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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.04.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190204201
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19020420
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19020420
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-04
- Tag1902-04-20
- Monat1902-04
- Jahr1902
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.04.1902
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Bezug-,Prei- in der Hauptexpedition oder den im Gtadt» bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich4.50, — zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau- 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich 6, für die übrigen Länder laut Zeitungspreisliste, Nedaclion rmd Expedition: Joharmtsgaffe 8. Fernsprecher 153 und 222. FUtcklevpedttio«,» r Alfred Hahn, Buchhandlg., Universitättstr.S, 8. Lischt, Katharinenstr. 14, u. KöntgSpl. 7. — Haupt-Filiale Dresden: Gtrehlenerstraße 6. Fernsprecher Amt I Nr. 1713. «i-d. Haupt-Filiale Serlin: Königgrätzechraße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. 3SS3, MPMrIllMatt Anzeiger. Amksölatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes nnd Nolizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen «Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zistrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Lsfertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesal-t), nur mit der Morgen »Ausgabe, ohne Postbesörderung .ck 60.—, mit Postbesörderung ./L 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 198. Sonntag den 20. April 1902. 98. Jahrgang. Aus der Woche. Sollten sich die Boeren oder wenigstens die nach Pretoria entsandten Vertreter wirklich bei der ersten An knüpfung von Verhandlungen, die in einem zweieinhalbjäbrigen Kriege stattgefunden, also sozusagen „auf Anhieb" unterworfen haben? Wa- ihnen geboten worden sein soll, mag für Hundert tausende von Einzelpersonen im Boercnvolke sehr schätzbar sein, staatlich würde «S wenig und, wenn England einmal in Pretoria und Bloemfontein unangefochten sich festgesetzt haben würde, gar nichts mehr zu bedeuten haben. Hätten sich die Dinge in Pretoria in der That so abgespielt, wie behauptet wird, so würde dies die echten Friedensfreunde nicht mit sonderlicher Zuversicht erfüllen können. Denn es bleibt sehr fraglich, ob Delarey und De Wet unter solchen Be dingungen die Waffen niederlegen, ferner ob Paul Krüger seine Zustimmung geben wird und wenn nicht, ob die kämpfenden Boeren geneigt sein werden, ihren größten Patrioten und Staatsmann aus dem politischen Leben auSzuschaltrn. Freilich, wenn es sich bestätigen sollte, was einige Blätter be richten, daß nämlich den Boeren das Geld ausgegangen wäre, so müßte der Unterwerfung entgegengesehen werden. DaS von Montecucculi zwar nicht entdeckte, aber am Drastischsten so» mulirte Naturgesetz „Zum Kriegführrn gehört Geld, nochmal- Geld und zum dritten Male Geld" ist unerbittlich, auch dort, wo es sich wie in Südafrika für die Vertheidiger um eine eigen artige und gewissermaßen primitive Kriegsführung handelt. Schon die bisher von dem Bauernvölkchen gezeigte finanzielle Leistungsfähigkeit war der Gegenstand hoher Bewunderung. Wäre aber auch für eine etwaige Unterwerfung Anderes be stimmend als der Mangel an rothem Gold, jedenfalls würden sich englische Tapferkeit und englische- KriegSgenie nicht den Sieg zuschreiben dürfen. Ein TyruS hätte gesiegt, nicht ein Rom. Regierung und Kammermehrbeit in Belgien haben sich, wie vorau-zusehen war, nicht entschlossen, vor dem Dräuen der Straße zurückzuwrichen, und auch ein allgemeiner Au-stand wird sie nicht zwingen, zu geben, wa- sie z. Z. eben nicht geben wollen. Ein allgemeiner Aus stand ist aber gar nicht ausgebrochen und nicht zu er warten. Nicht einmal die gesammte Fabrikindustrie feiert und die Streikenden können gar nicht wünschen, daß die Arbeiter der Productions- und LeistungSzweige, die nicht zur Industrie im engeren Sinne gerechnet werden dürfen, zu ihnen übergehen. Als Abnehmer, al- Consu- menten denken auch die radikalsten Arbeiter über da- Nichtarbeiten der Menschenkräfte ihrer Lieferanten ganz ander- al- über ihr eigene- Recht oder, wie sie sich oft einreden, ihre eigene Pflicht, die Production still stehen zu lassen. Und von der officiellen Socialdemokratie gilt da- Gleiche. Als der Maifeier-Trieb neu und von einer Stärke war, die er längst eingebüßt hat, da verbot die Wiener Social demokratie den Angestellten der Verkehrsanstalten, den Schaffnern und Führern der Pferdebahowagen und Omnibusse, die, der bekannten Belehrung folgend, ihre Räder auch still stehen lassen wollten, förmlich d,e Theilnahme an der Mai feier, und da- Gros der Arbeiterschaft stimmte ihr zu, denn die Herrschaften wollten in den Prater und von dort zurück fahren. AehnlicheS bat sich auch in Deutschland zugetragen und zwar erst kürzlich wieder einmal. Dabei handelt e- sich immer nur um di« Befriedigung von LuxuSbedllrfnissen, immer nur ums Vergnügen. Wenn aber in Belgien ein allgemeiner AuSstand zu Stande kommen sollte, dann würde eines jeglichen Tage- unentbehrlicher Bedarf nicht gedeckt werden können. Und man darf sich darauf verlassen: nicht nur ein Streik der Bäcker und der Schlächter würde den belgischen Generalstreik-Helden nicht genehm sein, sondern diese würden auch die Cigarren- und Tabakarbeiter, die Leute im Brauerei- und im Branntweindestillationsgewerbe nicht feiern sehen wollen, wenn die Vorräthe zu Ende gehen, waS rasch geschehen würde. Billigen sie aber da- Weiterarbeiten von Hunderttausenden, oder mißbilligen sie gar deren Ausstehen, dann erhält das Princip ein Loch, durch daS sehr bald auch Industriearbeiter, die sich zum Streik haben bewegen lasten, nach ihren Arbeit-stättrn kriechen werden. Und dazu kommt noch zum Ueberfluß, daß jetzt in Belgien zahlreiche und große Arbeitergruppen feiern, weil ibre Arbeit geber mit der als Demonstration gedachten AuSstandS- bewegung einverstanden sind. Dies aber kann nicht von beträchtlicher Dauer sein. Wenn Radicale in Belgien unter Preisgabe de- parla mentarischen Regierung-systemS von der gewählten Volks vertretung an den Monarchen appelliren, so ist die- eine Er scheinung, die wir indem Deutschland bewegenden Zollstreite bei unserer Linken schon lange beobachten können. Und dies, obwohl die Mehrheit des deutschen Reichstage- sich auf Grund eines Wahlrechtes gebildet bat, wie rS in Belgien Radicale und Socialdemokraten sich eben erst erkämpfen wollen. Bi«- ber war freilich da- Schielen nach der Krone von geringem Erfolg und wenn Centrum und Conservative die Ver nunft, zu der sie offenbar bereit- gekommen sind, wirken zu lasten die Courage gewinnen, dann wird die augenblicklich unverkennbar etwas verfahrene zoll politische Situation bald eine Episode gewesen sein. Diese Erwartung braucht nicht abgeschwächt zu werden, wenn die Meldung sich bewahrheiten sollte, daß man den Reich-tag vorPfingstrn auSeinandergeben und vor dem Herbst nicht wieder kehren ru lasten gedenke. E- wäre dann noch Zeit genug, mit einer Mehrheit, die eine» guten Willen- ist, die Arbeit rechtzeitig zu vollende». Wie die Dinge sich ent wickelt oder verwickelt haben, ist aa eine entscheidende Förde rung in der Zeit zwischen Pfingsten und dem Hochsommer doch kaum noch zu denken. Die nnprovisirte Verwerfung des Hering-zolle- durch diese hyperagrarische CommissiooSmrbrheit ist geeignet, ihre augenblickliche Leistung-sähigkeit nicht in gutem Lichte erscheinen zu lassen. Heringe werde» zwar nicht von deutschen Bauern und Rittergutsbesitzern gezüchtet, aber die deutschen Interessenten de- Hering-fange- sind doch auch sozusagen Menschen und vor Allem: vom Standpnncle dieser Mehrheit —nicht vom unsrigrn — hätte eS in-Gewicht fallen müssen, daß der Hering einheimischen Erzeugnissen Concurrenz macht. Die Regierung wird sich gewundert haben, daß sie, ehe eS an die Industrieerzeugnisse ging, in die Lage versetzt wurde, einen bestehenden Zoll gegen Nichtfreihändler zu vertheivigen. Ihren Kampf gegen die regelmäßige Politik der CommissionSmehrheit, gegen die Erhöhung-- und Bindung-wuth, führt« sie in der alten Woche fort und rS ist eine ganz natürliche Entwickelung, daß nach dem unausgesetzten Erklären Graf PosadowSky dazu gelangte, Erklärungen über die Natur von Regierungs erklärungen abrugeben. „HerauSgekommen" ist natürlich auch dabei nichts und eine ganz bestimmte Vorstellung, wie die Regierung sich schließsich zu einer Erhöhung der umstrittensten Zollsätze stellen wird, besitzt Niemand. Auf der anderen Seite »st ein Factum oder vielmehr Nichtfactum zu verzeichnen, daS über die tiefsten Regungen in den conservativ- klerikalen Seelen einige- Licht verbreitet. DaS preußische Abgeordnetenhaus ist am9. d. M. wieder zusammen getreten, beute schreiben wir den 20., und die so laut aogrkündigtc Interpellation wegen der Stellung der Regierung zu den Zollfragen ist immer noch nicht ringebracht. Der Krieg in Südafrika. Grausamkeiten englischer Ofsiciere. Dem „Bureau Reuter" geht aus Durban ein langer Bericht über -ie Gerichtsverhandlungen gegen die der Grausamkeit beschuldigten australischen Offictere zu. Wir entnehmen diesem Berichte Folgen des: Gegen die Leutnants -er Bushvelt Karabiniers Morant, Hancock, Picton und Wilton wurde die Anklage erhoben, daß sie einen verwundeten Boeren Namens Bister habest erschießen lasten, weil er angeblich Khaki getragen und Uniformstücke des Capi- täns Hunt besessen habe. Als der zum Erschießen des Gc- fangenen befohlene Sergeant sich weigerte, dem Befehle nachzukommen, erklärte Leutnant Picton, daß Lord Kttchener den Befehl gegeben habe, alle Khaki tragenden Boeren seien zu er schießen. Der Gefangene habe keine Khaktuniform, sondern nur eine Jacke angehabt, -ie sich allenfalls als khakifarben bezeichnen ließ. Der Gefangene wurde au einen Fluß getragen und erschossen. Die Angeklagten gaben zur Entschuldigung an, daß man sich nicht im regel rechten Kriege befunden habe. Capita n Hunt habe ausdrücklich befohlen gehabt, daß man keine Gefangenen machen solle. Leutnant Morant, der nach Hunt's Tode das Commando über nahm, sei einmal getadelt worden, meilerdrcißig Gefangene eingebracht habe. Capttän Hunt habe von Pretoria den Befehl gehabt, den District Spc- lonken, ohne Gefangene zu machen, zu säubern. Kit- chener's und Strathcona's Reiter hätten ein ähnliches Verfahren eingeschlagen. Die Angeklagten hätten diesen Befehl aber erst nach Hunt's Tode befolgt, weil Hunt's Leiche verstümmelt gewesen sei. Der erschoßene Boer habe ein Hemd von Cavitän Hunt getragen und dessen Hosen als Kopfkissen benutzt. Der Befehl, keine Ge fangenen zu machen, sei nach Hunt's Mittheilung von dem Militärsekretär Oberst Hamilton erthcilt worden, waS dieser jedoch leugnete. — Am 20. August des ver gangenen Jahres wurden acht gefangene Boeren einer Patrouille der Karabiniers übergeben. Leutnant Morant ließ darauf drei von seinen Leuten zu sich kommen und fragte sie, ob sie Lord Kitch euer's Proclamation gesehen hätten? Diese besage: „Wer das Schwert zieht, der soll durch das Schwert umkommcn!" Morant habe ferner noch hinzugcfügt: „Der Herr hat acht Boeren in unsere Hände geliefert und die wollen wir er schießen." Die Boeren wurden am Wege ausgestellt u u d erschossen. Leutnant Hancock tüdtete persönlich zwei Boeren mit Revolvcrschüssen. Einer der Zeugen sagte aus, daß Leutnant Wilton einen der drei Boeren erschossen habe, aber nur, weil dieser sich, nachdem man sie zum Er schießen aufgestellt habe, auf Leutnant Wilton stürzte. Ein Sergeant' erwähnte noch, daß ihm Leutnant Morant be fohlen habe, festzustellcn, welche Karabiniers über das Er schießen der Gefangenen murrten. Er, Morant, werde mit diesen Leuten dann aufräumen. Man habe ihm von Seiten des Hauptquartiers zu seinem Verfahren den Gefangenen gegenüber Glück gewünscht, und er werde weiter gegen Gefangene so vorgehen. Bon den Entlastungs zeugen sogte ein Leutnant aus, Latz er aus Erfahrung wisse, -ast bei der b e rt tt e n e n Qu e e n » l ä n d c r I n- fanterie getadelt worden sei, daß man Ge fangene gemacht habe. Ein anderer Officicr erbrachte Beweise dafür, dast die Boeren Züge zum Ent gleisen gebracht hätten. Ein Sergeant betonte, daß bei Brabant's Reitern der Befehl ausgegcben worden sei, keine Gefangenen zu machen. Ein anderer Ofsicter versicherte, batz bei -er Colonne des Obersten Garret Befehl erlassen worden sei, alle Khaki tragenden Boeren kurzerhand zu erschießen. Capttän King theilte mit, daß bet den Canadian ScoutS al le Boeren, die englische Uniformen trügen, Züge zum Entgleisen brächten oder deS Mordes schuldig seien, summarisch erschossen würden. Masor venehan, der Vorgesetzte der Ange klagten, stellte diesen ein ausgezeichnete» Zeugnitz an-: be sonders Leutnant Morant habe ganz vorzügliche Dienste geleistet. Der Vertreter derAnklagc wie- darauf hin, daß der Mord der acht Boeren erwiesen sei, nnd daß die Bertheidigung keinen Erfolg habe, wenn sie diesen Mord dadurch zu rechtfertigen versuche, dast sie Nachweise, datz auch bei anderen Corps AehnlicheS vorgekommcn sei. — Im vergangenen Juli lief bei einem englischen Posten die Nachricht ein, datz sechs Boeren mit zwei Wagen in der Nähe seien und beabsichtigten, sich zucrgcben. Nach Aussage der Belastungszeugen erklärte EapitänTay. lor, -atz er keine Gefangenen gebrauchen könne. Die Patrouille solle die Boeren znm Kampfe zwingen und niederschiestcu, anch wenn sic die weiße Flagge zeigen sollten. Das sei geschehen nnd die Meldung von dem Ge schehenen vorschriftsmäßig an Eapitän Taylor erstattet worden. Taylor bestritt die gegen ihn gerichtete Aussage der Unterofsieiere anfs Lebhafteste. Er habe niemals von der Geschichte etwas gehört. Taylor wurde freigesprvchen. Wie bereits gemeldet wurde, sind die Lentnants Morant, Hancock, Wilton nnd Picton des Mordes oder der Theil nahme am Morde von Gefangenen schuldig befunden worden. Morant nnd Hancock wurden zum Tode vernr- thcilt und das Urtheil am 27. Februar im Gefnngnisthvfe von Pretoria vollstreckt. Leutnant Picton wurde cassirt. lieber die Vcrurtheilnng des Leutnants Wilton äußert sich -er Bericht nicht. Die angebliche Abtretung des Witwatersrands. Die Correspondenz „Nederland" schreibt: Wie schon öfter tu anderem Zusammenhang, so hat auch nach dem Empfang der evangelischen Arbeitervereine von Rheinland und Westphalen in Utrecht durch die Presse die Mittheilung die Runde gemacht, Präsident Krüger oder sonst Jemand aus seiner Umgebung habe bei dieser Gelegenheit erklärt, „die völlige Unabhängigkeit würde als die erste Friedens bedingung, die Abtretung des Witwatersrands dagegen als Zugeständniß bezeichnet werden". Diese Mittheilung ist, soweit darin von der Abtretung eines Gebiets- theiles der südafrikanischen Republiken die Rede ist, vollkommene Pyantast e. * Chicago, 18. April. (Telegramm.) Ter Boeren- f re und Van Blissingen wendet sich in einem offenen Schreiben an den Präsidenten Roosevelt mit ausführlicher Begründung gegen die englischen Pferd«- und Manlthirranküuse in den Ver einigten Staaten, die er für eine Verletzung deS Vertrages von Washington erklärt. Der Schreiber sagt, er habe mehrere Monate darauf verwandt, um das Material zu sammeln. Der Bries fordert den Präsidenten auf, der Angelegenheit schleunigst ernsteste Aufmerksamkeit zu schenken. Deutsches Reich. llj Leipzig, 19. April. Ju den „Grenzbote n" hatte unlängst Rector Di-.K aemmcl von dem tiefen Mißtrauen der Protestanten gezcn den Jesuitenorden ge sprochen, das er als Historiker aus drei Gründen erklär lich fand. Darauf bestreitet Reichsgerichtsrath Oe. Späh n in einer Zuschrift au die „Grenzvoten", dast der Jesuiten- vrdcn als Kampforden gegen die Protestanten, daß er für die Propaganda unter den Ketzern gestiftet worden sei. Die Geschichte, sagte I)r. Spahn, bestätige diesen Grnnd nicht. Nicht gegen die Protestanten, sondern nach Indien habe Ignatius von Loyola seine beste Kraft, nach dem Evngo, nach Brasilien, nach Abessinien seine Missionare gesandt. Wenn, so sagt Dr. Spahn weiter, als zweiter Grnnd des Mißtrauens gegen die Jesuiten der Gegensatz gegen den germanischen Geist angeführt werde, den der Spanier Jgnatus dem Orden durch seinen Geist des Fanatismus, j sowie dadurch cingcpflanzt habe, dast er die Gcwisseuspflicht durch die Weisungen des Beichtvaters und die Sittlich keit durch die Zweckmäßigkeit ersetzt habe, so gäben die Schriften des Ordensstiftcrs, sein Buch über die geistlichen Hebungen und seine OrdeuSsatzungcu für diesen Grund keinen Anhalt. Die Anschauung, daß der spanische Geist des Ordens, nicht das Papstthum die römische Kirche refvr- mirt und apS ihr etwas ganz Anderes gemacht habe, als die mittelalterliche Kirche gewesen war, „sollte von einem modern geschulten Historiker nicht mehr ausgesprochen wer den", denn das Umgekehrte sei richtig, der Jesuitenorden sei ein Kind religiöser Anschauungen seiner Zeit gewesen. Auch den dritten Grund Kaemmel s, dast der Jesuitenorden der schärfste und conscguenteste Träger der hierarchischen Machtansprttche sei, will Or. Spahn nicht gelten lassen. In dem er fragt, was dann noch an Gründen bestehen bleibe, um ein bet seiner Unbilligkeit zwecklose« Ausnahmegesetz aufrecht zu erhalten, saßt er seine Ansicht dahin zusammen: „Wäre selbst der spanische Geist des Ordens stifters die Lebenslust des Ordens, was ginge der Wunsch des Einzelnen, in dieser Geistcsluft zu leben, die Reichsgesctzgebung an, da bei ihm nur das Sclbstbestimmnngsrecht in Frage steht? Denn ein Ein fluß deS Ordens auf andere Rctchsangchörigc ist bei den veränderten Verhältnissen außerhalb des Ordens und in >.nS selbst nur noch insoweit möglich, als die einzelnen Reichsangchörigcn dessen rein geistige Macht auf sich ein wirken lassen wollen. Eine weltliche Macht steht nirgends hinter dem Orden, jede Einwirkung desselben oder ein zelner seiner Mitglieder ans das Reich oder einen Bundes staat, sowie jede Belästigung irgendwelcher Reichs angehöriger durch den Orden ist durch Verfassung nnd Recht ausgeschlossen." Die deutschen Jesuiten dächten und fühlten gar nicht spanisch, sondern germanisch, und sic be wegten sich dabet geistig selbstständig nnd frei. Von Fragen des Glaubens abgesehen, vertrage der Jesuitenorden ohne Engherzigkeit die verschiedensten Ansichten, wenn sic nur gut begründet seien. Die „Grcnzbotcn" bemerken vor läufig zu der Einsendung: Wenn die deutschen Jesuiten in der That die wohlmeinenden, nützlichen nnd von dem Obcrhauptc der römisch-katholischen Kirche stramm im Zaum gehaltenen Männer seien, wie sie von I)r. Spahn dargestcllt würden, so könne man glauben, cs heiße der Zukunft Deutschland« eine Art Opfer bringen, dast mau sich der Beihilfe der Jesuiten beraube: aber anch in diesem Falle gelte eS, von zwei Nebeln das kleinere zu wählen. Auch Reineke Fuchs, als er Lampen, dem ehrlichen Manne, daS Credo zn lehren versprach, sei in vertrauen erweckendster, heiligster Haltung erschiene« nnd - man wisse, ivic die Lache endete! Eine eingehende Antwort wird Ne. Kaemmel seinem (Gegner sedcnsalls nicht schuldig bleiben. Vielleicht aber begnügen sich die „Grenz ¬ boten" mit seiner Antwort nicht, sondern ersuchen einen oder einige jener „modern geschulten" katholischen Historiker, die, wie Nr. Martin Späh n in Straßburg, ganz anders als der Reichsgerichtsrath Nr. Spahn über die Jesuiten denken, der Ansicht deS Letzteren die ihrige ent- gegenzusetzen. pbr. Berlin, 19. April. Ueber die Wirkungen der directen Steuern im preußischen Staate veröffent licht Generalsekretär Patzig im neuesten Hefte der „Deutschen Stimmen" eine Darlegung, die insofern zeitgemäß erscheint, als sie uns ein vergessene- Jubiläum in Erinnerung bringt. Es waren am 1. April d. I. zehn Jahre vergangen, seitdem die neue Einkommensteuer in Preußen in Kraft ge treten ist, aber Niemand hat sich dieses Gedenktages erinnert und bei dieser Getegenheit die politische Welt darauf auf merksam gemacht, was sie dem verstorbenen Reformator des preußischen Steuerwesens an Dank schuldet. AnS den Darlegungen, die man nun in den „Deutschen Stimmen" vor sich hat, kommt dies allerdings sehr lebhaft zum Bewußtsein. Man erkennt deutlich, wie da- Ein kommensteuergesetz «IS die sichere Grundlage deS aesammlen Besteuerungswesens in Preußen, auch der Communal- besteuerung, das Mißverhäliniß der als Kopfsteuer wirkenden indirecten Besteuerung im Reiche auSgkeicht, so daß in der That im Zusammenwirken der Reichsabgaben mit den directen Landessleuern ein verhältnißmäßig richtiger, der Leistungs fähigkeit sich anpassender Steuerzugriff, nicht aber die von der Socialdemokratie behauptete Ueberburdung der Massen und Schonung der steuerkrästigen oberen Zehntausend statl- sindet. Die Berechnung kommt auf Grund sorgfältigster Nach forschung nach dem Antheile des Haushaltvorstands wie des cinzellebendcn Steuerzahlers an den indirecten Reichs- und an den directen Landessteuern,wiean den Communalsteuerzuschlägen rur Einkommensteuer zu folgendem Crgebniß: Die Gesamnil- belastung beginnt in der untersten Schicht deS steuerpflichtigen Einkommens (900—3000 -6) mit einer durchschnittlichen Ab gabe von 6,4 Proc. des Einkommens und steigt fast stetig auf bis zu 9,1 Prcc., die von den oberen Zehntausend dort ge tragen werden, wo der Zuschlag in den Gemeinden nicht mehr als 100 Proc. auSmacht. Im kapitalkräftigen Westen allerdings, wo die Gemeinden für die kopfreiche Arbeiter bevölkerung hohe Schul- und Armenlasten und für die Förderung des wirthschaftlichen Lebens hohe anderweitige Aufwendungen zu bestreiten haben, steigt der Steuerzuschlag bis zu 200 Procent und darüber hinaus. Dort erhebt sich dann die Gesammtabgabe des Steuerzahlers von 7,4 Proc. in den unteren bis zu 13, ja bis zu 16 und 17 Proc. in den obersten Stufen. Dann ist Prenßcn auf diesem Wege der ausgleichenden steuerlichen Gerechtigkeit aller dings soweit gegangen, wie der moderne Staat etwa gehen kann. Der Verfasser erinnert an das Wort des Genossen Auer: „Es sei Thorheit, von einer 20procentigen oder noch höheren Einkommensteuer zu sprechen, denn eine Staatsgewalt, welche mächtig genug sei, der besitzenden Classe eine dauernde Einkommensteuer in solcher Höhe aufzuzwingen, werde wohl einen Schrill weiter gehen und die Expropriation des Privat- eigenthums an Arbeitsmitteln rc. überhaupt auSsprechcn." (Protokoll des Parteitages von St. Gallen, 1887, S. 23.) Ist diese Gefahr bei 20 Proc. Belastung des Einkommens unzweifelhaft vorhanden, so mußte der moderne Staat, der das Interesse seiner Selbsterhaltung nicht vernachlässigen darf, bei einem BelastungSverhältnisse stillstehen, das im all gemeinen Durchschnitte bis zu 9 oder 10 Proc., in den höchst ent wickelten Wirtschaftsgebieten des Landes aber bis zu 13 Proc, ja stellenweise bis zu 16 oder 17 Proc- aussteigt. Trotz alle dem wird das Gerede nicht aushören, als ob die Träger der indirecten Lasten im Reiche — das sind nach der socialdcmc- kratischen Irrlehre gemeinhin die Arbeiter — „Alles allein" bezahlen müßten. Aber vor jeder zahlenmäßigen Darlegung muß solches Gerede sich verflüchtigen. Berlin, 19. April. (Schutz der nationalen Arbeiter.) Dem „Vorwärts" zufolge sind am 17. d. M. .'>0 polnische, kroatische und galizische Arbeiter in Berlin eingetroffen, um am Bau des Teltow-Canals verwendet zu werden. Wenn das socialdemokratische Organ darüber klagt, daß trotz der immer noch nickt be seitigten Arbeitslosigkeit in Deutschland billigere ausländische Arbeitskräfte herangezogen werden, so hat eS von seinen: internationalen Standpuncte au- dazu allerdings kein Recht. Ob jektiv aber ist zuzugeben, daß die Benacklheiligung deutscher Arbeiter in Zeiten wie die gegenwärtigen doppelt beklagt werden muß und daß hiergegen einznschreiten ist. An gesetz geberischen Maßnahmen, welche die Verwendung ausländischer Arbeitskräfte schlechthin verbieten, kann natürlich nicht gedacht werden. Es würde sonst bei günstiger wirthschaftlicher Lag- der Fall eintreten, daß productive Arbeiten unausgeführt bleiben müßten, weil eS an deutschen Arbeitern dafür fehlte. Möglich dagegen ist, datz öffentlichen Ver bänden jeder Art die Pflicht zur Verwendung deutscher Arbeitskräfte auferlegt wird, sofern nach der Ueberzeugung der höchsten Verwaltungsbehörden, z. B. des Oberpräsidenten, in dem betreffenden Bezirk ein erhebliche» Arbeiterangcbot vorhanden ist. Der Ausbau deS Statistischen AmtS für die Zwecke ter Arbeiterstatistik wird die Uebersicht Uber den Arbeitsmarkt bald derartig erleichtern, daß eS den höchsten Verwaltungsstellen möglich sein wird, die Frage deS Angebots an Arbeitskräften mit Sicherheit zu beurtheilen und dem gemäß an die öffentlichen Verbände Forderungen zu stellen, die ter Billigkeit entsprechen. I, größer da- Verlangen nach Schutz für die nationale Arbeit im Allgemeinen ist, um so berechtigter ist die Forderung nach Schutz für die nationalen Arbeiter. Berlin, 19. April. (Eisenbahnüberfüllung.) Wir batten vor einiger Zrit Keantniß von dem va- gesammte Publicum inleressirenden Proceffe gegeben, den Iustizratb Wagner auS principirllen Gründen gegen den Eisenbahn siscus wegen Uebcrfüllung der Wagenabtheile angestrengt hatte. Iusiizrath Wagner hatte außer seiner Klage bei Gericht wegen Uebrrsüllung des EisenbahnablheilS bei einer Reise nach Potsdam auch Beschwerde bei
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