorener. Denn eS wurden zwei Reden von Bedeutung gehalten. Der an Stelle des jetzigen preußischen Handels ministers Möller in einem der größten und industriellsten Wahlkreise gewäblte Abg. vr. Beumer hielt seine Jungfern rede, die als eine programmatische Stellung der Industrie zu dem Zolltarife aufgesaßt werden kann und deren wörtliche Wiedergabe wir unS vorbehalten. Sie gipfelte in der Forderung der Solidarität zwischen Landwirih- sckaft und Industrie unter Aufgabe der Mimmalianfe, falls nicht für diese die Regierung in der Commission zwingendere Gründe vorzubringen habe, als sie in der Begründung enthalten seien. Ander« sprach naturgemäß der zweite Redner, der Vorsitzende vom Bunde der Land- wirthe, Abgeordneter vr. Rösrcke. Nackdem aber von den übrigen agrarischen Rednern den Kundgebungen der Re gierungsvertreter wie der Tarisvorlage die Anerkennung nicht versagt worden war, baß daS Interesse der Landwutbsckast dann volle Würdigung finde, war es doch einigermaßen überrasckend, von Herrn Rösicke wieder den alten Ruf nach „Thaten" zu hören, als ob nicht« geschehen wäre, die Zusagen der Regierung in Thaten umzusetzen. Was ihm mißfällt, ist, daß die Regierung den Abschluß von Handels verträgen als eine Notbmendigkeit oder dock als höchst erstrelenSwerth annsinnt, während Herr Rösicke erst die Wünsche de« Bundes erfüllt sehen und dann erst gegen Handelsverträge nichts einwenden will. Nach seinen weiteren Ausführungen wäre auch damit noch zu viel concedirt, da er jeden Antheil der bestehenden Handelsverträge an dem Aufschwünge des letzten Jahr zehnts leugnet. Sehr wirksam erinnerte der Redner an den Marx'schen Ausspruch, daß die Socialdemokratie nur deshalb für den Freihandel stimmen könne, weil er die sociale Revolution beschleunige. Freilich hätte Herr Roesicke hiernach nickt mit der, allerdings wohl mehr rhetorischen, Drohung schließen sollen, daß, wenn der Landwirthsckaft nickt bewilligt werke, was sie brauche, die Agrarier lieber alle Zölle fallen lasten würden. DaS wäre denn Freihandel unv also „Beschleunigung der socialen Revolution." Wenn in der vergangenen Woche der Reichskanzler einem Theile der freisinnigen Presse einen Vorwnrf daraus machte, daß sie in der Zollfrage das Ausland als Bundes genossen beranzöge, und wenn er ein derartiges Ver fahren als würdelos und antinational brandmarkte, so batte dieser Vorwurf gewiß seine Berechtigung. Die Gerechtigkeit zwingt aber, zu sagen, daß auch die entgegengesetzte Seile, das extreme Agrariertdum, um der Zölle willen seine nationale Gesinnung in die Tascke stecki. Das Schicksal der Zollvorlage hängt bekanntlich vom Centrum und seinen Hilfötrnppen, den Polen u. s. w., ab, und deshalb hält die „Deutsche TageSztg." eS für räth- lich, diesen Parteien keinen Anlaß zum Verdruß zu geben. Nur so läßt eS sich erklären, wenn sie zu der beule im Reichstag bevorstehenden PolrnintcrpcUation u. A. sagt: „Man mag und kann der Meinung sein, daß die Massenbeslrasung der Kinder in Wrefchen nicht angezeigt mar; man mag und kann der Meinung sein, daß die vom Gerichte verhängten Strafen sehr streng gewesen seien . . . Der Reichskanzler wird bei der Beaniwortung der Interpellation große Zurückhaltung üben müssen, da die Behandlung solcher Fragen, bei denen Vor gänge im Auslande in Betracht kommen, ziemlich schwierig ist. . . . Selbst vom stramm nationalen deutschen Standpunkte aus wird man nicht umhin können, zu bedauern, daß es zu solchen Ausschreitungen kommen konnte, und zu wünschen, daß die Wreschener Vorgänge sich nicht wiederholen. Ter nationale Standpunct kann und muß in den polnischen Landestheilen mit aller Kraft und Ent schiedenheit gewahrt w-rden, ohne daß durch kleinliche Nadel- stiche Erbitterung und Verbitterung erzeugt wird." Wir geben aus den letzten Satz zuerst ein, weil dieser Schlußsatz vaü Princip enthält. Auch wir mißbilligen durchaus eine kleinliche Politik der Nadelstiche, aber wenn der Staat verlangt, daß seine Unlertbanen zum Mindesten dahin kommen sollen, im Verkehre mit den staatlichen Organen sich der Staatssprache zu bedienen, so ist dies eine elemen tare Foiderung des SelbslbcwußtseinS, ja der Existenz berechtigung. Ein deutscher Staat, der diese Forderung nicht stellte, würde damit selbst erklären, daß er keinen An spruch darauf erhöbe, als deutscher Staat angesehen z» werden. Er kann aber logischerweise diese Forderung nur dann erbeben, wenn cr allen Unlertbanen gleichmäßig die Möglichkeit zewäbrt, sich im öffentlichen Leben der deutschen Sprache zu bedienen, mit anderen Worten, wenn er ihnen in der Zeit, in welcher der Mensch am besten dazu geeignet ist, sich Kenntnisse anzueignen, also in der Schulreit, die deutsche Sprache vollkommen beibringt. Dies aber wiederum ist nur dcnkoar, wenn ter Unterricht in sämmtlichen Lehrgrgensländen in teul cher Sprache ertbeilt wird. Wendet man ein, daß die Kinder dem deutsch ertbeilten Unterrichte nicht würden folgen können, weil sie im Elternhause nicht Vie deutsche, sondern eine andere Sprache hören, so ist dies ja nur ein Grund mehr, auf der Ertbeilung des deutschen Schulunterrichts in allen Lchrgegenstäuden zu beharren, denn eS wird ja dadurch bewiesen, daß die Schule der einzige Ort ist, wo den Kindern die Kenntniß der deutschen Sprache vermittelt werden kann. Es ist alio schlechthin widersinnig, Bestimmungen über die Ausschließlichkeit des deutschen Schul- 85. Jahrgang. Unterrichts für kleine Nadelstiche zu erklären. Wenn man die« thut und zugleich erklärt, der nationale Siandpunct müsse in den polnischen LandeStbeilen mit aller Kraft und Entschiedenheit gewahrt werden, so wird die nationale Gesinnung zur inhaltslosen Phrase. Wenn die „Ttsch. TageSztg." meint, der Reichskanzler müsse bei der Behandlung von Fragen, bei denen Vorgänge im Auslande in Betracht kommen, große Zurückhaltung üben, so wird man sie daran erinnern dürfen, daß sie be« der Behandlung von Fragen, bei denen England in Frage kam und in Frage kommen wird, solche Zurückhaltung nicht gefordert bat. Und dabei wird man bei aller Sympathie sür die Boeren doch wohl sagen müssen, daß die polnische Frage unsere nationalen Interessen um ein Erkleck liches tiefer berührt. Wenn die „Deutsche TageSztg." die Bestrafung der Wreschener Aufrübrer zu streng findet, so fragen wir sie, ob sie derselben Ansicht wäre, wenn eS sich uni Socialdemokraten bandelte. Wir aber meinen, daß es völlig gleichgiltig sei, ob Polen oder Socialdemokraten sich gegen den Staat auflebnen: in beiden Fällen muß durch strenge Strafen die Neigung zur Wiederholung solcher Vorgänge unter drückt werden. Was endlich die Züchtigung ter Kinder anlangt, so war angesichts der offenen Widersetzlichkeit gegen die Be fehle der Lehrer ein anderes Mittel nicht gegeben, wofern man nicht zur ZwangSeiziebung schreiten wollte, die für die Kinder wie für die Eltern doch Wohl noch schmerzlicher ge wesen wäre. Im Uebrigen muß es doch einigermaßen Wunder nehmen, daß ein Organ, welche» sür die Wieder einführung der Prügelstrafe sür Erwachsene geradezu mit Fanatismus eintritt, sich beklommen zeig«, wenn Kindern im dirCiplinaren Wege eine Züchtigung zu Tbeil wird, die in keinem einzigen Falle einen Schaden sür die Gesundheit ergeben bat. Es wäre mehr als verwunderlich, wenn die Presse deS Centrumö und der Polen die Auslassungen der „Deutsch. TageSztg." nickt mit Begeisterung ausgriffe, aber um den Herren die Freude zu vertreiben, dürfen wir wobl sagen, daß sicherlich nur wenige Conservalive geneigt sein werden, um der Erlangung höherer Getreidezölle willen die nationale Position in der Ostmark aufzugeben. D e „Deutsche TageSztg." macht drei Kreuze hinter dem NamenCaprivi, aber sie verfährt ganz nach dessen System, denn ob man um höherer Zölle oder einer Hecresvorlage willen vor den Polen daS Gewehr streckt, ist sachlich ziemlich gleichgiltig. In Frankreich hat die jüngste Kundgebungder anti- milltaristtschcn Propaganda durck den GesckickisprosesiorHervv zur Amtsentsetzung des Schuldigen geführt, allerdings erst, nach dem das auf temporäre Suspeudirung lautende Urtheil des Disciplinarrathcs in Dijon zur Revision an die höhere Instanz verwiesen worden war. In seiner Bertheidigung führte Herv« unter Anderem an, daß die Organisation eines stehenden Heeres unvereinbar mit den Grundgesetzen eines republikanischen und demokratischen Staatswesens sei. Es ist dies bekanntlich ein auch den deutschen Socialisten nicht unbekanntes Schlagwort; umso mehr wird es in seiner ganzen Haltlosigkeit und bewußten Un wahrheit durch die Thatsache charatterisirt, 'daß auch das Miliz system, wie es die helvetische Republik besitzt und wie es als eins ihrer politischen Ideale von den Gegnern des Militarismus gc priesen wird, von den in jener Zufluchtsstätte zusammenströmen den anarchistischen und nihilistischen Elementen aller europäischen Staaten aufs Eifrigste bekämpft wird. Um den von dieser Seite drohenden Gefahren und Angriffen wirksam zu begegnen, hat der schweizerische Ministerrath den beiden gesetz gebenden Körperschaften soeben einen vom Kriegsministerium ausgearbeiteten Gesetzentwurf zugehen lassen, der einen Annex zu den Bestimmungen des Strafgesetzbuches über Aufreizung von Mi litärpersonen zu Di sciplinarver brechen bilden soll und die Forderung enthält, daß Milizen, Fenrlletsn. Die Marmorliebe. Eine Hofgeschichte von Jean Bernard. Nachdruck vkrtotm. „Sehr gnädig, Hoheit", lächelt« von Eder, „allein ich glaube kaum, daß dies eintreten wird. Frauen gegenüber ist mir eine räthselhaft« Schüchternheit eigen, nicht etwa im Allgemeinen im Umgänge mit Frauen, sondern nur bei solchen, di« «inen tieferen Eindruck auf mich machen. Die Unbefangenheit und Rede gewandtheit geht mir allemal dann verloren, wenn ich anfange, mich für eine Dame zu intereffiren. Ich leugne es nicht, daß Baronesse Feodora viele Eigenschaften besitzt, die sie in meinen Augen lieben-werth erscheinen lassen, aber sagen werde ich eS ihr wahrscheinlich im ganzen Leben nicht. Und das ist auch gut; denn sie ist reich und könnt« bei «iner Werbung doch den ge heimen (Stanken hegen, ihr Retchtbum sei «ine der Triebfedern meine« Werben«. Ueber di« Peinlichkeit dieser Erwägung komme ich nicht hinweg. Feodorowna muß glänzen und bewundert werden, ich ober kann ihr nur eine behagliche Häuslichkeit bieten." „Ich bestreit« da«; die Baroness« hat etwas vom Haus- miitterchcn an sich, obwohl sie jedem Salon zur Zierde gereicht. Beben Sie acht, e« wird schon gehen; fassen Sie nur Muth! Wir Beiden helfen Ihnen!" „Wer, Hoheit?" „Wir Beiden, Verowna und ich! Jawohl, wir haben über den Fall schon gesprochen; nun weiß ich ja das, was ich wissen wollte. Sie haben, ohne daß sie es beabsichtigten, ein Liebes- geständniß gemocht, da« wird nun unbarmherzig ausgebeutet. Zürnen Sie mir nicht, aber ich möchte Sie wahrhaftig glücklich sehen." „Davon bin ich überzeugt und dank für den Ausdruck Ihres Wohlwollen« von Herzen." „Ich fahre letzt zu Ihrer Königlichen Hoheit, um die H . . . . scheu Dokumente in Vorlage zu bringen, di« meiner Braut jedenfalls groß« Freude bereiten werden. Ihr lebens- große« velblld, welche« ich von dem berühmten Waschgin malen lass», sch»est«t «füümch tziwMrt»; «» ist für meintn Herrn Vater bestimmt. Sie müssen es sich gelegentlich einmal ansehen, das echt tscherkessische Costüm wird Ihnen gefallen." Dann verabschieoete sich der »wieder sehr gesprächig gewor dene Prinz, um bald darauf nach dem Palais Gallitschin zu fahren. Baron v. Eder wollte eben beginnen, einen Brief an den Grafen Vesan, der in einem anderen Hotel wohnte, zu schreiben, als dieser selbst hereintrat und freundlicher grüßte, als man nach dem Borgefallenen erwartet hätte. „Leider komme ich wieder in einem Augenblicke, da ich S«. Hoheit nicht antreffe; ich begegnete eben seinem Wagen. Das hielt mich jedoch nicht ab, herauf zu kommen." „Es trifft sich gut, ich sollte eben im Auftrage Sr. Hoheit an Sie schreiben." „In der That?" „Wenn Sie einen Augenblick Platz nehmen wollen, Herr Graf, dann werd« ich Ihnen mündlich vortragen, was Sc. Ho heit von ihnen wünscht." „Sehr angenehm, Herr Baron; es mag bei dieser Gelegen- heit ausgesprochen sein, daß ich gern bereit bin, das zu vergessen, was zwischen uns Unangenehmes vorgefallen ist. Es hat sich Manches geändert in den Verhältnissen unseres Herrn, und die Ereignisse haben Ihnen Recht gegeben, Herr Baron. Ich muß es «tngestehen, Sie waren klüger als ich. Nicht war, lieber Herr Baron, Sie tragen mir meine Opposition nicht nach? Lieber Himmel, ich darf gar nicht zurückdenken an Alles, was ich ge sprochen und gelhan! Also Se. Hoheit wollten mir eine Mit theilung machen lassen, lieber Baron?" „Jawohl, Herr Graf. Hoheit sprachen den Wunsch auS, Sie möchten für die Dauer des hiesigen Aufenthalts doch hier Wohnung nehmen, da sonst Ihr Dienst sich zu anstrengend ge stalte. Da« geht ja auch ohne große Schwierigkeiten, nicht wahr?" „Selbstredend, Herr Baron; lch werd« schon morgen früh hier eintreffen!" „Da» in schön! All« Mißverständnisse sind ja beseitigt — und Ihre Dienste können doch nicht gut entbehrt werden, wie Se. Hoheit eingesehen haben." „Sehr liebenswürdig, Herr Baron, denn Ihnen ist doch sicher diese Sinnesänderung zuzuschreiben. Hoheit werden be reit« di« H , . . . schen Dokument« bezüglich der Verlobung!» belanntmachung und Consensertheilung in Händen haben, wenigstens schrieb man mir, daß zwei Exemplare an die kaiser liche Eabinetskanzlei gesandt wurden." „Jawohl, Hoheit sprachen davon und waren erfreut darüber, daß endlich auch das Herzogshaus in der Sache nachgegeben..." „Wie gesagt, ich bedauere, Se. Hoheit nicht mehr angetroffen zu haben, da ich ein persönliches Schreiben Sr. Hoheit des Herzogs zu übergeben habe. Es kam mit anderen Sachen an mich, da man in H . . . . natürlich annehmen mußte, daß ich stets in unmittelbarer Nähe Sr. Hoheit weilte." „Dann ist Alles gut; denn ich glaube, gerade ein solches Schreiben vermißte S«. Hoheit sehr." „Der Herzog hat sich bei dieser Gelegenheit wieder sehr huldvoll gezeigt. Nun, Sie werden schon Alles von Sr. Hoheit erfahren haben . . ." „Nein, Hoheit hatten es sehr eilig. Was ist denn geschehen?" „Wirklich? Sie wissen es noch nicht?" „Aber nein, Herr Graf!" „In der Staatszeitung von H ... . steht es; ich werde es Ihnen gleich mittheilen; ich habe sie hier. Also Sie, Herr Baron, sind geheimer Hofrath geworden und haben gleich mir das Commandeurkreuz des H ... . schen Hausordens erhalten; auch der Fürst Gallitschin empfing das Commandeurkreuz mit Brillanten. Es stehen hier auch die russischen Orden verzeichnet, also vor Allem die Auszeichnung Sr. Hoheit; wir Beiden sind diesmal in Rußland übersehen worden. Ich denke, es wird bei Gelegenheit der Hochzeitsfeier noch kommen. Aber da steht auch, daß Se. Hoheit-die russische Rettungsmedaille zuerkannt bekam, und Sie haben ebenfalls diese Rettungsmedaille erhalten, deren Annahme Ihnen vom Herzog gestattet wird. Haben Sie eine Ahnung, was eS mit dieser Rettungsmedaille auf sich hat? Ich erinnere mich, es war vor längerer Zeit einmal die Red« davon. Aber vor Allem, Herr Geheimrath, meinen Glück wunsch!" „Danke, ich gratulire gleichfalls. WaS die Rettungsmedaille betrifft, so glaube ich, Ihnen schon einmal erzählt zu haben, daß wir Einbrecher, die eine Villa ausplündern wollten, ver scheuchten; das ist unser ganzes Verdienst gewesen." „Ich muß es wieder vergessen haben, Herr Geheimrath. Die Sache scheint jedoch ziemlich gefährlich gewesen zu sein, denn di« Medaille wird nur für Errettung aus Lebensgefahr verliehen, wie man mir sagte." „Ohne Gefahr war jene Affäre freilich nicht, doch wer denkt an die Gefahr, wenn es gilt, Bedrohten beizustehen!" „Danken wir Gott, daß Alles gut gegangen ist! Man zer bricht sich in H., wie ich erfahre, auch den Kopf, wie Se. Hoi-eit die Rettungsmedaille verdient; noch mehr jedoch ist man be gierig, endlich zu erfahren, wie Se. Hoheit gerade diese tscher kessische Prinzessin kennen und lieben lernte. Jetzt, da die An gelegenheit nicht mehr als Geheimniß gehütet zu werden braucht, könnten Sie mir schon das RäHsel erklären. Denn räthselhaft und dunkel ist trotz aller Dokumente diese Liebe und rasche Verlobung. Nun ist sie sanctionirt, wozu noch den Schleier zuhalten?" „Sehen Sie, Herr Hofmarschall, Alles ist mir auch nicht klar! Ich kann Ihnen höchstens erzählen, wie und wann Se. Hoheit hochfeine Braut zum ersten Mal sah und ansprach, denn da war ich dabei, allein wie dann die Liebe über unseren Herrn kam und wann er sich der Prinzessin gegenüber erklärte, darüber hat Hoheit nie zu mir gesprochen." „O das wäre höchst liebenswürdig von Ihnen, Herr Ge heimrath!" „Das erste Bekanntwerden des Prinzen mit der Prinzessin geschah unter den seltsamsten Umständen, die man sich denken kann. Ich muß Ihnen die Geschichte des Einbruches in der Billa Gallitschin erzählen, denn sie hängt innig mit dem zu sammen, was Sie gern wissen möchten. In jener Einbruchs nacht sah Se. Hoheit zum ersten Male seine Braut. Die Er zählung ist etwas umfangreich und dürfte Sie vielleicht er müden . . ." „Ei nein, ich bitte recht sehr darum und danke schon im Voraus für Ihre Freundlichkeit." (Fortsetzung folgt.)
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