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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.12.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-12-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011221028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901122102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901122102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-12
- Tag1901-12-21
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9N0 ryum an der Universität Freiburg spielt. Unter den gegen- wärtig dort wirkenden Professoren befinden sich neben zwei Tschechen auch vier Polen; von den fünf Assistenten sind allein drei polnischer Herkunft. Dementsprechend ifi auch der Procentsatz an polnischen Studirenden ziemlich hoch (12 Pcocent). Boa 297 immatriculirlen Studenten stammen 37 auS den ehemals polnischen Landestheilen. Es sind darunter Leute auS sehr an gesehenen Familien vertreten. Genannt werden z. B. folgende Namen: Fürst Radziwill, Prinz Puzgna, Graf Roslworoweki, Prinz Ad. Wroniecki, Andreas Zoltowski u. f. w. Ter Emfluß dieser polnischen Elemente hat sich schon seit Jahren geltend gemacht. Als im Jahre 1898 in Folge bekannter Vorgänge acht reichSdeutsche Professoren aus Lein Lehrkörper der Freiburger Hochschule ouSschieden, wiesen sie in ihrer Denkjchrist besonders auch auf diesen Umstand hin. Auf Seite 58 dieser Denkjchrist heißt es: „Dieser (polnische Einfluß) hat etwa feit dem Sommer 1896 dir Universität völlig beherrscht und seine Macht dazu mißbraucht, um im Verein mit seinen Verbündeten das deutsche Element, so weit eS nicht gesonnen war, sich ihm unterzuordnen, planmäßig beiseite zu schieben. Man hat diese unbequeme Thatsache verschiedentlich dadurch aus der Welt zu schassen gesucht, daß man auf die geringe Zahl der slawischen Professoren (damals fünf), hingewiesen hat: als ob die Zahl stets den AuSichlag geben müßte. Alt ob et nicht jedem Eingeweihten bekannt wäre, welchen Einflüssen die Universität in den beiden letzten Jahren preis- gegedru war. Ja welchem Grad« dieser polnische Einfluß deutschfeindlich war, geht nicht nur aus dem vorstehenden, einwandsfreien Zeugnis; der deutsche» Professoren — dir übrigens durchweg politisch auf dem Boden de- Cent rums standen — hervor, sondern erhellt auch zur Genüge au- dem Schreiben, das der damalige Assistent Professor vr. Rozkowski in Freiburg am 19. Juli 1898 an die „Rowa Resorma" richtete. Er prolestirte darin gegen den „un- erhörten Rechtsbruch", den die preußische Regierung „mit der den Nachkommen der meineidigen Kreuzritter eigene» Hinterlist" durch do- Verbot der Theilnahme von Ausländern an dem Posener ärzt- lichea Eongreß begangen haben sollte. Seit jener Zeit sind die Verhältnisse eher noch schlimmer geworden. Die Freiburger Hochschule scheint sich also immer mehr zu einem Herde der polnischen Bestrebungen zu entwickeln. Man wird darauf ein wachsames Auge haben müssen." ES ist dankenSwertb, daß der Verfasser dieser Zuschrift ein wachsames Auge bat; unklar ist uns aber, an wen seine Aufforderung, gleichfalls wachsam zu sein, sich richtet. Die jenigen, die auf die Zusammensetzung des Lehrkörpers der Freiburger Hochschule directen Einfluß haben, werden ihn nicht benutzen, um Wandel zu schaffen; das Reick kann da gegen nichts tbun, so lange die gelehrten polnischen Agitatoren in Freiburg sich in gewissen Grenzen halten. Vielleicht aber wäre es von einiger Wirkung, wenn die Vertreter der „neuen Richtung" im katholischen Deutschland, besonders die von deutschen Universitäten, ihre warnende Stimme gegen das Freiburger Treiben erhöben. Daß klerikale Einflüsse bei diesem Treiben im Spiele sind, kann ihnen nickt entgehen. Sie, die gegen die Verquickung von Religion und Politik und gegen Einschnürung der Wissenschaft in enge confessionelle und parteipolitische Schranken protcstiren, hätten wobl Ver anlassung dazu, in weiteren akademischen Kreisen eine Be wegung anzuregen, die sich gegen die „polonisirendc Hock- schule" richtet, welche kurck ihr Treiben die Wissenschaft diS- creditirt. In offenen Conflict würden sie dadurch mit Rom nickt gerathen, denn zum Glück ist die Unterstützung des PolooismuS noch nickt zum Dogma der katholifcken Kircke erhoben. Viele Tausende deutscher Katholiken aber würden es zweifellos den „Neuen" Tank wisse», wenn gerade sie bewiesen, daß man, ohne mit der Kirche in Eonflwt zu geratben, offen gegen alle PvlonisirungSbestrebungen iu die Schranken treten darf. Im Mai des kommenden Jahres läuft die 20jährige Frist des 1882 in den v rct» gtc» Ltantcn erlassenen Gesetzes der Cdincfenausfcht rstung ab, so daß von da ab die Chinesen freien Zutritt in den Vereinigten Staaten haben werden, falls nicht ein neues Gesetz in Kraft gesetzt wird. Der Gesandte Wutingfang, der sich in Washington einer für die Amerikaner nicht gerade rühmlichen Beliebtheit erfreut und der sich in Zeitungsgesprächen und öffentlichen Ansprachen ungestraft mehr erlauben darf, als alle anderen Diplomaten zusammen, ist schon seit länger als einem Jahre daran, die öffentliche Meinung zu Gunsten seiner Landsleute zu bearbeiten. Er hat aber sehr geringe Erfolge erzielt. Eher möchten solche amerikanische Jnterefsenkreise, wie Dampfergesellschaften und Andere, denen die Aufhebung des Antichinesengesetzes förderlich wäre, etwas gegen das Gesetz auszurichten im Stande sein, aber die all gemeine Ansicht geht dahin, daß ein neues Gesetz, womöglich in verschärfter Form, zu Stande kommen wird. Im Jahre 1870 gab e, 63 200 Chinesen im Land, 1880 105 465, 1890 107 475, 1900 89 863, wozu im letzten Jahre noch etwa 29 000 in Hawaii, Alaska und auf auswärtigen Flottenstationen gezählt wurden. Wutingfang pflegt auszuführen, daß die Chineseneinwanderung nur auS den beiden südlichen Kwangprovinzen stamme, die keine Uebervölkerung haben, so daß ein Ueberfluthen des Landes von dorther nicht zu befürchten sei. Indessen muß man, ohne das Verhalten d;r organisirten Arbeiter in den Vereinigten Staaten zu billigen, zugeben, daß das Bestehen der chinesischen so genannten „sechs Gesellschaften" in San Francisco, die fast alle Chinesen a»f dem amerikanischen Festlands liefern, die nicht zu unterschätzende Gefahr einer chinesischen Ueberschwemmung in sich birgt, denn die sechs Gesellschaften leben vom Agentur geschäft, das sie mit der lebenden Waare betreiben, und sie haben rn Californien einen sehr hohen politischen Einfluß. Die parisischen Staaten sind nächst der organisirten Arbeiterschaft am heftigsten in dem Verlangen, die Gesetzgebung gegen die Chinesen ausgedehnt zu sehen, während in Hawaii ebenso leb haft betont wird, daß die Chinesen für die dortigen Zucker pflanzungen unentbehrlich seien. Nach Roosevelt'S Botschaft ist eine neue Vorlage zur Einschränkung der Chineseneinwandernng mit Bestimmtheit zu erwarten. Deutsches Reich. * Berlin, 20. December. Ueberdie Künstlerrede des Kaisers, die bei den Ohrenzeugen, den Mitarbeitern des Kaisers bei der Ausschmückung der Siegesallee begreifliche Begeisterung erweckt hat, sind in anderen Kreisen die Meinungen getheilt. Die „Deutsche Tageszt g." ist ganz der Mei nung jener Künstler. Die Siegesallee mag nicht in Allem lobenS- wcrth sein, aber: Das wird man unter Umständen zugeben müssen, daß die Aufgabe der Kunst von dem Kaiser in überzeugender Weise ge zeichnet worden ist. Diese Rede muß Leben wecken, meinen die „Hamburger Nachrichten": Wir hoffen und wünschen, daß die Rede des Kaisers von gestern zum AuSgangspuncte einer Bewegung wirb, welche sich energisch gegen alle Auswüchse der Modernität richtet und nicht eher ruht, bis die echte Kunst wieder in alle die Rechte eingesetzt ist, die ihr von ihrem Zerrbilde zum Theile entrissen worden sind. Aehnlich urtheilt der „Hann. Cour." Die „Berl. Zeitung" dagegen erklärt: Es ist sehr schön, wenn der Kaiser der Kunst die Aufgabe stellt, erzieherisch auf das Volk zu wirken; das haben vor ihm schon größere Denker gesagt. Nur wüßten wir nicht, inwiefern die Siegesallee, von deren Denkmälern der Kaiser in seiner Rede ausgeht, in dieser Beziehung etwas wirken und schaffen soll. Die „Kunstwerke" der Siegesallee sind wohl nicht im Stande, wie der Kaiser irrig meint, dem mühe- und arbeitbeladencn Volke die Möglichkeit zu geben, sich an den Idealen wieder aufzurichten. Die Jdealmenschen sind unter denen, die in der „steinernen Ahnengalerie", der „neuen Markgrafenstraße" ausgehauen wor den, doch recht spärlich gesäet. Und was den künstlerischen Werth der Monumentalbänke anlangt — ja, der Kaiser ist entzückt, Andere sind's nicht. Jedem Mäcenaten gefällt seine Schöpfung. Andere denken aber anders. Ueberhaupt begegnet man öfter der Ansicht, daß die Sieges allee sich am wenigsten dazu eigne, den Künstlern als Vorbild zu dienen. Höchlich befriedigt ist die „Köln. Zeitung" von den Absichten des Kaisers, aber: Wer sind die großen, von den modernen Kunst freunden am m ei st en gepriesenen Kün st ler? Es ist vor Allem der von Wilhelm II. mit dem Schwarzen Adler orden geschmückte Adolf v. Menzel, der als Pfadfinder einem deutschen Realismus, als Widerpart der herkömmlichen Hofgeschichtsmalerei, als Schöpfer des ersten deutschen Arbeiter bildes, als unablässiger Probirer und Studirer der Technik ge priesen wird. Es sind da freilich in früheren Jahren am Ber liner Hofe Versuche gemacht worden, ihn an den Rinnstein zu stellen, aber Wilhelm II. selber war anderer Ansicht. Es folgt Arnold Böcklin, der Vergötterte. Was hat er mit Elend und Rinnstein zu thun? Was hat damit Franz Stuck zu thun, der Meister der Antike in neuer Ausdrucksweise? Oder Klinger, der Bildner, Maler und Nadirer, der Renaissance mensch, der das Blatt „An die Schönheit" radirte und Beethoven ein Prachtdenkmal baut? Oder Thoma, der Erneuerer deS sanft-träumerischen deutschen Idylls? Oder Hildebrand, der geniale Wiedererwccker frühhellcnischen Bildhauerstils? Würde der Kaiser Reinhold Begas selber fragen, ob er auf einen ewigen Canon der Aesthetik schwöre, so würde dieser Meister doch etwas von Bernini zu sagen haben, um sich auf ein Vorbild der eigenen Kunst zu berufen, die mit Phidias nicht viel zu thun hat. Bleiben noch Liebermann und Uhde. Es ist gewiß Geschmackssache, sie zu bewundern, aber vom Rinn stein stehen sie doch ein gutes Stück Weg ab. Diese Künstler sind cs, die immer wieder in der Presse erörtert und erklärt werden. Der Kaiser nennt das „Reclame" und spricht von „Connexionen". Was man dem Kaiser als „Reclame" geschildert hat, ist ein Er wachen allgemeinen künstlerischen Interesses durch den siegreichen, überzeugungstreu unter Schmähungen und Entbehrungen durch geführten Kampf der modernen Kunst, um neue große Ziel«. Deshalb wäre der Jubel nicht auszudenken, wenn Wilhelm II., wie auf anderen Gebieten, auch hier die kraftvoll Willensstärke Führung übernähmt. Ein neuer Glanz käme über Deutschland. Es hat nicht sollen sein, und man kennt die „Idealisten", die sich zwischen den Kaiser und die werdend« deutsch« Kunst gestellt haben. Die Kunstgeschichte wird über sie richten und sagen, daß sic Wilhelm II. um eine That gebracht haben, die gerade für ihn von der Zeit bereitet war. Aber die deutschen Künstler werden auf dornigem Pfade weiter gehen, wohin sie der Geist treibt, eben weil sie wahre Idea listen sind. Am treffendsten ist vielleicht die Bemerkung eines Blattes, daß der Kaiser mit seinem Ausspruch«, der recht« Künstler be dürfe keiner Connexionen, den von ihm belobten und geförderten Künstlern nicht gerade geschmeichelt habe, weit weniger jedenfalls, als sie selbst annahmen. /S. Berlin, 20. December. (Anarchistisches.) Ver mutblick um den anarckistiscken Genossen zu Weibnackten ein Wohlgefallen zu bereiten, veröffentlicht das Anaichistenblatt „Neues Leben" einen Artikel „In Sacken Czolgosz". Gestützt auf angeblich osficielleS Material, verherrlicht dariu daS genannte Anarchistenblatt in der üblichen Weise die Kaltblütigkeit, mit der Czolgosz der Todesstrafe sich unterzogen habe und trotz der Betbeuerung, die Tbat des CzolgoSz nicht zu loben, wird der Tbäter nach Kräften glorificirt. Was von der Versicherung, die Tbat deS CzolgoSz nicht loben zu wollen, in Wabrbeit zu kalten ist, lehrt da- Bekenntniß: „Wenn die Präsidenten, die politischen Drabtzieber, die Volksbetrüger aller Art und nickt zuletzt die Preßkosacken alle der Teufel bolen würde, io möchte ick aufjauckzenv Freudenpurzelbäume schlaaen, selbst auf die Gefahr bin, dabei das Genick zu brechen." — Von diesem Erguß einer schönen Seele werben die anar chistischen Genossen wabrsckeinlick mehr erbaut sein, als durch den Vorschlag eines Elberfelder Anarchisten, eS beim „Neuen Leben" wieder einmal mit einer bezahlten Kraft zu versuchen, nachdem man mit unbezahlten Kräften lange genug gewirlb- sckastet, und für den anzustcllcnden Genossen pro Mann und Monat 10 -s extra zu bezahlen. Auch für eine AgitationS- broscküre über den Generalstreik wird die Einsendung von Geldmitteln verlangt. Der Erfolg bleibt abzuwarten. — Reichskanzler Graf v. Bülow empfing heute Vormittag den sächsischen CtaatSminister Heutig. — Bezüglich des Gesundheitszustandes deS Generalfeld- marsckalls Graf Walber see wird den „B. N. N." Folgendes mitgetheilt: „Der Generalfeldmarschall kam Anfang dieses Monats, von einer Venen-Entzündung noch nicht völlig herqestellt, zum Besuche des Fürsten von Donnersmarck nach NeuLeck in Oberschlesien, um dort, wie alljährlich seit langen Jahren, einige Wochen zn verbleiben. Die Kräfte waren, wie sich bei der Inanspruchnahme derselbe» auf der Jagd zeigte, zu Anfang noch nicht hinreichend hergestellt, um größere Anstrengungen zu ertragen; inzwischen hat aber die Ge nesung so erhebliche Fortschritte gemacht, Laß der Feldmarschall fast täglich den größeren Theil des Tage- im Freien verbringt oder der Jagd obliegt. Tie volle Wiederherstellung schreitet in erfreulichster Weise fort, sodaß es keinem Zweifel unterliegt, das; der Feldmarschall mit Beginn LeS neuen Jahres die olle Rüstigkeit wiedcrerlangt haben wird. Die Gemahlin des Feldmarschalls wird zur Weihnachtszeit demselben nach Neudcck folgen." — Die „Natlib. Corresp." schreibt: Im Anschluß an die Tbatsacke, daß der preußiiche Antrag zu einer Reform des Börsengesetzes den Ausschüssen des Bundesrathes überwiesen worden ist, tauchen schon jetzt ganz bestimmte Angaben über den Inhalt dieses Gesetzes auf, die indeß lediglich auf Vermutbungen Keruben oder auf dem seiner Zeit veröffentlichten Protokoll der Berathungen der Börsen- tackverständigen fußen. Aber man wird gut tbun, an daS AbänderungSgesetz nicht mit zu großen Erwartungen beran- zutreten; viel wird schon erreicht sein, wenn das Gesetz in erster Linie die durch den Diffcrenzeinwand hervorgerusene schreiende Rechtsunsicherheit beseitigt. — Klerikale Blätter versichern jetzt übereinstimmend, die Ernennung deS Prof. Or. Eugen Müller zum Professor der Philosophie an der Universität Straßburg sei mit Be stimmtheit zu erwarten und zwar sei zunächst die Errichtung eines ExtraordinariumS beabsichtigt. — Die Frage der Gleichberechtigung der neun- classigen Schulen für daS juristische c-studium soll im Sinne einer grundsätzlichen Gleichstellung aller neun- classigen töheren Schulen entschieden sein. — DaS preußische CultuSministerium bat die sämmtlichen Regierungspräsidenten angewiesen, gegen die Eintragung von Vereinen für Feuerbestattung in das Register deS Amtsgerichts Einspruch zu erheben und beim Minister An zeige zu machen. — Die heutige Vorlesung de- Prof. Schiemann im Baracken.Auditorium der Berliner Universität verlief ohne jede Störung. Die akademischen Behörden batten Vorsorge getroffen, daß nur mit LegitimationSkarten versehene Studenten in den Hörsaal bineingelaffen wurden. Prof. Schiemann «ahm Veranlassung, auf die Kundgebung der polnischen Studenten in seiner letzten Vorlesung rurückzukommen, und betonte, daß alles Nötdige in dieser Beziehung schon in der Protest versammlung in würdiger Form und sachlich zutreffend am Mittwoch gesagt worden sei. Nach einer Verwahrung gegen den Versuch, sarmatische Sitten an den deutschen Hochschulen einzusübren, wandle sich der Docent wieder dem Gegenstände seiner Vorlesung zu. — Der Verband deutscher Post- und Tele grap den-Assi st ent en befindet sich augenblicklich in einer Art Krisis. Gegen tausend Mitglieder baden ihre» Austritt dem Vorstand angezeigt. Seit der Verband durch die von PodbielSki angebahnte Versöhnung mit der Behörde seinen zuerst mehr hervorgetretenen Cnarakler als Kampf verein abgelegt hat, etachtet er die Hebung de» Standes und die wirthschaftliche Förderung seiner Mitglieder als seine Hauptaufgaben. Demgemäß wandte er sich auf Beschluß des letzten VerbandstageS der Gründung mehrerer Cassen, wie Sterbe-, Rechtsschutz-, Fürsorge-Lasse zu, und machte die Betbeiligung daran obligatorisch. Die Folge war, daß der Jahresbeitrag von 6 auf l2 .L erhöht werden mußte, was wohl jetzt hauptsächlich den Abfall von nahezu 1000 Mit gliedern verschuldet bat. Man hatte im Vorstand jedoch mit einem AuSrrilt von 5000 gerechnet. Es veibleiben jetzt noch über 15 000 Mitglieder. Die meisten Austritte sind aus Berlin angemeldet: von den 1925 Mitgliedern 218. Auf einen dringenden Appell hin hat eine Anzahl ihre Abmeldung wieder zurückgezogen. — Einen beachtenSwertben Vorschlag, die Arbeits losigkeit im Baugewerbe mit zu bekämpfen, macht die „Dtsch. Krankenkass.-Ztg.". Sie weist darauf bin, daß in ganz Deutschland das Interesse für die Errichtung von Volksbeilstätten für Lungenkranke und auch, obwohl viel geringer, für Heilstätten für Neivenkranke lebhaft ist. Es ist die Erbauung von solchen Heilstätten theilS schon vorbereitet, theils ist sie beschlossen, theils wird sie erwogen. Die „Krankcnkass.-Zg." regt nun an, daß di« in Vorbereitung be findlichen, die beschlossenen und beabsichtigten Heilstättenbauteu beschleunigt werden möchten, und zwar in dem Maße, daß zum Allianz der nächsten Bauperiode mit den Bauten begonnen werden könnte. Bauunternehmerinnen sind entweder die LandesversickerungSanstalten oder gemeinnützige Vereine, denen von den Landesversicherungsanstalten die Baugelder vorgestreckt werden. Bei den reichen Mitteln, über welche die LandeS- vcrsicherungsanstalten verfügen, ist es für sie leicht, in kurzer Frist die Kauf- und Baugelder flüssig zu machen. Wenn in den ver'ckiedenen Gegenden zugleich im nächsten Frühjahr VolkSbeilstätienbauten in Gang kämen, so würbe dies seinen Einfluß auf die Arbeitslosigkeit im Baugewerbe im günstigen Sinne auöüben. Der Anregung der „Krankenkass.-Ztg." sei noch eine andere angesügt, die sich auf verwandtem Boden bewegt. Vereinzelt haben große Krankencassen aus eigenen Mitteln Verwaltungsgebäude errichtet. Jbr Vorgehen sollte nachgeabml werden. Krankencassen mit hohen Reserve fonds und ausgiebigen Leistungen könnten die Errichtung eigener Verwaltungsgebäude in Angriff nehmen. DaS würde in derselben Richtung wie die vorgeschlagenen Heilstätten- bauteu wirten. — Prinz Albrecht von Preußen, der Regent von Braun- schweig, trifft morgen in Berlin ein, um im Lause de- Sonntags in seinem hiesigen Palais die Weibnachtsbescheerung seine- Hof staates vorzumhmen. Am Sonntag Nachmittag wird der Regenr wieder nach Braunschweig zurückkedren und dort in der Gesellschaft seiner drei Söhne und des Herzogs Ernst von Sachien-Alten- bürg die Feiertage verbringen. Am Neujahrstage wird Prinz Albrecht gelegentlich der Cour am taiferlichen Hofe vorübergehend wieder in Berlin anwesend sein. — Prinz Friedrich Sigismund von Preußen erhielt an läßlich seines 10. Geburtstages den Schwarzen Adlerorden. — Der Großderzog Friedrich Franz IV. von Mecklenburg- Schwerin wird heute von Schwerin über Berlin nach Cannes fahren. Die Rückkehr des Großherzogs von Cannes wird Anfang Januar kommenden Jahres erfolgen. — Ter Bevollmächtigte zum Bundesratb, mecklenburg-schwerschein LandgerichtSpräsident Or. Lang selb, ist von Berlin abgereist. — Den Angehörigen der Feldpost des Osiasiatischen Ex peditionscorps, sowie denjenigen Beamten der deutschen Posianstalten in China, die für die Lstasiaiiiche Expedition thätig gewesen sind, ist die Cbina-Denkmünze aus Bronze verliehen worden. Außerdem haben weitere 96 Beamte und Unterteamle der Post» und Telegraphen - Verwaltung die China-Denkmünze aus Stahl erhalten. — Ter Kriegsberichterstatter, Hauptmann a. D. Dannhauer, der die deutsche Expedition gegen China begleitete und im Gefolge des GeneralfeldmarschallS Grafen Walbersee zu.ückkehrie, ist durch Verleihung des Rothen Adlerordens IV. Classe init Schwertern ausgezeichnet worden. Diese Verleihung wurde Herrn Dannhauer in einem vom Grasen Wal der fee unterzeichneten Anfchreiben bekannt gegeben, in dem der Grneralfeldmarfchall bervorhebt, das; er Herrn Dannhauer für diese Auszeichnung in Vor.chlag gebracht habe, „zur Erinnerung an die Chinaexpedition, bei der er sich wiederholt im Gefecht befunden und durch takivollcs Auftreten und angemessene Berichterstattung hervorgethan habe". Sie wurde munter und heiter, und da auch Frau Camilla sich in guter Laune befand, so war Misko voll Zufriedenheit, des halb» wollte er die Heimkehr noch so lange wie möglich auf schieben, und nach den Nachrichten, die er von Hause bekam, stand dem nichts im Wege. Die ersten kalten Tage kamen, Ost ende leerte sich. Bevor er aber Sisi wach Paris führte, wollte er ihr noch ein Stück Italien zeigen, dasjenige Stück, das einst auf ihn den größten Eindruck gemacht hatte — Venedig. An einem sonnigen Nachmittage trafen sie in der Lagunenstadt ein, und einer der kleinen Dampfer brachte sie vom Bahnhof durch den großen Canal nach dem Markusplatz. Selbst Frau Camilla war von den Wundern, die hier aus dem Wasser stiegen, be troffen und als der Dampfer anlegte und die untergehendc Sonne in tausend bunten Farben die Fluth durchleuchtete, die Fluth und die ganze steinerne Märchenpracht, deren Marmor stufen sie bespülte, da schmiegte sich Sisi bezaubert in MiSko's Arm und sagte leise und .dankbar: „Wie schön, wie schön!" MiSko kannte von früher her eine gute deutsche Pension an der Riva dei Schiavoni. Dort stieg man ab. Der Abend war so schön und warm, daß eine Gondelfahrt gemacht werden sollte. Das Pensionshaus lag von der Piazzetta, wo man ein steigen wollte, nur einige Schritte entfernt. Misko rief einen der Gondoliere heran, stieg dann in den schwarzen Nachen als der Erste ein. Sisi sprang nach und als die Letzte folgte Frau Camilla. Da hörte man einen Schrei. Frau Camilla war auf den glatten Steinstufen ausgerutscht und obwohl ihr Sisi, Misko nndcker Gondoliere sogleich wieder in die Höhe halfen, so konnte sie sich doch nicht auf den Füßen halten — vor Schmerzen. Frau Camilla hatte sich den Knöchel verstaucht. Sie mußte um Misko's Hals und den des Gondoliere ihre Arme legen und so brachte man sie nach dem Hotel zurück. Ein Arzt wurde her beigeholt, der anordnete, daß Frau Camilla ins Bett geschafft würde. Noch an demselben Abend wurde Frau Camilla in Gips gelegt. Das schwere Körpergewicht, das sie hatte, war Schuld daran, daß die Verstauchung ziemlich ernst war und der Fall sich in die Länge zu ziehen drohte. „Ich taxire drei Wochen", sagte der Arzt. „So lange soll ich liegen bleiben?" zeterte sie. „Wenn Sie nicht ganz ruhig bleiben, dauert eS noch länger", erwiderte der Arzt. Frau Camilla brauchte also eine Pflegerin. „Giss wird bei mir bleiben", sagte sie. „Sie werden doch nicht verlangen, daß sie den ganzen Tag bei Ihnen fitzt", erwiderte Misko. Frau Camilla konnte da« um so weniger verlangen, all sie in ihrer jetzigen Lage ziemlich machtlos war. — Allem preis« gegeben, wall man mit ihr vornahm. Ihr Lamenttren nutzt« nichts. Gleich am nächsten Morgen erschien von der Scuola di San Maria eine fromme Schwester an ihrem Bett. Sisi sprach ihr Trost und guten Muth zu und dann verließ sie am Arme Misko's das Haus. Der Morgen war so herrlich, wie gestern der Abend, ein prachtvoller, tiefblauer Himmel spannte sich aus, und von den Inseln drüben blies der warme Südwind. So schön war der Morgen, daß man statt einer Gondelfahrt lieber einen kleinen Spaziergang machen wollte. Wohin? Misko nahm den Weg am Ufer entlang — nach dem „Giardini publici" zu. Sie waren allein, zum ersten Male auf der ganzen Reise allein — und „drei Wochen" hatte der Arzt gesagt. Schweigend, Arm in Arm, gingen sie neben einander her. Misko war glücklich und auch Sisi sah sorgenlos und un bekümmert aus. Mit ihrem jetzt von einer frischen Röthe ge färbten 'braunen Gesicht glich sie ganz einem Landeskinde. Nur ihr elegantes, kurzes Reisekleid, das ihre kleinen Füße sehen ließ, verrieth die Fremde. Misko preßte ihren Arm. „Nun mußt Du mit mir allein vorlieb nehmen", sagte er. „Ja", lächelte Sisi ganz glücklich. „Thut eS Dir nicht leid?" „Nein!" Wie Kinder in den Ferien gingen sie dahin. Die „Giardini publici" sind der einzige Garten, den «S in Venedig giebt, den auf dem Lido und die paar kümmerlichen grünen Fleckchen in den engen Höfen nicht mitgerechnet. Um die frühe Morgenstunde aber waren die schönen Anlagen noch ganz leer. „Weißt Du, wie mir ist", sagte Misko, als sie unter den herrlichen Palmen, die sich über sie breiteten, dahingingen — „als wenn vieS das Paradies wäre und wir Bride wären Adam und Eva." Sie lachte. „Ja", erwiderte sie, „und Camilla ist die Schlange, und nun muß sie zu Hause bleiben, im Bett." Vor dem Restaurationsqcbäude saß an einem Tisch bei einer strohumwickelten Flasche Cyianti ein junge» Pärchen, oer Mann hielt einen Bädekerband in der Hand und la» seiner kleinen jungen Frau daraus mit leiser Stimme vor. „Ob di« verheirathct sind?" fragte Sisi, als sie an ihnen vor über waren. „ES wird wohl ein Pärchen auf der Hochzeitsreise sein", er widerte er. „Misko, nun wollen wir einmal denken, daß wir auch auf der Hochzeitsreise sind. Ja?" Ein zärtlicher Uebcrmuth hatte sie gepackt. Wie vom Bänd chen war sie loSgelaffen. Sie riß sich von seinem Arm, sprang einem Schmetterling nach und rief Misko zu, er sollte sie fangen. Sie steckte ihn mit ihrer lieben Thorheit an und er thats, aber lachend entglitt sie ihm, bis sie endlich an einem vorspringenden Mauerwinkel, von wo aus der Garten sich zum Meer herab senkte, Halt machen mußte und er sie in seine Arme zog. „Sisi", sagte er nach einer Weile — „warum kann es so nicht immer sein?" Und ihr Gesicht wurde wieder nachdenklich, ja traurig. „Ja, warum?" wiederholte sie vor sich hin. Am Nachmittag fuhren sie nach dem Lido hinüber. So vergingen ihnen auch 'die nächsten Tage. Die Zer streuungen, die ihnen die stille Stadt bot, waren nur gering, und ganz besonders konnte es Sisi nicht begreifen, daß es keine Pferde in der ganzen Stadt gab, die Bronzepferde auf ver Marcuskirche ausgenommen. Am Tag« sahen sie sich das bunte Leben auf der Rialtobrücke und anderen Straßen und Plätzen an, ging«» in die volksthümlichen Gasthäuser, fütterten die Tauben und schließlich stiegen sie immer wieder in eine Gondel, am Abend standen sie unter der tausendköpfigen Menge auf der Piazza und hörten dem Coneert der Stadtmusikanten zu oder gingen in das Goldonitheater. Einem Märchen glich die Stadt — und einem Märchen auch daS Glück, 'das über sie Beide ge- kommeck war. Und Mirko fragte nicht mehr, ob «» je wieder enden könnte. Ein einziges Mal nur eS war an einem Sonntag und sie gingen wieder nach den Gärten hinaus, und in langem Zuge, schwarz gekleidet, einen schwarzen Schleier über daS Haar, mit großen goldenen Ohrringen und in Wucht und Gang stolz wir Königinnen, gingen die venctranischen Mädchen, meistens Arbeiterinnen auS den Glasfabriken, neben ihnen her — nur diese» einzige Mal sagte er zu ihr: „Wenn Camilla wieder gesund wird, wird eS dann zwischen uns so bleiben wie jetzt?" „Ja", erwidert« Sisi. Frau Camilla hatte ihr Bett bereits mit einem Lehnstuhl vertauschen dürfen, dann erlaubte ihr der Arzt die ersten Geh versuche, und eine» Morgens — von den Alpen her blie» ein rauher Nordwind — den ersten kurzen Spaziergang ins Freie. Sisi und Misko mußten ihr Jeder einen Arm geben. »Ich glaube", sagte ßrau Camilla zu Sisi — „ich werde überhaupt nicht mehr allein gehen können, Du wirst mich immer führen müssen." Und so schien es anfänglich. In der nächsten Woche konnte sie schon MiSko'S Arm entbehren, aber nicht den Sifl'S. Alle» war endlich wieder beim Alten — nur daß Frau Ca milla'» anfänglich so günstige Reisrlaune jetzt vollständig dahin war, daß sie sich Ruhe wünschte und daß, al» der erste kalte Tag kam und sich hrrausstellte, daß e» in dem Hotel keinen einzigen vernünftigen Ofen gab, wobei die Fußböden in diesem .Hause noch außerdem mit Stein ausgelegt waren, was die Kälte noch empfindlicher machte — daß sie also erklärte, cs in Italien nicht mehr aushalten zu können. So wurde denn eines Morgens die Abreise angetreien nach Paris. (Fortsetzung folgt.) Dick äpindler's Weihnachtsfeier. 2j (Fortsetzung) „Was machen wir aber", sagte Spindler, den plötzlich Furcht und Zweifel befielen, „wenn sie nun doch nicht kommen?" Frau Price lachte hell auf. „Da können Sie ganz außer Sorge sein." „Oder wenn sie gestorben sind?" „Alle zusammen? — Schwerlich!" „Ich habe auf jeden Fall noch einen angeheirathtten Letter eingcladen, den ich vorher vergessen hatte, weil er reich ist." „Und auch den haben Sie nie gesehen, Herr Spindler?" fragte die Wittwe nicht ohne Muthwillcn. „Nein, bewahre!" versicherte er völlig unbefangen. Bei allen Vorbereitungen für die Gesellschaft beging Frau Price nur «inen Mißgriff. Dem arglosen Spindler wäre eS nie in den Sinn gekommen, daß seine früheren Genossen sich gc kränkt fühlen könnten, aber die Wittwe hatte die gereizte Stimmung gegen ihn wohl bemerkt. Si« schlug daher vor, eine allgemeine Einladung kür den Abend ergehen zu lassen, damit sich die Kameraden am Feste betheiligen konnten. „Wissen Si« — man läßt dann Erfrischungen Herumreichen, veranstaltet Spiele zur Unterhaltung und es wird Musik ge macht." „Aber werden die Jungens es auch nicht übel nehmen?" fragte Spindler in aller Einfalt. „Sie meinen am Ende, sie sollten Gäste zweiter Classe sein und sich mit den Schlacken begnügen, nachdem das Gold fort ist!" „Unsinn", erklärte Frau Price entschieden. „So macht man'» in San Francisco jetzt überall; eS ist hochmodern." Bei seinem blinden Vertrauen auf die Umsicht der Wittwe folgte er ihr ohne Widerrede, und so erschien denn in der nächsten Nummer der Wochenblatts eine Aufforderung an Richard Spindler'» Freunde und Mitbürger, sich an dem und dem Tag« zu einer geselligen Abendunterhaltung in seinem Haus« rtnzu- finden u. f. w. Dadurch wurde jedoch der Riß in der Freund schaft nicht nur erweitert, sondern eS entstand auch gegen den Treulosen ein förmlicher Groll, der leicht zum Ausbruch kommen konnte. Die Jungens nahmen sich zwar vor, Alle beim Fest zu
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