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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.04.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020428028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902042802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902042802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-04
- Tag1902-04-28
- Monat1902-04
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra - Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne PostbesSrderung 60.—, mit PostbesSrderung 70.—. ^nnahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeige« sind stets an die ETpevition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 213. Montag den 28. April 1902. 88. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Tie englischen Berlustjiffern in Wirklichkeit. Von den unzähligen Beweisen für die notorische Ent stellung und Unwahrheit der amtlichen englischen Berichte über die Lage auf dem Kriegsschauplatz und alle darauf be züglichen Daten ist der zwingendsten einer der krasse Wider spruch in den osficiellen Angaben des englischen KriegSuiiniste« rinmS über die Abgänge im englischen Heere in dermonatlichen Indio ok Oasualtios einerseits und den veröffentlichten täglichen Verlustlisten andererseits. Nach der ersteren hatten z. B. die Abgänge während des zweiten Halb jahrs 1901 937 Osftciere und IK604 Mann betragen, während sie nach den letzteren, also vielleicht in Wirklichkeit, l787 Officiere unv 29 578 Mann umfaßt haben, wa- einen Unterschied von 860 Officieren und 12977 Mann zum Schaden der Stärke des im Felde stehenden englischen Heeres ausmacht. Für den Monat Februar 1902 weisen die monatliche Indio ol OasuLltios an Abgängen 179 Officiere und 3446 Mann, die täglichen Verlustlisten dagegen 319 Officiere und 5453 Mann auf, woraus sich wiederum eia ganz an sehnlicher Unterschied von 140 Officieren und 2007 Mann ergiebt. Ganz außerordentlich ausfallend ist aber der Unterschied für den Monat März 1902'. Man vergleiche! Amtliche Anqaben d«S engliichen KriegSministerlumS. Monatliche Dnbls ok iml ie«: Tägliche Veilustliste»: Officiere: Mannschaften: Osficierr: Mannschaften: Getödt-t: 13 158 12 216 Tödtl.UnMckSsälle: 1 27 ' » —- Verwundet: 32 336 29 567 An Wunde» gest.: 3 44 4 52 An Dysenterie gesr.: 9 373 10 395 Vermißt bezw. kriegs- gefangen: 7 199 5 299 Heimgejandt: 105 2442 343 8578 170 3579 403 10107 Die Abgleichung dieser Zahlen ergiebt eine amtliche Unterschlagung von 233 Off.eieren unv 6528 Mann, die jedenfalls das Opfer der Siege über Kemp, BeyerS u. A. geworden sind. Diesem ganz gewaltigen Abgänge von 403 Officieren und 10107 Mann im englischen Heere während de- einzigen MonatS März steht nach den amtlichen englischen Ausweisen ein Nachschub von nur 375 Officreren, 7 752 Mann und 1297 Pferden gegenüber, von denen oben drein noch Anfangs März 18 Officiere und 535 Mann in St. Helena abgesetzt worden sind. Ein Vergleich Vieser englischen Verlustziffern mit den amt lichen Angaben der Boeren über ihre Verluste kann nur die Bestätigung ver Tbatsache liefern, daß die Boeren auf dem ganzen Kriegsschauplatz sich den Vortheil errungen haben. Nach der Statistik des Vorstandes deS IvrntitätS-DepartementS, HI. Oosterhagen, haben die Verluste der TrauSvaalrr vom 1. September 1900 bis zum 30. September 1901, also während 13 voller Monate, an Tod ten nur rund 4 0 0, an Verwundeten nur rund 7 00 betragen, von denen aber di« letzteren fast alle längst wiederhergestellt sind. Und General de la Rey giebt in feinem Rapport vom Decembrr 1901 an den Präsidenten Krüger seine Verluste vom 7. Juli 1900 bis zum 4. November 1901, also wäh rend 16 voller Monate, mit 170 Todteu und 380 Ver wundeten an. Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. April. Ter Reichstag hat am Sonnabend die dritte Berathung der SeemannSoronuug zu Ende geführt, die Gesammt- abstimmung aber noch verschoben, weil die Socialdrmokraten das auf die Geschäftsordnung begründete Verlangen stellten, daß vor der Abstimmung dem Hause eine Zusammenstellung der Beschlüsse dritter Lesung vorgelegt werde. Es »st also die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß trotz der Annahme aller einzelnen Bestimmungen das Gesetz nach anderthalbjähriger Berathung am Code noch scheitert. Wahrscheinlich ist das aller dings nicht, selbst wenn die Socialvemokraten zu einem ab lehnenden Votum sich entschließe» sollten, was wir aber »och bezweifeln, da die Herren um Singer sich nicht wohl der Urberzeugung verschließen können, daß die revidirte See- mannSordnung der aus den 70er Jahren stammenden ent schieden vorzuzieheu ist und auch von den Seeleuten ent schieden vorgezogeu werden wird. Am Sonnabend freilich zeigte die socialdemokratische Fraction noch keine Neigung zum Nachgeben, sie wendete im Gegentheil alle ihr zu Gebote stehenden Mittel an, um der Vorlage eine Gestalt zu geben, durch die sie für die verbündeten Regierungen hätte unan nehmbar werden müssen. Die „Genossen" hatten aber damit kein Glück; während »brr Anträge fast durchweg und namentlich soweit r» sieb um wichtigere Puncte handelte, adgelehnt wurden, beschloß daß Haus eine ganze Anzahl Aenverungen (der Be schlüsse zweiter Lesung), welche >m Sinne der socialdemo- kratischen Partei auf Verschlechterung deS Gesetze« hinaus liefen. So wurde zunächst die Bestimmung im 8 42, wonach die Kosten der Uebermittelung von Heuerbelrägen an An gehörige eines Schiffsmannes vom Rheder zu tragen sind, die Elausrl hinzugefügt: „sofern der Schiffsmann eia Deutscher ist". Beim ß 45 gelangte zwar ein Albrecht'scher Antrag zur Annahme, daß in dem einem Schfffsmava auf srm Verlangen zu verabfolgenden Heuerbuch bei etwaiger in fremder Währung erfolgter Zahlung der Heuer der zu Grunde gelegte Cour« angegeben werde» muß. Aber dieie Bestimmung ist schwerlich von großem Werth. Gegen den lebhaftesten Protest der Socialvemokraten wurde ferner der 8 54 dahin zurückcorrigirt, daß die Ueberführung eine« im AuSlande Erkrankten nach einem deutschen Hafen in einer Krankenanstalt mangel« Einwilligung deS Betreffenden schon durch das jeweilige SeemannSamt angeordnet werden kann. Dasselbe bedarf dazu nicht der Zustimmung des behandelnden Arzte«, wie der Beschluß zweiter Lesung gelautet hatte, son dern e« genügt uunmedr schon die bloße Anhörung eine« Arztes. Also nickt einmal de« „behandelnden"! Noch unangenehmer war den Socialdemokraten jedenfalls, wie ihr lebhafter Widerspruch bezeugte, der weitere Beschluß zu tz 5«, daß der in eine Krankenanstalt aufgenommeae Schiff«mann auf per Heuer nicht schon dann Anspruch hat, wenn er bisher den Unterhalt von Angehörigen auch nur „theilweise" aus seiner Heuer bestritten batte, sondern nur, wen» dies „über wiegend" der Fall gewesen war. Beim § 71 wurde, wiederum trotz Widerspruch« der äußersten Linken, beschlösse», daß einem Schiffömaun bei Ausübung des ihm nach IK 69 Abs. 4 zustehenden NücktrittSrechts (weil im Be- 1 slimmungS- :c. Hafen gewisse Seuchen herrschen) uur I die verdiente Heuer zustehr. Nach dem Beschlüsse zweiter Lesung sollte er auch noch für einen weiteren Monat die Heuer fordern dürfen. Sicherlich ganz besonderen Schmerz bereitet der socialdemokratischen F.aclion der Verlauf der Berathung über die Coalitions- rechtSfrage. In dieser hatte bekanntlich die Commission ein gewisses Entgegengekommen gezeigt. Die von derselben vorgeschlagcn gewesenen §8 78a und 78b waren aber bei der zweiten Lesung ganz gefallen, weil die Socialdemokraten Ge- sühlSpvlitik getrieben und au» Aerger über die Ablehnung ihrer noch weiter gehenden Forderungen das Scheitern jeglicher Bestimmung über da« CoalitionSrecht herbeisühren geholfen halten. Da» Centrum, das dadurch am meisten brüskirt worden war, revanchirte sich dafür, indem eS einen Antrag auf Wiederherstellung jener Paragraphen in der CommissionSfaffung unterließ. Und da auch von anderer Seite ein solcher Antrag, der allein Aussicht auf eine Ma jorität gehabt hätte, nicht gestellt wurde, andererseits aber vie erneut eingebrachten Anträge von socialdemokratischer und von freisinniger Seite sielen, so schieden die coalitions- rechtlichen Bestimmungen gänzlich und endgiltig aus dem Gesetze auS. Einen unerwarteten AuSgang nahm der Ver such deS CentrumS, einen Fehler wieder gut zu machen, deu eS am Freitag bei der Abstimmung über § 4 Lurch Unachtsamkeit begangen batte. Zur Abstimmung stand die auf Betreiben des CentrumS in Len Entwurf binein gekommene Vorschrift, die den Schiffsleuten das Zugestänkniß macht, daß beim Verfahren gegen einen Schiffsmann einer der Beisitzer deS SeeniannSamlS ein seebesahrener Sckiffs- mann sein muß. Diese am Freitag durch vie Schuld deS CentrumS zu Falle gekommene Bestimmung sollte bei tz 111 wieder eingeschoben werden. Gegen dieZulässigkeit derWicder- einbringung eines einmal abgelehnten Antrages erhob Herr v. Kar dorff geschäftSordnungSmäßigc Bedenken, vie der Vicepräsident Büsing nicht gelten ließ. Der Abgeordnete Kirsch wollte seinen Antrag auSvriicklich als AuSnahmefall und al« nicht verbindlich angesehen wissen. AIS Herr Singer aber meinte, e« bedürfe eine« solchen Vorbehaltes nicht unv va« Verfahren sei geschäft-ordnungsmäßig überhaupt nicht zu beanstanden, wurve Herr Kirsch von der sich daraus er gebenden Aussicht so erschreckt, daß er den Antrag schleunigst zurückzog- Herr Singer nahm ibn zwar wieder auf, aber ohne Erfolg, denn das Cenlrum ließ sein eigenes Erzeugniß jetzt im Stiche. — Zum Schluffe erledigte das HauS noch va« Schaum wein steaergesetz nach kurzer Debatte in dritter Lesung, nachdem der Reichsschatzsekretär mitgetheilt hatte, daß nächster Tage ein luxemburgischer Unterhändler in Berlin eintreffen werde, um die Verhandlungen wegen Ein führung der gleichen Steuer in Luxemburg zu führen. — Für beute steht neben der Diäten vor läge der Gebühren tarif für Len Kaiser Wilhelm-Canal und die Aushebung deS fliegenden Gerichtsstandes aus der Tagesordnung. Am Mitt woch soll, wie schon bericktet, der „Toleranz"-Antrag wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden. Trifft dies zu, so wird daS Zuckersteuergesetz voraussichtlich am Donnerstag zur ersten Lesung gelangen. Durch die bevorstehende Einbringung deS ZuckergrsetzeS dürsten sich die Berathungen des Reichs tages über den 7. Mai, den Termin, den man für den Beginn der Vertagung ins Äuge gefaßt balle, hinauSziehen und daS HauS bi« etwa den 13. oder 14. Mai zusammenblriben. — Für die Berathung des Gesetzentwurfs zur Entschädigung der ZolltarifcommissionSmitglieder haben alle Parteien die Aufforderung an ihre FractionSangehörigen ergehen lassen, zahlreich zur Stelle zu sein. Wahrscheinlich werden sich die Wortführer der MehrheitSparteien, deS CentrumS, der Conser- valiveu und der Nationalliberalen, mit kurzen Erklärungen zu der Vorlage begnügen. Von verschiedenen Seiten wird übrigens gemeldet, baß in der Branntweinsteuer commission eine endgiltige Verständigung in der Weise bevorstehe, daß auch dieses Gesetz noch vor der Vertagung erledigt werden könne. Die Ncichsiagüwahl in Saarbrücken hat mit einem glänzenden Siege des nationalliberalen Candidaten Boltz geendet. So glänzend allerdings, wie die „National- Zeitung", irregeführt durch einen Druckfehler der amt lichen Wahlstatistik für 1898 annimmt, ist der nationalliberale Wahlsieg nicht. Denn bei der Haupt wahl des Jahres 1898 sind nicht 11 094 Stimmen auf Herrn Boltz gefallen, sondern 13 292. Aber auch im Hinblick auf letztere Zahl ist ver nationalliberale Stimmenzuwachs vom 25. April lehr bedeutend: beträgt er doch 4665 Stimmen. Allerdings haben sich auch auf den CentrumScaudidaten dieses Mal 14 393 Stimmen gegenüber 10 806 bei der letzten Haupt wahl vereinigt, und eS beträgt mithin die Zunahme der CentrumSstimmen 3587. Daß trotzvem der klerikale Bewerber vem nationalliberalen daS Mandat nicht durch Stichwahl streitig zu machen vermochte, ist um so bedeutsamer, je populärer er im Wahlkreise ist. Wie wenig die „Brodwucher"-Parole im Saar brücker Wahlkreise „gezogen" hat, geht aus dem überaus geringfügigen Stimmenzuwachs der Socialvemokraten hervor. Ihre Anhänger sind von 710 nur auf 826 gestiegen, haben sich also blos um 116 vernirhrt. Immerhin ist damit der fortgesetzte Rückgang der Socialdemokratie im Wahlkreise Saarbrücken zum Stillstand gekommen. Nachdem nämlich im Jahre 1890 6823 socialdemokratische Stimmen ge zählt waren, fielen sie bei der Hauptwabl deS Jahres 1893 aus 1477, um 1898 bis auf 710 zu sinken. Der national liberale Candidat hat jetzt mit 17 957 Stimmen die größte Anzahl von Stimmen auf sich vereinigt, die jemals im Wahl kreise für einen Candidaten abgegeben wurden. Bei der Stichwahl 1898 erhielt Herr Boltz 16 896 Stimme», bei der Hauptwahl von 1893 16 397. Au« allen diesen Zahlen angaben geht hervor, daß die UngiltigkeitSerklärung und der Lärm der CentrumSpreffe über Wahlbeeinfluflung der national liberalen Candidatur lediglich zum Vortheile gereicht haben. Zur Lage in Rußland wird unS aus Petersburg, 24. April, geschrieben: Der neue Minister des Innern von Plehwe hat sich in einer Rede vor den Beamten seines Ressorts als einen „Vertreter deS historischen rus sischen Gedankens", also als einen strengen Gesinnungs genossen PobedonoszewS bekannt. Die gleichgesinnte „Moskauer Zeitung" erklärt hierzu, die Ermordung des Ministers Ssipjagin habe endlich den leitenden Männern die Augen geöffnet, daß die „bisherige knechtische Abhängig keit des russischen BildungSwesenS von der westeuropäischen Pseudocultur" ein für alle Mal aufhören müsse. Die zu erwartende Neuordnung deS UniversitätSwesenS werde daher die „befreiende That für das neue allrussische Geistes- und Reichsgebäude" werden. Der Rücktritt veS Generals WannowSki bedeutet demnach die Beiseitestellung jeder UniversilätSreform nach westeuropäischem Muster. Ueber die Art, wie sich die Feuilleton. Eva oder Anneliese? 24s Roman von Ern st Georg y. »!a»dn>e »erbeini. Bernd ließ den Bogen sinken, legte die Geige fort und warf sich auf den Divan. Den Kopf preßte er in die Kissen. Plötzlich begann er zu schluchzen wie ein Kind. — „Bernd, Bernd!" Mit einem Schrei stürzte Eva zu ihm und warf sich vor ihm nieder. Mit eiskalten, bebenden Händen richtete sie gewaltsam den Geliebten auf. Dann umschlang sic ihn wild mit beiden Armen. Vor ihm kniend zog sie ihn bei nahe zu sich herab. Ihr Mund preßte sich in verzweifeltem Kusse auf den seilten. Ihre Gestalt bebte wie Espenlaub, so daß er sic stützend umfassen mußte. Endlich gaben ihn ihre Lippen frei. Leidenschaftlich rüttelte sie ihn: „Watz soll daö?" ächzte sic. „Warum quälst Du Dich und mich? Du weißt, wie ich Dich liebe! Du bist mir mehr, als die Welt, Du bist mir Alles! Wenn Du willst, so kann Dich doch nichts -um Abschied zwingen! Bleibe bei mir, Bernd, bleibe bei mir, denn ich liebe, liebe liebe Dich!" „Höre auf, Eva, mach' mich nicht wankend!" flehte er und preßte sie an sich, daß ihr der Athem verging. — „Weißt Du denn, was ich durchgemacht habe? Ahnst Du denn, ivas ich erduldete seither? So lange ich mit Verstand lebe, liebe ich Dich mit -er gleichen schranken losen Liebe!" „Dann kann Dich doch nichts hindern!" schrie sie jammernd. Er sprang auf seine Füße und hob sic mit starken Armen empor. Willenlos ruhte sic an seiner Brust. „Sterben möchte ich mit Dir, ehe ich Dich lasse, Du Einzige! Ich liebe Dich!" Endlich setzte er sie zu Boden. Seine Stirn glänzte fcncht, in seinen Augen glühte e« dunkel. „Bernd", rief sic unruhig, »ich habe Angst vor Dir, was sinnst Du?. Er schwieg, aber sein Athem keuchte, seine Brust hob und senkte sich wUb. „Eva!" „Du siehst au«, wie ein Verbrecher!" stöhnte sie und wich vop ihm zurück. DaS brach den Bann. Er brach in ein un natürliches, gellendes Gelächter auS. DaS war so furcht bar das Blut gerann in ihre» Adern. „Herzd!" „Du hast Recht! Wie ein Verbrecher! Dazu kann einen die Qual treiben! Hahaha! Noch ein Verbrecher mehr, diesmal ein kleiner Mord, was macht da- mir auS? Mein Conto ist belastet genug: Wortbrüchig, meineidig, feige! Alle- ich, der ich so gut sein wollte! Eva, süßes, ge liebtes Wesen, hast Du Angst vor mir?" Sie weinte heftig: „Ja, Du klagst Dich an! Du beschuldigst Dich, ich aber glaube an Dich!" „Du!" Er durchbohrte sie mit seinen Blicken. „Wenn ich Dir sage, daß ich unwürdig Deiner Liebe bin " — „Das ist nicht wahr!" „Eva, der Mann, -er vor Dir steht, ist nicht mehr frei! Ich bin seit fast sieben Monaten verlobt!" Eva taumelte zurück, als hätte ein Schlag sie getroffen: „Was bist Du?!!" „Verlobt, der Bräutigam von Anneliese, die ich fetzt so Haffe, wie ich Dich liebe!" .Warum denn aber?" stammelte sie verftänbnißloS. — „Was " „Du allein auf der Welt sollst eS auS meinem Munde vernehmen, Eva! Du wirst schweigen. Du sollst daS ent scheidende Urthctl sprechen. In Deine Hände lege ich Alles!" — „In meine Hände?" wiederholte sie fragend. „Ja, so höre denn! Ich habe Anneliese mit einer Pistolenkugel getroffen! Durch mich ist sie blind auf ewig! Unwissentlich wurde ich an ihr zum Verbrecher. Und daS UnglückSwetb liebt, vergöttert mich! Da, lies selbst, und entscheide!" — Er riß den Brief hervor und warf ihn wie etwas Giftige« auf den Tisch. Ein langes Schweigen entstand. — Zuerst sah sic ihn so dumpf an, als fehle ihr das Verständnis, für seine Worte. Dann ging sie langsam mit winzigen Schritten zu dem Ttkche und ergriff das Schreiben. Sie laS eS wieder und wieder, dann ließ Ne die Hand, welche eS hielt, sinken. DaS Blatt flatterte zu Boden. Bernd glaubte, -aß eine Ewigkeit verrinne; aber er wagte nicht, sie auS ihrer Stumpfheit zu wecken. Endlich rief er sie an: „Eva, soll ich ihr mein Wort brechen? Darf ich bei Dir bleiben?!" — Eine verzehrende Angst, eine leise Hoffnung zitterte au« seinen Worten. Sie sah ihn noch einmal lange an. Dann murmelte sie schwach: Gehl" ^Evak Bedenke, waS Di» sprichst! Diese Minute ent scheidet!" > s«LtessL^oM einmal laut und energisch. I-« erhobene Hand wies zwingend nach der Thür. Bernd wagte keine Entgegnung weiter. Langsam wendete er sich. Bor dem Ausgange drehte er sich um: „Leb' wohl, Eva!" — „Bernd!" Sie stürzten aufeinander zu und sielen sich in die Arme. — Dann trennten sie sich. Bernd schwankte, wie ein Be trunkener bis zur Thiir und stürmte fort. Auf der Straße rief ihn Jemand an. Er sah und hörte nichts. Es war vorbei! Eva selbst hatte ihn auf den Weg der Pflicht ge wiesen. Sie hatten Beide dem Glücke entsagt! Es war aus! Mit eiserner Gewalt mußte er die Liebe aus seinem Hedzen reißen oder mit einer Lüge vor den Altar treten, mit einem Betrüge in die Ehe gehen. Kopfschüttelnd war Graf Warell im Hauseingange stehen geblieben. Er schaute hinter dem Fortstürzcnden drein: „Der Bengel ist verdreht geworden!" murmelte er ärgerlich. Dann kletterte er langsam die Treppe in die Höhe nnd schloß seine Wohuungsthür auf. Zuerst wandte er sich in die nach hinten gelegenen Zimmer. Wärest kramte in seinem Schlafgemache, guckte in Eva s Zimmer hinein und machte dann noch einen Abstecher in die Küche. Die Frage des Menus war für ihn von grenzenloser Wichtigkeit. — Dann erst begab er sich durch das Speise zimmer in das Wohnzimmer. Er wollte sich gerade an seinem Schreibtisch ntedcrlaffen, als er ein dumpfes Stöhnen im Salon hörte. Erschreckt fuhr er wieder in die Höhe und eilte zur Portiere, die -en Eingang verschloß. Bon demselben Fleckchen, von dem aus Bernd in den Nebenraum gespäht, lugte er setzt hinein. Sein gutes, ener gisches Gesicht wurde ordentlich verzerrt, als er seine ver wöhnte, einzige Tochter lang am Boden ausgestreckt sah. Eva hatte den Kopf in den Armen verborgen und stöhnte, leise weinend, vor sich hin. In der einen Hand hielt sie ein zerknittertes Blatt Papier. Warell trat näher. Er sah, wie sehr sein Kind litt, und er wagte nicht, sic zu stören. Sein Grundsatz war: „Schmerz will sich ans toben l" — Do setzte er sich denn geduldig, mit feuchten Augen, hin und wartete. Aber Eva s Kummer zerriß ihm das Herz, Lange hielt er es nicht aus. „Eve, Düchting, Liebling, was hast Du?" fragte er bittend. Da« junge Mädchen fuhr entsetzt auf. Sie schämte sich, tn ihrem maßlosen Schmerz belauscht worden zu sein. Rasch wollte sie hinauSeilen, aber er hielt sic am Kleide fest. Immer näher zog er sic zu sich heran. Dann packte er sie pyd -ob sie xie ei» kleine« Kind qgf feine^Schooß. Mein armes, kleines Döchting!" sagte er zärtlich. — „Hast Du kein Vertrauen zu Deinem Vater?" — Bei dem liebevollen Klange seiner Stimme barg sie den Kopf an seine Schulter und schluchzte sich an seinem treuen Herzen aus. Auch in seinen Augen funkelten Thränen. Seine schweren Hände liebkosten und streichelten sie unablässig, bis sie etwas ruhiger wurde. „Bernd war hier, er stürzte wie ein Verwirrter an mir vorbei!" sagte er dann. — „Habt Ihr etwas mit einander vorgehabt, kann ich etwas für Euch thun?" „Ach nein, Väterchen!" flüsterte sie ergeben. „Uns kann Keiner helfen! — — — Wir haben Abschied ge nommen für immer!" ,^>ast Du ihn lieb?" „Ueber alle Matzen!" „Und er liebt Dich wieder?" — „Ja!" „Na, dann soll doch der Deibel d'retnschlagen! Wozu nehmt Ihr Abschied?" Eva schwieg. Der Vater blickte sie vorwurfsvoll an. „Hast Du kein Vertrauen zu mir?" fragte er sie ernst. — „Glaubst Du, daß je ein Wort über meine Lippen kommen wird von dem, was Du mir in dieser Stunde sagst? Bin ich denn nicht Der, welcher Dir am nächsten steht? Wer sonst, wenn nicht ich, hat ein Anrecht auf Dein Ver trauen?" Als sie stumm blieb, zeigte er auf den Brief, -en sie noch immer zusammengeballt in der Hand hielt. — „Döcbting, Eva, hängt Eure Trennung da irgend wie mit dem Fetzen zusammen?" — — „Ja!" stieß sie her vor. — „So zeig' ihn mir! Ich wünsche cs, meine Tochter! Dein Vater muß in dieser Angelegenheit vor Allem klar sehen!" sagte er in entschiedenem Tone. Zögernd glättete sie das Papier und reichte cs ihm. So las denn Graf Warell Anneliese Blaumttllcr's bräutliches Schreiben an Bernd. Er überflog es zweimal, dann stieß er einen lang gezogenen Pfiff aus und zog die Tochter fester an sich: „Was muß der unselige Mensch gelitten haben! Das ist ja schrecklich! verstehe ich auch die damaligen Andeutungen seiner Mutter, die entsetzliche Veränderung, welche mit ihm vorqegangen ist. Ja, das kann einen Mann aus dem Gleichgewicht bringen! Annes Kind, wie wehe thut eS mir, daß Du von seinem Unglück auf so traurige Art mit betroffen wirst!" Sic schwiegen,- eS that Tva so wohl, daß der Vater kein anklagendes Wort für den Geliebten fand. Sie fühlte, daß der treue Mann ihr Freund war und schüttete ihm ihr llSLsrs <A«. ^LLN dtejer Stusibe a» «ttr-r -a- Vern
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