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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.04.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020411028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902041102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902041102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-04
- Tag1902-04-11
- Monat1902-04
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Reclamen unter dem RedactiouSstrich (-1 gespalten) 75 vor den Familiennach richten l)> gespalten) 5o Tabellarischer und Ziffernsap entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenaunahme 25 .H (cxcl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbejörderung 60.—, mit Postbesörderung ./I 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 86. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Die FriebenSaction. * London, 10. April. (Telegramm.) Unter haus. KricgSmtnister Brodrtck erklärt: Kitchcner theiltc mir mit, Vertreter auö Transvaal, darunter Schalk Burger, Reitz und Lucas Meyer, seien in Klerksdorp ein getroffen, wo Botha mit ihnen zusammengcstoßen sei. Steijn, De Wet, Delarcy und drei Mitglieder des ehe maligen OranjefreistaatcS seien ebenfalls nach Klerksdorp gereist, wo sie gestern angekommen leien. <Beifall.) Bon den Führern sei keine Mitthcilung cingcgangen, außer der bezüglich der Gewährung des freien Geleits für die Theilnehmer -er Conferenz. — Colonialminister Cham berlain führt aus: Ich weiß nicht, ob das freie Geleit für einen abgegrenztcn Zeitraum gewährt wird, eS wird aber so lange aufrecht erhalten bleiben, als die Verhand lungen fvrtschreiten. An deren Schluß werden die Ab gesandten ermächtigt, Jeder in seinen Bezirk zurückzu kehren. — Black fragt, ob Schalk Burger und die Anderen der Verbannung ausgesetzt wären, falls sic nach ihrer Rückkehr zu den Linien der Boeren gefangen würden. — Chamberlain erwidert: Die Proclamationen bleiben in Kraft. (Wdhlt.) Wie vorsichtig man mit englischen Mittheilungen sein muß, geht auch aus folgendem Amsterdamer -Telegramm der „Tägl. Rundsch." hervor: Die umgehenden Gerüchte iiber die FriedenSocrhand- lungcn sind mit größter Vorsicht aufzunehmen. Bisher ist es ii b e r h a u p t n o ch n i ch t z u d e f i n i t i v c n Ver handlungen gekommen, geschweige schon zu Ab machungen, da erst die von beiden Thcilcn in Südafrika nicdcrgelcgten Vorschläge der Genehmigung Krüger's unterbreitet werden müssen. Hierüber hat in den letzten Tagen ein Meinungsaustausch zwischen öcn Boercnführcrn und der europäischen Bocrenregicrung stattgcfundcu. Alles, was über den Fricdensschluß heute von englischer Seite verbreitet wird, ist erfunden. Eingeweihte Boerenkreise versichern, daß von englischer Seite schon seit Langem nicht fo viel Lügen in die Welt gesetzt worden sind, als in der letzten Woche. Namentlich sind die Meldungen, die kämpfenden Boeren seien nur 8000 Mann stark und in kleinen Colonnen zersprengt, die vor den englischen CommandoS überall zurückwichcn, er logen. Die Boerenführer verfügten über 22000 auserlesene Soldaten. In den letzten Tagen strömten wieder zahlreiche Capholländcr zn. * Bulawayo, 11. April. (Telegramm.) Die Leiche Cecil RhodcS' wurde gestern unter sehr zahlreicher Be- thciligung von Europäern und Eingeborenen auf dem Gipfel des Kovjes von Matoppohills nach einer eindrucksvollen Feier zur Erde bestattet. * London, 11. April. (Telegramm.) „Neuter's Bureau" berichtet aus Pretoria unter dem 9. April: Die combinirten Operationen im Oranje-Frei- staat sind soeben beendet. Dieselben erstreckten sich von Westen nach Osten über den nordöstlichen Diskrict dcS Oranje- Freistaates. Bei denselben wurden KOBoerengcfangen genommen und eine erhebliche Menge Vorräthe erbeutet. Politische Tagesschau. * Leipzig, 11. April. Die Zolltarif-Commission des Reichstags hat in ihren letzten beiden Sitzungen etwas raschere Arbeit gemacht, als vor den Osterferien,' es heißt jetzt auch, sie werde die Vorlage unter allen Umständen durchbcrathcn und es sei nur noch fraglich, ob dies bis Pfingsten möglich sein werde. Bon dem Bestreben der Commissionsmehrheit, sich mit der Regierung zu verständigen, merkt man aber, wenn man von der Ablehnung einiger Anträge des Abg. v- Wangenhcim absieht, nichts. Und einigt sich, wie es den Anschein hat, diese Mehrheit ebenso auf die in unserer heutigen Morgenausgabe rsiitgetheilten Anträge zn den Vieh zöllen ebenso, wie sie sich über den sogenannten Compromißantrag Herold zu den Minimalsätzen für Ge treide geeinigt hat, so ist nicht abzusehen, wie man zu einem Compromiß mit der Regierung gelangen soll. Denn diese neuen Anträge stehen in doppeltem Widerspruche zu den Erklärungen der Regierung. Diese hat sowohl Erhö hungen der landwirthschaftlichen Zölle, als namentlich weitere Minimalzölle für landwirthschaftliche Er zeugnisse als unannehmbar bezeichnet. Die sogenannten Compromißanträge wollen zunächst die ohnehin schon be trächtlichen Zollsteiger,ingen des Entwurfes für Vieh und Fleisch noch weiter verstärken. Der Entwurf erhöht z B. den jetzigen Zoll von 20 für Pferde ans 30 bis 300 .F, je nach dem Wcrthc derselben: die Antragsteller wollen diese Sätze auf 00 bis 300 ./? steigern. Der Entwurf erhöht den Zoll für Ochsen derartig, daß er, statt 20 bis 30 ./t! pro Stück, 12 .4t für den Doppclccutncr Lebendgewicht ansctzt: die neuen Anträge wollen diesen Satz für alles Rindvieh ans 18 für den Doppelccntncr bemessen. Das Wichtigste aber ist der bereits mitgetheilte Zusatz zn den beiden Positionen: „Diese Zollsätze sollen durch vertragsmäßige Abmachungen nicht nm mehr als 20 Prveent ermäßigt werden." Dadurch würden zu den von der Regierung abgewiescnen Zollerhöhungcn die weiteren landwirthschaftlichen Minimaizölle hinzu kommen, -die sie mit noch größerer Entschiedenheit zurück gewiesen hat, weil die Herabsetzung solcher Zölle durch Handelsverträge untersagt sein soll. Bei Pferden würde sich der zulässige Mintmatzoll um ein Geringes niedriger stellen können, als der Zollsatz der Regierungsvorlage: aber eine weitere Ermäßigung dieses Zollsatzes durch Handelsverträge, die nach dem Entwürfe zulässig wäre, würde nach -dem Anträge ausgeschlossen sein. Beim Rindvieh würde der beantragte Minimalzoll eine noch ungleich stärkere Fessel für die Regierung bei Vertrags verhandlungen sein: da der „Compromiß"-Zoll von 18 pro Doppelccntncr Lebendgewicht nicht um mehr als 20 Prvcent ermäßigt werden soll, so würbe sich hier ein Minimalzoll von 14,40 ergeben, gegen einen vertrags mäßig herabsetzbaren Zoll des Entwurfes von 12 .4( für Ochsen — abgesehen von den Steigerungen, die sich in Folge der Ersetzung der Stückzölle des Entwurfes durch den Minimalzoll von 14,40 pro Doppelccntncr bei anderem Rindvieh, wie Jungvieh, Kälbern n. s. w., Herausstellen würden. Es ist übrigens nicht undenkbar, daß derartige Anträge nur aus Rücksicht auf die ländlichen Wähler gestellt werden, denen der Eifer ihrer Erwählten gezeigt werden soll, und daß diese sich am Ende doch mit dem Erreichbaren begnügen. Dann mag aber die Com missionsmehrheit wenigstens von ihrer Stärke Gebrauch machen, alle anderen Anträge rundweg ohne lange De batte ablehnen und dafür sorgen, daß die Regierung bald in die Lage kommt, bestimmte Stellung zu dem ganzen CvmmissionSelaborate zn nehmen. Sehnsucht nach einem reichsländischen Wreschen verräth das Organ der Retchstagsabgeordnetcn Delsor und Hauß in einem Artikel über die angebliche Sprachenfrage in Breuschthal. Es stellt näm lich das „entschiedene Auftreten" der „Leidensgefährten im Osten" der „stillen Resignation der französisch redenden Brcuschthäler" gegenüber und fährt alsdann fort: „Hätten die Psarrherren eines Theiles des Breuschthales nicht ihre Stimme erhoben nnd durch eine Petition an den Landcsausschuß die Aufmerksamkeit auf die dortigen Schulzustündc gelenkt, so würden die Meisten von uns auch heute noch nicht wissen, wie übel die Schulkinder in jener Gegend daran sind." — Dieses Geständniß ist überaus be zeichnend. Man ersieht daraus, daß der katholische Klerus der Westmark in Bezug auf die Sprachenfrage sich in dem selben Gegensätze zum Deutschthum befindet, wie der polnische katholische Klerus der Ostmark. Uebelständc, die nach dem Eingestündniß des Straßburger klerikalen Blattes unbekannt geblieben wären, wenn nicht die Pfarrher r e n Lärm geschlagen hätten, können unmög lich belangreich sein. Das ergiebt sich auch aus den weiteren Ausführungen desselben Blattes. Denn die „üble Lage" der Brcuschthäler Schulkinder besteht darin, daß die dortige Schule das Hauptgewicht auf die Erlernung der deutschen Sprache legt. Auf deutschem Grund und Boden kann hierüber um so weniger Beschwerde erhoben werden, als über ein Menschenalter verflossen ist, seit das Brensch thal wieder deutsch wurde. Ist die Erkenntniß, daß Familie und Haus die Arbeit der Schule betreffs dcS deutschen Sprachunterrichts nunmehr nachdrücklich unterstützen müssen, immer »och nicht genügend durchgedrungcn, lernen daher Brcuschthäler Schulkinder weder das Deutsche noch das Französische recht, und sehen sie sich in Folge dessen auf ihr „Patois" angewiesen, das zum späteren Fortkommen nicht ansrcicht, io sollte die rcichsländischcPrcssc ohneAus- nahme ihren Einfluß aufbieten, um hierin Wandel zu schaffen. Statt dessen „protestirt" das Organ der Reichs- tagsabgcordnetcn Dclsor und Hauß gegen die Auf- zwingung einer „künstlichen Muttersprache" und meint, man hätte die französisch redenden Bewohner Elsaß-Loth- ringens „einfach nicht annectiren sollen", wenn die fran zösische Sprache jemand hindere, ein guter deutscher Staatsbürger zu sein. Verführt die reichsländische Re gierung nicht nach diesem Nccepte der klerikalen Fran« zöslinge, so ist ihr moralisches Recht dazu ganz unbe streitbar- Denn abgesehen von der langen Frist, die seit der Erwerbung der Rcichslande verstrichen ist, hat die deutsche Schule in Elsaß-Lothringen den Beweis ihrer tteberlegenhcit über die französische handgreiflich geliefert. Es sei nur erwähnt, daß von 10000 Ausgehobenen im Jahre 1876 noch 345 Analphabeten waren: seitdem sind die Analphabeten zusammengeschmolzcn auf 228 im Jahre1880, auf 33 im Jahre 1890 und auf 10 im Jahre 1897. Unter solchen Umstünden kann cs der rcichsländischen Schulver waltung nicht schwer fallen, unbeirrbar daran fest zu halten, daß auch im Breuschthal der deutsche Sprachunter, richt den wesentlichen Bcstandttheil des Schulunterrichtes bildet. Zn dem geplanten Besuche des Prinzen von Wales in Nordamerika wird der „Intern. Corr." aus New Avrk, 8. Avril, berichtet: Der Plan, den Prinzen von Wales zur Thctlnahme an der EinweihungSseier -cs neuen New Aorker Handelskammer-Gebäudes einzulabcn, geht von dem hiesigen britischen Botschafter aus, der hier durch sein durch die bekannten Enthüllungen erschüttertes Ansehen wieder Herstellen und sein weiteres Verbleiben in Washington als unentbehrlich erscheinen lassen möchte. Der englische Botschafter hatte sich mit mehreren Mit gliedern der Handelskammer, besonders mit dem Vor sitzenden Jesup, zu befreunden gewußt, und Letzterer wandte sich an den Lord Mayor der Londoner City, um eine Einladung des Prinzen von Wales vorzubereite». Die Londoner City-Corporation wünscht begreiflicher Weise die Beziehungen mit New 2)ork möglichst eng zu knüpfen: aber in New L>mk will man noch viele andere hochgestellte Gäste des Auslandes einladen. Besonders rechnet man noch auf einige Präsidenten der süd- und mittelamerikanischcn Staaten, sowie auf Abordnungen europäischer Parlaments- und Handelskammern. Daher würde der Besuch des Prinzen von Wales dort in keiner Weise mit -em Besuche des Prinzen Heinrich zu ver gleichen sein. Dem Range nach würden die amerika nischen Staatspräsidenten dem Prinzen von Wales voran stehen, und bei der großen Zahl der Gäste würde der Prinz auch weniger hervortretcn können. Uebrigcns wird die Feier nicht vor September stattfindeu, und bis dahin hoffen besonders die Boerenfreundc, die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten noch wesentlich be einflussen zu können. Heber -en allmächtigen Mann in China, Aunglu, schreibt uns unser Mitarbeiter in Peking, 12. Februar: Ich habe neulich berichtet, daß Aunglu, nm seinen Einfluß zu steigern, sich für seine Tochter die Hand des Prinzen Tschun gesichert hat. Inzwischen ist er jetzt auch äußerlich an die erste Stelle als V e r t r a u t e r u n d Berat her -er Kaiserin-Regentin getreten. Bon den höchsten chinesischen Beamten, den Großiekretären, giebt cs im Ganzen vier, zwei mandschurische und zwei chinesische. Dem Titel eines jeden von ihnen wird der Name einer bestimmten Thronhallc des Palastes zugesügt, in welcher die früheren Kaiser die chinesischen Klassiker zn erläutern pflegten. Der Großsekrctär der Wen lma- Thronyalle ist der erste Beamte des Reiches. Seit 1875 führte Li hung tschang diesen Titel, nach dessen Tode war cr bisher nicht vergeben worden. Durch ein am 2. Fe bruar d. I. ergangenes kaiserliches Edict ist nunmehr Aunglu zum Grvßsckrctär der Wen hua-Thronhallc er nannt worden- Am Tage vorher, am 1. Februar, war in der Peking - Zeitung ein Edict erschienen, durch welches ein von Aunglu cingereichtcs Gesuch, ihu von seinen Aemtcrn zu entheben, da er sich seinen Pflichten nicht ge wachsen fühle, in gnädigen Worten abschlägig beschieden wurde. Als ein weiteres Zeichen des Bcrtrancns, welches Aunglu bei seiner Herrin genießt, ist jetzt seine Ernennung zum Senior-Großsekretär erfolgt, nachdem er erst vor Kurzem durch die Verleihung der gelben Rcitjackc, der zweiäugigen Pfauenfeder und des Titels eines älteren Beschützers des Thronerben ausgezeichnet worden war- Anngln ist der Präsident des Staatsraths ldes chinesischen Minister-Conseils) und der zur Bcrathung der Reformen eingesetzten, aus den höchsten Beamten des Reiches be stehenden Behörde. Außerdem bekleidet cr einige Sine- kuren in der mandschurischen Banner-Organisation. Das Commando über die sämmtlichen in der Provinz Chihli stehenden Truppen, deren Generalissimns Aunglu bei Aus bruch der Boxer-Wirren war, liegt setzt in den Händen des Generalgouverneurö Auan shih kai. Der Einfluß des Prinzen Tsching beschränkt sich auf die Leitung der aus wärtigen Angelegenheiten. Feuilleton. Eva oder Anneliese? 10j Roman von Ernst Gc o rg y. »t-atnick „Ich frage Dich noch einmal ernstlich, mein Kind, ob Du Hermann vielleicht später lieben kannst'? Jetzt hast Du phantastische Ideen in Deinem Köpfchen: aber wenn Du Dir die Bortheile dieser Ehe ernstlich überlegst " „Mutti, wenn Du mich noch lieb hast, hör' auf, sprich nicht mehr davon!" flehte die Andere gepeinigt, „ich schwöre Dir schon heute mit tausend Eiden zu, daß ich nie mals, niemals den Kahle heirathen kann oder werdet" „Anneliese, bedenk't" „Nein, nie!" entgegnete diese, sonst so Nachgiebige, schroff. Marie erhob sich bleich. „Ich will Dich nicht zwingen, Kind, Du bist erwachsen. Jeder ist seines Glückes Schmied. Aber einen Vorschlag will ich Dir machen. Dir ist jetzt wehe ums Herz. Du könntest in dieser Umgebung noch mehr leiden, Dich tiefer in Deinen Schmerz ver bohren. Ich werde Dich mit Miß Scaton auf Reisen schicken. Langsam schritt sie zur Thür. Aber Anneliese rutschte ihr nach. „Mutti!" schrie sic verzweifelt, „verbanne mich nicht von Dir! Jag' mich nicht fort. Bitte, bitte, laß mich hier. Sonst vergeh' ich vor Sehn sucht!" „Anneliese, Mädchen, was für Unsinn schwatzt Du? Ich sollte Dich sortjagen? Dich, die ich wie mein eigenes Kind liebe? Wie kannst Du so etwas denken? — Ich spreche einzig und allein in Deinem Interesse! Dir möchte ich schwere Stunden ersparen, Dich davor behüten, baß Du ein Gefühl in Dir anwachsen läßt, welche» Dich nie beglücken kann!" — Das Mädchen hatte sich erhoben. Sie taumelte. Marte umschlang sie und drückte sie fest und liebevoll an sich. „Meine dumme kleine Dern!" „Latz mich hier, Mutti! Ich sterbe, wenn ich ihn nicht sehen darf!^ flüsterte Anneliese schamhaft. — „Ich ver spreche Dir, datz ich niemals mich mit einem Worte oder Blicke verrathen werde!" „ArmeS Kind!" „Nein, Mutti, nein! Ich bin nicht arm, ich will ihn la gar nicht haben, nur Um ihn sein. Latz mich bet Dir!" „Bleibe, Kind, aber mach' mir später keine Borwürfe. Ich habe Dich gewarnt!" — — Die Erregte schüttelte stumm den Kopf. Sie weinte vor sich hin und duldete es ruhig, daß die Gräfin sie wie in ihren Kinderjahren ent kleidete und hinter den weißen Mullvorhängcn des Lagers bettete. Dann setzte sie sich zu ihr und streichelte sie gleich mäßig und lind über die Stirn. Anneliese weinte sich nach und nach in den Schlaf. Nach ungefähr einer Stunde erhob sich -die Gräfin vor sichtig. Sic blickte auf ihr Pflegekind hinab, das ruhig athmend schlief. Ein leises Lächeln glitt über Marie's Gesicht. Sie schüttelte den Kopf über diese gesunde Natur, die so rasch über eine derartige Erregung fortkam. Sorg lich deckte sie ihr Dummelchen zu, löschte das Licht und schlich hinaus. Erst als sie die Treppe hinunterstieg, um im Unterstock nach dem Rechten zu sehen, fiel ihr wieder ihre zertrümmerte Hoffnung ein. Ihr schöner Plan war zu Wasser geworden. Aergerlich biß sie die Lippen zu sammen. Dann begab sie sich in ihr eigenes Zimmer. Ob wohl cs spät geworden, schreckte sie ein Klopfen aus ihren Gedanken auf. Hastig rief sie: „Herein!" und war un gemein erstaunt, als Miß Seaton's schmale Gestalt im Tbürrahmen erschien. „So später Besuch noch, Mißchcn! Bitte treten Sie näher. Was machen Sie denn für ein Gesicht? Sie schauen aus wie die Katze, wenn cs donnert!" „Ich bin auch wirklich schwer enttäuscht, Frau Gräfin, oh, Sie werden sehr böse sein!" „Ich, was ist denn geschehen?" fragte Marie ver wundert. „Ich habe Ihren Auftrag bereits ausgesührt und mit Herrn Kahle über die Zukunft und seine Absichten ge sprochen!" Jetzt lachte Marie hell auf. „Setzen Sie sich mal hier her und beichten Sie flink. Sagt er etwa auch nein?" „Auch?" wiederholte die Andere erstaunt. „Das ist cS ja!" rief die Gräfin mißgestimmt. „Anne liese hat mir bereits ein netteS rundes Körbchen für ihn gegeben!" Jetzt brach auch die Engländerin in ein lautes Ge lächter aus: „Wir hatten -ie Rechnung ohne den Wirth gemacht, Frau Gräfin. Unser Heirathscandi-at ist seit seinem sechzehnten Jahre mit der -weiten Tochter vom Pfarrer versprochen und will sich bald mit ihr öffentlich verloben. Heute Abend habe ich sein Geheimnitz aus ihm herausgelockt!" Die beiden Damen sahen sich an und lachten. „Daher auch diese fabelhafte Gemüthsruhc bei diesen beiden Un glücksraben!" sagte Marie. „In meinem Leben stiste ich keine Ehe mehr, wenn ich nicht beider Thcile sicher bin. Da amüsiren wir uns hier, als ob etwas Gutes geschehen wäre! Dabei ist mir wirklich ein Licblingsplan ver nichtet worden. Jedenfalls danke ich Ihnen für Ihre diplomatische Mission, treues Mißchcn. Nun be geben Sic sich aber znr Ruhe, und lassen Sic mich mit meinem Kummer allein fertig werden. Gute Nacht!" — Es war gut, daß Graf Bernd und Graf Warell an einem Sonntag in Großbrandau eintrafen. Sie brachten wenigstens fröhliches Leben mit. Seit jenem Abend, da Mariens Heirathsplänc für ihr Pflegekind gescheitert waren, hatte sich eine arge Verstimmung über die Ein wohner des Schlosses gesenkt. Hermann Kahle blieb un- gestört in der Oberförstcrei. Er wurde nicht, wie vorher täglich zu Tisch geladen. — Anneliese wanderte schon früh mit den Malgeräthen in den Wald und kam erst zu den Mahlzeiten scheu und verstört heim. Die Angelegenheit wurde mit keinem Worte weiter berührt. — Auch als Bernd angelangt war, hielt sich das junge Mädchen ängstlich fern. Sie vermied cs, mit ihm zu sammen zu treffen. Sobald die Mutter dabei war, wagte sie es nicht, ihn anzusehen. Immer fühlte sie sich beob achtet und verlor die lässige Ruhe, die ihr sonst eigen. Nur zuweilen hingen ihre Augen mit selbstvergessener Anbetung an dem schönen Jüngling. Heimlich folgte sie ihm und seinem Freunde aus weiter Ferne oder beob achtete Beider Thun und Treiben aus einem sicheren Ver steck heraus. Mit spitzfindiger Klugheit wußte das sonst so beschränkte Mädchen die Plätzchen auszusuchcn, wo sie dem Angeln, Rudern, Turnen, Reiten oder Schießen zu schauen konnte, ohne selbst gesehen zu werden. „Euer Dummelchen ist wirklich ein Dämclchen ge worden!" meinte Stephan eines Abends. „Sie ist noch ungenießbarer als früher. Mein Gott, wenn ich da an unsere Eva denke " „Wie kannst Du Evchcn überhaupt mit Anneliese in einem Athcm nennen?" fuhr Bernd auf. „Du vergleich» da einfach Spülwasser mit Champagner!" „Nun, nun!" begütigte die Gräfin, „Du gebrauchst ja einen liebenswürdigen Vergleich für Deine Schwester. Ich muß im Namen meiner kleinen Dern denn -och pro- tcstiren, wenn ich auch Ihrem Evchcn die Ehre einer größeren Beweglichkeit und Schönheit zugcstehe, lieber Steffi" „Herzensmutti, verzeih': aber da kannst Du nicht mit sprechen. Du weißt nicht, was ans Eva geworden ist!" rief ihr Sohn unwillig. „Diesmal habe ich leider nur ihre neue Photographie gesehen: aber wenn sic nur halb so ist wie die, dann ist sic bezaubernd!" „Also so reizend hat sich das Backfischchcn entwickelt ?" fragte Marie. „Der Zufall hat cs so eingerichtet, daß ich Evchcn ein paar Jahre nicht gesehen. Uns ging cs in Berlin immer wie dem Ehepaar im Wetterhäuschen. Wir kamen nie zusammen. Sie kam an, wenn ich reiste — oder sic reiste ab, und ich kam an. Haben Sie kein Bildchen von Ihrem Lieblinge?" Stephan lachte. „Ich nicht, Frau Gräfin, aber fragen Sic nur Ihren Sohn. Mir schien es neulich, als ob er sich eins aus dem Pappkasten mauste, in dem uns Eva ein Dutzend sandte!" Bernd wurde glühend roth. „Unsinn!" stieß cr rauh hervor. „Na, na, man keine Injurien! Ich fühle mich doch nur gebummfidelt, wenn Du für sie schwärmst! Im Uebrigcn ahne ich dies Geheimnis» seit Deinem ersten Aufenthalt in Linden-Aue!" „Dann zeige cs uns nur!" bat die Gräfin lächelnd und sah den Sohn neckend an. „Du siehst, daß Du durch schaut bist, alter Bilöerdicb!" Bernd machte gute Miene zum bösen Spiel. Er lachte mit den Andere» u»d zog halb widerwillig seine Brief tasche hervor. „Der Ertappte weicht den spivnirende» Richtern! Hier habt Ihr die Photographie, Ihr Jngni- sitoren!" — Aus einem Couvert zog er das Papptäfelche» und reichte es der Mutter. Die sah prüfend darauf nieder, und eine frohe Hoffnung durchzog ihr Herz. Dieses Engelsköpschcn schien ihr vom Fatum zur Schwieger tochter bestimmt. Schon jetzt strömte den» fernen Wesen ihr wärmstes Mutterempfindcn entgegen. „Nun?" -längte Bernd, ungeduldig ihrer bewundernden Zu stimmung harrend. „Was soll ich dazu sagen, Kinder?" sagte sie über legend. — „Wenn -cr Charakter diesem süßen, herz bezwingenden Aeußeren gleicht, dann hat Gottes Gnade ein vollkommene» Menschenkind der Mitwelt zur Freude erschaffen!" „Mutti, mein Heiliges, mein Beste»!" jubelte Bern beseligt auf. Stephan blieb objektiver: „Ja, sie ist ein reizendes Mädel, da» gestehe ich zu!" sagte er sinnend. — „Ihr Herz ist gut. Ihr Verstand scharf: aber sie ist rin leibenschast»
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