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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.12.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011211027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901121102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901121102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-11
- Monat1901-12
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Nolrzei-Änttes der LLadt Leipzig. Mittwoch den 11. December 1901. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedactionSstnch (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) SO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 35 H (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung .SS 60.—, mit Postbeförderung .Sl 70.—. Annahmeschluk für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags lO Uhr. Morge«-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. DK Expeditton ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Aufhebung oder Brrlcgung der ConcentrationSlager. Es ist eine Thatsache, daß die englische Regierung sich endlich ernster um Abhilfe in den jämmerlichen Zuständen der Con centrationslager in Südafrika bemüht und daß bei jeder in letzter Zeit abgehaltenen Cabinetssitzung die Frage der „Todeslager", wie „Daily News" sic ein für alle Mal nennt, lebhaft discutirt worden ist, nur mit dem sehr betrübenden Erfolge, daß weder Herr Brodrick noch Herr Chamberlain bisher fähig gewesen sind, dieser brennenden Frage eine befriedigende Lösung zu geben. Die Regierung steht noch heute trotz der schrecklichen Opfer, die die Lager gefordert haben, auf dem Standpunkte, daß die Einrichtung derselben kein Mißgriff war, sondern ein Gebot der militärischen Lage. Da dieselbe sich aber nach Ansicht der Herren am grünen Tisch jetzt so merklich gebessert hat, so scheint man jetzt, leider spät, sehr spät, damit beschäftigt zu sein, ein andere Methode der Unterbringung von Weibern unv Kindern annehmen zu wollen. Der Plan hierzu soll, ehe das Parlament am 16. Januar Zusammentritt, fertig gestellt sein. Irgend welche Aeußerungen darüber, wie der Wechsel ein treten soll, sind noch nicht bekannt, aber es wird angenommen, daß die Insassen der Lager in jene Districte vertheilt werden sollen, in welchen die Engländer unbestritten Herren sind, daß sie den dortigen Ansiedlern gewissermaßen in Pension gegeben wer den und daß die Regierung hiernach noch eine Zeit lang die Leute mit Nahrung u. s. w. versorgen werde. „Central News", denen diese Nachrichten entstammen, machen darauf aufmerksam, daß in letzter Zeit bereits der größte Theil der Verwaltung der Lager in die Hände der Civilbehörden übergegangen sei und von Lord Milner (dem geeignetsten Manne) und dem Colonialamte (mit Herrn Chamberlain als Chef) verwaltet würde. Ob die Bedauernswerthen in militäri scher Obhut nicht besser aufgehoben waren, als sie es in Lord Milncr's Händen sein werden, muß dahingestellt bleiben. Das erwähnte Nachrichtenbureau macht übrigens vorsichtshalber gleich jetzt darauf aufmerksam, daß diese Verlegungen natürlich nur langsam vor sich gehen könnten. Ob überhaupt etwas geschehen wird, erscheint fraglich, Thai sache ist nur, daß die Ziffern über Todesfälle in den Lagern für October noch nicht veröffentlicht sind, unv daß zu befürchten steht, daß Lord Milner guten Grund hat, dieselben geheim zu halten. * Brüssel, 10. December. Repräsentantenkam- m e r. (Schluß.) Die weitere Debatte hat eine von Länder- vcldcam Schlüsse seiner Rede eingebrachte Tagesordnung zum Gegenstand, welche lautet: Die Kammer ist tief bewegt über die Sterblichkeit in den Lagern in Transvaal und dem Oranjestaat, namentlich über die Kindersterblichkeit, und hofft, die englische Regierung werde die nöthigcn Maßnahmen zur Herabminderung der Sterblichkeit ergreifen. Mehrere Redner sprechen sich zu Gunsten der Tagesordnung aus. Darauf wird die Abstim mung auf morgen vertagt und die Sitzung ge schlossen. * London, 10. December. Campbell Bannermann hielt gestern in Daufermline eine Rede, in der er betonte, das britische Volk wolle nicht Ruhm erwerben, sondern einen ehrenvollen Frieden sichern. * London, 11. December. (Telegramm.) „Reuter's Bureau" berichtet aus Carnavon unter dem 7. December: Ueber den Boerenangriff auf Tontelbosch-Kop wird noch Folgendes berichtet: In dem Gefecht wurden zwei Boeren getödtet und 14 verwundet, darunter der Coinman - dant Maritz, der einen Schuß in die Brust erhielt; sein Revolver wurde zerschmettert und Bruchstücke desselben drangen in die Brust. Nachdem der Feind die Einnahme des Platzes aufgegeben hatte, zog er sich am 4. December zurück. * Melbourne, 10. December. („Reuter's Bureau".) Der Bundespremierminister erklärte, das Cabinet werde in der nächsten Sitzung über eine weitere Sendung australischer Truppen nach Südafrika be- rathen. Politische Tagesschau. * Leipzig, tl. December. Der Reichskanzler hat gestern im Reichstag aus eine von angeblicher Besorgniß eingegebene Frage hin nach dem Siande des deutschen Ansehens und einigen seiner Voraussetzungen geanlwortet und ist, als er ge endet hatte, vom Centrum und den Polen mit Zischen bedankt worden. Das ist unleugbar ein Er folg, zu dem Graf Bülow sich beglückwünschen kann und hoffentlich auch beglückwünschen wird. Er ist insosern nicht Unverdient, als der erste Beamte deutschen des Reiches vom Standpuncte dcS deutschen Selbstgefühles alle wünichenS- werlbe Gleichgiltigkeit gegen deutschfeindliche Stimmungen und Bübereien im AuSlante bekundet und damit rem inter- pellirenten Wekfentbum deutlich zu ve>stehen gegeben hat, daß er eS, wenigstens in diesem Falle, durchschaut hat. Die Herren glauben auch nicht an eine Erschütterung des deutschen Ansehens als eine Folge der Betbätigung nalional- deutschen Selbsterhaltungstriebes; sie zimmerten sich diese Grundlage nur zurecht, um ron der Tribüne deö deutschen Reichstags aus das deutschfeindliche Ausland in seiner Ge sinnung zu bestärken. Diese Absicht haben denn auch die bei der Gelegenheit gehaltenen Wclfenreden verralhen. Ob Graf Bülow gleicherweise glücklich war, als er dem bedrohten Deutschtkum iu» Osten weitern Schutz zpsichexte, soll^ nickt eingehend untersucht werden. Die E klärung, daß er AlleS, waö seines Amtes sei, tbnn werde, „damit der Deutsche im Osten nickt unter die Näder kommt", ist etwas allgemein und vielleicht kaum ausreichend, slawischer Böswilligkeit Zügel anzulegen. Biele Kenner ter Ostmarlen meinen über dies, der Deutsche tei dort, Dank der Polenpolikik, die mit dem Namen des Grafen Eaprivi gestempelt ist, unter den Nädern, und es sei die Aufgabe einer deutschen und preußischen Politik, ihn wieder hervorznbolen, was allerdings nicht ohne empfindlich hartes Ansassen des vorwärts kutschirenden Polentbums zu erreichen wäre. Freilich, Graf Bülow hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß er bundcsrcchtlich nicht befugt sei, auf Einzelheiten cinzugehen, insbesondere auf die Vorfälle in Wreschen und auf die geeignete Remedur. Es will aber scheinen, als ob er hiermit sich habe eine Jn- consequenz zu Schulden kommen lassen. Man konnte eS verstehen, wenn er erklärte: „Ick beantworte die Inter pellation nicht, die geht den Reichetag nichts an, Ihr könnt mich im Abgeortnelenbause sprechen". Aber halbe Beant wortung, die eine offenkundige, nickt ernsthaft gemeinte Ansicht zerstreute, ohne die Grundlage, auf der die Ansicht zu beruhen vorgab, zu zerstören, scheint zu i viel oder zu wenig. Es kam ja doch rur I „preußischen Polendebatte" im Reichstag, und wenn der 1 Reichskanzler dies nickt, wie er konnte, verhindern wollte, so durfte auch er dort über „preußische Polenpolitik" reden. Er ist nun einmal in solchen Fragen als deutscher Reichskanzler und preußischer Ministcrpiäsident ein suzot mixte; allru weitgehende föderative Tugendhaftigkeit kann bei ibm zum Fehler werden. Auf die sehr dankenSwertben Bemerkungen über das Verhalten der Negierungen Rußlands und Oesterreichs zu den deutschfeindlichen Aus schreitungen lassen wir uns hier nickt ein. Sic gehören aus ein anderes Gebiet. Das allgemeine Unheil der deutsch national gesinnten Fraclionen des Reichstags über den Grafen Bütow war dasselbe anerkennende, aber die Auslassungen der beiden Redner waren doch recht verschieben von einander. Wir stellen nur mit Genugtbuung fest, daß der nationalliberale Di. S a t t l e r dem vom Kanzler ausgevrückten Bedauern über die, sagen wir, Unzulänglichkeit der österreichischen Behörden mit dem stärkeren Tone, ter einem Abgeordneten in solchen Dingen zur Verfügung steht, accompagnirte. Herr Sattler war es anch, der den Reichskanzler ergänzte, indem er auf die Wreschener Vorfälle einging und sie, abweichend von den Abgg. Noeren unv DziembowSki, unter das Licht der Wabrbeil stellte. Diese Herren bedienten sich unter Zuibaten einer einsludirten Sentimentalität des Probabiliswus deS heiligen Liguori. Ihre Reden waren aufreizend; kein Wunder, daß die Socialdemokratcn mit ihnen zu rivalisiren trachteten. Freilich war der Redner dieser Partei Herr Ledebonr, der auf dem Lübecker Parteitag, ohne irgend welches Glück bei L.n deutschen Genossen zu haben, die polnische Socialtemokratie gegen den Vorwurf der Un verträglichkeit vertbeidigte. Der Abg. Sattler wies auf diese charakteristische Tbatsache hin, gab aber auch drastische Proben des wilden Deutschenhass S, der die Polen in und außerhalb des Reiches beseelt. Er setzte ferner die Zntcrpellanicn in unverbeblbare Verlegenheit, indem er die Acte polnischer Gerechtigkeitsgefühle auS Galizien, wo dieser Stamm herrscht, vorfübrte und von Neuem bewies, daß die galizischen Polen den LandeS- genosfen anderen VolksthumS, insbesondere auch den dortigen Deutschen, zufügen, was man den prcußisckc.i Polen nicht iw ^iiiferutesten thul. D:"S der Grund, daß die preußisch-polnische und die ultramontan: Presse zu wahr- beits widriger Darstellung von Vorfällen wie die Wreschener greif', um „überall in der Well" eine „Stimmung" zu erregen, auf die man sich dann im Reichstage be rufen kann, was auch der Abg. Noeren gestern zu thun nicht verschmäote. Dieser deutsche Beamte ging so weit, die Tbatsache, daß österreichische Beamte sich an den Geldsammlungen für die Angehörigen der in Tboru Deruriheilten betheiligen, den Deutschen aufs Schulr- conlo zu schreiben. Der fromme Herr hätte sich, als er Mitleid für die Bestraften zu erwecken suchre, an die katho lische Geistlichkeit und ihre Blüthe, den Vicar Lankowöki halten sollen. DaS besorgte nun nach ibm freilich Or. Sattler um so gründlicher. Der conservative Graf Li mburg-Stirum ließ es gleichfalls, während die Freisinnigen schwiegen, nickt an der entschiedenen Zniückiveisung der heuchlerischen Polenklagen fehlen unv versicherte die Regierung teurer Freunde und gewiß auch der großen Mehrheit des deutschen Volkes Unterstützung bei der Fortsetzung der jetzigen Polenpolitik. Was die Billigung einer energischen Abwehr angeht, so darf man die Erwartungen dieses Abgeordneten theilen; die tbat- kräftige Unterstützung läßt zu wünschen übrig. Die Polenpolitik der Regierung aber vielleicht auch. Auf diese beiden Puncte kommt für das Deutschtbum Alles an. Mit nock so sicherer rednerischer Zerreißung polnischer Lügen gewebe ist wenig gethan, die Edlen weben immer von Neuem. Ernst, über den jetzt gezeigten binauSgehenden Ernst, müssen die Herren sehen. Tas Arsenal der Regierung ist noch keineswegs erschöpft. Und weiter muß ihnen deutlich gezeigt werden, daß daS ganze nicht reichSseindliche deutsche Volk zu seinen StammeSgenossen steht. Auch hier giebt es bisher noch ungenutzte Demonstrationsmittel. Und die Abrechnung mit den Bundesgenossen, Protektoren, ja Anstiftern der polnischen Propaganda muß ungebahnt werden. Es ist un gemein lehrreich, daß gestern kein CentrumSmitglied, kein „Katbolik" ein Wort des Tadels für die vorgebrachten er wiesenen Tbatsachen batte, daß die Polen diedeutscken Katholiken Hunde nennen und als solche zu behandeln versuchen; daß eS an geht, daß der Erzbischof Stablcwski zugewanderten katholischen Deutschen, die kein Wort polnisch verstehen, den deutschen Priester vorentbielt; daß Meineide geleistet wurden, um einen deutschen katboliichen Geistlichen zu Grunde zu richten. Dessen wird zu gedenken sein. Die polnischen Verdrießlichkeiten geben den Partitularistcn erwünschte Arbeit. Das officielle bayerische Centrumsorgan, die „Hessischen Blätter", das Partikularisten- blatt in Reuß ä. L., alle diese edlen Pflanzen in Süd-, West- und Mitteldeutschland, delectiren sich daran, über die preußische Regierung herzuziehen, denn wiewohl ihnen der preußische Name sonst nicht gern über die Lippen will: wenn es etwas Verdrieß liches giebt, können sie ihn gar nicht oft genug aussprechen. „Das hat mit seiner Polenpolitik, mit der Politik des Druckes, Preußen verschuldet" (gemeint ist der angedrohte Boycott deutscher Maaren in Galizien), also äußert sich das officielle bayerische Centrumsorgan, und cs schließt schmunzelnd mit den Worten: „Das ist ein schöner Erfolg innerer preußischer Politik." Bei ihren Angriffen verfahren die partikularistischcn Organe nach einem und demselben Recepte: die Missethäter werden als ganz harmlos hingestellt, die Lehrer und der Kreis- schulinspcctor als rohe, provokatorische Menschen, die das ganze Unglück verschuldet haben. Am weitesten geht darin das hessische partikularistische Organ, dessen Ausführungen von dem reußischen — eigene Geistesarbeit leistet sich Reuß ä?2. sehr ungern — übernommen werden. Danach hat nicht etwa der Geistliche die Eltern verhetzt und diese haben ihrerseits nicht etwa die Kinder zum Ungehorsam angestachelt, sondern die „kindlichen Vorstellungen", daß Jesus nur die polnische Sprache verstände, hätten die Kinder zur Widersetzlichkeit veranlaßt, und eben dieser Umstand hätte die „schonendste Beurtheilung" sehr nahe legen müssen. Statt dessen hätte das Gericht aus „exorbitant hohe Strafen" gegen die Eltern erkannt und die Kinder wären auf das Fürchterlichste mißhandelt worden. Selbstverständlich stützen sich für diese letzteren Behauptungen die partikularistischcn Organe auf die Bekundungen eines pol nischen Arztes, denn für diese echt deutschen Blätter ist ein Pole natürlich weit glaubwürdiger, als ein preußischer Kreis schulinspector. Wenn schließlich das hessische Blatt über die „Leistungen des großen Rohrstockes", der hier „als Culturträgcr auf den Händen und Hintertheilen der kleinen polnischen Barbaren fungirte",w tzel', so hätte nach gewissen, in den letzten Monaten in die Ocffentlichkeit gedrungenen Mitteilungen das Organ für Reuß ä. L. Anstand nehmen sollen, diese Aus lassungen zum Abdruck zu bringen. Sollte der unvorsichtige Feuilleton. Die Marmorliebe. Eine Hofgeschichte von Jean Bernard. Nachdruck vkrbolln. So begann denn Baron von Eder von den Segelpartien zu erzählen, die bisweilen lange dauerten, wie sie dann eines Nachts in der Nähe der Villa gelandet seien und was dann folgte. Das Gespräch am Parkthor gab er kürzer, als es in Wirklichkeit ge wesen: namentlich vermied er cs, die Bemerkung des Prinzen wegen der „Marmorliebc" zu wiederholen, sowohl, weil dies zu weiteren Fragen des Grasen Anlaß geboten hätte, als auch, weil er die Vorgeschichte der Reise nach Mariapol nicht offenbaren wollte. Der Hofmarschall folgte der spannenden Erzählung mit großer Aufmerksamkeit und konnte es begreifen, daß aus einem solchen Abenteuer schließlich Liebe entstand. „Bei alledem", meinte er, gleichsam seine Opposition be mäntelnd, „ist es ein Glück zu nennen, daß die erkorene Prin zessin sich als ebenbürtig erwiesen hat, da andernfalls der H . . . sche Hof nie seine Einwilligung gegeben hätte." „Die Ebenbürtigkeit Ihrer Königlichen Hoheit", sagte Eder, „ist zweifelsohne ein großes Glück, aber weniger für die Lieben den, als für die Eltern, das H ... . sche Haus und für das Land. Denn die Eltern haben keinen Sohn verloren, das H . . . . sche Haus keinen Affront erlebt und das Land keinen Herzog eingebüßt, wie es ihn in langer Zeit nicht wieder erhalten würde." „Das ist Ihre Anschauung von der Sache, und sie mag nicht so unrichtig sein, denn Prinz Frazzilo hat einen starken Willen. Allein, was helfen solche theoretischen Erörterungen, die That- sachen sprechen, und mit ihnen hat man zu rechnen. Uebrigens wird cs Sie intcressiren, daß die Hochzeitsfeier hier in Peters burg im Gallitschin'schen Palais stattfindet. Es war der Wunsch des Herzogspaares, daß die Vermählung in H .... vor sich gehe, aber Fürst Gallitschin erhob lebhaften Widerspruch und bestand darauf, daß die Feierlichkeit in seinem Palais begangen werde, da die Prinzessin von ihm erzogen und wie eine Tochter gehalten worden sei. Sein Vaterrecht bewies er faktisch dadurch, daß er trotz dem Verzichte deS Prinzen auf die Tscherkinsa'schen Güter die Hälfte des Giiterwerthes seiner Nichte als Mitgift aussetzte." „Er ist ein wahrer Edelmann und ein ehrenwerther Cha rakter, der sich in dieser Angelegenheit von Anfang an höchst achtungSwerth benommen hat." „Ja, der H ... . sche Hof hat seiner Bitte auch stattgegeben und die Hochzeitsfeier wird hier vor sich gehen, die herzogliche Familie also zum Feste hier eintreffen." „Herr Hofmarschall, vielleicht entschließen Sie sich, nach dem Palais Gallitschin zu fahren, um den lang ersehnten Brief des Herzogs Philipp Seiner Hoheit selbst zu übergeben. Sie werden unseren Herrn dadurch sehr erfreuen." Der Graf sah ein, wie Recht der Baron hatte, und erhob sich: „Nicht wahr, Herr Geheimer Rath, zwischen uns ist Alles im Klaren. Gott sei Dank, daß diese Angelegenheit einen solchen Ausgang genommen hat, Gott sei Dank, sie ist ebenbürtig! Adieu, lieber Baron, auf Wiedersehen!" Vierzehntes Capitcl. Längst war Geheimer Rath von Eder von Berlin zurück gekehrt und hatte seinen wenig anstrengenden Dienst wieder an getreten. Für die letzte Woche vor dem russischen Advent war die Hochzeitsfeier des prinzlichen Paares angesetzt. Lange zu vor waren die Vorbereitungen vom Fürsten Gallitschin in Fluß gebracht worden und es gab viel zu thun. So weitgeoehnt auch der Gallitschin'sche Palast war, so gerieth man doch wegen der Unterbringung der angesagten Gäste einigermaßen in Verlegen heit. Abgesehen von den H ... . schen Herrschaften, deren würdige Unterbringung vor Allem ins Auge gefaßt wurde und die mit Gefolge und Dienerschaft etwa siebzig Personen zählten, war eine tscherkessische Abordnung von achtzehn Personen und eine aus achtzig Leuten bestehende Deputation der verschiedenen Güter Tschrrfinsa's und Gallitschin's zu berücksichtigen. Alle diese Herrschaften und Leute sollten je nach ihrem Range be herbergt werden. Bei diesen Vorbereitungen und Einrichtungen machte sich Graf von Vesan sehr nützlich, und als erst die her zoglichen Herrschaften aus H . . . . eingetroffen waren, da konnte man den Grafen schon gar nicht entbehren, um das in H . ... übliche genaue Ceremoniell durchzuführen. Herzog Philipp sah sehr gealtert aus, man merkte es ihm an, daß ihm diese ganze Hochzeitsfeier mit all' ihren Unbequem lichkeiten eine große Last war. Zu Ehren des Herzogspaares wurden am russischen Hofe einige Feste veranstaltet; die Zeit der hohen HochzeitSgäste war stets so in Anspruch genommen, daß eine herzliche Aussprache zwischen Vater und Sohn nicht herbei- zufüchren war. Die Frau Herzogin schloß sich mehr an die Fürstin an, von der sie manche Einzelheit über daS Entstehen der Neigung zwischen Verowna und Frazzilo erfuhr; im All gemeinen war die Herzogin Aurelie eine streng auf Etiquette sehende Dame, sie konnte aber auch sehr herablassend sein, wenn fie irgend einen Zweck verfolgte; wer sie nur von dieser Seite kennen lernte, war entzückt von ihr. Sowohl der Herzog als die Herzogin ignorirten den Geheimen Rath von Eder gänzlich, während sie gegen den Grafen Vesan voll Leutseligkeit und Liebenswürdigkeit waren. So wollte Geh. Rath v. Eder sich beim Herzoge für die verliehenen Auszeichnungen bedanken, er wurde jedoch nicht vorgelasscu und ihm bedeutet, der Herzog nehme den Dankbesuch für empfangen an. Der Erbprinz merkte von derlei Machenschaften wenig, er hatte genug mit der Reprä sentation zu thun. Ihm war es selbst nicht gelungen, bisher eine persönliche Aussprache mit seinem Vater zu erlangen; die Herzogin Aurelie wußte die» mit schlauen Winkelzügen zu ver hüten, der gerade Sinn des Herzogs hätte sicher der Wahrheit die Eyre gegeben und ihre Hauptbctheiligung an der Opposition gegen die geplante Verbindung des Erbprinzen an den Tag ge bracht. Zwischen der Herzogin und der jungen Braut blieb es bei dem etiquetlemäßigen kalten Verkehr; die Frau Herzogin ließ eS die Tscherkessen-Prinzessin reichlich entgelten, daß sie ibr so viel Kummer und Sorgen verursacht. Verowna ihrerseits hüllte sich nach etlichen vergeblichen Versuchen, die Liebe ihrer Schwiegermutter zu erringen, in den Stolz dec Tscherkinsa's, ohne dem Bräutigam auch nur ein Wort der Klage zuzuflüstern. Die Hochzeit wurde mit einem Pompe gefeiert, der dem Reichthume der Gallitschin's entsprach und lange das Gespräch der Newastadt bildete. Die russische Hofgesellschaft war schon deshalb vollständig vertreten, da der Zar selbst das Hochzeits mahl für kurze Zeit mit seiner Gegenwart beehrte. Bc- merkenswerth war bei dieser Gelegenheit ein förmlicher Ordens regen von beiden Herrscherhöfcn aus. Diesmal kam auch der Graf Vesan glücklich zu einem russischen Orden und auch Ge heimer Rath von Eder wurde, jedenfalls auf Fürsprache des Erbprinzen, mit einem solchen ausgezeichnet. Baron v. Eder war indeß ein viel zu großer Philosoph, um sich über ein solches EreiHniß auszusprechen; höchst wahrscheinlich erschienen ihm derlei Dekorationen sehr nebensächlich. Graf Vesan dagegen freute sich wie ein großes Kind über solchen Brustschmuck. Endlich kam die Zeit der Abreise der Herrschaften. Wie man gekommen, ging man, ohne rechte Herzlichkeit, ohne ernstliche Betrübniß; in Wahrheit nahmen die H ... . schen Herrschaften diese Verbindung wie etwas vom Schicksal Verhängtes hin, ohne auch nur den Versuch zu machen, sich zu den unwiderruf lichen Thatsachen freundlich zu stellen. Es war nicht zu ändern, sagten sie sich, aber man darf deshalb den alten Ansichten nicht untreu werden, mit etwas Heuchelei fanden sie sich ab. Daß auch der sonst herzensgute, aber schwache Herzog sich auf diese Seite stellte, daran war nur die ständige Beeinflussung der Herzogin schuld; der alte Herr wollte vor Allem seine Ruhe haben, und gab daher bis zur äußersten Grenze seiner Ge mahlin Recht. Diese herrschsüchtigc Frau hatte eS auch durch setzen wollen, daß das junge Paar sogleich mit nach der Heimath reiste und dort in den verschiedenen Städten des Landes seinen Einzug halten sollte. Aber sie drang mit ihrem Willen nicht durch; der Erbprinz behielt sich den Zeitpunkt der Heimkehr vor und bestimmte, daß zuerst seine italienischen Besitzungen besucht würden. Gegen den festen Willen des Sohnes konnte die Mutter nicht aufkommen; Frazzilo wollte sein junges Glück, unab hängig von den Jntriguen und Beengungen eines Fürstenhofcs, genießen. Allgemein war man froh, als die H...schen Herrschaften das Gallitschin'sche Palais und Petersburg wieder verlassen hatten, vielleicht mit Ausnahme des Grafen Vesan und der Fürstin Gallitschin, welche die Willensstärke Herzogin in ihr Herz ge schlossen hatte, wie das oft bei schwachen Charakter« vorzu kommen Pflegt. Nach der Hochzeit wohnte nun der Erbprinz bei dem Fürsten, was nur kurze Zeit dauerte, da die Abreise nach Deutschland und dem Süden schon vorbereitet wurde. Die Roure sollte über München gehen und zum Erstaunen des Hof marschalls hatte Seine Hoheit für diese Stadt einen achttägigen Aufenthalt vorgeschrieben. Er verfehlte nicht, dies sogleich nach H .... zu melden. Die Abreise von Petersburg verzögerte sich nur deshalb noch, weil die Erbprinzessin außer ihrem bisherigen Dienstpersonal noch die Ankunft einer Ehrendamc abwarten mußte, welche ooni H . . . . schen Hofe ernannt, bald in Petersburg cintref'e:: sollte. Auch die Frage des Logis in München gab Anlaß zu Er örterungen zwischen dem Erbprinzen und seinem Ccremonicn- meister, indem eine Einladung des Bankiers von Weraschek für das prinzliche Paar vorlag, deren Annahme der Hofmarschall für ein Unding erklärte. Auf Wunsch der Erbprinzessin war auch Baronesse Nutkorow zur Hochzeit eingeladen worden, sie hatte jedoch mit Rücksicht auf den kränklichen Zustand Ser Frau v. Weraschek die Theilnahme nicht Zusagen können. Dagegen hatte der Bankier Verowna nicht nur zum Besuch eingeladen, sondern, falls es belieben sollte, ihr sein Haus zur Verfügung gestellt. Frazzilo wie Verowna waren nicht abgeneigt, von dieser Einladung Gebrauch zu machen, bis dec Protest des Hof marschalls sie eines Anderen belehrte. Daß Prinzessin Vera mit dem Werasckek'scken Hause bekannt war, wurde dem Grafen Vesan zwar gesqgt, allein er hielt die Principirn hoch, nach der cme solche Einladung unzulässig war, weil Seine Hoheit mit diesem Bankier o. Weraschek weder durch Besuch, noch durch Vor stellung bekannt warrn. ..^a, solche Belehrungen muß man sich ertheilen lassen", sagte Frazzilo in einem Gespräche mit Eder, „weil man diesen Etiquetten-Sclaven nächt Alles mitkheilen darf."
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