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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.12.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011218012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901121801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901121801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-18
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, Nedamo» «d Lr»eoiti-n: Johvottlaff« FUilüeu: Alfred Hech» von», v. Klevu»'» Eorti». lluwerMt-straße S (PaMuuo), Lost» Lösche, >ich«rlm«fir. Ick» Port, und LSviaSplatz 7. Vsz«g»-Preis 1» d« Hauptexpeditirm oder dß» 1« Stadt- "z Vvrortrn errkbteteu U»-- ab,»holt; vtertelMtch 4.00, tLgllch«, Luü«ll«»> t»» ^lS-LL L«ch diel' >: » mit Morgen-Ausgabe. WpMcrTlUMatt Anzeiger. AmksVMk -es A'ömglichm Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes im- Polizei-Amtes -er Zta-t Leipzig. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Peützeile SS H. Necla m e» »Mer dem RedactiouSstrich (»gespave«) 7» vor de» AamUinmach» richte» (ü gespalten) KO H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühre« für Nachweisungen und Offertenaunahm« LS (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderuug 70.—» Almahmrschluß für Iiryei-e«: Abend-Ausgabe: Vormittag» tO Uhr. Morgeu-Au-gab«: Nachmittag» L Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestelle» je ein» halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition -u richte». Die Expedition ist Wochentag» nmmterbrochen geöffnet von früh S bi» Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag vo» E. Polz t» Leipzig. Nr. 643. Mittwoch den 18. December 1901.' 95. Jahrgang. Der panamerikanische Longreß und die Hegemonie -er Union über Mittel und Südamerika. Au» Mexiko, 25. November, schreibt man uns: Die bisherigen Verhandlungen deS zweiten panamerikanischen CongveffeS lassen bereits die Charakter- und Tendenzverschieden- heitrn klar hervortreten, die ihn von seinem Vorgänger unter scheiden. , , / Don der Oberfläche verschwunden sind die weitgehenden Blaine'schen Vorschläge unverhüllter politischer Begehrlichkeit und Hegemoniesucht. Di« versloffenen 12 Jahre haben dem Expan- sionSgrlüste der Union in- und außerhalb des Continentes für lange Jahr« Genüg« geleistet, zumal den Vereinigten Staaten eine gröbere Colonisation»- und AssimilirungSfähigkeit bisher nicht zugesprochen werden kann; wenn sie auch di« Ländereien ver triebener Indianer der eigenen Cultur zugänglich machen konnten, so find Loch beispielsweise noch heut« fast di« Gesammtbevölkerung Arizona-, Neu-MexikoS und großer Theil« von Texas im Sprechen und Denken spanisch-mexikanisch. Puerto Rico, die fernen, recht schwer verdaulichen Philippinen und die möglichst eng« wirthschaftliche und politisch« Angliederung Cuba» sind Probleme, die vor der Hand jede vermehrt« Inanspruchnahme durch ähnliche Experimente au»schli«ßen. Andererseits haben auch die übrigen central- und südamerika nischen Mächte Gelegenheit gehabt, in der seit dem ersten pan amerikanischen Congresse versloffenen Zeit di« Expansionspolitik der Nordens kennen und fürchten zu lernen. Wenn trotz solcher Sachlage ein zweiter panamerikanischer Congreß überhaupt vollzählig zusammcntreten konnte, ja sogar «im regelmäßige vierjährige Erneuerung desselben bereits be schlossen zu sein scheint, so ist dies« Thatsach« allein «im sehr be deutender, nicht zu unterschätzender Erfolg Nordamerikanischer Macht und Politik. So lange «S einen Panamerikaniimu» giebt, und sich die wirthschaftliche Lag« auf diesem Eontinent nicht außerordentlich verschiebt, wozu 5m besten Falle lange Jahrzehnte nöthia find, so lange sichert der wirthschaftliche Höhepunkt, auf dem die Union im Vergleich und Gegensatz zum übrigen (spa nischen) ContiMnt steht, jenem Lande ckhne besondere oder be merkbare Anstrengungen di« Vormacht in allen conti- nentalenFra^n und bedeutenden Einfluß in der inneren Politik der Einzelstaaten. Die Geringfügigkeit greifbarer Resultate für die Vereinigten Staaten bei solcher Gelegenheit darf Europa nicht einschlafrrnl Solche werden nicht nur nicht mehr erstrebt, sondern im Gegen- theil wird Alles vermieden, was von den übrigen contknentalen Staaten als Begehrlichkeit ausgelegt und hier oder drüben Arg wohn oder Mißtrauen erwecken könnte. Washington hat gelernt, man arbeitet heute stiller, als vor der Expansionsperiode, aber darum nicht weniger konsequent, energisch und zielbewußtl Die «ouquist» paciiia», Amerika für Nord amerikas Industrie und Handel, ist das un- verrückbareZirl;die wohlerprobte und gern geübte clivicks et iwpera-Politik, gehandhabt mit nahezu unbeschränkter Ca- pitalSmacht, wird auch ferner zur richtigen Zeit und an richtiger Stelle ganz unbemerkt ihre Pflicht thun — und thun können, so lange dies Spiel in der alten Welt nicht genügend erkannt, in allen Phasen mit Aufmerksamkeit verfolgt und durch geeignete Gegenzüge allmählich vereitelt oder neutralisirt wird. Dazu aber ist allerdings gute Aussicht und Möglichkeit vorhanden, denn zum Glück für Europa macht sich rm spanischen Amerika mit zu nehmender innerer Erstarkung eine wachsende Anti pathie gegen die nordamerikanische An maßung, Einmischung und Hegemonie-Sucht geltend. Hin Symptom hierfür ist die jüngste Erfahrung, daß Chiles Vorschlag, zwischen Venezuela und Columbien zu ver mitteln, sofort bei beiden Staaten Annahme fand, nachdem Venezuela bei gleichem Anträge der Union die kalte Schulter ge zeigt hatte, während Columbien aus Rücksicht auf die noch un entschiedene Canalsrage allen Grund hatte, mit dem Norden auf gutem Fuße zu bleiben und sich gefügiger hatte zeigen müssen. Solche Stimmungen und Strömungen, die sich immer häu figer zeigen werden, soll Europa aufmerksam verfolgen, und im eigensten Interesse in kluger Weise unterstützen, denn es handelt sich um die E rh a l t u n g und Sicherung eines halben Weltt Heils zu wirthschaftlicher, in dustrieller Bearbeitung und Ausnutzung. Solches wird zudem ganz bedeutend durch d«n Umstand er leichtert, daß die Bereinigten Staaten ihren südlichen Nachbarn handelspolitisch wenig Vortheile zu bieten haben! Der Norden wünscht wohl dorthin zu «xportiren, wird aber aus Rücksicht auf die Entwickelung der eigenen Colonien und Schutzgebiet« tro pischer Production die eigene Thür mehr und mehr verschließen müssen. So fordert beispielsweise gerade heute Puerto Rico stürmisch die Auflage eines Importzolles von 5 Cents Gold per Pfund auf Kaffee, um Brasilien u. A. vom amerikanischen Markte auszuschlirßen. Bei dieser Gelegenheit kann namentlich der deutschen Re gierung nicht dringlich genug empfohlen werden, unermüdlich und prompt, entschieden und stets erneut, jede böswillige Ver leumdung oder auch nur Andeutung nordamerika- nischen Jntriguirens zu dementiren. Der Romane fühlt und denkt anders wie der Deutsche, und namentlich die Bürger und Staatsmänner der schwächeren continentalen Staaten Pflegen auS der Geschichte nur zu kennen die doppel züngig«, egoistische und amerikafeindliche Politik anderer euro päischer Mächte, ohne aber Veranlassung oder Geneigtheit zu Aben, uns Deutsche anders als unsere Nachbarn zu beurtheilen. Deutsche Expansion in China und Afrika vielen dem Nord amerikaner Handhabe genug, und sind sein bester Bundesgenosse in dem Bestreben, die Südamerikaner graulen zu machen, und sie an deutsche Begehrlichkeit und böse Absichten glauben zu lassen. Bei ruhigem und konsequenten Vorgehen ist es trotz aller pan amerikanischen Congresse wohl möglich, daß das handelspolitische Schwergewicht des südlichen Continents sich zunehmend nac Osten neigen wird! Der Krieg in Südafrika. Rosebery » Rede. * Lvnövu, 17. December. Urber die Ausführungen Rose bery'» irr seiner gestrigen Rede in Chesterfield, die sich auf den Boerenkrirg beziehen, wird noch Weiler gemeldet: Rosebery sei dafür eiogetreten, daß in Südafrika eine möglichst umfassende iberal« Amnestie erlasse« werde, und daß allen Boeren, welche den Treueid leisten, die vollen bürgerlichen Rechte verliehen werden sollen. Je rascher man sie in die Position der bürgerlichen Vereint» Wörtlichkeit bringe, desto besser sei es. Bis das Land be ruhigt sei, sollte ein Commission vo» vier Administratoren nach indischem Muster eingesetzt werden, die im Namen der Nation Ruhe und Ordnung im Lande wieder Herstellen > olle». Dieser Commission solle rin Vertretungsausschuß zur Seite stehen, in dem die Engländer die Mehrheit haben, und der für den Wiederaufbau und die Ausstattung der Farmen Sorge tragen soll. Rosebery will hierin mit sehr großer Liberalität vor» gehen. Schließlich befürwortet er die Zurückziehung der sogenannten Proclamation Kitchener'S. * Tatzftatzt, 18. December. Oberst Price stieß am 14. De» cember bei Dwaaifontein auf Schützen Odcndol's und Wessel'S. Der Feind, der 60 Mann stark war und 85 Pferde hatte, befand sich in einer festen Stellung unterhalb der Patriots- klip-Berge und hielt auch die Höhen besetzt. Ein Detachement Colonialtruppen erstürmte das Lager, wobei ein Osficier und zwei Mann verwundet wurden. Die Boeren flohen in die Berge und ließen 7S Pferde, Maulthiere, Munition, Sättel und andere AuS» rüstung-gegenstände zurück. Price nahm die Verfolgung auf. * Landon, 17. December. (Telegramm.) Der Brüsseler Berichterstatter deS „Standard" erfährt, im jüngsten Kriegsrathe der Boerenführer sei «ine neue Organisation der Boeren» Streitkräfte beschlossen worden. Die zahlreichen, aufdem ganzen südafrikanischen Kriegsschauplätze zerstreuten Abheilungen sollen in drei Corps unter Botha, Dewet und Delorey vereinigt werden. (?) Die beständigen Erfolge der Britentruppen und die Gefangennahme einer Anzahl kleinerer CommandoS hätten Botha zu diesem Ent schluß bewogen. (Boss. Ztg.) Britische Lehrbataillone für Südafrika. Das Londoner Kriegsamt hat einen neuen Plan zur Ver stärkung der britischen Streitkräfte in Südafrika ausgestellt, welcher beweist, daß man in den Regierungskreisen mit der Wahrscheinlichkeit einer noch recht langen Dauer des Krieges rechnet. Es sollen in der Capcolonie sechs sogenannte Lehr bataillone begründet werden, in denen alle neu eingetretenen Mannschaften drei Monate ordnungsmäßig ausgebildet werden und an das Klima, sowie an die Art der südafrikanischen Krieg führung gewöhnt werden sollen. Die Stärke jedes Bataillons ist auf tausend Mann angesetzt. Die Haltung Sanadas. O. Ottawa, 15. December. Um den ungünstigen Ein druck zu verwischen, den die Herabsetzung de» anfangs auf 2000 Mann bemessenen neuen kanadischen Hilfsregiments auf 600 Mann in England hervorgerufen hatte, hat die canadische Regie rung beschlossen, noch zwei Schwadronen berittene Gendarmerie in Stärke von 300 Mann nach Südafrika zu entsenden, so daß am 17. December 900 Mann von Halifax aus in See gehen werden. — Diese neue militärische Unterstützung der britischen Streitkräfte hat die französisch-cauadische Opposition gegen den südafrikanischen Krieg wesentlich verstärkt, und die Sprache ver schiedener französischer Blätter gegen England ist eine geradezu herausfordernde geworden. Die „loyalen" Blätter beschuldigen deshalb die französisch-canadischen Boerenfreunde, sic hätten sich mit der kürzlich hier anwesend gewesenen Jren-Abordnung zu hochverräterischen Anschlägen gegen die Sicherheit des Reiches vereinigt. Sin Stückchen vo» Dewet. Aus Afrika zurückgekehrte Soldaten haben, wie der „Daily Erpreß" mittheilt, folgende Geschichte von Dewet er zählt: Ern Theil des Ost-Kent-Regiments war bald nach der Conferenz zwischen Botha und Kitchener mit der Jagd auf Dewet beschäftigt. Dewet machte unerwartet plötzlich gegen keine Verfolger Front und nahm mehrere derselben ge fangen. Mehrere schwer verwundete Gefangene wurden nach einem Boerenhospital geschafft, wo sie zu Bett gebracht wurden, während die unverwundeten Gefangenen die Stelle von Lazarethpflegern vertreten mußten. Am zweiten Tage besuchten Dewet und B o t h a das Hospital. Botha rauchte eine Cigarette, während Dewet aus einer gewaltigen Pfeife qualmte. Einer der verwundeten Engländer sprang in seinem Bette auf, schüttelte seine Faust gegen Dewet und sagte: „Du verfluchter Holländer bist die Schuld an alle dem." Dewet nahm die Pfeife aus dem Munde und sagte: „Du sollst froh sein, daß Du hier in Frieden liegen kannst, während Bessere draußen sich hernmschlagen müssen; aber warte nur, bis Du ge sund wirst, dann will ich Dich tanzen lehren!" Dewet wandte sich nun einem anderen Soldaten zu und fragte: „Kann ich etwas für Dich thun?" Tommy sah ihn erstaunt an und er widerte dann: „Ja, mein Herr, geben Sie mir eine Pfeife Tabak und ein Streichholz." Der Boerengeneral reichte darauf dem Verwundeten seinen Tabaksbeutel und eine Dose Streich hölzer. Dann sagte er: „Ich werde Euch in ein oder zwei Tagen freilasscn!" Vierzehn Tage später war derselbe Soldat wieder bei denen, die auf der ewigen Jagd nach Dewet sind, und er hatte das Mißgeschick, zum zweiten Male gefangen zu werden, nachdem ihn eine häßliche Wunde in der Stirn be wußtlos gemacht hatte. Als er zu sich kam, war Dewet damit beschäftigt, ihm mit seinem Taschentuche die Wunde zu ver binden. Als der Soldat aufblickte, rief Dewet: „Habe ich Dich nicht vorher schon gesehen? Richtig, Du bist der Bursch, den ich vorletzte Woche gefangen habe; na, laß Dich nur nicht wieder fangen, denn eS könnte sein, daß ich das nächste Mal keinen Tabak und auch kein Taschentuch mehr habe!" Cecil Rhodes ZnkunftSplänc Der „Daily Telegraph" veröffentlicht zwei Denkschriften, die Herr Cecil Rhodes an Lord Milner und Mr. Arnold Forster gerichtet hat und die sich mit der künftigen B c - siedel ung Rhodesiens und der „neu zufallenden Landestheile", d. h. Transvaals und des Oranje- Freistaat-Gebietes, befassen. Boeren und Briten sollen gemischt leben und nicht wie bisher die Einen in der Stadt, die Anderen auf dem Lande. Es sollen Farmen an gekauft werden und mit jungen Engländern, die Militärdienste geleistet haben, besiedelt werden. Die Farmen sollen den An siedlern nicht geschenkt, sondern billig verkauft werden und die Erwerbung soll ihnen durch eine über eine lange Reihe von Jahren sich erstreckende Amortisation ganz leicht gemacht werden. Außerdem erhält jeder Ansiedler als Entgelt für seine Wehr pflicht 500, bezw. wenn er Cavallerist ist, 750 jährlich. Zur Durchführung des Projektes wären nicht mehr als 3 000 000 Pfd. Sterl. erforderlich, für die der Staat Garantie leisten soll. Es könnten dann mindestens 4000 Mann angesiedelt werden, die Herr Rhodes für den Sicherheitsdienst ausreichend hält. Es wäre jedenfalls billiger als ständige Garnisonen zu erhalten, die nicht gleich wirksam wären und nicht den Einfluß üben würden, der durch Vermischung von Ansiedlern mit der holländischen Landbevölkerung angestrebt wird und der für die künftige Gestaltung der Dinge von größter Wichtigkeit sei. Herr Rhodes hatte seine Denkschriften bereits im Mai 1900 ein gereicht, allein die englische Regierung scheint denselben kerne Beachtung geschenkt zu haben. Darum veröffentlicht er die selben jetzt. -- Deutsches Reich. -r- Berti», 17. December. (Hannover und Italien.) Das Hauptorgan der hannoverschen Welfen läßt eine sehr heftige Polemik gegen die „Kreuzztg.", die, wie es sich von selbst versteht, die Ereignisse und Handlungen von 1866 als in der nothwendigen historischen Entwickelung liegend vertheidigt hatte, vom Stapel und benutzt hierzu Auslassungen des führenden konservativen Organs zu den italienischen Einheitsbestrebungen 1859/61. Wir betrachten es nicht als unsere Aufgabe, vie „Kreuzztg." zu vertheidigen, um so weniger, als wir die Hal tung des Blattes zur italienischen Einheitsbewegung für ver kehrt halten mußten und noch müssen; aber es ist doch wichtig, den Welfen das Recht zu der Behauptung zu nehmen, daß auch nur ein Theil der nationalen deutschen Parteien mit zweierlei Maß messe, je nachdem es sich um den Vortheil Preußens oder um fremde Staaten handelt. Das welfischc Organ citirt folgende Sätze der „Kreuzztg." aus dem Jahre 1861: „Die Revolution tritt jetzt mit den Greueln und Schrecken auf, wie in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts . . . AuS dem Rechtstitel des „Volkswillens" Entthronung recht mäßig e r Obrigkeiten, . . . Krieg gegen Mitfürsten zu dem ausgesprochenen Zwecke ihrer Vertreibung." Das welfische Organ will also das Schicksal der 1859 und 1860 entthronten italienischen Fürsten mit dem Schicksale Hannovers vergleichen, um das conservative Blatt der Inkonsequenz zeihen zu können. Bei Hannover aber handelte es sich weder um den „Volkswillen", noch auch um einenKrieg zu dem ausgesprochenen Zwecke, die Han noversche Dynastie zu stürzen. Nicht Volksabstimmung entschied über das Schicksal Hannovers, sondern der Friede von Prag, in dem Oesterreich der Einverleibung Hannovers in Preußen seine Zustimmung gab. Wenn aber gar behauptet werden soll, der Krieg gegen Hannover sei zu dem ausgesprochenen Zwecke der Vertreibung der Dynastie geführt worden, so beweist die Ge schichte das Gegentheil. Preußen verlangte in der dem Kriegs - beginne unmittelbar vorangehenden Note vom 15. Juni 1866 von Hannover nichts Anderes, als die Neutralität, und es sicherte ihm dafür ausdrücklich die Erhaltung des T e r r i t o r i a l b e st a n d e s und der Souveränität zu. Daraus geht hervor, daß Preußen den Krieg mit Hannover nicht wollte, also auch nicht den Krieg in der Absicht, die hannoversche Dynastie zu vernichten, unternommen haben kann. Hannover rief selbst den Krieg hervor, indem es die preußische Note ablehnte, und es hatte demgemäß auch selbst die Derant I Wortung für die Folgen des Krieges. Welches wären denn aber I die Folgen gewesen,' wenn Preußen unterlegen wäre? Das I sprach vor dem Kriege die Wiener „Presse", die der öfter- Larmeltta, die Wundergans. Eine CircuS- und Weihnachtsgeschichte von Carl Müller-Rastatt. Nachdruck vrrboten. - „Fred! — Freddy! — Fredetto! — Wetter noch einmal, Junge, wo steckst Du denn? Signor Agosto, der Besitzer des CircuS Trumpellini — sein bürgerlicher Name war August Trumpel — trat auf die Schwelle de» Wohnwagens hinter dem leinenen CircuSzelt und sah suchend umher. E» war nur noch eine halbe Stunde Zeit bis zum Beainn der Zweiuhrvorstellung, der einzigen, die er heute, am Heiligen Abend, gab und die ihm die klingende Ernte der Festtage vor bereiten sollte. Am Morgen hatte die ganze Truppe vie ge druckte Ankündigung Hau» für Haus im Städtchen vertheilt, in da» sie erst gestern Abend spät eingezogen waren. „Große Kinder- Galavorstellung" prangte in klobigen Lettern am Kopf deS Programm», da» dir erlesensten Genüsse auf dem Gebiete der Pferdedreffur, Equilibristik, Orchestik und Athletik verhieß, al» Schluß- und Glanznummer aber da» „Auftreten de» unvergleich lichen Clown» Freddy Fredetto mit seiner einzig auf der Welt dastehenden Wundergan» Carmelita" anzeigte. Signor Agosto wiegte sich in der angenehmen Erwartung eine» auSverkauftrn Hause». Und während er nun die Mit glieder seiner Truppe, fünf an der Zahl und sämmtlich seine leiblichen Kinder, musterte, mußte er die Entdeckung machen, daß sein Star nicht darunter war. Freddy Fredetto, der Unver gleichliche, fehlte. „Wo kann denn der Bengel blo» sein, Mutter?" fragte Signor Agosto, die Tbiir de» Wagen» aufreißend. Signora Trumpellini saß, schon in ihrem rothbraynen Sammetkleide. in dem sie nachher al» „Orchester" de- Circus den Leierkasten dreht«, eine Brill« auf der fleischigen Nase, emsig über einem Paar de» Stopfen» sehr bedürftiger Beinkleider ihre» Aeltesten, Mister Johns, des Kettensprengers. In ihren jungen Jahren hatte sie auf dem Drahtseil cxcellirt. Jetzt excellirte si: nur noch als vortreffliche Köchin, Kostümiere und Cassirerin, die streng darüber wachte, daß auch nicht ein Nickel unnütz ausgcgeben wurde. Das Drahtseil hatte sie, ihrer zu nehmenden Corpulenz wegen, an Mademoiselle Esmeralda, die zweite ihrer Töchter, abtreten müssen. Auf die Frage ihres Gatten hob sie den Kopf und sagte: „Mach' doch die Thur zu, August. Bei den theuren Kohlen preisen brauchen wir nicht den ganzen Kirchenplatz zu Heizen. Du freilich wärst großartig genug dazu." Er schloß gehorsam die Thür. Trotz seiner martialischen Erscheinung und seines keck aufgewichsten Schnurrbartes war er in zweiundzwanzigjähriger Ehe der folgsamste aller Gatten geworden. Dann wiederholte er seine Frage. „Wo soll er denn sein?" fragte die Signora zurück. „Er ist vor einer Viertelstunde im Costüm hier herausgegangen, wollte Carmelita aus dem Käfig holen und mit ihr in den CircuS gehen." Und dabei suchte sie in ihrem Nähkorbe nach einem arößeren Flicken, den sie einem bedenklichen Riß im Beinkleid wes Kettensprengers aktflegen wollte. „Da ist er aber nicht. Und das Publicum versammelt sich schon. Der infame Junge wird doch nie Pünktlichkeit und Akkuratesse lernen. Aber ich will ihn —!" Er griff nach der Reitpeitsche, die in seinem linken Stulpstiefel steckte. Aber der Zorn in seinen Mienen machte im gleichen Augenblick der Be stürzung Platz. Von draußen klang die Stimme deS vermißten UNderaleichlichen Clown» hetein: „Papa, Pappino! Zu Hilfe!" „Ha soll doch gleich", rief Signor Trumpellini und stürzte hinauk. Seine Gattin stand brummend auf, schloß die Thür, die er natürlich wieder offen gelassen hatte und vertiefte sich dann abermal» in die Hofe« de» Kettensprenger». Der CtrruSdtreetor brauchte sich draußen nicht lange nach seinem Sohne umzusehen. Quer über den Platz kam Fred auf ihn zugelaufen, gefolgt von einer Horde lärmender Jungen, die ihre Hohn- und Spottreden über den Knaben im bunten Clowncostüm ergossen. . Signor Trumpellini zog die Reitpeitsche au» der Stulp« und stürzte, sie drohend über seinem Haupte schwingend, seinem Sohne zu Hilfe. Wie die Truppen Lucifer's vor St. Michael's Flammenschwert, stoben Fred's Verfolger bei diesem Anblick auseinander mit einer Geschwindigkeit, die jede Verfolgung aus sichtslos erscheinen ließ. „Verfluchte Brut, nehmt Euch in Acht, daß Ihr mir nicht in die Finger gerathet", drohte Trumpel hinter ihnen her. Und dann zu seinem Jungen: „Maledetto, wo hast Du denn ge steckt?" Aus dem bemalten Antlitz mit todesiraurigen Augen den Vater anblickend, hielt Fred ihm etwas Weißes entgegen, daß er bis dahin bei dem tollen Lauf schützend an seine Brust ge drückt hatte. „Mit Steinen haben sie sie mir todt geworfen, Pappino! Mit Steinen! Die Schufte!" Zur Statue entgeistert stand Signor Trumpellini und sah bald seinen Sohn und bald das Weiße in seinen Händen an. Jetzt sah er, daß cs der weißgefiederte Leib eines großen Vogels war. Bei der Bewegung, die Fred gemacht hatte, war der Kopf, der bis dahin obenauf gelegen hatte, abgerutscht und hing nun an dem langen weißen Halse baumelnd herunter, die gelbrothe Schnabelspihe erdwärts gerichtet. Das war Carmelita, die Wundergans. Und in einer Viertel stunde begann die Vorstellung, deren Publicum sie als Glanz nummer erwartete. Die Steine der Gassenjungen hatten nicht nur Carmelita das Lebenslicht ausgeblasen, sie hatten auch dem Renommee des berühmten Circus Trumpellini den Gnaden stoß gegeben. Und während der Herr Direktor starr vor Entsetzen dastand, heulte Freddy Fredetto, der unvergleichliche Mristerclown, zum Gotterbarmen. Dicke Thränen kollerten ihm über die Wangen, wühlten sich wie Gießbäche Weste durch die Kreide und die Mennige, mit der der Junge sein Antlitz fingerdick bestrichen hatte, vermischten die Farben und führten sie mit sich auf den blauen Kragen seines Kostüms hernieder. „Das überleb« ich nicht!" rief Vater Trumpel, „meine Reputation ist hin!" „Ca—ca—carmelita", schluchzte Fred, „Io—to—to—todt» geschmissen!" Und wer weiß, wie lange sie dieses Trauerduett, diese zwei stimmige Todtenklage, fortgesetzt hätten, wenn jetzt nicht Frau Minna Trumpel auf dem Schauplatz erschienen wäre. „Was macht Ihr denn noch hier?" fragte sie, majestätisch zu den Beiden tretend. „Wir sind ruinirt!" rief Vater Trumpel. „Carmelita, da, Straßenjungen todtgeschmissen!" schluchzte Fred. Frau Minna Trumpel sah die Gänseleiche in den Händen ihres Jüngsten. Sie empfand auch ihrerseits die Tiefe des Schicksalsschlages, der den so beliebten Circus Trumpellini ge troffen hatte. Aber als resolute Frau faßte sie sofort die noth wendigen Conscqueuzen ins Auge: „Nach der Vorstellung mach« ich beim Bürgermeister die Anzeige. Die Bengels müssen gefaßt werden und die Alten müssen blechen. Jetzt vorwärts in den Circus. Wir dürfen das Publicum nicht warten lassen." „Ich ka—kann nicht auftreten", schluchzte Fred. „Wenn Car—carmelita todt ist, wi—will ich auch nicht leben." „Dummer Junge", murrte seine Mutter. „Um eine Gans Dich so anzustcllen. Allons!" Frau Minna vergaß, daß schon ältere Leute, als ihr Fred, um eine Gans de» Lebens überdrüssig wurden. Um eine ganz gewöhnliche Gans. Und Carmelita Ivar immerhin eine Wundergans gewesen. „Aber was wird aus der Vorstellung ohne die Glanznummer, Mutter?" remonstrirte der Herr Direktor. Seine Gattin überlegte «inen Augenblick: „Wir machen das Programm ruhig Durch bis zur Schlußnummer. Dann an- noncirst Du dem Publicum, was passirt ist. Und statt des Auf tretens Carmelita's geben wir — ein komisches Intermezzo. Mercedes muß die GanS oorstellen und Fred fuhrt sie vor, al» wenn eS Larmeltta wäre." Mercedes war die ältere der Trumpel'sch.'N Töchter. Sie hattc^im Programm bereits zwei Nummern, als Panneaureiterln und Spitzentänzen». Nun schuf ihr die mütterliche Intelligenz ein drittes, bis dahin im Circus noch unbekanntes Genre: die Gänsermitatior
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