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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.12.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011221028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901122102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901122102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-21
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Anzeigen,Prel- die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung .Ä 60.—, mit Postbesörderung ./L 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end »Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 85«. Sonnabend den 21. December 1901. 95. Jahrgang. Der Krieg in -Südafrika. Tie militärische Lage. Der Kriegsberichterstatter der „Times", dessen Berichte sich immer durch Klarheit und Sachlichkeit auszeichnen, depeschirt seinem Blatte aus Pretoria unter dem 17. December und läßt sich etwa wie folgt vernehmen: Das westlich « Transvaal ist bis zur Linie Rusten- burg-Ventersdorp-Klerksdorp frei vom Feinde und binnen kurzer Frist wird diese Linie bis Mabalstand reichen. Im Augenblick findet eine Concentrirung der Boerrn unter Kemp zwischen Rustenburg und Zeerust statt, während Liebenberg, wahrscheinlich im Verein mit Delarey 400 Mann 40 Meilen nordwestlich von Klerksdorp vereinigt hat. Andere zweihundert Mann stehen bei Wolmaranstad. Im östlichen Transvaal dehnt sich die Linie der Blockhäuser und Polizeiposten vom Oliphants-River südlich bis Standerton aus, aber die Boeren können immer noch west wärts freikommen. Vor zwei Tagen drang ein 150 Mann starkes Commando in das Gebiet westlich des Wilge-Rioers ein; dieselben werden scharf verfolgt und werden entweder ausweichen müssen oder gefangen werden. Die Blockhauslinien halten den Feind nicht gänzlich fern, wenn sie nicht nach dem neuesten Modell, wie die Standerton-Ermelo-Linie gebaut sind, nämlich 600 Aards von einander entfernt und durch Stachcldraht- geflechte verbunden. Mit weiteren Abständen erbaute Block häuser dienen nur dazu, den Feind festzuhalten und in Furcht zu setzen. Sie hindern die Boeren wohl am freien Passiren, aber wenn sie entschlossen sind, die Linie zu durchbrechen, so können wir sie bei Nacht nicht daran hindern. Zwischen der Natal-Bahn linie und dem Vaal sind mehrere kleine Abtheilungen des Feindes zerstreut, einschließlich derjenigen Grobelaar's, des Nach folgers von Buys, welche jetzt nördlich des Vaal oberhalb Billiersdorp steht. Von der Oranje-River-Colonie kann man nicht sagen, daß das ganze Land südlich der Linie Krmberley- Wrnburg-Bloemfontein-Ladybrand frei vom Feinde sei. Im Westen halten sich mehrere kleine Gruppen, einschließlich derjenigen von Wessels und Nieuwhoudt, welche aus 200 Mann bestehen, während Kruitzinger's Leute vor einigen Tagen in der Nähe von Philippolis waren. Oestlich der Bahnlinie müssen etwa 300 Boeren stehen, und zwar südlich der Thabanchu-Linie. Das große Gebiet des Nordost-Districts wird allmählich durch die Blockhäuser verkleinert, und man hofft, daß das Land zwischen dem Vaal und der Heilbron-Frankfort-Cor- nelia-Linie bald gesäubert sein wird. Die unter DeWet con- centrirten Boeren, welche aus den Heilbron-, Bethlehem-, Frankfort- und Verde-Commandos bestehen, sind in zwei Truppen getheilt und stehen in dem Dreieck Lindley-Senekal-Bethlehem. Soweit die militärische Lage. Der „Times"-Correspondent schließt seinen Bericht dann mit einer sehr verständlichen Warnung: „Was die allgemeine Entrüstung über die kürzlich von den Boeren an Eingeborenen begangenen Frevel anbetrifft, so ist es nothwendig, davor zu warnen, daß nicht die ganze Boercn- nation für die Verbrechen einiger Weniger verdammt wird. Unglücklicher Weise ist es richtig, daß, je mehr der Feind zer splittert wird, desto mehr die Disciplin leidet und von einzelnen Individuen und kleinen Abtheilungen Dinge begangen Iverden, die von den Boeren-Führern keinesfalls gutgeheißen werden würden. Derartiges kann in jeder Armee Vorkommen, und man sollte nicht zu viel daraus geben. Es steht fest, daß die Behandlung unserer Gefangenen und Verwundeten durch die Boeren im Allgemeinen correct ist, trotz der Einwirkungen, welche der lange Krieg auf die Leidenschaft Feitilletsir. Gräfin Leszek. 6s Roman von Heinrich Lee. Nachdruck verboten. Viertes Capitel. Der Hochsommer war gekommen. Auf Zombkowikowa fuhren die letzten Erntewagen in die Scheunen und weit und breit dehnten sich die leeren Stoppel felder aus. Es war ein brillantes Jahr gewesen. Die alten Buchen und Eichen im Park prangten in ihrem üppigsten Grün und umstanden die ehrwürdigen Schloßmauern mit den vielen, vielen Fenstern wie eine treue Garde. Am sonnendurchglühtcn Himmel hielten die Staare schon ihre ersten Flugübungcn ab und in Krakau fand eine große Dankprocession statt. Misko hatte Sisi gefragt, ob sie sich die Procession an sehen wollte. Aber Sisi hatte gar keine Lust dazu. Schon im Anfang ihrer Ehe war sie mit Misko einmal in Krakau gewesen und erst hatte die Stadt und namentlich der große Marktplatz mit dem merkwürdigen, langen, bunten Gebäude, das in seiner Mitte stand, dem Tuchhause, einen curiosen Ein druck auf sie gemacht. Als sie aber auf einem anderen Platze der Stadt, der außerdem noch ungepflastert war, die vielen Bauernwagen — denn es war wieder Markttag — mit den dürren, verhungerten Pferden stehen sah, verlor sie daran allen Geschmack. Krakau gefiel ihr nicht mehr. „So was kann sie auch wo anders haben", warf Frau Camilla ein, „das macht den Menschen nicht glücklich." Misko hatte sich daran gewöhnt, derartige Bemerkungen von Frau Camilla zu überhören, was natürlich zur Folge hatte, daß Frau Camilla in allen ihren Reden nur noch erbitterter wurde. Misko hatte sich mit diesem Bestandtheil seines häuslichen Glückes abgefunden. War er noch glücklich? Nicht ganz mehr, denn Sist machte ihm geheime Sorge. Er merkte, daß ihr etwas fehlte, daß irgend eine Leere in ihr war. Aber wenn er sie deshalb in alter Zärtlichkeit befragte, so erwiderte sie, cs wäre nichts. Nichts, gar nichts fehlte ihr. „Wirklich nichts, es fehlt mir nichts. Nur quälen mußt Du mich nicht", bat sie ihn dann, und für eine Zeit lang schwieg er wieder. Vielleicht wußte sie selbst nicht, was es war. Auf ihren Wunsch hatte er ibr ein Hündchen angeschafft, einen kleinen, weißen Seidenpinscher mit langen, zottigen der Männer ausüben muß." Wenn der Correspondent der „Times" auch nur zugiebt, daß die Behandlung der Gefangenen und Verwundeten „im Allgemeinen correct" ist. und daß ähnliche Vergehen, wie sie den Boeren von den Engländern vorgeworfen werden, unter dem verrohenden Einflüsse eines langen, blutigen Krieges in jedem Heere vorkommen würden, so 'darf man wohl behaupten, daß alle von anderer Seite in Curs gesetzten Schauer mären erlogen oder zum Wenigsten sehr stark übertrieben sind, und daß die „Times" ein bestochenes Prvboeren-Organ sei, diese abgeschmackte Erklärung werden sich selbst die kannibalischsten Bocrenfresser hier zu Lande nicht leisten. In ihrem Leitartikel übergehen die „Times" übrigens diese sehr bemerkenswerthe Aeußerung ihres Correspondenten. * London, 21. December. (Telegramm.) Die „Daily News" melden aus Standerton vom 18. December: Fünf Boeren, die vermuthlich Depeschen Botha's bei sich führen, überschritten am Sonnabend Nacht den Vaal nach Süden zu. De Wet concentrirt seine Streitkräfte in der Umgebung von Ficksburg. Man erwartet daher nicht, daß er sich ergeben wird. (Hat daran überhaupt Jemand gedacht? D. Ned.) * London, 21. December. (Telegramm.) Die „Times" melden ausNewZ)vrE:Jn New Orleans sind in der Zeit vom 1. October 1899 bis zum 30. November 1901 Pferde und Maulesel im Werthc von 13 483 052 Dollars nach Süd afrika verschifft worden, und zwar im Ganzen 143 050 Stück, davon 75 991 Pferde. * Lissabon, 20. December. (Meldung der „Agcnce Havas".) Nach dem zwischen den portugiesischen und den englischen Be hörden getroffenen Abkommen genießen die im Transit verkehr über Lourengo-Marques nach Trans vaal gehenden Maaren dieselbe Behandlung wie die im Transit nach Capstädt, East London, Port Elizabeth und Dur ban gehenden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2l. December. Während die wirthschaftspolitischcn Maßregeln der Vereinigten Staaten von Nordamerika uns zu Gegenmaßregeln zwingen, die bei uns die alten socialpoli - tischen Kämpfe heißer als je entbrennen lassen, bahnt sich drüben ein socialpolitFchcr Fortschritt an, der vielleicht nach Jahren auch für uns von segensreichen Folgen sein wird. Wie schon gemeldet, ist in New Nork ein zu gleichen Theilen aus Vertretern der organisirten Arbeiterschaft, der großen Capita- listenvereinigungen und der unabhängigen Bürgerschaft zu sammengesetzter Ausschuß gebildet worden, der die Frage harmo nischen Zusammenwirkens von Capital und Arbeit, sowie der Verhinderung von Ausständen erwägen soll. Die Namen Derer, die als an dem Ausschuß betheiligt genannt werden, bürgen dafür, daß es sich um ein durchaus ernst zu nehmendes Unternehmen handelt. Die überall in der Culturwelt hervor getretenen Auswüchse und Schäden der modernen großindu- striellcn Entwickelung haben in den Vereinigten Staaten, wie Alles dort zu Landes die Neigung, ins kolossale zu gehen; ins besondere die Streiks nehmen dort leicht den Charakter eines regelrechten Bürgerkriegs im Kleinen an. Offenbar aber ringt sich jetzt allgemein die Ueberzeugung durch, daß es so nicht weiter gehen kann. Mit Spannung darf man auch bei uns Haaren, und er sah genau so aus wie Flock. Erst hatte sie an dem neuen Spielzeug ihre Freude gehabt, und wenn Flock — so nannte sie ihn wieder — sich wüthend an ihre Röcke hing und sie sich tollend mit ihm durch alle Zimmer oder unten im Park durch die dichten grünen Gänge jagte, so meinte er, daß sie nun wieder ein glückliches Kind war. Aber Flock's erste guten Zeiten waren vorbei. Wenn er frech wurde, bekam er von Camilla einen Fußtritt, und still und demüthig, ohne daß sich noch Jemand um ihn kümmerte, verbrachte er jetzt seine Tage, in einer Ecke oder im Park auf dem Rasen liegend. Sisi hatte sich dann einen Papagei gewünscht. Ein grüner sollte cs sein. Er hing in einem Messingreifen in ihrem Boudoir, aber Sisi konnte ihn bald nicht mehr leiden. Wenn sie ihm auch noch so oft was vorsagte, er verstand es nicht, er sprach es nicht nach, er sah sie nur mit seinen dummen Augen an und hackte noch obendrein nach ihr. Endlich wünschte sie sich — was? Eine Zither, eine Balalaika. Aus der Stadt mußte extra ein Lehrer kommen, aber sie lernte es so wenig, wie sic Clavier gelernt hatte. Nach drei Wochen kam der Lehrer nicht mehr wieder. Am ver gnügtesten war sie noch immer, wenn sie Beide zusammen aus ritten. Aber auch hierbei machte sie Misko Sorge, denn in ihrer Tollkühnheit schreckte sie vor nichts zurück. An Stelle ihres ele ganten englischen Damenpferdes hatte er ihr einen wilden Preußen geben müssen. Sie sprang mit diesem Thiere über die breitesten Gräben, über jeden Abhang hinab, und einmal setzte sie an dem Kreuzungspunctc auf der Chaussee über einen ganzen Bauernwagen hinweg, der langsam daher gefahren kam. Es war das erste Mal, daß er ihr ein strenges Wort sagte. „Denkst Du nicht an die Menschenleben, die Du dabei ge fährdest?" Aber sie begriff das nicht. In der Manege war sie noch viel höher gesprungen — sagte sie. Dann verstummte sie plötzlich — gleichsam als hätte sie zu viel gesagt. Wie er, so schwieg auch sie von der Vergangenheit. Es war das einzige Mal, daß ihr ein Wort darüber entschlüpfte. Wäre es nicht aber ganz natürlich gewesen, daß sie sich zuweilen der Vergangenheit erinnerte, fragte er sich. Warum schwieg sie? — Warum? Und er schalt sich selbst. Weil sie eben wüßte, daß er diese Zeit ausgelöscht wünschte. Weil sie ihn liebte. Der August neigte sich seinem Ende. Misko ordnete die Herbstbestellungen an. Eines Morgens, nach dem Frühstück, als Misko sie verlassen wollte, klagte Sisi über heftigen Kopfschmerz. Die Schmerzen wurden schlimmer und Misko ließ endlich den kleinen Jagd wagen anspannen, um aus der Stadt den Arzt zu holen. Als der Arzt kam, hatte sich auf Sisi'z Gesicht an der Stelle, wo sie die Schmerzen hatte, Röthe und Hitze eingestellt und außer den Ergebnissen der Berathung jenes Ausschusses entgegensetzen. Einstweilen haben wir allen Anlaß, die Amerikaner um dies praktische Vorgehen zu beneiden. Der Mangel eines harmo nischen Zusammenwirkens von Capital und Arbeit wird bei uns mindestens ebenso tief empfunden, wie drüben. Aber wie weit sind wir von einem wirklich erfolgversprechenden Versuche der Verständigung noch entfernt! Das schlimmste Hinderniß einer solchen ist bei uns die Socialdemokratie. Ihr bitterster Hohn ist von jeher gegen die „Harmonieduselei" ge richtet gewesen; sie will keine Verständigung zwischen Capital und Arbeit, sie will den Kampf, den „Classenkampf" der Ar beiter gegen die Unternehmer. Von diesem Slandpuncte aus hat ihre parlamentarische Vertretung sich ursprünglich gegen die großen gesetzgeberischen Maßnahmen zum Wohle der Arbeiter ablehnend verhalten. In den letzten Jahren freilich hat sie nicht umhin gekonnt, sich an denselben wiederholt positiv zu be theiligen. Niemals aber hat sie einen Zweifel darüber gelassen, daß es ihr dabei nicht auf eine Förderung des socialen Friedens ankam, sondern daß sie die „elenden Abschlagszahlungen' nur hinnahm, um die Arbeiter desto widerstandsfähiger zu machen für den großen Classenkampf. Programmatischer Grund satz bleibt bei ihr nach wie vor, daß die „Befreiung der Arbeiterklasse" das Werk ausschließlich der Ar beiter selbst, also nicht einer Vereinbarung mit anderen Bestandteilen der Gesellschaft, sein muß. Die Haltung der amerikanischen organisirten Arbeiter schaft ist, wie man sieht, das gerade Gegenkheil dieses Stand punktes unserer Socialdemokratie. Der fundamentale Unterschied liegt eben darin, daß die amerikanischen Arbeiterorganisationen wirklich nur Wirth schaftliche, auf eine im Bereiche des Möglichen liegende Besserung der Lage der Arbeiter gerichtete, nicht aber in erster Linie politische Zwecke verfolgen. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, daß in Amerika Unternehmer- und Arbeitervertretungen zur Herstellung der Harmonie sich zu sammenfinden können. Auch in Deutschland fehlt es nicht an auf dasselbe Ziel gerichteten Bestrebungen; noch das jetzt zu Ende gehende Jahr hat in diesem Sinne die Gesellschaft für sociale Reform entstehen sehen. Aber das Mißgeschick dieser Bestrebungen ist, daß sie im Großen und Ganzen der Mitwirkung der Haupt betheiligten ermangeln. Es ist bekannt, daß die Gründer der Gesellschaft für sociale Reform sich bei der Socialdemokcatie zwei Mal in aller Form einen Korb geholt haben; nach dem oben Ge sagten erscheint cs selbstverständlich, daß unsere Socialdemokratie von einem solchen „harmonischen Zusammenwirken" nichts wissen will. Als natürliche Folge ergiebt sich auf der anderen Seite die Zurückhaltung der Unternehmer. Ohne Zweifel hat die frei willige Bcthätigung socialen Sinnes bei unserem industriellen Arbeitgeberthume noch bei Weitem nicht den Umfang gewonnen, den man namentlich in den eben vergangenen Jahren der Pro sperität hätte erwarten sollen. Aber es ist trotzdem höchst un gerecht, das Arbeitgedcrtbum, wie es nur zu oft geschieht, in Bausch und Bogen einer hartherzigen Selbstsucht anzuklagen und jeden aus seinen Reihen kommenden Hinweis auf das ver derbliche Wirken der Socialdemokratie als „störrisches Scharf- macherthum" zu denunciren. Anders würde die Sache liegen, wenn di? in den letzten Jahren vielfach gehegte Hoffnung auf eine durchgreifende Wandlung im Wesen der Socialdemokratie sich verwirklicht hätte; aber gerade die jüngste Zeit hat Beweise genug dafür gebracht, daß diese Hoffnung irrig war. So ist bei uns die Aussicht auf eine freiwillige Ausgleichung des Gegen satzes zwischen Capital und Arbeit wenig verheißungsvoll. Das Meiste, was wir an socialer Reform erreichen, wird bewirkt durch die Zwangsgewalt des Staates. Man darf sich aber nicht vorüber täuschen, daß auf diesem Wege für eine wirkliche innere Aussöhnung nicht viel gewonnen wird; die gesetzgebenden Factoren werden darauf achten müssen, daß nicht durch eine tiefe Verbitte dem empfand sie ein lästiges Ohrensausen. -Nach der Unter suchung befahl der Arzt, daß sie in ein dunkles, ruhiges Zimmer geschafft wurde und sich zu Bett lege, außerdem ein Senffußbad und schwarzen Kaffee. „Es ist nur ein Migräneanfall", sagte er — „und morgen früh werden die Frau Gräfin wieder ganz gesund sein." Misko war bereits in großer Angst gewesen, er ließ den Doctor, als er mit ihm allein war, nicht ohne Weiteres fort. Wie kam Sisi zu Migräne? Sie hatte noch nie welche gehabt und war immer kerngesund. „Vielleicht hat die Frau Gräfin eine starke Gemllthsbewegung gehabt?" sagte der Arzt. Aber davon wußte Misko nichts. „Dann muß es eine andere psychische Ursache sein, vielleicht ist es auch nur die Einsamkeit hier, die der Frau Gräfin auf die Dauer nicht bekommt." Die Einsamkeit! Am Ende der Unterhaltung stellte der Doctor die Meinung auf, daß das Beste für die Nerven der Frau Gräfin vielleicht eine Reise sein würde, eine Vergnüungsreise, zum Beispiel nach Paris oder nach Ostende oder nach Wien. Nein — Wien nicht. Wien ist ungemüthlich geworden. In Wien amüsirt man sich nicht mehr. Reisen! Es leuchtete Misko ein. Und war nicht gerade jetzt die beste Zeit dazu? Die Ernte war vorüber und die Herbstarbeiten konnte er getrost seinem alten zuverlässigen Schünemann über lassen. Ihm selber machte das Reisen kein Vergnügen. Nun aber mit Sisi gemeinsam die Schönheiten der Welt durch streifen, das war etwas Anderes. Immer allein mit ihr sein. Wie auf Faust's Zaubermantel mit ihr dahinfliegen von Land zu Land, von Stadt zu Stadt. All' diese Herrlichkeiten ihr zu Füßen legen! Warum hatte er nicht schon früher daran gedacht? Am nächsten Morgen war Sisi wieder wohl, nur etwas blaß sah sie noch aus. „Sisi", sagte er beim Frühstück zu ihr — „möchtest Du mit mir verreisen?" „Verreisen? — Wohin?" „Nach Paris! Nach Italien! Ans Meer!" „Warum?" „Warum? Wir wollen ein paar Wochen hinaus. Außer dem hat es Dir der Arzt empfohlen. Möchtest Du nicht?" Keinerlei frohe Ueberraschung zeigte sich auf ihrem Gesicht. „Wie Du willst", erwiderte sie. „Sisi, macht es Dir keine Freude?" „Freude! — O ja!" Sie lächelte matt. rung des Arbeitgeberthums das Uebel noch verschlimmert wird- So lange die Mehrheit der deutschen Arbeiterschaft im Banne der politischen Socialdemokratie verharrt, werden die Bemühungen, zu einem harmonischen Zusammenwirken zu gelangen, schwerlich Erfolg haben. Vielleicht übt das jetzt in Amerika sich anbahnende Beispiel auf das Urthcil unserer Arbeiterschaft über ihr wahres Heil eine solche Wirkung aus, daß in absehbarer Zeit seine Nach ahmung möglich wird. Die in unserer heutigen Morgenausgabe mitaetbeilte Nacbricht aus W resch en, daß der vielgenannte Bicar Laskowski „in Anerkennung seiner würdigen Haltung im Griesener Processe wegen des Wreschener Schulkrawalls" von dem Kirchenpatron Fürsten EzartorySki als Pfarrer für die sehr gute Pf ründeKonarzewo vorgescklagen wor den sei, wird von anderen Blättern bestätigt. Auch wenn in dieser Meldung die Anspielung auf die Haltung des VicarS an läßlich der Wreschener Vorgänge nickt wäre, wurde man nicht im Zweifel darüber sein, daß der junge polnische Bicar in den Genuß einer sehr guten Pfründe deswegen ge langt, weil er den kühnsten Erwartungen des nationalen Polenthums in vollem Umfange entsprochen hat. Eine der artige Begünstigung des VicarS Laskowski ist aber in doppelter Hinsickt charakteristisch. Einmal beweist sie, daß das Polenthum durchaus einverstanden mit der Laskowski'schen Praxis ist, Kinder, die ihren Geistlichen in GewissenSnoth um Rath fragen, im Interesse der nationalpvlnischen Agitation ratklos zu lassen — unbekümmert um die Folgen, Vie für die betheiligten Kinder daraus entstehen können. Zum Zweiten beleuchtet die Aus stattung deS deutschfeindlichen VicarS mit einer fetten Pfründe die Aufrichtigkeit des Tadels, den die Polen gegen die Zah lung von 100 an einen um die Förderung deS Deulsch- tbuuis wohlverdienten Wreschener Lehrer im Reichstag und in der Presse ausgesprochen haben. Man giebt sich auf polnischer Seite den Anschein, als dürfe bei der nationalen Frage in den Ostmarken niemals irgendwie Geld und GeldeSwerth ins Spiel kommen. In Wirklichkeit aber wollen sich die national-polnischen Agitatoren das Privilegium vorbebalten, iin Dienste des PolentbumS hervorragend thätige Partei gänger materiell zu fördern. Dabei braucht kaum aus führlich dargelegt zu werden, wie himmelweit verschieden die Verleidung einer fetten Pfründe an einen national polnischen Geistlichen von der Zahlung der oben genannten kleinen Summe an einen Wreschener Lebrer ist. Der Unter schied besteht nickt sowohl in der Größe des Geldbetrages, als in dem moralischen Anspruch auf die Pfründe einerseits, die staatliche Belohnung andererseits. Ein Volksschullebrer in den Ostmarken hat auch in den ruhigsten Zeiten eine ungleich schwerere schultechnische Leistung zu erfüllen, als ein Lehrer in rein deutschen Bezirken. Löst er diese Aufgabe zur besonderen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten, so ist es lediglich billig, wenn er dafür eine außer gewöhnliche Anerkennung in Gestalt einer finanziellen Auf besserung erhält. Der Vicar Laskowski aber ist vom Fürsten EzartorySki materiell bedacht worden, nickt obwohl er seinen Pflichten als Geistlicher entgegengebandelt, sondern gerade w e i l er zu Gunsten der nationalpolnischen Agitation als GewissenSbeirath der Wreschener Kinder versagte. Die sittliche Entrüstung des Polenthums über Vie Belohnung jenes Wreschener Lehrers ist damit von selbst gerichtet. Unter der Uebcrschrift „Eine polonisirende Hochschule" veröffentlicht die „Münchener Allgem. Ztg." die folgende beachtenSwerthe Zuschrift auS Zürich: „Es ist ausfallend, welche Rolle seit längerer Zeit das Polen» „Du bist so gut zu mir — verzeih' mir. Ja, ei macht mir Freude!" Aber er merkte, daß sie sich verstellte — nur um ihm einen Gefallen zu thun. Wenn er erst mit ihr unterwegs war, dann sollte der Zauber der Reise schon Macht über sie gewinnen. Das war sein Trost. Plötzlich legte sie die Arme um seinen Hals. „Camilla aber kommt auch mit, nicht wahr?" bat sic. Frau Camilla war nicht anwesend. Sie nahm heute ihr warmes Bad. Misko hatte an sie nicht gedacht. „Sisi", flüsterte er ihr zu, „und wenn Du mir damit eine Liebe thätest, mit mir allein zu reisen, Camilla zu Hause zu lassen." Sie antwortete nichts, aber ihre Augen füllten sich wieder mit Thränen. „Gut", erwiderte er — „Camilla soll uns begleiten." Sisi brach in Schluchzen aus. „Ich mache Dir so viel Kummer!" Er zog sie an sich und beruhigte sie und endlich glaubte sie ihm und nun freute sie sich wirklich. Ihr Gesicht strahlte und sie klatschte in die Hände. „Wie hübsch das werden wird!" rief sie. Aber mit seiner eigenen Freude war es aus. Als er allein war, seufzte er. Was Frau Camilla betraf, so war sie mit der Idee, auf Reisen zu gehen, sehr zufrieden. „Das ist der erste vernünftige Gedanke von ihm", sagte sie zu Sisi — „das Beste wäre überhaupt, wir blieben immer auf Reisen, wir kämen hierher nach dem verdammten Kasten nie mehr zurück." Acht Tage später wurde die Reise angetreten. Misko wünschte, daß Ulka mitgenommen würde, aber Frau Camilla erklärte das für völlig überflüssig. Warum denn? Zu Sisi's Bedienung? ,L)azu bin ich da", sagte sic. So saßen sie zu Dreien im Coupö, Frau Camilla verzehrte Chocoladen-Pralinves, oder sie beklagte sich über die verschiedenen Unbequemlichkeiten des Eisenbahnreisens, oder sie sprach von ihrem Asthma. Sisi schwieg und auch Misko schwieg, an dem Coupvfenster schwebten die heimathlichen Felder vorbei, die rothen Jacken der Bauern schimmerten und mit jeder Achsen drehung lag Zombkowikowa um ein Stück weiter hinter ihnen. Je weiter der Herbst fortschritt, desto prachtvoller wurde ec. In Ostende blieb man volle vier Wochen. Sisi fand am Reisen Geschmack, das bunte, amüsante Leben in Ostende brachte in ihrem GemüthSzustande eine merklich günstige Veränderung hervor. Die Apathie, die über sie gekommen war, verlor sich.
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