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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 27.07.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-07-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190107279
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19010727
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19010727
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-07
- Tag1901-07-27
- Monat1901-07
- Jahr1901
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 27.07.1901
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118 wegter Stimme, doch wiedergewonnener Fassung fuhr sie fort: „Erlassen Sie mir. Ihnen zu schildern, was ich da mals gelitten Sott allein weiß es- Er allein vermochte mir auch de» rechten Trost zu senden Der alte geistliche Herr kam zu mir als sein Lote- Ich klagte ihm mein schwere» Leid- Er ließ mich wein überdies Herz erst auSschütten, dann sagte er mit müdem Ernst: „Der Schlag, der Dich getroffen, ist hart- Es ist ein Opfer, das Sott von Dir fordert, um Deine Liebe und Deinen Glauben daran zu prüfen Jede» Menschenleben weiß von ähnlichen Opfern, wenngleich eS nicht Äerall das nämliche ist Hier ist der Lerlust eines großen Vermögens, einer bisher «»getrübten und sorgsam gehüteten Ehre, einer hohen Stälung, einer guten Gesundheit, dort die zeitliche oder ewige Trennung von einem geliebten Menschen, wie es bei Dir der Fall- Nun gilt eS diesen großen Schmerz zu überwinden, aber auf das Alles kommt es nicht an Ser nichts höheres kennt, wie das Glück und das Leid, welche- die Erde bietet, wird entweder seinem Jammer in trotzig lauten Klagen Ausdruck geben und schließlich iu wildem Rausche lärmender Lustbarkeiten Heilung für die wund« Seele suchen, oder er wird in stumpfe Gleich giltigkeit verfallen, an Gott und seiner edleren Bestimm ung verzweifeln, vielleicht auch voll Haß und Bitterkeit -egen die Welt, mit Wahn umnachteten Geist sein irdisches Dafein.enden, nicht ahnend, daß er nur die staubgebvrene Hülle, nicht aber den unsterblichen Geist zu vernichten ver mag. Der Christ aber, da- rechte Kind Gottes, nimmt auch die Trübsal als eine heilsame Gabe aus des all- liebenden Balers Hand^ Es demüthigt sich unter seinen Sillen- ES giebt ohne Murren, mit willigem Herzen, was der Allweise von ihm fordert und weiß und hält uner schütterlich an dem Wort, daß denen, die Gott lieben. Alle» muß zum Besten dienen!" So tapfer sie auch gekämpft, vermochte sie doch vor Schluchzen nicht weiter zu sprechen Erst nach einer kleinen Pause fuhr sie fort: „Ihre Worte waren Balsam für meine Seele- Ich werde ruhiger, und in Befolgung dieser Lehre fühl ich die Kraft, die Vvrgeschriebene Bahn zu gehen« „Deine Worte freuen mich herzlich, liebe Charlotte," «widerte ich „Sei versichert, daß ich meinerseits für Dich thun werde, um» ich vermag Ist es Dir erwünscht, wenn ich mich »ach ein« Stelle^ für Dich umsehe?" „O ja," versetzte sie, ,',recht sehr, aber so weit fort, wie möglich! Wie ost habe ich seither bereut, Herrn So- boff» Anerbieten damals ausgeschlagen zu haben" „Ser weiß, wozu es gut war," sagte ich leise Äe sah mich verständnißvoll an und nickte „Ja, Sie haben recht- Ich bin zu innerer Klarheit gekommen und die schwere Seelennoth hat mein Herz gMrttert- Auch der Mutt« ist es recht, wenn ich fort gehe, und ich will gern alle meine Ersparnisse in Zukunft mit ihr theilen" „Sie macht Dir wohl das Leben recht schwer?" fragte ich eingedenk meines letzten Empfangs Ein wehmüthiges Lächeln flog über Charlottens Züge, während sie antwortete. „Ich sehe jetzt Alles mit anderen Augen an und denke manchmal, sie meine es am Ende besser wie ich früh« gedacht Zudem hat sie ja Grund genug, mit Mir unzufrieden zu sein, und so nehme üh ch» Scheltworte als eine Mr gebührende Strafe ohne Murren hin Sollte sich etwas Besseres für mich finden, würde ich sehr dankbar sein Aber ich will dem lieben Sott nicht Med« aus der Schule laufen und mich in seinen Süle» «geben bi» er e» für gut findet, mein Schicksal freundlich« zu gestalten " Es war inzwischen völlig Sommer geworden, obgleich die Witterung in diesem Jahr manches zu wünschen übrig ließ- Ich hatte Charlotte seither nur selten und flüchtig gesehen, mich auch vielfach nach einer Stelle für sie be müht, aber nichts finden können- Bon Herrn Sokoff hatte ich seit jenem kurzen Abschiedsbriefchen nichts mehr ge hört, obgleich ich eigentlich recht sehnlich Nachricht von ihm erwartete. An einem regnerischen Julitage saß ich allein in meinem Wohnzimmer. Die durchweichten Wege verleideten mir jeden Ausgang- Statt meine Freistunden im Park mit Bekannten zu verplaudern, rückte ich einen Stuhl an das Klavier und griff nach d« mir kürzlich über sandten neuesten Komposition eines befreundeten Künst lers. Es war eine hübsche, leicht faßliche Melodie. Bald war ich gänzlich in mein Spiel vertieft und kümmerte mich nicht mehr um Regen und Wind Auch ein mehrmaliges bescheidenes Klopfen an d» Thür überhörte ich- Erst als sich dieselbe öffnete und Je mand eintrat, wandte ich den Kopf- Es war Becker, wel ch« mir meldete, daß ein Herr, welcher im Korridor warte, mich zu sprechen wünsche „Führen Sie ihn in den Salon, ich komme gleich," sagte ich ausstehend- Es kommen viele Fremde iu mancherlei Angelegenheit zu mir, so daß ich diesem Be such gleichgiltig entxsegenging- Als ich meinen Salon betrat, stand der mir gemel dete He« vor dem Sophatisch und betrachtete die Photo graphier» meines Albums, das ich dort zufällig hatte lie gen lassen- Langsam wendete er sich jetzt um und kam mir herzlich entgegen- Es war Herr Sokoff! — „Sie hi«?" rief ich freudig überrascht- „Was werden Me von mir gedacht haben?" sagte er und fach mich mit seinen ehrlichen, treuen Augen wie um Verzeihung bittend an- „Meine schnelle Abreise und mein unverzeihliches Schweigen müssen Sie verletzt haben « „Ihre Gegenwart macht Alles wieder gut," entgeg nete ich warm- Es freut mich unendliche Sie wiederzu sehen- Bitte, nehmen Sie Platz — und erzählen Sie, wie es Ihnen seither ergangen " „Mir?" sagt er fast erstaunt, als er neben mir auf dem Sopha saß- — „O, sprechen wir nicht von mir. Wenn Sie mir aber eine Wvhlthat erweisen wollen, dann theilen Sie mir mit, was aus jenem armen Mädchen geworden ist, das letzten Sommer meiner lieben Sascha eine so treue Gefährtin gewesen " Ich kam seinem Wunsche gerne nach Er lauschte meinen Worten mit sichtlicher Rührung- Als ich geendet, sprach er: „Glauben Sie nicht, daß ich lheilnahmslos an Fräu lein Charlottens Geschick gewesen, oder daß ich ihrer nicht oft und viel gedacht habe. Meine Sascha konnte sich kaum dreinfinden, daß sie uns nicht begleiten wollte- Sie weint noch jetzt, wenn wir den Namen nennen und fragt alle Tage, ob Fräulein Charlotte denn gar nicht wieder- käme- Ten Winter über war ich so mit Geschäften über häuft, daß ich lvenig oder gar keine freie Zeit hatte- Dazu kamen häusliche Sorgen und täglicher Verdruß- Meine Schwägerin Wera machte mir mein Haus zu einer wahren Hölle und ihr Bruder verbitterte mir jede Stunde durch seinen Leichtsinn und seinen Trotz- Wir hatten einen bösen Winter, Sascha mit einbegriffen- Die arme Kleine war vielleicht am übelsten dran- Ich vermochte ihr nur wenig freie Minuten täglich zu'widmen Ten Rest des Tages war sie auf die Gesellschaft meiner Schwieger mutter und einer französischen Gouvernante angewiesen- Aber diese beiden hatten kein Verständniß für ihr weiches liebevolles Herz Wera kümmerte sich gar nicht mehr um sie- So fühlte sich das Kind immer vereinsamter IIS und als die schöne Jahreszeit anbrach, verlangte sie stürmisch nach Badenweiler, und nach ihrer lieben Fräu lein Charlotte." „So haben Sie die Kleine bei sich?" fragte ich erwar tungsvoll- „Nein, ich bin ganz allein hier " „Ganz allein " „Ah, ich! bin Ihnen noch eine Aufklärung schuldig," sagte er düster, meine Gedanken errathend- „Ich habe meine Schwägerin nicht geheirathet, obgleich ich mich während meines Hierseins an den Gedanken gewöhnt hatte. Sie schien eine Verbindung mit mir zu wünschen, aber sie betrog mich und stand heimlich in einem Ver- hältniß zu dem jüngeren Rheden- Ein zufällig aufge fundenes Bittet entdeckte es mir am letzten Abend un seres Hierseins- Es gab einen heftigen Auftritt zwischen Wera und mir, infolgedessen ich unsere sofortige Abreise beschloß. Spät« erschien Rheden- Er war tief erschüttert, machte aber trotz Allem den Eindruck eines Ehrenmannes- Er hatte Wera vom ersten Augenblick an gesagt, daß er nicht vermögend genug sei, sie heirathcn zu können, und zu stolz, von mir oder seinem Bruder sich etwas schenken zu lassen- Darauf hatte er Badenweiler ver lassen und sie meiden wollen- Doch mit tausend Künsten hatte sie ihn immer zu fernerem Bleiben verlockt und seine Liebe zu einer fast wahnsinnigen Leidenschaft ge steigert- Ich glaube, unsere Unterredung öffnete uns bei den die Augen über Weras wahren Werth und Charakter- Wir schieden als Freunde, und er machte keinen Versuch mehr, meine Schwägerin noch einmal zu sprechen- Mit dieser aber war seither kein Auskommen mehr- Viel leicht liebte sie Rheden tiefer, als ich ihr zugetraut, ob gleich ich dennoch bezweifle, daß sie glücklich miteinander geworden wären- Vor meiner Abreise sandte ich sie mit ihrer Mutter in ein Seebad, während ich Sascha mit ihrer Gouvernante in Petersburg zurückließ-" „Warum haben Sie Ihr Töchterchen nicht mitge bracht?" fragte ich- . „Um ihr Ideal nicht zu zerstören," versetzte er- „Wie leicht hätte sie hier etwas Nachtheiliges über Fräulein Charlotte hören können- Und das sollte sie nicht. — Wer nun eine Bitte. Ich möchte Fräulein Charkttte sehen und sprechen- Könnte es hier bei Ihnen geschehen?" „Gern- Weiß sie bereits von Ihrem Hiersein?" „Nein- Ich bin soeben erst angekommen und um alles Aufsehen zu vermeiden, in einem Privathaus ab gestiegen- Mein erster Gang galt Ihnen. Wann kann ich das Fräulein sehen?" „Ich will sie auf morgen um diese Zeit zu mir be stellen" „Könnte es nicht früher sein?" „Wollen Sie so schnell wieder fort ?" „Nein — ab« — nun, ich füge mich, — morgen um halb drei spreche ich wieder bei Ihnen vor " Er nahm seinen Hut und stand auf- „Sie wollen schon gehen?" fragte ich, mich gleichfalls erhebend- „Ich bin von der Reise ermüdet und will ein wenig ttrhen " „Darf ich Sie heute Abend zu einer Tasse Thee bitten?" „Danke," lehnte er" freundlich ab- „Wir sehen uns morgen wieder " Mir schiens, als wünsche er allein zu sein- Ich ge leitete ihn bis zur Hausthür und kehrte dann in den Salon zurück- Hier fiel mein Blick wieder auf das Album. Ich wollte es an seinen Platz zurücklegen und blätterte gedankenlos darin, während ich es nach meinem Bücher- schrank trug- Unerwartet fand ich eine leere Stelle, wo sonst eine Photographie gelegen Ich schaute sorgfältiger, Charlottens Portrait, ein sehr gut getroffenes Brustbild, womit sie mich einmal an meinem Geburtstage über rascht, fehlte- Sollte He« Sokofs e» herauSgenommen haben — (« bezeugte ein so warmes Interesse an ihrem Geschick) — vielleicht um es seiner Saschinka zu bringen! — Wa rum aber so heimlich — warum hatte er nicht offen darum gebeten, — fürchtete er, daß ich es ihm ver weigern würde?" Am folgenden Nachmittag, pünktlich um halb drei Uhr fand sich Charlotte bei mir ein Ich hatte sie um ihren Besuch bitten lassen, ohne in meinem Billete Herr« -Sokoff «wähnt zu haben Es blieb mir nur kurze Zeit, sie auf ein Zusammen treffen mit ihm vorzubereiten, da kam er schon- Charlotte erschrak bei seinem Anblick- Purpurgluth färbte ihre Wangen Sie schämte sich vor ihm- Er war auffallend «regt und bleich Cr sah sie lange an, er wollte sprechen, aber es war, als vermochte er die richtigen Worte nicht zu finden- End lich sagte « unendlich weich: „Wie geht es Ihnen, niest» liebes Kind?" Sie schien seltsam bewegt und blickte mit thränendeoü Auge zu ihm auf- Ihre Stimme bebte, als sie leise er widerte: „Es geht mir erträglich noch immer bess«, als ich verdient." „Still, — still — die Vergangenheit sei für uns be graben," versetzte er- „Hütte ich eS damals besser ver standen, mir Ihr Vertrauen zu gewinnen, hätten Sie mir gesagt, womit ich Ihr Glück hätte begründen können, Gott weiß, ich hätte gethan, was in meiner Kraft ge standen" „O He« Sokoff!" rief Charlotte, Sie haben mir un endlich! viel Gutes gethan- Hätte ich nur von Ihrem gütigen Anerbieten Gebrauch gemacht, hätte ich nur da mals die Unhaltbarkeit meines Verhältnisses mit Jo seph eingesehen, und des Herrn Inspektors treuen Rätst befolgt Wäre ich doch damals mit Ihnen nach Petersburg gegangen! Unendlich bitter habe ich meine danmlige Wei gerung bereut und beweint — „Bereut?" fiel Herr Sokoff ein- Sein Gesicht leuch« tete plötzlich hell auf- „Ich finde keine Worte, Ihnen den Schmerz mein« Reue zu schildern," sagte sie mit gesenktem Blick — „Hegte Morgen," fügte sie nach einer Pause hinzu, „erhielt Ich eine Offerte aus Men, die ich einem unbekannten Für sprecher verdanke, und die ich wohl werde annehme» müssen; ab« schwerlich werde ich einen Ersatz für di« Liebe der Keinen Saschinka finden und mich dort fo glück lich fühlen, als es in Ihrem Hause der Fall gewesen " Herrn Sokoffs Mienen waren finster geworden- Auch seine Stimme klang weniger freundlich, als er erwiderte- „Nach Wien wollen Sie gehen- Darf ich fragen zu wem?" „Der Brief war mit Frau von Maykoff unterzeichnet- Sie wünscht mich als Gesellschafterin zu engagiren und meinen sofortigen Eintritt " „Und Sie haben keine Ahnung, wem sie eine fo warm« Empfehlung verdanken, daß die Dame Sie ungesehen und sobald als möglich zu gewinnen sucht?" „Nicht die geringste- Ihr Schreiben giebt mir darüber leinen Aufschluß " „Und auch über ihre Person wissen Sie nicht» Näheres?" „Ich vermuthe, daß eS eine reiche und angesehen« Dame ist " „Das stimmt " „Sie kennen Sie!" rief Charlotte freudig- „Ihrer Güte
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