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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.12.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011214014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901121401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901121401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-14
- Monat1901-12
- Jahr1901
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Ämksöürtt des Königkichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes nnd VoNzei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. L«zerg,«»Arett die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reelama» unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 Bp vor den Famlliennocb- richteu (6 gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 Lj (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbeförderung .X 60.—, mit PostbesSrderung 70.—. Luuahmeschluß für Anzeige«: Ab end-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgeu-AnSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bet den Filiale» und Annahmestelle» fe eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Sonnabend den 14. December 1901. 95. Jahrgang. Nom in Württemberg. —ü— Der mit dem üblichen klerikalen Tam-Tam inscenirte Mmer Katholikentag lhat die alten ultramontanen Machtansprüchc gepredigt und alles Hoil "des Staatslebens von einer „religiös sittlichen Bolkserziehung", zu der „Gott die Kirche berufen", — soll natürlich heißen, die katholische Kirche —, abhängig gemacht. Wieder einmal hat man die Socialdemokratie als willkommenen Popanz gebraucht und wieder hat man eine liebevolle Rettung angeboten durch „Freiheit der Kirche", „ungeschmälert« Erhaltung der confessionellcn Schule", Zulassung von Männerorven in Württemberg", „Beseitigung der die weiblichen Ordensgenoflen- schaften beschränkenden Bestimmungen, sowie die Aufhebung des gegen die Jesuiten gerichteten Ausnahmegesetzes". Man sieht, es ist di« bekannte, reichliche Speisekarte. 34 Extrazüge wurden für die Teilnehmer vorgesehen, auf daß sie auch alle fein säuberlich und rechtzeitig zur großen Raisonmr-Dersammlung erntreffen möchten. Romin Württemberg! Allerlei Ge danken und Erinnerungen steigen da auf und unwillkürlich zieht die Geschichte des alten, stolzen Schwabenlandes an unserem geistigen Auge vorüber Ja, es gab eine Zeit, da auch in württembergischen Landen eitel römische Kirchenherrlichkeit an der Tagesordnun'g war. Im frühen Mittelalter genoß Schwaben des Rufes ganz besonderer Frömmigkeit. Klöster von allen Orden, in erster Linie Benedic- nnevniederlassungen, überschwemmten das Land und beherrschten unter Anderem den gesammten Unterricht. Aber die Art und Weis«, wie die Kirche mit Recht und Besitz umging, verstimmte allgemach die Bevölkerung, vor Allem in den größeren Reichs städten. Die streng päpstlich gesinnten Dominikaner machten sich redlich verhaßt und «wuvden aus Ulm, Eßlingen und Rottweil auf lange Zeit vertrieben. Selbst die üblichen Kirchenstvafen im- ponirten den wackeren Schwaben oft sehr wenig. Auf einer Ulmer Versammlung vom Jahr« 1152 erklärte man rund heraus, der kirchliche Bann dürfe auf weltliche Verhältnisse keinerlei Anwendung erfahren, da er häufig g«rade die besten Bürger treffe, und im klebrigen sei ja Christa Reich nicht von dieser Welt. Noch schärfer äußerte sich eine Versammlung von Bürgern zu Hall 1248, indem sie die ganze Geistlichkeit mit dem Papste an der Spitze — als Ketzer hmstellt« und den Vorwurf erhob, die geistlichen Weihen seien für Geld zu haben und mit den kirchlichen Aemtern werde em regelrechter Handel getrieben. Ms Huß durch Württemberg nach Eonstanz zog, begegnete er überall der lautesten Theilnahme der schwäbischen Bevölkerung. Selbst ein so frommer Katholik, wie Graf Eberhard, der nachmalige erste Herzog von Württemberg, ver wahrte sich nachdrücklibst gegen alle geistlichen An maßungen. Von Sixtus IV. mit der goldenen Rose beschenkt, bestand er gleichwohl aufs Schärfste auf seinen fürstlichen Patronatsrechten und duldete es nicht, Daß römische Höflinge den württembergischen Gemeinden als Seel sorger aufgedrängt würden. Das Volk aber verstand und liebte seinen Landesherrn, der „getrost sein Haupt in jedes Unterthanen Schooß niederlegen konnte". Eberhard verfolgte die schwere und undankbare Aufgabe «in:r Klosterreform. Im 15. Jahr hundert konnten sich die alten Orden in Württemberg kaum vor dem Einstürze bewahr.'N- Der Mönch war eben zumeist eine Spottgestalt geworden, und z.B. dieBenedictiner, die Cisterzienser und die Prämonstratenser hatten fast gar keinen Zuwachs mehr, wohl aber recht empfindliche Verluste. Di« beiden adligen Mönchs- abteien Ellwangen und Romburg gingen den Benrdrctinern ver loren, indem sie sich in weltliche Chorherrenstift« verwandelten. Aber auch Ebeöhard's Reformversuche scheiterten im Allgemeinen. Sein« Lieblingsschöpfung, das Sanct Petersstift zu Einsiedel im Schönbuch, wo immer je 12 aus Geistlichen, Rittern und Bürgern sich recrutirende Greise ihren Lebsnsrest verbringen sollten, erwies sich wenig lebensfähig. Die Zetten, wo Adel und Biirgerthum wetteiferten, den Klöst«rn stattliche Schenkungen zu machen, waren nun auch vorbei. Die Abtei Bebenhausen mußte m Folge dessen 13 Pfarreien incorporiren, Schüssrnried 14. Die Novizen waren gezwungen, eine sehr reichliche Aussteuer mitzubringen, — eine von den vielen Ursachen, weshalb die Zahl der Klosterbewohner mehr und mehr zurückging. Hirschau hatte in seiner Blüthezeit 150 Mönche und 110 Laienbrüder aufzuweiscn gehabt, während zu Anfang des 16. Jahrhunderts nur noch 39 Mönche und etliche Novizen vorhanden waren. Gewaltsame Reformen, wie sie in Wiblingen, Lorch, Hirschau und Anhausen probirt wurden, konnten den allgemeinen Niedergang erst recht nicht aufhalten. Den Aebten war es mehr um klösterliche Prachtenfaltung. als um unbequeme Neuerungen zu thun. In der Vorhalle zur Maul bronner Klosterkirche tonnte man zwei charakteristische Gemälde sehen, auf denen die klösterliche Schlemmerei durch Traube, Gans, Bratspieß, Würste u. s. w. versinnbildlicht war unter Beigabe des Mottos: „All voll, keiner leer, Wein her!" Abgesehen von den Arbeiten des sittenttinrn Schülers Reuchlin's, Conrad Lcon to r i u s in Maulbronn (1511 gestorben), war am Vorabend d«r Reformation von irgendwelchen klösterlich-wissenschaft lichen Bestrebungen in Württemberg nichts zu verspüren. Die Frauenklöster waren in einer Art verwahrlost, di« man kaum an deuten kann, und nicht anders war cS mit den Beghinen, jenem Halbnonnenihume, das einst von Clemens V. verflucht, ober durch Johann XXII. und Eugen IV. wieder zu Ehren gebracht worden war. Der Deutschritterorden hatte noch im 14. Jahrhundert Stocksbeog und Kapfenburg erworben und ein gewisses Ansehen entfaltet, aber auch er gerieth in den allgemeinen geistlichen Ver fall, so daß man ihm den Spottvers widmete: „Kleider aus und Kleider an, Essen, Trinken, Schlafen gan, Ist die Arbeit, so die Deutschherren Han." Will man verstehen, warum die Württemberger sofort nach Luther' s erstem Auftreten sein« begeistertsten Jünger wurden, so muß man auch einen Augenblick bei der damaligenWe ltgeist- lichkeit verweilen. Ueber Mangel an Priestern konnte man sich nicht beklagen. Am Ulmer Münster waren vor der Refor mation nicht weniger denn 57 Capläne thätig oder unthätig und da» kleine Biberach erfreute sich der schönen Zghl von 33 ständigen Geistlichen. Auch in Württemberg bestand daneben die Unsitte, daß «in Dutzend und mehr Pfarreien in einer Hand vereinigt sein konnten; der glückliche Pfründner hatte dann nur für ange messene Administration zu sorgen, d. h., er bestellte diesen und jenen Pfarrverwescr und ließ dann den Aermsten um einen Hungerlohn den eigentlichen Kirchendienst verrichten. Auf diese Weise kam es zu einem geistlichen Proletariate, und man kann sich denken, wie dies auf die Seelsorge an den Gemeinden wirken mußte. Ueberdies wurde jede g«ordnete Seelsorge durch Vie Auf dringlichkeit der Bettrlmönche gestört. Im Jahre 1380 richtet: der Ilmer Pfarrer Geßler hierüber eine fulminante Beschwerde an den Constanzer Bischof und bekam sogar Recht. Daß am KÄiansthurme in Heilbronn zwei geschorene Mönchsköpfe mit langen Schnäbeln angebracht wurden, um «ine gewisse Habgier und schlaue Betrügerei anzudeuten, ist jedenfalls auch nicht un interessant. Die Unwissenheit der Weltgeistlichkeit war in Württemberg nicht größer oder nicht geringer, als anderwärts. Zwar wurden im 15. Jahrhunderte eine Anzahl Predigtämter besonders gestiftet, so in Ulm, Altheim. Stuttgart u. s. w., aber man begnügte sich meistens mit dem Aufsagen alter Predigt magazine und die Würze des Ganzen waren derbe Anccdoten und scholastisch« Allegorien. Die Pfarrhäuser dienten oft zu gleich als Schankwirthschaften; schamlose Lustbarkeiten bei Primiz und Investitur waren nichts Seltenes, und mehr, als lange Schilderungen, besagt wieder ein volksthümlicher Reim von damals: „Alt Affen, jung Pfaffen und wilde Bärn soll Nie mand in sein Haus bcgehrn." Auch die bäuerliche Loosung kann in diesem Zusammenhänge erwähnt werden: „Was ist das für ein Wesen, wir können vor den Pfaffen nit genesen!" Der evan gelische Reformator Württembergs, Johannes Brenz, konnte darum in einer seiner ersten Predigten mit Recht auf die „falsch genannt Geistlichen" Hinweisen, „die die Leute mit ihrer Kirche, "deren sie sich birühmen, verführen". Ein ander Mal hat dieser unerschrockene Vorkämpfer evangelischer Wahrheit auf das all gemeine Priesterthum aller Gläubigen den Finger gelegt und gesagt: „Was sind aber die jetzigen Priester? Sie sollten der wahren Priester Diener sein und tragen ein zweifach Amt: predigen das Wort Gottes nnd die Sakramente reichen. Das sind die zwei wesentlichen Stücke eines Priesters, und mit Platten, Kappen und Meßlesen, denn da Christus seine Jünger ausschickt, sagt er nit: Gehet hin, scheeret Euch, tragt Kappen u. s. w., sondern: Tauft, predigt das Evangelium!" Mil innerer Nothwendigleit ist das württembergische Volk evangelisch geworden; es bat protestantisch gefühlt, noch ehe di« Reformation officiell eingeführt ward. Di« österreichisch-klerikale Regierung, dir während der Verbannung Herzog Ulrich's in Württemberg schaltete, förderte durch ihre rigorose Intoleranz erst recht die durch Matthäus Aulber, Michael Stiefel, Johannes Brenz u. A. gepredigte, evange lische Volks-Grundstimmung. Ihre ges«tzliche Sicherung erhielt „die lutherisch-evangelische Religion" endlich auf dem Landtage von 1565, wobei zugleich über das „Kirchengut", d. h., die Klöster- güter und Pfründen, deren Gesammtwerth sich auf nahezu sechzig Millionen Mark belief, in der Weise verfügt wurde, daß ein Theil für die neuen kirchlichen Zwecke, «in Dheil für staatliche Bedürfnisse zu verwenden sei. Als 1733 -eine katholische Linie zur Negierung kam (bis 1797), wurde das evangelische Bekenntniß durch besondere „Religionsreversalien" gesichert. Den durch Herzog Ludwig seil Beginn des 18. Jahrhunderts ins Land ge zogenen Katholiken war Privaterbauung gestaltet. Im Jahre 1733 kamen auf eine Bevölkerung von 637 165 Einwohnern bereits 5000 katholische und nur 2000 rcformirte Zu Anfang des 19- Jahrhunderts waren von 1300 000 Seelen ein Drittel katho lisch, bei völlig freier Religionsübung. Das Religionsedict vom 15. October 1806 und die königliche Verfasiungsurkunde vom 25. September 1819 sprachen sich in durchaus paritätischem Sinne aus. So könnt« denn auch di« katholische Kirche in Württemberg ihre eigenste Organisation erhalten; eine päpstliche Bulle vom 16. August 1821 und eine vom 11. April 1827, das Fundations- instrument vom 14. Mai 1828 und die königlich: Verordnung vom 30. Januar 1830 bilden di« Grundlagen. Das unter dem ErzbiSthum Freibuhg stehende Bisthum Rottenburg umfaßt alle Katholiken Württembergs- Bischöfliche Anordnungen, die nicht ausschließlich kirchlicher Natur sind, unterliegen nach dem Gesetze vom 30. Januar 1862 vorerst der staatlichen Genehmigung, während die übrigen, tote auch päpstliche Bullen und Breven, vom Staate eingesehen werden können. Eine Rechtswirkung auf bürgerlich« und staatliche Verhältnisse haben die päpstlichen und sonstigen römisch-katholischen Dogmen und Anordnungen natür lich nicht. Am 1. Januar 1885 kamen auf 1000 katholische Ein wohner 1,5 Geistliche, also einer 'auf 624 Katholiken. Der katho lische Religionsunterricht untersteht dem Bischof, doch hat die Staatsgewalt die Oberaufsicht. Nur im Einverständniß mit der llkegicrnng kann der Bischof geistliche Orden einführcn, deren Ge lübde für den Staat nicht den Charakter der Unwivcrruflichkeit tragen. Wie sehr die confessionelle Minorität sich in dem alt protestantischen Württemberg breit zu machen versteht und was sie sich unter „Parität" denkt, das zeigte erst vor wenigen Jahren das Vorgebcn der unter klerikalem Drucke stehenden Verfassungs commission, welche die von d:r evangelischen Landessynod: für die Erste Kammer gewünschten vier Prälaten-Sitze rundweg ab lehnte. Jetzt wieder hat der Ulmer Katholikentag ein« Probe von dem geliefert, was Rom in Württemberg bedeutet. Besonders die Schule möchte man aus guten Gründen in fester Hand behalten, und die Anwesenheit vieler katholischer Standes- herren auf dem württembergischen Katholikentage schien andeuten zu woll«n, daß der KlerikaliSmuS mit seinen Schulabsichten auch in der Ersten Kammer gewichtige Unterstützung finden werd«. „DaS katholische Schwabenvolk", so heißt es in einer uiltramon- tanen Berichterstattung über die Ulmer Heerschau, „hat gezeigt, daß «S die Aufgaben der Zeit versteht"; die Feinde der Kirche könnten es nun wissen, „daß es so, wie diese es bisher getrieben haben, nicht mehr weiter gehen darf!" DaS ist der Dank dafür, daß man in einem völlig protestantischen Land« auch den Katho liken in jeder Weise «ntgegengekommen ist! Der Krieg iu Südafrika. Dewel» neuefter kkrfslz. Dewet, der Gefürchtete, ist endlich wieder in den Vorder, gründ des allgemeinen Interesses, soweit dasselbe für den süd afrikanischen Krieg noch in Betracht kommt, getreten, und zwar, wie es kaum anders zu erwarten war, in der bei ihm üblichen, für die Engländer sehr unangenehmen Weise. Daß es mit dem ersten Zusammenstoß zwischen ihm und seinen Gegnern etwa» Besondere» auf sich hatte, d. h. daß derselbe einfach für die Eng länder wieder eine Niederlage brdeutete, ließ sich schon aus den ersten spärlichen Nachrichten ersehen, indem dieselben von dem militärischen Preßcensor in Südafrika derartig beschnitten und verdreht wurden, daß sie nichts Anderes als einen Mißerfolg Dewet's darstellten, während der tatsächliche Rückzug der beiden englischen Brigadiers Wilson und Riminglon natürlich als eine „erforderliche strategische Bewegung" bezeichnet wurde. Heute liegen endlich eingehendere officielle und officiöse Meldungen über das Gefecht vor, die denn auch ganz klar beweisen, daß Dewet den Engländern eine neue Niederlage beibrachte, wenn ihm vielleicht auch seine ursprüngliche Absicht, die Colonne Wilson zu umzingeln und aufzureiben, nicht ganz gelang. Er attackirte dieselbe mit 2000 Mann in einer Entfernung von nur drei englischen Meilen westlich von Heilbronn und würde den Zweck seines Angriffes auch erreicht haben, wenn nicht Oberst Wilson mittels Heliograph den in der Nähe befindlichen Obersten Rimington hätte herbeirufen können, dessen Colonne den hochanqeschwollenen Klipriver glücklich überschreiten konnte, während Dewet anscheinend auf die Unpassirbarkeit dieses Flusses gerechnet hatte. Der Boerengencral erneuerte aber trotz dem seinen Angriff auf die combinirte englische Colonne und zwang dieselbe zur Aufgabe eines Theiles ihres Transportes, während die Engländer es bald unmöglich fanden, weiteren Widerstand zu leisten und sich daher schleunigst nach Heilbronn in Sicherheit brachten, um weitere Verluste an Mannschaften und Material zu vermeiden. Alles in Allem läßt sich ersehen, daß Dewet nach langer Pause wieder durchaus im Stande ist, eine energische Initiative aufzunehmen und den Engländern Niederlagen beizubringen, oder doch wenigstens ihre Operationen und Dispositionen über den Haufen zu weifen. Englische Menschenfreundlichkeiten. Aus Pretoria, 14. November, schreibt man uns: Die Ihnen in meinem letzten Bericht übersandte Prokla mation des GeneralsDelareyist aus einem Grunde von speciellem Interesse, weil sie nämlich eine sehr beliebte eng lische Unwahrheit vollstänvig widerlegt. Es ist immer wieder in hiesigen Zeitungen sowohl wie in officiellen Berichten zu lesen, daß nur die ungeheuerlichen Lügen der Boerenanführer daran Schuld seien, wenn noch so viele Boeren im Felde bleiben. Die Proklamation Delarey's beweist, daß nicht nur die Führer, sondern auch die Masse der noch kämpfenven Boeren sich über die Mißlichkeit der Lage keinen Illusionen hingeben. Die Proclamation Lord Kitchener's, wonach alle Anführer von bewaffneten Landen von Boeren der Ver bannung verfallen, findet durch die Engländer die weit gehendste Auslegung. Unter der letzten Liste der Verbannten figuriren nicht etwa Generale, Commanvanten und Feldcornets, sondern Leute, welche bei den Boeren einen Rang bekleideten, wie etwa in England ein Unterofficier, also nur einige Mann unter sich hatten. Einen solchen Mann einen „Führer" zu nen nen, ist wirklich etwas phantastisch. Aber die Behörden gehen noch weiter. In der letzten Liste von Gefangenen figucirt ein gewisser Schutte, bei dessen Namen als Grund der Verbannung angegeben ist, daß er früher „Landdrost" von Pretoria (ein rich terliches Amt) war. Ein Anderer, Namens Klapper, verfällt der Verbannung, weil er früher Mitglied der gesetzgebenden Ver sammlung, des „Volksraad", war! Es ist rein unbegreiflich, daß die Engländer nicht selbst einsehen, wie sehr sie ihrem An sehen mit solchen Manipulationen schaden. Seit vor einigen Monaten auf der Bahnlinie von hier nach Pietersburg wieder einmal ein Zug in Vie Luft ge sprengt wurde, hat der menschenfreundliche Lord Kitchener verfügt, daß einige Einwohner von Pretoria auf jedem Zug auf dieser Strecke mitgenommen werden; man hofft, saß sich die Boeren dadurch veranlaßt fühlen werden, die Züge in Ruhe zu lassen. Bei dieser Verfügung hat Kitchener zweierlei nicht er wogen oder vielleicht auch nicht erwägen wollen. Erstens, daß diesen Leuten (welche natürlich Transvaaler sind) feierlich ver sprochen worden war, ihr Leben und Eigenthum werde beschützt werden, wenn sie den Eid der Neutralität leisten würden, was sie auch gethan haben. Man wird es nun kaum für euren beson- d»ren Schutz finden können, wenn die Leute gegen ihren Willen als eine Art Geiseln auf einem bedrohten Zug mitgeschlebpt w-c- den. Zweitens hat er nicht erwogen, daß in dieser Verfügung kein Schutz für die Bahnzüge liegen kann, weil die Boeren im Feld ihren Stammesgenossen, rvelche sich freiwillig ergeben haben, den Vorwurf der Verrätherri machen und somit gar keinen Anlaß haben, ihr Leben zu schonen, ganz das Gegentheil. Es läßt sich also nicht darüber Hinwegkommen, daß dieser Act nicht nur einen flagranten Wortbruch, sondern auch eine ganz unnütze Grausam keit darstellt. Es freut mich übrigens, sagen zu können, daß bei Weitem die Mehrzahl der Engländer, mit welchen ich die Sache besprach, die -Handlungsweise Kitchener's verurtheilen. Je länger der Krieg dauert, desto merkwürdigere Bliithen treibt die englische B e r i ch t e r st a t t n ng. Der oben er wähnte Ueberfall geschah bereits vor einigen Monaten, aber immer noch benagen sie südafrikanischen Zeitungen den alten Knochen und sind sich nunmehr vollständig darüber einig, daß ein Oberst, welcher dabei ums Leben kam, „scheußlich ermordet" wurde, obgleich der officielle Bericht seiner Zeit sagte, der Oberst sei erschossen worden, während er versuchte, die Bedeckungsmann- schaft des Zuges zur Vertheivigung zu sammeln. Obwohl es eine bedauerliche Thatsache ist, daß bei der Affäre auch zwei Frauen verwundet wurden, wird man den Boeren aus dem An griff auf den Zug doch kaum einen Vorwurf machen können. Die Boeren haben sonst stets die Tendenz gezeigt, Personenzüge nicht anzugreifen, aber hier waren nur einige Personenwagen in einen längeren Güterzug eingeschaltet, der außerdem mehrere ge panzerte Wagen mitführte. Es scheint, daß der englischen Presst nach und nach aller Sinn für das sonst besonders für England als Charaktereigen schaft in Anspruch genommene „ksir kKa.y" abhanden kommt. * Pretoria, 12. December. („Rruter's Bureau".) Gestern Abend versuchte eia« größere Boerenabtheilung vergeblich, die Bahn westlich von Äandersontein zu überschreiten. * Zeerust, 12. December. („Reuter s Bureau".) Viljoen machte gestern mit 200Boeren einen Angriff auf di« mit Ein geborenen besetzte Station Linokand; er wurde aber mit einem Verlust« von 7 Todten nnd Verwundeten zurückgeschlagen. (Also wieder Eingeborene unter englischem Eommando! D. Red.) " L»nd»n, l 3. December. (Telegramm.) Delarey's Kom mandanten und eine Anzabl Bürger hielten eine Versammlung im Bezirk Lichtenseld bebnss Besprechung der Lage. Vielfach wurde die Ansicht ansgedrückt, daß die Eapitnlation geboten wäre(?), wenn die britische Regierung verspreche, die zerstörten Farmen wieder anszubanen. Delorey erklärte, diese Hoffnung wäre vergeb lich, weil die Briten entschlossen seien, nichts anderes als bedingungs- lose Uebergabe onzunebmeu. Die Versammlung faßte keine» Beschluß. Demnächst soll eine zweite Berothung stattfinden. " Johannesburg, 11. December. (Reuter s Bureau.) Lord Kitchener genehmigte, daß in der Zeit vom lö. December bis l5. Januar wöchentlich je 100 Pochstempel eröffnet werden. Die Minenkammer bestimmte heute, in welcher Ordnung die Mine» eröffnet werden sollen. Rose Deep und Dricfonteiu mit je 50 Pochstempelu werden nächsten Montag beginnen, Henry Nourse und Crown Drap mit derselben Zahl vou Poch- .stempeln im Laufe der nächsten Woche, GeldenhuiS und Estate und eine von den Minen der Consoltdated-Gruppe mit 50 Pochstempeln in der dritten Woche. Wte man annimmt, wird bis Ende Februar ein Viertel der Mineninduslrie hergestellt sein. Der Eisen- bahnverkehr war befriedigend. Seit Monaten ist keine Unterbrechung des Handels einqetretcn. Tas neue rollende Bahnmaterial ist fertig. Die Zufuhr von Arbeitskräften aus Nordtransvaal läßt sich gut an; eine große Anzahl Bergarbeiter hat die Erlaubnis erhalten, zur Arbeit zurückzukehren. Unabhängig hiervon sind an andere Civilpersonen für diesen Monat 1600 Er- laubnißscheine zur Rückkehr ertheilt wurden. Tie Fondsbörse hat die Erloubniß zur Wiedereröffnung erhalten und wird wahr scheinlich in einigen Tagen eröffnet werden. An die Mitglieder der Fondsbörse, die sich gegenwärtig an der Küste aufhalten, sind 100 Erlaubnißscheine zur Rückkehr ertheilt wordeu. Die Zeitung „Star" beginnt am 2. Januar wieder zu erscheinen. Deutsches Reich. --- Berlin, 13. December. (Zur Verhütung der L e g e nb e n b i l d u n g.) Zu dem Resultate der Wies badener Reichstagsersatzwahl bemerkt ein Berliner freisinniges Blatt, das Centrum sei fast Mann für Mann für den freisinnigen Bewerber eingctreten und habe diesem dadurch den Sieg verschafft, während die Cartellpartsien, Conservative und Ngtionalliberale, sich der Wähl enthalten hätten; auch die „Freis. Ztg." wußte an: Abende des Wahltages selbst in einem Privattelegranrme bereits zu melden: „Die Nationalliberalen üben that s ä ch l i ch W a h l e n l h a l t u n g." Es ist deshalb wichtig, die Unwahrheit dieser Behauptung nachzuweisen, weil sonst die Fori schrittler leicht eine Entschuldigung bei der Hand hätten, w:nn sic in einer Stichwahl zwischen einem conservativen oder national liberalen Bewerber und einem Socialdemokraten die Entscheidung in der Hand hätten. Sie würden sich alsdann, wenn ihnen aus der Wahlenthaltung ein Vorwurf gemacht würde, immer auf das Beispiel von Wiesbaden berufen. Daß aber die Behauptung vou der Wahlenthaltung der Cartellparteien vollständig falsch ist, läßt sich ziffernmäßig aus dem Ergebnisse der Stichwahl 'm dem Hauptorte des Wahlkreises, in W i e s b a d e n, Nachweisen. Dort hatte bei der Hauptwahl vom 30- November der freisinnige Kandi dat Crüger rund 3300, der nationalliberale Bewerber rund 3000, das Centruin rund 1000 und der Socialdemolrat rund 4700 Stimmen erhalten; bei der Stichwahl aber erhielt Crüger 6708 gegen 5496 socialistische Stimmen. Hätten sich die Cartellparteien wirtlich, wie das Telegramm der „Freis. Ztg." behauptete, der Abstimmung enthalten, so würde Crüger nur etwa 4300 Stimmen bei der Stichwahl erhalten haben. Denn vom Ccntrum tonnte er nur 1000 Stimmen bekommen und aus eigener Kraft vermochten die Fortschrittler bei ihrem durch da-L Ergebuiß oer letzten Stadtverordnetenwahlen erwiesenen starken Rückgänge in der Stadt Wiesbaden selbst entweder gar keine oder höchstens noch 300—400 Stimmen aufzubringen, so daß. tveuu nur Centruin und Freisinnige für Crüger gestimmt hätten, dieser im günstigsten Falle 4700 Stimmen erhalten haben würde. Ta dieser nun aber 6700 Stimmen bekommen hat, so kann das Plus von 2000 Stimmen nur den Reiben der Cartellparteien ent stammen, und «da düse bei der Hauptwahl 3000 Stimmen er halten hatten, so haben darnach zwei Dritte! der Anhänger der Cartellparteien dem Fortschrittler ihre Stimmen gegeben. Hätten sich in Wiesbaden selbst uns in Leu kleineren Orten die Cartell Parteien thatsächlich dcr Wahl emhaltcn, so wäre, wie das Wahl ergebniß zeigt, Di. Crüger «aller Wahrscheinlichkeit nach dem Sociatdemotraten unterlegen. Mit der Behauptung von der Wahl enthaltung oer Conservativen unv oer Nationalliberalen allo sollten die Freisinnigen nicht hausiren gehen. T Berlin, 13. December. (Förderung des Kunfi lz i st o r i s ch e n I n st i t u t s in Florenz.) In dem jetzt mit dem Gesani'ntetat für 1902 an den Reichstag gelangten E:at für das Reichsamt des Innern ist neben fortdauernden Ausgaben, z. B. für das Germanische Museum iu Nürnberg 70 000 für das Römisch-Germanische Museum in Mainz 30 000 für die Beiheiligung der deutschen Kunst an internationalen Aus stellungen des Auslandes 20 000 .//, zum ersten Male ein Beitrag von 10 (>00 cV an den Verein zur Förderung und Erhaltung des K u n st h i st o r i s ch e n In stituts in Florenz eingestellt. Wie in einer diesen Posten betreffenden Denkschrift des Reichsamts des Innern ausgefübrt wird, ist infolge von Anregungen auf mehreren kunsthistorischen Congressen im Herbst 1897 in Floren; ein kunsthistorisches Institut ins Leben gerufen, und zu dessen Leiter der von der königlich sächsischen Regierung hierzu beurlaubte Docent an der Universität Leipzig, Professor s)r. Heinrich Brockhaus, bestellt woroen; zur Förderung des Instituts hat sich dann ein Verein gebildet, dessen Vermögen jetzt 21 000 // beträgt. Der Gedanke der Stifter hat sich als gesund und ent wickelunasfähig gezeigt und verspricht dcr deutschen Wissenschaft reichen Erfolg; doch reichen die Mittel des Vereins für sie Dauer nicht aus, um das Institut fortzuführcn, und eS empfiehlt sich deshalb, einen festen Beitrag aus Reichsmitteln von 10 000 , zunächst aus etwa 5 Jahr: in Aussicht zu nehmen. Dies der wesentliche Inhalt der Denkschrift. * Berlin, 13. December. Heber weitere Erfolge und Aufgaben des „Allgemeinen Deutschen Schulverrins zur Erhaltung des Deutsch- thums im Auslanoe" in Südtirol ist sem ausführ lichen Berichte des Herrn Dr. Robmcder Folgendes zu ent nehmen: Gegenüber sen Bestrebungen oer italienischen Jrredenta, den größten Theil Tirols, nämlich bis zum Brenner, also fast bis zum Inn hinaus, wieder dem italienischen Königreich« »».
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