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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.04.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020419024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902041902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902041902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-04
- Tag1902-04-19
- Monat1902-04
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28L8 BetrirbScouflicte kommen wird, wen» der zu erwartend« größere Verkehr noch weiter auf einem ganz unzureichenden, betrieb-unsicheren Bahnhöfe sortgrfithrt werden soll. Der Minister macht also die ablehnende Mehrheit des Abgeordnetenhauses direct verantwortlich, wenn durch die Ablehnung der Forderung schwere Unfälle au- der BetriebSunsichrrheit des BahnhoseS entstehen sollten. Da- hat den Grasen Limburg-Stirum, obwohl er für sich nicht beanspruchen wird, von diesen technischen Dingen auch nur das Geringste zu ver stehen, in seiner GemüthSruhe nicht weiter beeinträchtigt. Ver geben» erinnerte Minister v. Thielen daran, daß in Folge des ungewöhnlich ungünstigen Gefälles aus dem jetzigen Bahn- Hofe bereits wiederholt Unfälle «ingetreten sind, aus dem Grunde, daß der Locomotivsührer nicht zur richtigen Zeit hat bremsen können und die Locomotive mit der Wucht des ZugeS gegen die vor der quer vorliegen den Hauptstraße errichtete Abschlußmauer gerannt ist. Der Kaiser hat bei dem wiederholten Aufenthalte, den er in Len letzten Jahren aus traurigem Anlasse in Homburg hatte nehmen müssen, die Unerträglichkeit und Gefährlichkeit des Zustandes, die übrigens in der ganzen Gegend sprichwörtlich geworden ist, vollauf kennen gelernt, und mit dem ihm eigenen sachlichen Eifer und ernsten Nach druck hat er eine Verständigung aller Betheiltgten im Sinne der rafchen Beseitigung deS völlig unhaltbaren Zustandes aufs Erfolg reichste betrieben. Es ist für jeden Kenner unserer politischen Ver hältnisse bezeichnend, daß gerade ter erbittertste Führer der konservativen Opposition eS ist, der die Aufrechterhaltung dieses traurigen Zustandes, der im ganzen Westen allzu bekannt ist, mit Aufbietung ungewöhnlicher Krastanstrengung — die der Regierungsforderung zustimmenden Fraktionen standen geradezu vor einer Ueberrumpelung der conservativ-ultramontanen Mehr heit — durchzusetzen bemüht ist." Der Grund dieser Kundgebung wird freilich schwerlich erreicht werden, wenigstens soweit die Minimalsätze der Tarifvorlage in Frage kommen. Auch auf die große Mehr zahl der Wähler der Demonstranten dürfte der Eindruck dieser Art von Politik ein ganz anderer als der erhoffte sein. lieber die Behandlung der samoanische» KriegSschadrn- Ersatzansprüche wird uns auS Apia, 15. März geschrieben: Heule Mittag um 1 Ubr sind es genau drei Jahre, seit der amerikanische Avmiral Kautz von seinem Flaggschiff „Phila delphia" die erste Granate zur Upolu-Küste sandte; damit war ein zwei Monate langer Krieg begonnen, der für den größten Theil der Ansiedler bedeutende Verluste durch Plünderung und Verwüstung mit sich brachte. Seit Langem schweben die Verhandlungen über die Ersatzansprüche an die sogenannten Samoa-Schutz-Mächte; aber Monat um Monat ist verronnen und nun sind eS volle drei Jahre und noch immer sind dieselben nicht erledigt. Da die ganze Angelegen heit dem König von Schweden zur schiedsrichterlichen Ent scheidung vorgelegt ist, so wandte sich bereits im vorigen Jahre ein hiesiger Ansiedler um Auskunft an diesen und er hielt zur Antwort, daß auf Antrag einer der Par eien eine Verschiebung des Schiedsspruches bis nach dem 2. März 1902 erfolgt sei. AuS der emsigen Thätigkeit deS hiesigen amerika nischen Generalkonsuls läßt sich indessen unschwer schließen, daß höchst wahrscheinlich aus amerikanischen Antrag rin erneuter Aufschub erfolgt ist. Fast alle ameri kanischen Staatsangehörigen haben in den letzten Wochen Mittheilung auS Washington erhalten, daß ihre Ansprüche incorrect seien, sowohl in Nachweis ihrer StaatSzugehörigkeit, wie in dem Nachweis über that- sächlich erlittenen Verlust. Alles soll nun in größter Eile noch einmal eingereicht werden, damit eS mit der übermorgen fälligen Post nach Amerika abgehen kann. Für eine ganze Anzahl von Leuten, die bisher als amerika nische Bürger betrachtet wurden, dürfte der Ausweis als solche schwer fallen. Verschiedentlich wird daran die Ver- muthung geknüpft, Amerika beabsichtige, die Ansprüche auf daS möglich niedrigste Maß zu beschränken, in der Vor aussicht, daß Amerika am ersten Aussicht habe, zu Tragung der Kriegskosten ver- urtheilt zu werden. Wie amtlich gemeldet, beruft sich zwar die amerikanische Regierung darauf, daß Admiral Kautz nur zum Schutze von Leben und Eigenthum der Weißen Ansiedler seine Maßnahmen getroffen habe. Nun ist aber im ganzen Kriege kein einziger weißer Ansiedler von den Sa moanern getödtet worden und die umfassenden Plünderungen haben erst nach Beginn und in Folge deS Bombardements flattgefunden. Admiral Kautz hat also gerade daS Gegen- theil von dem gerhan, was behauptet wird; er hat zahlreiche Weiße der Gefahr ausgesetzt, abgeschlachtet zu werden. Dieser Meinung sind auch heute noch, ebensowohl wie in jenen Unglückstagen, fast alle hiesigen Amerikaner. Deutsches Reich. * Berlin, 18. April. (Die neue Orthographie.) Wie die „Berl. N. N." kören, wird demnächst im Bundes rath die Frage zur Entscheidung kommen, zu welchem Termin die neuen Regeln über die einheitliche Recht schreibung in Schulen und bei den Behörden eingeführt werden sollen. Als Termin für die Behörden soll der l. Januar, für die Schulen der 1. April 1903 in Aussicht genommen sei». Einzelne deutsche Bundesregierungen haben sich Vorbehalten, Regelbuch und Wörterverzeichniß in einer besonderen Fassung herauSzuzeben, natürlich ohne die Beschlüsse der RechtschreibungSconferenz abzuändern. So will die bayrische Regierung in ihrer Publikation auch die Frage der Interpunktion behandeln. Zugleich befür wortet diese, daß die mit alter Rechtschreibung gedruckten Bücher noch fünf Jahre beibehalten werden dürfen. — Der preußische Cultusminister hat betreffs der Ein führung der neuen Orthographie folgende Verfügung er lassen: „Um Mißdeutungen vorzubeugen, eröffne ich ... ., daß als Zeitpunkt der Einführung dieser Rechtschreibung in den Schulen des mir unterstellten Ressorts der Beginn deS Schuljahres 1903/04 in Aussicht genommen ist, die endgiltige Entscheidung darüber aber nach Lage der Verhältnisse noch Vorbehalten bleiben muß. Die Rücksichten, die auf die Interessen des Buchhandel- und der Verlegerkreise zu nehmen sind, bestimmen mich jedoch, ausdrücklich anzu ordnen, daß die Benutzung von ordnungsmäßig zugelassenen Lehrbüchern, die bereits in der neuen Rechtschreibung gedruckt sind, schon in dem jetzt beginnenden Sckuljahre 1902/03 nicht beanstandet wird. Auch ist die Anschaffung der Regeln und des Wörterverzeichnisses für die deutsche Rechtschreibung in der bisherigen Fassung von nm ein tretenden Schülern und Schülerinnen nicht mehr zu fordern, sondern zu gestatten, daß sie die „neuen Regeln über die deutsche Rechtschreibung nebst Wörterverzeichniß" in Gebrauch nehmen. Ten Schwierigkeiten, welche der Uebergang mit sich bringen kann, ist überall gebührend Rechnung zu tragen, namentlich auch in der Richtung, daß Neuanschaffungen von Büchern auf Grund der Einführung der neuen Rechtschreibung bis auf Weiteres nicht gefordert werden dürfen. Die Schulaufsichtsbehörden haben hiernach das Erforderliche zu veranlassen und sorgfältig darüber zu Wachen, daß eigenmächtige Anordnungen, die mit obigen Bestimmungen nicht im Einklänge stehen, fern gehalten werden." T Berlin, 18. April. (Gegen den Alkohol.) DaS Generalkommando des VI. Armeecorps (Breslau) hat folgenden Corpsbefehl erlassen: 1) Der Genuß von Alkohol und alkoholischen Getränken aus Märschen, bei Hebungen aller Art und auch während jeder Manöver übung ist verboten. Es dürfen daher keinerlei alkoholische Ge tränke, wie Schnaps, fchnapSähnliche Getränke (Cognac, Liköre aller Art, alkoholische Essenzen) oder Bier in Feldflaschen mitgenommen oder von Seiten der Marketender an die Mannschaften ver kauft werde». Unter Manöverübungen ist nicht der Zustand der Ruhe im Biwak und in der Ortsunterkunst zu verstehen. 2) Der Vertrieb von Schnaps und schnapsähnlichen Getränken in den Cantinen ist für die Gemeinen im Winter von 9 Uhr Abends, im Sommer von 10 Uhr Abends, für Unterofficiere im Winter von 10 Uhr Abends, im Sommer von 11 Uhr Abends ab bis zur Aus gabe des Mittagsessens am nächsten Tage untersagt. Derartige Getränke dürfen überhaupt nur glasweise, nicht in Flaschen oder anderweitigen Behältern, verkauft werden. 3) Weitere Einschränkungen zu befehlen, bleibt den Vor gesetzten überlassen. Die Herren Regimentscommandeure, bezw. selbstständigen Bataillonscommandeure, ermächtige ich, in Ausnahme fällen oder bei ganz besonderen Gelegenheiten abweichende Anordnungen zu erlassen, sofern sie es im einzelnen Fall für er forderlich halten. 4) Aerztliche Anordnungen hinsichtlich des Alkoholgenusses werden durch vorstehende Bersügungeu nicht berührt. b) (UebergangSbestimmungen.) Ter commandirende General. (gez.) Bernhard, Erbprinz v. S.-Meiningen. — Ueber das leichte Unwohlsein des Kaisers zu Anfang dieser Woche wird jetzt bekannt: Der Kaiser litt an einer Balggeschwulst am Kinn, die er sich hat operiren lassen. Die Heilung erfolgte so prompt, daß der Monarch an der Fahrt auf dem Dampfer „Kron prinz Wilhelm" theiluehmen konnte. — Der Kaiser Urifft, wie jetzt feststeht, am 27. April auf der W a r t b u r g ein und bleibt bis zum 29. dort. — Die GeschäftSordnungS-Commission des Reichstages hat heute beratben: die Eingabe der Rechts anwälte vr. Seivemann und vr. Haensel zu Zittau vom 8. März 1902 als Bevollmächtigte der Kaufleute Max und Reinhard Häbler in Groß-Schönau um Eriheilung der Genehmigung zur Einleitung der Privatklage wider daS Mit glied des Reichstags Fischer (Sachsen), sowie das Schreiben deS Stellvertreters des Reichskanzlers vom 18. März d. I., betr. die Frage der Strafverfolgung des Mitgliedes des Reichs tages Ulrich auS Veranlassung der beim Amtsgericht Offenbach am Main schwebenden Privatklagesache Forster wider vaS Mitglied des Reichstages Ulrich wegen Beleidigung. Kirsch (Centr.) erstattete daS Referat. Die Commission beantragt in beiden Fällen, die 'Genehmigung zur Strafverfolgung nicht zu ertheilen. — Die schon mehrere Sessionen hindurch unerledigt ge bliebene, sogenannte I v x - R i u t e l e n (Abänderung des Gerichtsvcrfassungsgesetzes und der Strafproceßordnung durch Wiedereinführung der Berufung in Strafsachen rc.j wird auch in dieser Session unerledigt bleiben. Die Com mission, die ihre Berathungen schon seit längerer Zeit be ende! hat und einen schriftlichen Bericht an das Plenum er stattet hat, war für heute vom Vorsitzenden eingeladcn worden zur Beschlußfassung über weitere Vorschläge, die dem Plenum über die geschäftliche Behandlung der Vorlage zu machen seien. Die Commission berieth zunächst über die Frage, ob sie, nachdem ihre Thätigkeit durch Einreichung des Berichtes an daS Plenum beendet sei, jetzt noch Vor schläge für das Plenum machen könne. Nach längerer Ge- schäftsordnungsdebatte einigte man sich dahin, daß die Com mission als solche einen Antrag nicht stellen könne, daß aber die Mitglieder der Commission als Abgeordnete folgende Resolution empfehlen: die verbündeten Regie rungen zu ersuchen, möglichst bald einen Gesetzentwurf, be treffend Abänderung des Gerichtsvcrfassungsgesetzes und der Strafproceßordnung, im Sinne der Wiederein führung der Berufung, vorzuschlagen und im Falle der An nahme dieser Resolution die jetzige Vorlage (Anträge Nintelen und Minckel-Lenzmann) für erledigt zu erklären. — Der Gesetzentwurf über den Gebührentaris für den Kaiser Wilhelm-Canal, der vom Bundesrathe in seiner letzten Sitzung angenommen ist und demnächst dem Reichstage zur Beschlußfassung unterbreitet werden wird, ist durch die Bestimmung deS Gesetzes vom 20. Juni 1899 ver anlaßt, nach der die nach dem Gesetze vom 27. Mai 1896 mit dem 30. September 1899 ablaufende Frist, binnen welcher die Festsetzung des Tarifs für die Canalgebübren dem Kaiser im Einvernehmen mit dem BundeSrathe überlassen bleibt, bis zum 30. September 1902 erstreckt wurde. Der neue Gesetzentwurf gehört demgemäß zu denjenigen Vorlagen, welcbe unbedingt noch in dem diesmaligen Tagungsabschnitte des Reichstages ihre Erledigung finden müssen. — Der Reichskanzler Graf Bülow empfing heute Vormittag den Abt von Maria Laach, Freiherrn von S t o tz i n g e n. — In parlamentarischen Kreisen wird gegenwärtig er wogen, ob es nicht zweckmäßig wäre, den preußischen Land tag für den Fall, daß er bis zur Vertagung des Reichs tages mit der Erledigung der ihm unterbreiteten Vorlagen nicht fertig werden würde, gleichfalls nicht HU schließen, sondern bis zum Herbste zu vertagen. Es wurde dadurch der Vortheil erzielt werden, daß bei Wiedereröffnung der Berathungen an die Ergebnisse der bisherigen Arbeiten sofort angeknüpft werden könnte. — Der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten hat die Eisenbahndirectionen zum Bericht darüber aufgefordert, ob nunmehr alle Zugschranken mit selbstthätigen Vorläute einrichtungen versehen sind. — Die Meldung der „Nat.-Iib. Corr.", daß die arbeits statistische Abtbeilung des kaiserlichen Statistischen Amtes sich demnächst mit der Einführung eines Arbeits nachweises für das ganze Reich beschäftigen werde, wird der „Germania" von zuständiger Seite als unrichtig bezeichnet. — Für die arbeitöstatistischeAbtheilung im kaiser lich statistischen Amte wird auch die Herausgabe einer Zeit schrift im Stile der „Labour Gazette" vorbereitet. — Eine politische Correspondenz behauptet, daß der Abgeordnete Bache m künftig die führende Stellung im Chntrum einnehmen werde. Er habe zu den Ver trauten Lteber's gehört und dessen Anschaltungen getheilt. Wer das geschrieben hat, verräth völlige Un ke nn tu iß -er parlamentarischen Verhältnisse; der Antagonismus zwischen den Abgeordneten Lieber und Bachem war ein offenes Geheimniß. — Eine nene agrarische Gründung ist unter dem Namen „Ge t re i d em a r k t, G. m. b. H.," am 15. April in das Handelsregister des Amtsgerichtes I Berlin eingetragen morden. Das Stammcapital der Ge sellschaft beträgt 122 000 Geschäftsführer sind der Ritter gutsbesitzer Dr. Rösicke - Görsdorf, Professor Dr. R u h- land-Berlin, Director T e l g c - Steglitz und Director P las kn da-Berlin. Der Gegenstand des Unter nehmens ist: 1) Gründung einer Zeitung, welche die Bildung dcrGetreidepreisc und der Preise aller sonstigen land- wirthschaftlichen Productc, sowie alle mittelbar oder unmittel bar damit zusammenhängenden Fragen aufzuklären hat; 2) weitere Maßnahmen zur Ncgulirung der Getreidepreise. In Professor vr. Ruhland hat man wohl den Leiter der geplanten Zeitung zu sehen. — Die „Germania" bringt heute einen äußerst scharfen Artikel gegen den Grafen Paul Hoensbroech und stellt zum Schluß dieser scharfen Polemik in Aussicht, daß noch weitere Kritiken folgen werden, die sich vor Allem mit seiner Pcrsonzu beschäftigen gedenken. — Wie die „Dtsch.-soz. Bl." erklären, ist Graf Pückler „lediglich aus Gesundheitsrücksichten in einen Luftcurort in der Schweiz gegangen. Er hat von dort dem zuständigen Gerichte die Anzeige gemacht, er habe befürchtet, durch die Aufregung des Termins werde sich sein Gesundheitszustand erheblich verschlechtern. Nach völliger Wiederherstellung würde er sich dem Gerichte stellen." — Der bisherige Vortragende Rath bei dem Rechnungshöfe deS Deutschen Reichs, Geheime Ober-RegieruugSrath Maaß, wurde zum Director bei dem Rechnungshöfe des Deutschen Reichs und der vortragende Rath bei dem Rechnungshöfe deS Deutschen Reichs, bisherige Geheime Regierungsrath Keilig, zum Geheimen Ober- Regierungsrath ernannt. — Hier an gekommen sind der Fürst und die Fürstin zu Schaumburg-Lippe aus Bückeburg. Der Bevollmächtigte zum Bundesralh, hessische Geheime Staats- rath K r u a v o n N i d d a, ist von Berlin abgereist. Der hie sige chilenische Gesandte Subercaseaux hat Berlin mit kurzen^Urlaub verlassen. Während seiner Abwesenheit wirkt der erste Sekretär der Gesandtschaft Prieto als interimistischer Geschäftsträger. T Bremerhaven, 18. April. Der gestrige Tag an Bord des Schnelldampfers „Kronprinz Wilhelm" wurde durch eine zwanglose Vereinigung der Theilnehmer an der Fahrt im Nauchsalon beschlossen. Der Kaiser verweilte bis gegen Mitternacht unter den Gästen und betheiligte sich lebhaft an der Unterhaltung. Wie am Tage so zog er auch hier be sonders den Vorsitzenden des Aufsichts-RathS deS Nord deutschen Lloyd Geo Plate, den General - Directer vr. Wiegand, Geheimrath Schlutow, sowie die Directoren deS „Vulcan" ins Gespräch; auch die Herren deS Senats, sowie der Reichstagsabgeordnete Frese wurden durch längere Ansprachen ausgezeichnet. Der Kronprinz, welcher im Laufe deS TageS gleichfalls den Dampfer unter Führung des Directors Bremermann ein gehend besichtigt hatte, verfolgte mit großem Interesse Abends von Deck aus die Annäherung an die norwegische Küste beim Lister Leuchttburm, wo der Dampfer wendete, sowie die An kunft eines Lootsenbooteö, welches von der DampfschifffahrlS- Gesellschaft „Neptun" in Bremen durch ihre Vertretung in Stavanger zur Abgabe und Aufnahme von Telegrammen beordert war. Die Anlegung dieses Bootes an den Schell dampfer vollzog sich bei der herrschenden Dunkelheit unter einigermaßen schwierigen Verhältnissen und gab daher ein interessantes Bild ab. Nachdem dem Lootsen die Telegramme des Kaisers, sowie sonstige Briefschaften zur Beförderung übergeben waren, stieß das Boot wieder vom Dampfer ab, den CurS südlich nehmend. Gegen Morgen steuerte der Dampfer in der Richtung auf Borkum. Nachdem der Kaiser den Morgenspaziergang auf dem Promenadendeck beendigt und das Frühstück eingenommen hatte, begab er sich in Begleitung des Generaldirectors vr. Wiegand auf die Commandobrücke und begrüßte daselbst den den Dampfer führenden Capitän Richter mit Händedruck. Sodann beobachtete der Kaiser alle Einzelheiten der vorgenommenen Schottenmanöver, welche vorzüglich gelangen. Inzwischen batte der Dampfer um lO'/z Uhr Vormittags auf elwa 60 Meilen Entfernung telegraphische Fühlung mit der Station auf Borkum bekommen, was den Kaiser Veranlassung gab, sofort ein Telegramm auszugeben. Viele der auf dem Schiffe Be findlichen nahmen gleichfalls die Gelegenheit zur Absendung von Telegrammen wahr. DaS nunmehr in Sicht kommende Feuerschiff „Borkum" wurde im Bogen umfahren und der CurS in der Richtung auf das Weser-Leuchtschiff eingeschlagen. Während der Reise wurden dem Kaiser und dem Kronprinzen seitens des AussichtSrathS des Norddeutschen Lloyd vom Maler Boll hagen mit künstlerisch ausgeführten Aquarellen versehene AlbumS überreicht. Bei den Mahlzeiten an Bord war die Tischordnung stets wechselnd. Der Kaiser trank mehr fach verschiedenen Personen zu, u. A. auch dem Capitän Richter, dem der Kaiser sein Bild mit Widmung über reichen ließ. Ein zweites, etwas größeres Bild schenkte der Kaiser dem Dampfer „Kronprinz Wilhelm" zur dauernden Anbringung in dem von Seiner Majestät bewohnten Gemache. Um 2>/z Uhr Nachmittags wurde das Weser- Leuchtschiff gesichtet und der CurS nunmehr erneut nach Norden auf Helgoland genommen, welches um 3V, Uhr in Sicht kam. Der Dampfer fuhr westlich eine Strecke darüber hinaus und wendete sodann, um in derselben Fahrtrinne nach der Weser zurückzukehren. — DaS heute Abend während der Einfahrt des Dampfers „Kronprinz Wilhelm" in die Weser an Bord stattgehabte Diner verlief in jeder Beziehung glänzend und bildete einen würdigen Abschluß. Die Blumenausstattung deS SpeisesaaieS war außerordentlich prächtig und erregte allgemeine Be wunderung. Der Abschied deS Kaisers und des Kronprinzen von den Mitgliedern des AufsichtsratheS war überaus herz lich. Unter den vielen OrdenSauSzeichnungen sei die Deco- rirung des DirectorS Grem en mann mit dem Rothen Adler-Orden, dessen Insignien der Kronprinz ihm persönlich überreichte, noch hervorgehoben. — Die Ankunft in Bremer haven erfolgte gegen 9 Uhr Abends. Die Abfahrt de» kaiser lichen Sonderzuges erfolgt um 11 Uhr Nachts, die deS SonderzugeS für die übrigen Theilnehmer 1N/r Uhr. Pension besuchen? Wir wohnen Unter den Linden 21 in der ersten Etage. Ich werde sorgen, daß wir unseren Aufenthalt in Berlin verlängern!" flüsterte sie. — „Ich komme in den nächsten Tagen!" versprach er, obwohl ihn eine innere Stimme vor dieser Zusage warnte. Sie preßte seine Hand und entzog sich ihm mit einer glatten Bewegung. Die Mutter rief sie und reichte ihr eine Tasche und die bei Russinnen üblichen zahllosen Bon- bonniören, welche sie zusammengeschnürt hatte. Der Zug lief in die Bahnhofshalle ein. Bernd über gab feine Sachen einem Gepäckträger und war den Reise- gefährtinncn beim Ausstetgen behilflich. Dann mußte er sich dem hageren, der Tochter ähnlichen Herrn Mamonow vorstellen lasten. An der Seite der neuen Bekannten ivanderte er über den Perron. Plötzlich schrie er auf. Stephan und Franz Neubert stürmten ihm entgegen und begrüßten ihn mit hcrzenswärmender Freude: „Auch Vater wartet Deiner noch. Adele hat das Gastzimmer zurecht gemacht; Du logirst bet uns!" rief Franz. — „Keine Ahnung, er kommt zu mir!" eröffnete Warell den Wettstreit. — Da erblickte Brandan die zögernd stehen ge bliebenen Russen. Er führte ihnen seine Freunde zu, und alle Drei empfingen eine überaus herzliche Einladung von den Vertretern des gastlichsten Volkes der Welt. — Dann verabschiedete man sich wie alte, vertraute Be kannte. In Bernd kämpften Freude und Verzweiflung. So sehr ihn diese unerwartete nächtliche Begrüßung der Ge treuen rührte, so sehr erregte ihn das erste Beisammen sein nach jener schrecklichen Kunde von Anneliesens Er blindung. Stumm schritt er neben ihnen, unfähig, sich in den Zank zu mischen, der zwischen Franz und Stephan tobte. Eine Frage brannte ihm auf der Zunge, die nach Eva! Aber er durfte sie nicht stellen. Mochte sie verlobt sein oder nicht, was ging eS ihn an! War er selber doch Bräutigam! In dieser Minute spürte er es klar, er hätte sich lieber zerrissen, als ihnen mttgcthetlt, daß er Dummelchen Blaumüller zu seiner Braut erwählt. Ein schrilles Lachen entfuhr ihm. Warell wandte sich ihm zu. „Lache nicht, Glückspilz, der Du die ganze Reise mit ihr machen durftest! Dieser Franz ist ein Erz philister! Dieses Weib ist direct schön, mehr als diese gewöhnliche Puppenschönheit, denn sie ist schön und inter essant, Sonntag, Punct zwölf Uhr, bin ick in meiner neuen Uniform bei Mamüstow'S. Hoffentlich imponire ich ihr dann mehr! Heute sah sie nur Dick!" „Ich nehme Dir ja gar nicht Deine Bewunderung, lieber Steffl" erklärte Neubevt. — „Für mich ist diese Russin einfach häßlich. Sic kommt mir wie eine Schlangendame vor, seht nur, wie sie jetzt die Stufen hinabgleitet oder schwebt!" „Himmcldouner — — —, das ist's ja gerade, diese bezaubernde Grazie, dieses Ungewohnte ist benehmend!" wetterte Stephan. — „Wie ist sie denn in der Unterhaltung?" Sv gefragt, mußte Bernd sich zu einer Antwort bequemen: „Sic ist gebildet, klug und höchst seltsam, eher abstoßend als anziehend, jedenfalls originell!" — — „Endlich ein Original, eine exotische Blume und kein Wald- und Wicsenbackfisch!" begeisterte sich Warell. Er half den beiden Anderen noch in eine Droschke und verabschiedete sich. Bernd hatte sich für Neuberts ent schieden, da Stephan nur ein Zimmer in einer Pension inne hatte. Er weilte nur in Berlin, um sich für den Dienst zu cquipiren und reiste dann in die Garnison, welche bei Linden-Aue lag. Jedenfalls versprach er, sich am anderen Vormittage bet „Professors" zum Plansch cinzustellen. Schon, um Ausführliches über Feodora zu hören, die sein leicht entzündliches Herz in Brand ge setzt hatte! Professor Neubert fand seinen ehemaligen Zögling recht verändert, sowohl äußerlich als innerlich. Er beob achtete ihn im Laufe der nächsten Tage mit geheimer Sorge. Bernd's schöne Offenheit, seine sonnige Heiter keit waren von ihm gewichen. Eine gewisse unstäte Un ruhe, ein tiefer Kummer schienen auf ihm zu lasten. Und doch wich er angstvoll jeder Auseinandersetzung aus. Stundenlang rannte er ziel- und zwecklos durch die Straßen, dann vergrub er sich in Zeitungen und Romanen; aber über die Lectüre fort schweiften seine Angen träumend in ungewisse Fernen. Bei der Unter haltung mit den Freunden flammte oft seine alte Leb haftigkeit auf; aber kein Thema konnte ihn lange fesseln. Er versank bald wieder in ein dumpfes Vorsichhtnbrüten. Wenn Neubert mit Warell und seinen Söhnen über ihn svrach, so vertröstete Stephan die Anderen immer mit der Dienstzeit, die ihn hcrausretßen würde! Der wackere Bursche war der Einzige, der den Freund richtig durch schaut hatte, der, ohne eS zu zeigen, seinen Kummer theilte. Niemals erwähnte er seine Schwester uno ver mied auch die Erwähnung Anneliesens. Desto mehr trieb er Brandau an, mit ihm Visiten zu machen und alle ein leitenden Schritte für den Eintritt ins Heer zu thun. Die große Fürsprache, sein alter Adel und die vornehme Er scheinung, verbunden mit seinen bedeutenden Mitteln, ebneten ihm alle Wege. Er wurde dem erwählten Garde regiment in Potsdam anstandslos als Einjähriger etn- verlcibt. Als Graf Bernd sich Len Freunden das erste Mal in der kleidsamen Uniform zeigte, brachen Alle in Aus rufe des Entzückens aus. Er sah blendend schön aus. Seine jugendlich schlanke und kraftvolle Gestalt, der kleine Kopf und die rassigen Hände und Füße schienen bestimmt dafür, die schönste Uniform des deutschen Heeres zu tragen. Stephan, der ein sehr sympathisches Aeußere und eine gute Figur hatte, kam sich neben dem Kameraden wie ein Proletarier vor. Gleichwohl verlangte er stürmisch, daß Bernd endlich mit ihm den Besuch bei Mamonow s mache, den man schon unanständig lange hinausgeschoben hatte. Am nächsten Sonntage machten sich die beiden Herren auf -en Weg. Franz Neubert hatte die Bethciligung kurzweg abgelehnt, da er kein Interesse . für dle „Schlangendame" in sich fühlte. Gegen ein Uhr führte eine Zofe der Pension sie in den Salon, den die russische Familie für sich in Beschlag genommen hatte. „Die Herren mögen freundlichst eine Minute warten", sagte sie mit schelmischem Lächeln. — „Die Herrschaften waren gestern in der Oper und sind eben erst bei der Toilette!" — Dann verschwand sie flink. Stephan sah sich um und sah dann Bernd mit vielsagendem Augenzwinkern an. In dem konventionell eingerichteten Gemach herrschte eine fabelhafte Unordnung. Auf dem Tische standen Cognac- und Weinflaschen, Cigaretten, Zuckerzeug und Eaviar friedlich neben hingcworfenen Spitzentüchern, Hand schuhen und Schmuckstücken. Kostbare Ringe und Arm bänder funkelten mit ihren Brillanten und Edelsteinen unter einem parfümduftenden seidenen Taschentüchelchen. Auf den Stühlen lagen Pelze und andere Kleidungs stücke. Selbst auf -cm Berticow entdeckte Warell zwei entzückende perlengestickte Schühchen. Er packte die winzigen Dinger mit zwei Fingern: „Was sagst Du dazu? Ist das nicht bezaubernd? Sieh Dich einmal um! In dieser genialen Unordnung liegt etwas Köst liches! DaS ist doch wenigstens originell!" „Höchst unsympathisch, ich Haffe diesen unauf- geräumten Schlendrian!" murrte Brandau. — Ich fühle die größte Lust, fortzugehen. Um ein Uhr liebe ich kein Antichambriren!" — „Philister — schäme Dich! Betrachte nur -en Tisch, er ist eine Charakterstudie!" lachte der Andere, „da hast Du Vertrauen zu den Menschen und edle Sorglosigkeit, sonst lägen die Juwelen nicht so offen umher. Und die Trink- und Eßwaaren verrathen das Princip: leben und leben lassen! Dabei dieser exquisite Geschmack, diese internationale Luft, welche um die Toilettengegcnstände weht. Da hast Du Leute von Welt, so kleiden sich nur elegante Kosmopoliten. Ich bitte Dich, Du deutscher Bär, haben unsere Landsleute je ein solches poetisches Kunstwerk, wie das duftige, flimmernde Klei ds auf dem Divan. Dort Bände von Zola, Noten und" — er eilte hin — „Hcinc's Buch der Lieder. Mensch, ich werde wild!" „Du bist verrückt!" entgegnete Bernd rauh. — „Ich möchte vor Allem unsere Aufräumerinnen aus Großbrandau einmal hier haben und Ordnung schaffen lassen. Klarheit und Ordnung sind mir lieber—". Er unterbrach sich, denn eine Thür klappte. Beide erhoben sich, denn eine Secunde später bewegte sich die rothe Sammetportiere. Feodora Mamonow erschien in einem Schlafrock, der in feinem weißen Spitzengcriescl über einem Untergcwand von kupfcrrother Seide an ihrer Schlankheit herabwallte, sich jeder ihrer Be wegungen leise rauschend anpassend. Um den Hals trug sie eine Rüsche aus kupfcrrothem Scidentüll, die mit Zobelschwänzchen garnirt war. Vor dem dunklen Roth des Vorhanges sah die junge Russin besonders inter essant aus. Jbr Anzug, das locker aufgenommene Haar über dem merkwürdigen, lächelnden Gesicht, der schlanke weiße Arm, -er den Stoff zurückhielt, benahmen Stephan sofort. — Er eilte ans sie zu und ergriff die ausgcstrccktc rechte Hand, sie enthusiastisch küssend: „Wir haben cs ge wagt, mein gnädigstes Fräulein, Ihrer liebenswürdigen Einladung Folge zu leisten!" „Aber willkommen, herzlich willkommen!" erwiderte sie lebhaft. Doch ihre Augen glitten über Warell fort zu Bernd, der sich weit förmlicher verneigte. „Graf Bernd Julianowitsch, ich habe seit zehn Tagen bereits auf Ihr Kommen gewartet. Sie haben sich wirklich Zeit gelassen, Sie böser !" „Wir haben wirklich viel zu besorgen gehabt. Sonst wären wir lärrgst hier gewesen, denn, wie begreif lich, zog es uns schon außerordentlich in Ihre Nähe, mein gnädiges Fräulein! — — „Er ist furchtbar mit seinem „Gnädigen Fräulein", der Kleine!" rief sie und trat ins Zimmer ein. — „Ich bin eine Russin und werde daheim in meinem schönen Petersburg nach unseren Sitten Feodora Alerandrowna genannt. Das ist lieber und vertrauter, vor Allem indivtdualtsirt eS die Menschen mehr als daS steife Fräulein, — — brr ein Gattungsbegriff! — Doch nehmen Sic Platz!" (Fortsetzung folgt.)
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