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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.12.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011216024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901121602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901121602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-16
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 28 H (excl. Porto). Grtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung .4, «0.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabr: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 64V. Montag den 16. December 1901. 95. Jahrgang. Her Krieg in Südafrika. Mtstersalge der vaeren. Man schreibt un» au» London unter dem 14. December; „Bald kann e» überhaupt keine Boeren mehr in Südafrika neben, wenigstens sollte die« Thatsache sein, wenn man die officiell gemeldeten täglichen Abgänge auf Seiten der Burgher-Lom- NiandoS von den früher verösfentlichien officiellen englischen Statistiken der Boeren-Streitkräfte abzieht. Besonders in den letzten 14 Tagen sind die britischen Colonnen, wenn man den Kitchener'schen Depeschen resp. den Bekanntmachungen de» hiesigen KrieaSamteS Glauben schenken darf, vom Glück be günstigt gewesen, denn danach läßt sich ein Commando nach dem anderen überraschen und qufreiben, wobei es sogar fast gänzlich ohne nennenswerthe Verluste auf englischer Seite abzugehen scheint. Namentlich hat die Division des Generals Bruce Hamilton in dieser Hinsicht im südöstlichen Transvaal be- merkonlwerthe Erfolge aufzuweisen gehabt und erst heute (am Sonn» abend) wieder meldet der britische Generalissimus, daß dieser Unterführer neuerdings einen derartigen Sieg zu verzeichnen hatte, indem er nach einem angestrengten längeren Nachtmarsche mit einem Theile seiner Truppen bei Witkraans, 25 englische Meilen nordwestlich von Ermelo, das Lager des Commandanten Piet Viljoen überfallen und den Boeren eine vollständige Niederlage zufügen konnte. 16 Burghers wurden getödtet, 70 gefangen genommen und viele verwundet, während es nur einem geringen Theile gelang, zu entkommen. Außerdem fielen einige LranSportwagen, eine kleine Viehheerde und ein von den Boeren bei Brakenlaagte dem Obersten Benson fortgenommenes Geschütz in die Hände der Engländer, was natürlich immerhin als ein empfindlicher Schlag für die Botha'sche Streitmacht be zeichnet werden muß. Wie außerordentlich hoch man hier in London diese jüngsten Erfolge der britischen Waffen anschlägt, geht daraus hervor, daß der Kriegsminister Brodrick heute Morgen sofort ein besonderes Telegramm an Lord Kitchener gerichtet hat, in welchem er dem General Bruce Hamilton die „herzlichsten Glückwünsche der Regierung" zu seinen jüngsten brillanten Erfolgen auSspricht." Man muß wohl in diesen Erfolgen der Engländer, wenn sie auch im Hinblick auf den nahen Zusammen tritt de» Parlaments aufgebauscht und vielleicht zum Theil gar entstellt sind, eine Folge des Kitchener'schen Blockhaussystcms erkennen. Diese fast ununter brochenen Linien von gutbesetzten Wellblechhäusern sind immer hin ein gefährliches und schwer zu umgehendes Hinderniß für die Boeren, da es ihnen an Geschützen mangelt, die kleinen, starken englischen Forts unfähig zu machen, auch die große Kette von sorgfältig und sehr dicht postirten Stationen des britischen Con- stablercorps, die heute im Osten schon bis zu der Linie Oliphans- river-Standerton-Bethelroad reicht, erschweren die Bewegungs freiheit der Boeren in den betreffenden Districten nicht unerheb lich. General Bruce Hamilton operirt mit neun über das Land vertheilten Colonnen, und zum Ueberfluß ist vom britischen Hauptquartier von Pretoria aus der Befehl gekommen, die Älockhauslinien dadurch zu verstärken und zu verdichten, daß kleine Zwischenwerke in Gestalt von Feld schanz en mit reichlicher Verwendung von ausgedehnten und complicirten Stacheldrahtzäunen u. s. w. errichtet werden, so daß also auf Hunderte von Meilen hinaus das Gelände durch unpassirbare VertheidigungSlinien aufgetheilt sein wird. Der wirkliche dauernde Erfolg dieser für beide Theile recht beschwerlichen Maßregel muß natürlich erst noch abgewartet werden. ES ist zu erwarten, daß die Boeren, durch die ersten Mißerfolge gewitzigt, sich bald auch mit diesem anscheinend letzten Versuche Englands, den Krieg zu beendigen, abfinden werden. * London, 16. December. (Telegramm.) Nach einer durch die Censur verzögerten Nachricht aus Ukandhla (Zululand) vom 5. December soll in dem vor Kurzem bei Luneberg gelieferten Gefecht Louis Botha durch einen Schuß in das linke Bein unterhalb des Schenkels verwundet worden sein. Er sei der Gefangenschaft nur dadurch entgangen, daß er in den Busch gekrochen sei. Sein gegenwärtiger Aufenthalt sei selbst seinen Anhängern unbekannt. In dem Gefecht seien von den Engländern 80 Gefangene ge- gemacht worden. (?) Politische Tagesschau. * Leipzig, 16 December. Auf den oft beklagten Mangel an Uebersichtlichkeit und Einfachheit des NeickShauSbaltSetat» weist iu der „Zeuschrist für Socialwissenschaft" (berauSgegeben von Prof. Jul. Wolf in BreSlau) Abg. Freiherr von Zedlitz ein dringlichst mit der Tendenz bin, durch eine geeignete Reichs- stnanzreform die Finanzwirtbsckaft de» Reiches auf eigene Füße zu stellen und sie nicht mehr in Abhängigkeit von den Bundesstaaten zu lassen. Okne Zweifel batte die Reichs verfassung dieses Ziel von vornherein ins Auge gefaßt und die Erhebung von Mali ikularbeiträgcn,welche die Reichsfinanzen mit denen der Einzelstaaien verquickten, nur als ein Provisorium be trachtet, das abzulösen sei, sobald das ReichSsteuersystem — gleich viel ob durch directe oder indirccte Steuern — so weit sich ent wickelt haben würde, um daö Gleichgewicht im Reickshauc« ballSctal berzusiellen. Die „Franckenllein'scke Clausel" vom Jahre 1879 hat die» auf unabsebbare Zeit hinausgesckoben und durch die aus ihr gesetzmäßig berzuleitenden lieber- Weisungen der Ueberscküsse auS den Reichssteuern an die Bundesstaaten eine weitere Berquickung der Reichsfinanzen mit denen der Bundesstaaten herbeigeführt. Es tritt aber, wie der Verfasser ganz richtig bemerkt, der durch die Francken- stein'sche Clausel komische Zustand ein, „daß die Bundesstaate» vaS, waS sie an Ueberwersungen vom Reiche erhalten, ganz oder doch zu einem großen Tbeile in Gestalt von Mo^icular- umlrgen wieder an das Reich zurückgedcn müssen. In zwischen ist die Clauiel Franckcnstein der formaler Aufrecht erhaltung in Wirklichkeit doch von der neueren Reichsgesetz gebung tbeilweise insofern wieder über Bord geworfen, als der größere Theil des tbat'Lchlicken Neberschusseö der Ueber- weisungen über die Matricularumlagen zur ReichScassc zur Verminderung der Neichsschuld eingezogen zu werden pflegt. So decken sich Form und Inhalt des finanziellen Verhältnisse» zwischen Reich und Bundesstaaten nicht mehr. Formell bestehen Matricularumlagen in vollem Umfange fort, that- sächlick hat deren Ausschreibung aber in der Hauptsache nur soweit Bedeutung, als ihr Betrag den der Ueber- weisungen übersteigt oder mit anderen Worten eine „Spannung", wie der von Graf Posavowsky eingebürgerte technische Ausdruck lautet, zwischen beiden besteht. So sind im laufenden Etat Ueberweisungen und Matrikularumlagen mit dem hohen Betrage von rund 571 Millionen Mark vor gesehen. Gleichwohl wird, wenn da» Ist dem Soll entspricht, weder das Reich «inen Heller au die Bundesstaaten hrrauS- zuzahlen, noch einen Heller von ihnen zu erhalten haben." Weitere der Reform bedürftige Momente sind neben der Verquickung von Reichs- und SlaatSfinanzen da« Uebergrcifen deö einen Finanzjahre« in das andere und endlich die Ver ¬ schwommenheit der Grenzen zwischen dem Extraordinarium deS ordentlichen und deS außerordentlichen Etats. Wie formell, so erheischen die ReichSsiuanzen auch materiell eine Reform aus zwei gewichtigen Gründen: ans dem Steigen der Mairicularbeiträge, das für Preußen in einigen Jahren 430 Procent seit Gründung deS Reiche» betrug, und au« dem riesenhaften Anwachsen der Reichsschulden, die bereit« in die dritte Milliarde angeschwollen sind, Diese» Anwachsen der NeichSlckulden ist um so bedenklicher, weil da» Reick keine regelmäßige Schuldentilgung kennt, wie die- in Preußen seit 1897 der Fall ist. Zwar machte man auch im Reiche im Zusammenhang mit dem Floltengesetze den Anfang zu einer bescheidenen Schuldentilgung, die jedoch kaum der For derung einer soliden Finanzwirthschaft gerecht werden kann und vor Allem noch nicht die Probe darauf bestanden bat, ob sie sich auch bei mageren Finaurjahren durchführen läßt. Von der Notbwendigkeit einer Reichsfinanz-Resorm füblen sich zunächst die verbündeten Negierungen durchdrungen; aber sowie dir Frage neuer Reichssteuern an sie herantritt, beginnen die Schwierigkeiten, welche Freiherr von Zedlitz zwar schüchtern anbeulet, ohne aber einen Weg zu zeigen, wie sie beseitigt und wie endlich die wiederholt gemachten Anläufe znm Ziele geführt werten könnten. Den Hauptstein de« Anstoßes bildet im Reichstag bekanntlich da« Centrum. Früher hatte e» ein Herz für die Nöthe der Einzelstaaten, weil eS in ihnen, besonder» in Preußen, eine Herrschaft erlangen zu können glaubte, die ibm im Reiche versagt zu sein schien. Jetzt Hal eS hier da» Heft in der Hand, ist taub gegen die einzelstaatlichen Klagen und denkt nur daran, seine Macht im Reiche zu befestigen. In diesen Plan passen neue Rcichssteuern nicht, welche die Wähler unwillig machen könnten. Tie Einzelstaaten, welche die auch von ibnen abbängige Reich-Politik dem. Centrnm an passen und dadurch seinen Einfluß befestigen, ersehen bierau», daß sie aus ihrem Finanzjammer nicht herauSkommen werden, wenn sie nicht auf Mittel und Wege denken, die Centrumö- herrschaft im Reichstage zu brechen. Alle», WaS poluisch redet, denkt, fühlt und tapfer hetzend auf die Dcuiscken schimpft, wird bekanntlich von den führenden Blätter« deS tkcnlrumS, der „Germania" und der „Köln. Volksztg.", unter den weichen, schützenden Mantel der Liebe genommen. Wa» die Herren Polen sagen, ist lauteres Gold der Wahrheit, wird aber vou deutscher Seite die unerhörteste polui'che Hetzerei festgenagelt, so ist das — „bakatistische Lüge". Mit dieser Bezeichnung glaubt die „Ger mania" auch eine jüngst von der „X.-fi. 0." mitgclheilte und von unö wiedcrgegcbcnc Zuschrift auS der Provinz Posen über die Aufhetzung landwiribschaftlicher Arbeiter durch polnische Agitatoren abtlmn zu können, obgleich zuverlässige Meldungen aus anderer Duelle die Angaben dieser Zutchrist nickt nur vollkommen bestätigen, sondern obendrein wesentlich ergänzen. Die 0." giebt daher der „Germania" den Vorwurf der Lüge doppelt und dreifach zurück; verharrt doch das klerikale Blatt bei Darstellung der Bestiafnng der Wreschener Schulkinder bei der Behauptung, e» habe cine„Massen"-Prügelei der Kinder wegen ihrer Widersetzlichkeit staitgefunden. Daß diese durch die gerichtlichen Verhandlungen widerlegte Be hauptung lediglich solche fanatische Ausdrücke, wie sie in Galizien und m Warschau zum Ausdrücke gekommen sind, vermehrt, kümmert die „Germania" nicht. Man darf nun gespannt sein, ob das klerikale Blatt mit dem Vorwurfe der „hakaNstischen Lüge" auch einer Schilderung der Zustände in der katholischen Schule in Wieschen erngrgentritt, die am Freitag iu der Abtbeilung Berlin de» Deutschen Ost- Markenvereins der NecktSdeistand tze» Nebenklägers KreiS- schulinspectorS Winter, Justizrath Wagner, auf Grund seiner persönlichen Eindrücke während der Verhandlungen entwarf. Diese Schilderung, auS der sich ergiebt, welche Sorte von Jugend unter polnisch-klerikalem Einflüsse in dieser Anstalt heranwächst, lautet: „Prügel waren leider schon früher in Wreschen nicht ganz zu vermeiden. ES handelte sich dort keinesfalls um besonders fromme Knaben, sondern «m recht ungezogene Knaben. Wie nöthig Züch tigungen waren, erhellt au» folgender Charakteristik der Ver gehen aus dein vorjährigen Strafbnche der katholischen Schule in Wreschen, die der Kreisschulinfpector unter seinem Eide in Gaffen initgetheilt hat: die Lüge ist ein außerordentlich häufiges Vergehen; fast täglich mußte deswegen gestraft werden, und zwar wegen Verleitung zur Lüge dreimal, wegen Diebstahls zwölsmal, wegen Rohheit gegen Thiere — lebenden Vögeln Köpf« ab gerissen— dreizehnmal, auf Wunsch der Eltern, di« machtlos waren, silnfmal, wegen unsittlicher Reden, Briese und Handlungen elsmal, wegen Rauchens zwanzigmal — fünfmal da« Geld dazu gestohlen —, wegen Neigung zur Trunksucht fünfmal, wegen Baum frevels fünfmal; sodann wegen Verunreinigung de» Kirchhofs. Ferner stahlen Schüler Bierreste und betranken sich damit. Ein Schüler, der gerecht bestraft wurde, schrie: Ich weide die Polizei rufen. Rohheiten gegen alte Leute und verkrüppelte Mitschüler — z. B. Bedrohung mit dem Messer — gelaugten 23 Mal zur Bestrafung. Besonders erwähncnSwcrth ist, daß nur in Wreschen der Widerstand gegen den deutschen Religionsunterricht bis zum Aufruhr gedieh. Ein Knabe sagte au«, Kaplan Laskowski habe ihm im Beichtstuhl gesagt, er müsse Widerstand leisten. Ein sonst gut unterrichtetes Blatt, der „Gesellige", hat behauptet, der Erzbischof v. StablewSki habe der Hauptangeklagten Piasrcka unmittelbar nach der Verhandlung einen Rosenkranz gestiftet. DaS wäre geradezu eine Stempelung zum Martyrium. Doch scheint diese Meldung bei der sonstigen Klugheit d«S Herrn v StablewSki wohl kaum glaublich." E» ist selbstverständlich, daß solche Schilderungen der „Germania" eben so peinlich sind, wie den nationalpolnischen Blättern. Aber wenn eS ihr und ihnen um die Wahrhrie und um Besserung zu tbun wäre, so müßten sie auf solche p Thatsachen entgehen und auS ihnen c« erklärlich macken, baß gerade in Wreschen die Kinder der katholischen Schule dem Aufruhr geneigt waren und die Lehrer nölhigten, auck in diesem Falle zu körperlicher Züchtigung zu schreiten. Aber wenn auch die Blätter de» EculriimS über die eidlichen Aus sagen de» Kreisschulinspectors sich berumtrücken: im preußi schen Abgeordnetenhaus!: wird auf diese Aussagen ein gegangen und den klerikalen Protektoren der polnischen Hctz.r unumwunden gesagt werden müssen, wer von Gotte» und Recht« wegen alle die Prügel verdient hätte, di« eine so ver wahrloste und obendrein verhetzte Jugend geradezu erzwang. Au» Loudon wird der „Polit. Corresp." berichtet: „Die vonNußland un d D en t s ch lan d eingeleitetc Action bezüglich des Anarchismus, welche eine Frucht der zwischen den Herrschern der beiden Staaten bei der Zusammen kunft in Danzig gepflogenen Unterredungen bildet, ist in der Weise erfolg», daß die Cabinete von Petersburg und Berlin gleichzeitig identische Noten an die Negierungen einer Reihe von Staaten ergeben ließen, in welchen Foriilletsir. Gräfin Leszek. 1j Roman von H e in ri ch L er. Viachdruck vertotcu. Erstes Capitel. „He, Hoppla, Heidonc!" gellte es durch den weiten, im grauen Morgenlicht liegenden Circusraum. Unten aus der Manege bis hinauf zu dem über der ersten Rangloge befindlichen, nun leeren Orchester war «ine schräge Bretterbahn gebaut. Auf einem Braunen saß ein junges, im unansehnlichen Probeanzug stecken de», fast kinderhaft aussehendes Mädchen und versuchte mit hef tig zuschlagender Gert« und in die Zügel reißend das Pferd .Hnaufzutreiben. Hinter ihr knallten die Stallmeister mit den Peitschen und in diesem Augenblicke gab einer von ihnen dem Pferde einen Hieb, der es auf den Kopf traf. „Go! Go an!" schrie die Reiterin. DaS Pferd, ein junger Juchswallach, bäumte sich auf — ein Schrei — dann stürzte es mit seiner Last, sich überschlagend, in die Tiefe, mitten in eine Log« hinein. An der jetzt aufgezogenen „Gardine", die den CircuSrainn von dem dahinter liegenden Stallgange trennt, standen als Zu schauer einig« Officiere. „Jetzt hat sie da» Genick gebrochen"^sagte der eine von ihnen. In derselben Secunde tauchte der Mensch- und Thierknäuel, unterstützt von der Schaar der Stallmeister, aus der Loge wieder auf. ES schien ganz unglaublich, aber unverletzt, nur sehr un ruhig, staNd daS Pferd wieder aüf seinen vier Beinen. Unver letzt war auch dir Reiterin und sie stieg wieder auf. Reiterin und Artisten thaten, als wäre nichts geschehen. DaS junge Mädchen klopfte dem Pferde nur beruhigend auf den Hals und dann ritt es, während einer der Stallmeister das Pferd am Mundstück führt«, einige Male in langsamem Schritt um die Piste herum. Die Officiere grüßten, das junge Mädchen nickte dankend, wobei ein unschuldige» Kind«rläch«ln über ihr anmuthige», fast zigeunerbrauneS Gesicht huschte und ein Hrrr in Civil, der zu der Ofsicierltgesellschaft mitqehörte und der durch seinen Accent den Russen verrieth, sagte, sich an die Andern wendend: „Wie heißt dir Dame?" „Wir kennen blo» ihren Künstlernamen, Fürst", erwiderte ein beleibter, nicht mehr ganz junger Oberleutnant mit einem blonden, jovial«» Gesicht, Leutnant Göppendorf, „der ist Sisi!" „Sie werden die Güte haben, mich ihr spiit«r vorzusteÜen?" In der ganzen Art des Fürsten lag etwas Naives, Urwald- hafteS. „Wir sagen Ihnen aber gleich im Voraus", erklärte Göppen dorf, „Sisi ist nicht eine Dame, wie Sie sie sich vielleicht vor stellen. Fräulein Sisi hat strenge Grundsätze, oder vielmehr ihre Tante hat welche!" „Ihre Tante?" „Ja, Sisi hat eine Tante, und ich wundere mich nur, daß sie nicht hier ist. Sie geht ihr sonst nicht von der Seite." „Einen Cerberus!" fiel einer von den arider» Officiere» ein, der jüngst«, und Alle lachten. „Still!" sagt« Göppendorf. Von Neuem macht« sich Sisi jetzt bereit. Die Stallmeister bildeten wieder eine Gasse. Die Bretterbahn nannte man in der EircuSsprache di« „CaScaden". ES war ein neues Pferd, waS Sisi heute ritt, ihr „Bijou" hatte am Huf eine Fistel bekommen und stand deshalb im Stall. Die Caskaden gehört«» zu der Pantomime, in der Sisi jeden Abend auftrat, «ine Jagdscene mit einer Steeple chase, die über diese Bretterbahn ging. „Go! Go an!" schrie jetzt zum zweiten Mol Sisi. „He, Hoppla!" Abermals fuchtelten und knallten die Stallmeister mit ih«n Putschen. Das Pferd setzte an, seine Hufe dröhnten auf den Brettern, aber auf der Mitte der Bahn angelangt, scheut« es von Neuem. Im Stallgang, an der Gardine, erschien jetzt ein junger Mann. Er mochte Mitte der Zwanziger sein. Mit hastigen Schritten trat er auf die Gardin« zu. Daß e» Sisi war, di« jetzt probirte, das hatte ihm schon draußen ein«r der Stallknecht« gesagt. Bei ihrem Anblick blieb «r, ohne daß die Officiere ihn bemerkt«», weil sie ihm den Rücken zukehrten, seine großen, schwarzen Augen auf die Reiterin gerichtet, stehen. Sein edle» Gesicht mit dem dunklen Haar verrieth in seinem ganzen Typu» den Polen. „Go an!" tönte e» von Sisi'» Lippen und ihre Gerte fuhr d-m Pferde über die Fla->k-n Ein neuer Aufschrei klang durch den Raum und wieder kollert« da» Pferd mit seiner Retterin die Bahn hinab und wieder in die Log« hinein. „Sie ist todt!" rief der junge Mann; all«» Blut war au» seinem Gesicht gewichen und tm nächsten Augenblick war er in der Manege. Aber Niemand von d«n Stallleuten bekümmerte sich um ihn. Sie halfen dem Pferde und der Reiterin zum zweiten Male aus und wieder waren Neid« unversehrt, al» hätten si«, Thier und Mensch, nicht Gli^«r wie andre«, sondern welche au» Gummi. Wie vorhin suchte der Stallmeister das Pferd, indem er es wieder an das Mundstück nahm und im Kreise herumführte, zu beruhigen. Der junge Mann war an die Gardine zurllckgetreten. Erst jetzt sah er sich beobachtet und eine gewisse Verlegenheit trat in sei» Gesicht. Die Officiere, so schien eS, hatten sich ein bischen lustig über ihn gemacht, nun aber begrüßten sie ihn wie einen Bekannten. „Man nicht gleich ängstlich, Leszekchen", rief ihm Göppen dorf in vertrautem, gutmüthigem Ton« zu, dann wendete er sich zum Fürsten. „Di« Herren erlauben — Graf Leszek — Fürst Ostromudoff aus Petersburg." Beide Männer verbeugten sich leicht. „Go! Go! Go an!" „He, Hoppla!" Zum dritten Mal flog das Pferd mit seiner Reiterin die Bahn hinan. Eine Secunde, dann war es oben auf dem Orchester glücklich gelandet. Es war gelungen. „Braav, braav!" rief die ganze Stallmeisterschaar. Auch die Officiere klatschten in die Hände. Vom Orchester führte im Hintergrund« «in schräger Weg in d«n Stallgang und in die Manege zurück. Auf diesem kam Sisi mit dem Thiere wieder zum Vorschein. Noch einmal und nock einmal machte sie den Ritt hinauf. Immer gelang er jetzt Endlich stieg sie ab, reichte dem Pferde ein« Mohrrübe, die sie in der Tasche ihres kurzen, braunen RöckchenL hatte, dann führte eS einer der Stallknechte davon und Sisi'S Probe war zu Ende. Die Cascade» wurden abgebrochen und eine Anzahl Maulesel wurde hereingrfiihrt, die, da sie schon ein paar Tage müßig im Stall gestanden hatten, wieder einmal bewegt werden mußten. Sisi wollte in ihre Garderobe. Zu diesem Zwecke mußte sie durch dir Gardine. Sir sah jetzt, wo sic nicht mehr auf dem Pferde saß, noch zierlicher, kinderhafter au». Da» häßlich« Probeklffd entstellte sie nicht, wie andere Künstlerinnen, im Gegentheil, e» bildet« zu d«m lieblichen, braunen Mignon gesichtchen und dem reizenden Figürchen nur »ine wirkungsvolle, pikante Folie. Ihr braune», neicveS Haar war mit «inem blauen Geidenbandt zusammengeknüpft. Di« kleinen Füß« steckten in absatzlosen, kreuzweise über dem Fußblatt gebundenen Schuhen, von der gehabten Anstrengung schien sie kaum etwa» zu spüren. Nicht ein Tropfen Schweiß stand auf ihrer Stirn. Nur eine leichte Röthe färbte ihre Wangen. Die Officiere kannte sie eigentlich nur vom Ansehen. So oft e» der Vormittagsdieust erlaubte, fanden sie sich bei den Proben ein. Do« war in dieser langweiligen Garnison — einer Ganckson im äußersten deutschen Ostei», di« fast al» Stnas- garnison galt — immerhin mal eine Abwechselung. Da Sisi sonst stets von ihrer strengen Tante umgeben war, so stand cs mit etwaigen Annäherungen, wie schon gesagt, ganz aussichtslos. „Na, Fräulein Sisi", sagte Göppendorf, „haben Sic sich nicht weh gethan?" Sisi schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich hab« mir noch niemals weh gethan", sagte sie. Unter „weh gethan" verstand sie, wie jeder Artist, einen Gliederbruch oder sonst eine Verletzung, die aber so start sein mußte, daß man dadurch am Arbeiten gehindert wurde. Damit wollte sie an den Herren vorbei. „Hier ist noch ein Herr, der gern Ihre Bekanntschaft machen möchte", fuhr Göppendorf fort — „Seine Durchlaucht, Fürst Ostromudoff." Der Fürst verneigte sich. „Sind Sic aus Rußland?" fragrc Sisi erfreut, als sie den Namen hört«. „Ja, mein Fräulein", lächelte der Fürst. Sisi klatschte in die Hände. Wie jeder Artist, dec «inmal in Rußland war, hatte sie ein gutes Andenken an dieses verschwcn derisch und enthusiastisch die Kunst ehrende Land behalten. Seine Durchlaucht wollte wissen, wo Sisi in Rußland aufgetreten war, aber Sisi gab ihm keine Antwort. Ihr Blick, ihre ganze Auf merksamkeit war plötzlich auf einen riesigen Brillantring ge richtet, den der Fürst am Finger trug. Es schien nicht anders, als hätte sie dieser Ring geradezu verhext. Für Edelsteine und Juwelen hat der Artist eine Passion. Einen Stein von diese« Größe hatte sie noch nie gesehen. „Bitte — bloS einmal änsehen!" rief sie wie ein kleines Kind. Der Fürst streifte den Rinz von seinem Finger. „Es wirb mir «in Vergnügen sein, mrin Fräulein", sagte er, „wenn Si« ihn zum Andenken behalten." Plötzlich sah Sisi ein Gesicht auf sich gerichtet, es war Graf Leszek. Sie hatte ihn bisher, da er etwas abseits in dem Dunk«! des StallgangeS stand, nicht bemerkt. Sisi schreckte zusammeil. Ihre Tonte, Frau Camilla, hatte ihr zwar verboten, Geschenke anzunehmen, aber Camilla war nicht da. Wenn sie den Rina sich sckxnken ließ, würde sie ihn schon so gut verstecken, daß Camilla ihn nicht finden sollte. Da sah sie sein Gesicht. « „Nein", sagte sie furchtsam, „nein, nein!" Und noch ehe Fürst Ostromudoff sein galantes Angebot wiederholen konnte, war sie davongchuscht und hinter der kleine» Thür, die in ihre Garderob« führte, verschwunden. Auf dcr der Gardine gegenüber liegenden Seite befand sich ein Büffet. Hier begaben fick die Herren jetzt «hin. nm ein Gin» Bier zu trinken.
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