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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.12.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011218026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901121802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901121802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-18
- Monat1901-12
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December: General French berichte daß Tommandant Kruitzinger bei dem Versuche, die Blockhäuser-Linie in der Nähe von Hanover Road zu überschreiten, schwer verwundet und gefangen ge nommen worden sei. Das ist für die Boeren ein fataler Schlag, denn Kruitzinger war einer ihrer gewandtesten, kühnsten und glücklichsten Führer, der, namentlich in der Capcolonie, die Engländer, immer vor ihnen „fliehend", bald da, bald dort auftauchend, lange von einem Ende zum anderen herumgehctzt hat. Hanover Road liegt an der Bahnlinie De Aar-Naauwpoort-Middelburg-Colesbera, im nördlichen Theile der Capcolonie, wo Kruitzinger die Seele des boerisch-holländischen Widerstandes war. Die Blockhäuser scheinen also doch den Boeren erheblich zu schaffen zu machen, und die Durchbrechung dieser Mausefallen wird noch Anlaß zu mancher Hiobspost sein. Indessen warnt selbst der „Times"- Corrrspondent in Pretoria, trotz der letzten britischen Erfolge, davor, sich übertriebenen Hoffnungen hinzugeben, und führt ferner auS, daß die Truppennoth in Südafrika in dem Maße, wie die Linie der Blockhäuser sich ausdehnt, immer größer würde und daß die Regierung Fußtruppen senden müsse, koste es, was es wolle. * Lanltan, 17. December. Lord Kitchener meldet aus Pretoria vom 16. December: Während der verflossenen Woche wurden 31 Boeren getödtet und 7 verwundet) 372 Mann wurden gefangen genommen, und 48 Mann haben sich ergeben. Nach eingehender Beschreibung der Einzelheiten der verschiedenen im Gange befindlichen Operationen schließt Kitchener's Bericht, es bestätige sich, daß M a r i tz ernstlich verwundet worden ist. Die Fortschritte eines Theiles der letzten Woche seien sehr befriedigend. Die einzelnen Truppen- abtheilungen arbeiteten sehr eifrig. Alle Truppen seien von vorzüglichem Geiste beseelt und leisteten das Aeußerste, um den hartnäckigen Widerstand des Feindes zu brechen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 18 December. Unter der Ueberschrist „AuS der katholischen Welt" ver öffentlicht die „Köln. Ztg." die folgende Zuschrift eines katholischen Priesters: „Es geht rin eigenthümliches Göhren durch den Katholicismus in Deutschland. Gerade zu einer Zeit, wo der politische, nach mittrlalterlichrr Machtausübung strebende Katholicismus in seiner Blütheperiode steht und wähnt, nach den erträumten Früchten nur noch die Hand ausstrecken zu dürfen, erhebt sich im eigenen Lager eine Stimme nach der andern, welche den EntwickelungSgang der letzten Jahrzehnte mehr al- eine Verirrung denn als den Glanzpunct der katho- lifchen Religion bezeichnen und immer lauter und deutlicher eine Umkehr verlangen. Die Tentrumsblätter, welche dir herrscheadr Richtung vertreten, fühlen so etwas, wie wenn hier und dort der Boden unter ihren Füßen zu wanken drohte und dieses Gefühl macht sich in einer lebhaften Gereiztheit gegen die unbequeme Bewegung und ihre Vertreter gellend. Sie haben kein Bcrsiäubniß für die Bestrebungen hervorragender katholischer G-lebeter, sich aus den weiten Gefilden der modernen CuUur selbst eine Hütte, mitten unter den andern drinnen, auizurichlen und an der Bebauung der selben gemeinsam mit den andern mitzuaraeiten. Ihr Sinn ist unverwandt aufs Mittelalter gerichtet, die goldene Zeit, wo ihre Ideen durch Zwang zur Geltung gebracht wurden, indem der Staat z. B. in der Inquisition der Henkersknecht der Kirche war. Bon diesen herrlichen Zuständen gilt eS zu erhalten, waS noch zu erhalten ist. Wohl haben die Wogen der modernen Zeitslrömung den alten morschen Bau größtentheils sortgerissen, es sollen wenigstens die Trümmer noch gerettet werden, vielleicht daß es bei einer starken politischen Machtstellung doch gelingt, der Zeit zum Trotze ein neues Gebäude an die Stelle deS alten zu setzen. Darin erblickt nun die neuere Richtung im Katholicismus Deutschlands nicht einen Triumph, sondern einen Miß brauch des heiligsten Gutes der Menschheit, der Religion. Sie erkennt wohl an, daß zu Culturkampl'szeilen die Hervorkebrung des politischen Machistand- pnnctes eine traurige Nothwendigkeit war, ober sie erkennt nicht an, daß nach Zusammenbruch dieser kurz dauernden Epoche der poli- tische Katholicismus, der in harter Zeit nur rin Mittel zum Zweck, zur Verthedigung der katholischen Kirche, gewesen war, immer weiter cultioirt und zum Selbstzweck ausgebildet werde; die poli- tische Leidenschaft reißt ja die Massen mit und fuhrt zu lärmen den Scheinerfolgen, mag auch das Innere hier und da voll Moder sein, die Religion ober schreitet still in einfacher Majestät ihren Weg, von Herz zu Herz; sie wirkt wie der, von dem der Prophet Jesaias sagt: „Er wird nicht schreien, noch rufen, noch wird man auf der Gasse seine Stimme hören. Das zerknickte Rohr zerbricht er nicht u> d den rauchenden Docht löscht er nicht aus." Diese Worte möchte der Katholik besonders in seinen Priestern verkörp rt seken; statt dessen siebt er viele von ihnen im Getümmel des politischen Straßen« kampieS mit aller Welt laut zanken und streiten, als ob sie vergessen hätten, daß sie in erster Linie Diener ihrer heiligen Religion, nicht Zutreiber einer politischen Partei sind. Viele fühlen das, ober — die Verhältnisse haben sich einmal so entwickelt, wir Katholiken müssen das Centrum erhalten, damit Culturkampisgrlüsten entgegengetrelen werden kann. So lautet die Entschuldigung. Wie aber, wenn der Geistliche nicht als cholerischer Parteimann, sondern als ehrwürdiger Priester dort arbeitet, wohin ihn der Herr geletzt hat, im Wein berge Gottes — und wir würden fürchten, eine Blasphemie zu begehen, wenn wir daS Centrum als den Weinberg Gottes bezeichnen würben —, wenn er die ihm übrig bleibrnde Zeit zu socialer Tbätigkeit verwendete, z. B. aus dem Laude draußen Raisseisen-Vereine und Lagerhäuser statt sogenannte christliche Bauernvereine, diese Centrums-Zweigvereine, gründete, oder aber der Wissenschaft, all den großen Problemen, die auS dem Boden der modernen Zeit für den Katholiken empor gewachsen sind, sich widmete. Wäre da wirklich zu befürchten, daß der unter dem Einfluß eines solaren Prieslertbums stehende Laie aus politischem Gebiete für Bestrebungen rintr.ten würde, die be- rechtsten Interessen seiner Kirche oder gar seiner Religion ent gegen wären? Das würde nicht das Ende deS CentrumS bedeuten, wo.ü ober das Ende vieler Aerge rnijse, die vor Allem den nicht centrumS- aber kirchentceuen Katholiken durch politische, ins Reli giöse. in die Seelsorge eingreifende Hetzerei gegeben werden. ES würde auch der Anfang sein in der Befolgung der Worte Christi, zu suchen, waS verloren war, nicht es zu bekämpfen und zu beschimpfen. Aber ist nicht ein neuer Culturkampf angebrochen, bei dem alle Kathol ken auf politischem Gebiete dicht gedrängt zusammensteden müssen? Es ist wahr, die CeatrumSblätter vnkündrn den „neuen Culturkampf", aber ehrliche Katholiken schämen sich, so ost sie dies« künstlich gezüchtete Unwahrheit hören. Ein Culturkamps ist rin politischer Kamps gegen die katholische Kirche, wie er ichon zu Zeiten der römischen Kaiser entbrannt war. Ter geistige literarische Kampf, den der Unglaube und andere Consessionrn gegen den katholicismus führen und immer führten, ist doch wahrlich kein Culturkampf im eigentlichen Sinne, kein Kampf, der von einer politischen Partei ausgefochten werden kann. Wo also ist in Deutschland ein neuer Culturkampf entbrannt? Man hat, wie un- scheint, dieses Schlagwort ersonnen, um dem Feuer der Partei leidenschaft neue Nahrung zu geben, nachdem sich diese mit dem Schwinden der Lulturkampsgrsetze in bedrohlicher Weise ge mindert hat. Die richtige Stellung der Religion, ihr» innere, höhere Auf fassung und religiöse, nicht politische Ausübung ist rS also, was die neue Richtung im KatdolicismuS vor Allem anstrebt. Aber auch noch viele andere Anschauungen trennen diese Richtung vom politischen Katholicismus und die Kluft ist so groß, daß die Gefahr eines an brechenden „Culturkampfes" im Lager der Katholiken ielbst nicht unterschätzt weiden darf. Ob ein solcher entbrennen wird, dürfte fast ausichließlich von der Haltung der Centrumsprrssr abhängen. Im Kreise der ruhigen Vertreter der neuen Richtung will man keinen gegenseitigen Bernichtunqtkampf, man wünscht nur, daß dir CentrumSpresse ungestört und ruhig die verschiedenen An- sichten darlege und in der Vertretung ihre- Standpunktes sich nicht von dem Bestreben leiten lasse, Andersdenkende zu unter drücken. Aus diese Weise bösst inan allmählichen Ausgleich und Verständigung. Die Aussichten aus Toleranz sind allerdings bi» jetzt nicht sonderlich günstig, da dir Centrumspresse nicht nur Lentrnm und Katholicismus, sondern vor Allem Centrumspresse und katholische Ueberzengung praktisch für identisch halten. Wenn sie jedoch sieht, wie kräftig die neuere Richtung plötzlich austritt — ich erinnere an verschiedene Namen, die bei der klassischen „Welt- geichichte in Charakterbildern" vertreten sind, vor Allem an daS Buch des Prälaten Ehrhard über den Katholicismus und dos zwanzigste Jahrhundert, an die Zeitschriften, in welchen diese Richtung zum Wort kommt („Renaissance" und „Freie Deutsche Blätter") — so wird sie vielleicht doch au» praktischen Gründen nicht gleich den Kampf aus Leden und Tod ansnehmen." Diese Gäbrung, Lieser Kampf einrr neuen, nicht nur Politik und R ligion von einander trennenden, sondern auch nach einiger F eideil ter Forschung ringenden Richtung inner halb des deutschen Katholicismus gegen die vom Zentrum repräsentiere alte ist eine der bedeutsamsten Erscheinungen der neueren Zeit. Daß sie kommen mußte, war freilich Jedem klar, der den Zustand, ven die CentrumSherrschaft nicht nur in unserem politischen L den, sondern auch im Katholicismus allmänlich herbeigeführl hat, genau verfolgte und sich sagte, daß klar denk^nte und ihr Vaterland eoenso w'e ihre Kirche liebende Katholiken diesen Zustand auf die Tauer nicht ertragen könnten. Ein „Culiuikampf im katholischen Lager" ist unauebleiblich. Das erkennt man allem Anscheine nach auch an der maßgebenden politischen Stelle. Die Ernennung Spahn'S zum Professor in Straßburg ist jedenfalls in der Absicht erfolgt, die neue Richtung zu stärken und ihr Einfluß auf die akade mische katdolische Jugend zu schaffen. Die Art, wie diese Maßregel proclamiit wurde, batte freilich nur die Folge, die Vertreter der alten Richtung aufzureizen. Und ob Zuichrifken, wie Vie vorstehende, besseren Erfolg baden, ist leider fraglich. DaS Eentrum bat nun einmal eine politische Macht, mit der die Regierungen rechnen müssen, und eine noch gefährlichere kirchliche Macht, weil hinter ihm der von den Jesuiten gelenkte Vatican siebt. Mil seinem politischen Einflüsse legt da» Eentrum der Negierung Zaum und Zügel an, wenn sie die neue Richtung zu begünstigen sucht, mit seiner kirchlichen Macht beugt eS deren Woilfübrer (vergl. den Fall Schell). Und eine solche Doppelmackt bekämpft man mit Aussicht auf Wirkung nicht mit Darlegungen, die trotz aller Anklagen gegen daS Eentrum roch in dem Wunsche auSklingen, so lange wie möglich mit idm in Frieden zu leben. Um einen solchen Kamps mit Hoffnung auf Erfolg führen zu können, gehört in erster Linie stille Samm lung energischer Anfänger, die bann bei Gelegenheiten, in denen politische Machtfragen zur Entscheidung gelangen, mutbig dem Centrum entgrzentreten. Bevor die neue Rlchiunz im deutschen Parlamente den Einfluß der jetzt ausschlaggebenden Fraktion wesentlich herabsetzen kann, ist an einen melkbaren Einfluß dieser Richtung aus die Regierung nicht zu renken. Freilich gilt eS dann bei Wahlen, nicht nur gegen EentrumScanvidaten zu kämpfen, sondern auch Front zu machen gegen die geistigen Leiter der alten Richtung; gegen die römischen Jesuiten, de, en indirecier Eu fluß auf dir deutschen katholischen Wähler erst gebrochen werden kann, wenn eine große Zahl namdaster, vertrauenswerther katholischer Männer mit ren Ieluiten bricht. Daß ein solcher Bruck, siiibem daS Uufeblbarkritsbogma proclamiit woiden ist, zu den schwersten Entschließungen einer Katholiken gek ört, braucht nicht naher darzelegi zu wereen. Aber wer daS Ziel erreichen will, darf auch die rechten Mittel nicht scheuen. Und erst wenn diese Mittel energisch in Anwendung gebracht werden, kann die neue Richtung der Unterstützung von protestantischer Seite, odne die eine Zurückoiängung deS CentrumS kaum möglich ist, sicher sein. Es ist gar nickt zu verkennen, baß in gewisser Hinsicht die neue Richtung dem Protestantismus mehr Abtrag tbnn kann, als die alte. Ader bas darf und wird einsichtige Prolestanten nicht abhalten, in entscheivenben Fällen die neue gegen bie alte Richiung zu unteistützen, denn auf bie Seite der ersteren zwingt schon ver PalrwuSmuS, ganz abgesehen von der Gegnerschaft gegen den JesuitiSmuS. Wie die „Nat.-Lib. Corr." hört, besteht regierungsseitig die Absicht — und es wird voraussichtlich an ihr festgehaltea —, die Dauer der kommenden p> ruqischcn La»-lagsie„ioii mög lichst abzukürzen. Das genannte Organ fügt hinzu: „Alles Interesse wird sich in den nächsten Monaten auf die Fertigstellung des Zolltarifs richten, so daß cs begreiflich er scheint, wenn davon Abstand genommen wird, im Landtage neue Aufgaben zur Diskussion zu stellen, welche die Einheit der Action der Regierung bis zu einem gewissen Grade stören könnten. AuS diesem Grunde dürfte auch die Nachricht von der Einbringung eines Schulunterhaltungsgesetzes in der nächsten Tagung nicht ernst zu nehmen sein." Damit scheidet, wie vorauszusehen war, die Canalvorlage aus dem Programm dieser Session aut. Gelegentlich seiner Guildhall-Rrde wieS der Prinz von Wales auf die Nothwendigkeit einer ver-- Ferrillatsn. Gräfin LesM. 3j Roman von Heinrich Lee. Nachdruck vcrbo'en. Im Vestibül stand der Geschäftsführer. Er war von dem, was er jetzt von den Damen über Leonard's plötzliche Abreise ver nahm, total überrascht. Sofort begab er sich mit ihnen ins Divectionsbureau. Herr Frankloff, der Director, unterhandelte dort eben mit dem Tapezier wegen einer Decoration zu dem neuen Ausstattungsstück, wozu er die Zeichnung selber entworfen hatte. Um jeden Nagel im Geschäft kümmert« er sich. Direktor Frankloff war ein eleganter Mann, stets im glänzenden Cylinderhut, den er n« unv nirgends abnahm und von ruhigem, aber gebietendem Wesen, daß bei seinen Mitgliedern keine Auflehnung duldet«, und mit dem er den großen Apparat seines Geschäfts in pein licher Ordnung hielt. „Dann ist er durchgegangen!" sagte Herr Frankloff ruhig nach dem Berichte des Geschäftsführers. Wohin? Das wußte man eben nicht. Darauf befahl er, nach Berlin an eine Agentur zu telegraphiren, um sofort Ersatz zu schaffen und für die Nummer Leonard'- heute Abend eine ander« rinzuschieben. Sisi sing in der Garderobe, während sie Frau Camilla ent kleidet«, wieder zu weinen an. Jetzt erst war sie unglücklich ge worden. Wo war er hin? Niemand wußte es. Nun war sie allein. „Wenn Du jetzt nicht aufhörst, dann läuft Dir di« Schminke aufs Lochst!" sagte Frau Camilla, Indem sie Sisi auf jede Wagae einen Klaps mit der in di« Carminbüchse getupften Hasenpfoie gab. Sie war von diesem spurlosen Verschwinden Leonard's durchaus befriedigt. Wenn «r sich blos niemals wieder blicken ließe. Zwei Stunden später standen vor der kleinen Eingangspforte, die für dir Künstler diente, von dem matten Scheine einer ein- samrn Gaslaterne bestrahlt, auf dem öden, menschenleer«,: Plätz- chen, da» sich htrr nach dieser Seite zwischen dem Gebäude und dem dicht daran gelegenen dunklen Stromufer hinstreckt«, zwei Herrrn. E» waren Goppendorf und der Fürst. In einiger Ent- fernung hielt ein Wagen. Der Fürst hatte eS sich in den Kopf arsrtzt, hier auf Sifi, nachdem sie eben mit ihrer letzten Nummer fertig war, zu worwn und st«, wenn auch natürlich in Gesellschaft ihr« «avrrmrkdlichen Tante, zu einem kleinen Souper einzuladen, tzwtz «in einem nahen Weinrestaurant, dem besten in d«r Stadt, bereits bestellt hatte. Jedenfalls brauchte sich Goppendorf den in Aussicht stehenden kulinarischen Genuß nicht entgehen zu lassen, wenn auch voraussichtlicher Weise von den bestellten vier Cou verts nur zwei zur Verwendung kommen würden. Das Warten war nicht gerade ein Vergnügen. Der Wind war noch heftiger geworben und fegte über den weiten Platz, nach dem das Haupt portal hinausging, stürmische Staubwirbel. „Ich glaube, dort kommen Mücke und Rendsberg", sagte Goppendorf. Zwei Officiere kamen über den Platz, sie waren beide Göppen- dorf's Freunde, gehörten zu der intimen Stammtischrunde und waren auch schon dem Fürsten bekannt. Wenn Frau Camilla, was jedenfalls geschehen würde, auf die beiden Couverts verzichtete, so hatte man an Mücke und Rendsberg wenigstens einen Ersatz an der Hand, dachte Göppen- dorf. Er rief die Freunde an. Sie wollten Beide nach dem Casino; als Göppendorf aber erzählt«, um was eS sich handelte, fanden sic daran einen großen Spaß. Gewiß — wenn Frau Camilla ablchnte, so war man mit Vergnügen zu dem verlangten Ersatz bereit. Aber dann wollte man auch als Zeuge hier bleiben. Weder Göppendorf noch der Fürst hatten dagegen etwas einzuwenden. Um dieselbe Zeit verließ auch Misko das Gebäude. Von einer Baumalle«, die quer den Platz durchschnitt, und durch die er ging, geschützt, wurde seine Gestalt von keinem der vier Herren bemerkt. Auch ihm war die Künstlerpforte wohlbekannt. Er wußte, daß oort Sisi jeden Abend herauskam, und mehr als einmal hatte er schon hier hinter den Bäumen gestanden und von ferne ihre Gestalt, ihre Tante zur Seite, in dem Wagen verschwinden sehen. Jetzt erblickt« er di« vier Männer vor dieser Thür, Officiere. Misko blieb stehen. Einen, auf den eben das Licht der Laterne fiel, er kannte er, er war der Einzige in Civil — e» war dieser Herr von heute Vormittag, der Sisi einen Ring an-geboten batte. WaS wollte der hier — und die Anderen dazu? Misko erkannte jetzt auck Göppendorf. Er zweifelt« nicht mehr, e» handelte sich um Sisi. Die Baumallee führte dicht an das Flußufer und an die dasselbe umschließende Böschung heran. Hinter dem dicken Stamme einer Platane faßte Misko Posten. Mücke und Rendsberg wurden ungeduldig. „Ich heb' Hunger", sagte Mücke, „wenn sie nicht in fünf Minuten kcmmt, dann geh' ich " In diesem Augenblicke ging die kleine Thür auf. Es waren die beiden Damen, beide in dichtte Tücher gehüllt. Der Fürst zog den Hut, während dir drei Officirr« di« Finger an die Mützen legten.,. „Darf ich mir erlauben, Madame", sagt« jetzt der Fürst, „die Damen zu einem kleinen Souper einzuladen?" „Danke", erwidert« Frau Camilla kurz, nahm Sisi bei d.'r Hand und schritt mit ihr dem Wagen zu. Der Fürst vertrat ihr den Weg. Er wurde zudringlich. „Danke!" wiederholte Frau Camilla noch einmal in scharfem Ton«. Da die Herren der Böschung den Rücken zuwandten, so sah Niemand von ihnen die männlich« Gestalt, die sich jetzt hinter ihr erhob und mit heftig raschen Schritten auf den Fürsten zu trat. Im nächsten Augenblick« stand sie vor ihm. „Leszek!" rief Göppendorf zuerst, als er Misko's blasses, auf geregtes Gesicht erkannte. „Hören Si« nicht", stieß MiSko hervor, sich gegen den Fürsten wendend, „bie Dame dankt Ihnen. Sir sind ein Unverschämter!" DaS Wort war ausgesprochen. In alle Ohren ringsum fiel es wie ein Knall. „Herr!" brachte nur der Fürst hervor und erhob gegen MSko seinen Arm. Aber Mikko umspannte diesen Arm sammt dem andern mit seinen Händen, schleudert« den Fürsten, bevor noch «in«r der Um stehenden in dem panischen Schrecken, der Alle ergriffen hatte, es zu hindern vermochte, gegen die zu dem Gebäude gehörige Holz wand, ging darauf zu dem Wagen, öffnete den Schlag und sagte zu den beiden Damen: „Bitte, mein« Domen, steigen Si« rin!" Sisi hatte nur einen Schreckensruf ausgeftvßen, Frau Ca milla dagegen war ganz stumm g«bli«ben. „Ich danke Ihnen", erwidert- ste jetzt ruhig, indem flr mit S'si einstieg. Misko schloß den Schlag, rief dem Kutscher zu, davonzufahren, der Wagen rollte über den Platz und war bald in der Dunkelheit verschwunden. „WaS haben Sie gethan?" rief Göppendorf jetzt, während seine Kameraden, um Weiteres zu verhindern, den sich aufrichtrn- den Fürsten, der sich -wie toll geberdete, festhielt«n. „Ich steh« den Herren zur Verfügung!" erwiderte Mikko. Er grüßte, dann entfernt« er sich. D«r Scandal hatte zu viele Zeugen gehabt, er ließ sich nicht mehr klanglos au» d«r Welt schaffen. Er mußte also in der üblichen Weise an-getragen werden. In einiger Verlegenheit befand sich Göppendorf. MSko hatte den älteren Anspruch an ihn, aber auch der Fürst hatt« welchen, um so mehr, als.der Fürst der Beleidigt« war. Eins gegen vaS Andere abgewogen, war eS der Fürst, dem er sich zu Diensten stellen mußt«. Als sein Sekundant macht« «r sich am nächsten Morgen auf den Weg, um bei Misko in dieser Eigenschaft vor- zusprrchen. Misko wartete bereits. Er fühlt« sich wie erlöst — wie von einem langen Alpdrücke befreit. Er hatt« Sisi einen Dienst er wiesen. für sie gab er seine Brust der feindlichen Pistole preis — oll' das auälende, müßige Gefühl in ihm setzte sich nun endlich in ein« frische Lhat um. Fiel er — nun, so war er aller Bedenken und Zweifel ledig. Blieb er aber am Leben — und nun sah er dies L«bcn, um daS er jetzt zu kämpfen haben sollte, wie etwas Neues vor sich, wie rin Geschenk —, nun, so wußte er jetzt, was sein zukünftiges Glück und seine Freud« war. Sisi war sein Glück. Sie besitzen — als sein W«ib! Er war «in selbstständiger Mann. Niemand hatt« er üb:r seine Handlungen Rechenschaft abzulegen. Genau besehen — was war denn gegen ein« solche Heirath einzuwcnden? Daß Sist ein- Circuskünstlerin war? Auch andere bekannte Aristokraten hatten doch solch« Damen a«hrirathet. Sie war eben «in armes, bürg«: liehe- Mädchen. War rr nicht selber reich genug? Das Vor urthril oder sein Glück! Er hatt« zu wählen. Und nun halt' er gewählt. Göppendorf kam. „Ich bin in einer fatalen Lage, lieber Leszek", begann er aber er brauchte sich nicht lange zu rechtfertigen. Misko sah seine Lag« vollkommen ein. Es handelte sich also nur darum, auch für Misko einen Sekundanten zu beschaffen. „Fällt Ihnen Jemand dazu ein?" fragte Göppendorf. Misko überlegt« eine kurz« Weil«, dann sagte «r: „Ja! H«rr von Below!" Göppendorf «rilärt« sich b«r«it, Herrn von Below zu b«r ständigen. Zwei Stunden später wurde b«i Mirko eine Kart abgegeben — di« Karte Herrn von Below's. ES war nur «in einfacher Eavaliersoienst, um den Mitlo hiermit Herrn von Below halt« bitten lassen. So faßte e- dieser in der Unterredung, die er mit MiSko hatte, auch auf. „Ich danke Jbnen", sagt« Miko zum Schluss« unv reichte Ihm mit der Warme, sie ihm dieser Mann einflößw, und die er schon allein durch die schlichte, einfach« Art, mit der er keiner Bitt« nachgekommen war, verdiente, die Hand. Eine Frage schwebte ihm dabei aus den Lippen, di« Frage nach seinen Schick salen — warum er wir «in Verbannter hier in di«ftr Stadt saß, so zurückgezogen und allein- Aber dks«r Mann batte ihm seine aufrichtige Therlnahmr dielleickt als bloß« Neugi«r aus lrgen könnrn; darum hirlt «S Miko für besser, zu schweigen. Den iibriarn Tag verbracht« Misko damit, Brief« »u schreib«,; Sist wallt« n nicht mrhr s«h«n, auch mit Frau Camilla
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