Das Lesen des Textes In einem vorhergegangenen Kapitel sind die psychologischen Gesetze für die Gestaltung des Textes in optischer und gra phischer Hinsicht besprochen worden. Ist der Text nun fertig gestellt und gesetzt oder geschrieben, so erhebt sich sofort die schwerwiegende Frage: Bis zu welchem Ausmaß wird der Text eines Reklamemittels gelesen? Dabei dürfen wir nicht nur an den Text des Inserates, der Broschüre oder des Prospektes denken, sondern müssen auch den Text des Plakates berücksichtigen, so bald er länger als 5 Worte ist. Die Frage, ob Texte in Inseraten gelesen werden oder nicht, wird in Deutschland stark umstritten. Da man aber weder exakte Untersuchungen angestellt hat, um zu ergründen, ob Texte über haupt gelesen werden oder wie weit sie gelesen werden oder welche Texte gelesen werden und welche nicht — so sind alle Rezepte, die dafür gegeben werden, nur subjektive Wünsche ihrer Autoren. Diese wohlgemeinten Ratschläge für die Verbesserung der Texte gehören eigentlich in das Kapitel vom Textschreiben. Aber solange man nicht auf systematischem Wege erforscht hat, wann der deutsche Zeitungsleser sich durch Reklametexte ge fangen nehmen läßt, oder wie weit er einen Text zwangsläufig verfolgt, den er begonnen hat, welche Unterschiede zwischen dem Lesen von Texten in Tageszeitungen verschiedener Art und denjenigen in Zeitschriften verschiedener Art bestehen — so lange werden wir uns mit den gegenwärtigen Erkenntnissen der Psychologie über das Lesen von Texten begnügen müssen.