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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.04.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020429025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902042902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902042902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-04
- Tag1902-04-29
- Monat1902-04
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Der hyper-imperialistische Ministerpräsident vou Neuseeland Seddon, welcher stchberril- auf der Reise nach London zur Theilnahme an den KrönungS- feierlichkeiten und den ReichSconferenzen befindet, sandte von Melbourne auS eine Drahtung, worin er erklärte, di« austra lischen Colonien würden eS nicht versieben, wenn die britische Re gierung den Boereu Geldmittel zum Wiederaufbau der Farmen bewilligen würden. Von dem eroberten Lande dürfe dem Feinde nicht ein Fuß breit wieder zur Verfügung gestellt werden. — Der Premierminister vou Natal antwortete auf die Auf- forderung Chamberlain'-, sich zur FriedenSfrage zu äußern, gegen eine Amnestiruna der Boereurebellen Natals würde die loyale Bevölkerung Natal- wie ein Mann Einspruch er hebe«. Eine solche FriedeaSbediugung könne niemals in Frage komme». * London, 29. April. (Telegramm.) „Daily Telegraph" berichtet auS Pretoria unter dem 27. April: Die Com- maudos vou Utrecht uud Bryheid hielten in der vorigen Woche Berlammlungeu ab, denen Louis Botha und andere Boereuführer beiwohnten. E- machte sich bei diesen Versammlungen rioe starke Strömung zu Gunsten deS Frieden- geltend. Die Versammlungen wurden von dendritischen Truppen nicht behelligt. Der stillschweigend« Waffenstillstand in diesen Bezirken läuft morgen ab. * London, LS. April. (Telegramm.) Lord Kitchener meldet aus Pretoria unter dem 23. April: Seit dem 21. April sind 25 Boeren gefallen, 78 gefangen genommen worden und 25 haben sich ergeben. Im Westen der Capcolonie sind Verstärkungen eiugetrofsen. Die Operationen im Nordwesten de- Oranje-Freistaates gegen Badenhorst sind erfolgreich, und englische Kolonnen sind thätig, um da» östliche »nd westliche Transvaal vom Feinde zu säubern. Politische Tagesschau. * Leipzig, 29. April. Die Mitglieder des Reichstag- werden in ihren Kalendern den gestrigen Tag roth anstreichen müssen, denn an ihm ereignete sich etwa-, wa» in diesem Jahre erst drei- oder viermal sich ereignet hat: da- hohe Haus war beschluß fähig — wenigstens wäbrend der Zeit, die durch die erste Berathung der „Isr Taschengeld", auch „Sommer diäten gesetz" genannt, in Anspruch genommen wurde. Recht wohl zu Muthe war eS freilich selbst den Angehörigen derjenigen Fractionen nicht, die entschlossen waren, die von den verbündeten Regierungen den Mitgliedern der Zolltarifcommission für ihre Arbeit wäbrend der Vertagung des Plenums angebotene Entschädigung anzunehmen. Sie fühlten Alle, daß die Notbwendigkeit, auf dieses Angebot ein zugeben, das Anseben der deutschen Volksvertretung nicht zu erhöhen vermag. Recht anschaulich schilderte in den letzten Tagen der vergangenen Woche ein Berliner Mitarbeiter de- „Hann. Cour." die Lage, die »ur Einbringung der „Isr Taschengeld" genöthigt, uod Vie Stimmung, in der da- Haus in die Berathung treten werde: „In einem seiaer schalkhoftestrn Gedicht« führt uns Peter Rosegger einen armen Schuldner auS dem Hochgebirge vor, dessen LebenSdevise lautet: „Schau ott um a Million!" In einer schwachen Stunde aber philosop hirt dieses Nullerl über seine Lebens- anschauunge», und da gesellt sich ein bescheidene» Begehren zum andern, sodaß die Wünsche wachsen und wachsen, bi» er schließlich in die Welt hinauSschrrit: Wenn Ihm einer eine Million schenkte, Schanden halber nähme er sie an! Schanden halber wird auch der Reichstag die Sommerdiäten-Vorlage annehmen. Schanden halber! Denn sie gereicht Niemandem zur Ehre. Die ver- büudeten Regierungen bekunden damit, daß sie keinen Aus weg auS dem Zolltarif-Wirrsal wissen und sich zunächst uw jeden Preis das weitere Fortwursteln sichern wollen. Dem Reichstage wird ein tearimonium paupertaiis ausgestellt, wie eS schlimmer nicht gedacht werden kann. Seine Arbeits unfähigkeit läßt sich nicht mehr beschönigen. Das Plenum hat fast zu existiren aufgrbört, rin beschlußfähiges Haus gehört zu den rarsten Seltenheiten. Bisher thaten wenigstens die Eommtssionen ihre Schuldigkeit. Aber jetzt versagen auch diese. So ist das Branntweinsteuergesetz, das in der letzten Sitzung im vorigen Mai Lurch die Schuld der Agrarier scheiterte, bisher von der Commission so wenig gefördert worden, daß eS auch im laufenden Tagungsabschnitte nicht zustande kommen kann/?) Nun muß sogar die Zolltarifcommission durch ein Taschengeld be- stimmt werden, länger als das Plenum zu arbeiten. Alle Parteien empfinden das wenigWürdige dieses Vorgehens, und doch wird man ihm zuslimmen. Jeder sagt sich innerlich, daß das Ansehen des Reichs tages dadurch geschädigt wird. Aber eine verhängnißvolle Indolenz beherrscht auch nach dieser Richtung den Reichstag. AiS gegen Mitte März die ersten Gerüchte über die Sommerdiätenvorlage avftauchten, schienen die Socialdemokraten entschlossen, das Zustandekommen derselben mit allen geschästsordnungsmäßigen Mitteln, also auch durch Obstruktion, zu verhindern. Von dieser Absicht sollen sie jetzt zurückgekommen sein. ..Schanden halber" werden auch sie sich den schnöden Mammon aufzwingen lassen. So wird sich denn der Reichstag in nächster Woche noch einmal ausraffen und den erstaunten Tribünenbesuchern den selten geschauten Anblick eines beschlußfähigen Hauses bieten. Sobald aber die lex Taschengeld unter Dach ge- bracht ist, wird baldigste Vertagung bis etwa Mitte Oktober sich alS unabweisbare Noihwendigkeit Herausstellen, wenn man dem Grafen Ballestrem ersparen will, daß er sich eines Tage- ganz allein im hohen Hause vorfindet. Die Sommerdiäten aber werden ihren Beruf nicht verfehlen, vielmehr die Zolltarifcommission ver anlassen, mit bewundernsweither Geschwindigkeit ihr Werk zu voll enden. Schanden halber!" . Der Verlauf der gestrigen Sitzung entspricht vollkommen dem hier gezeichneten Bilde: ein letztes Aufrafsen vor dem Zuiammenklappen und die Reden der für die Vorlage ein- lietenden Parlamentarier wenig mebr als eine Umschreibung des Satze-: „In der Noth frißt der Teufel Fliegen." Nur eine einzige Ueberraschung: Die Socialdemokraten, denen eS wider die Ehre gebt, wenn sie selbst Sommerdiäten an- nebmen, fühlen keine Gewissensbisse, wenn sie den schnöden Mammon in die Parteicasse lenken. Die Bereicherung dieser skrupellosen Casse kann natürlich das Bebagen der der Vorlage zustimmenden Mehrheit an ihrem Werke nicht erhöhen. Zunächst ist der Budgetcommission, an die der Entwurf vermiesen wurde, eine rechi barte Nuß aus die Zähne gepacki: sie wird sich darüber schlüssig zu machen haben, in welche, Weise die für jedes der Zolltarif-Commission-- Mitglieder bestimmte Pauschalsumme venbeilt werden ioll, wenn ein Milgliederwechsel eintnll. Aber auch mit dieser Nuß wird man fertig werden, weil man muß und weil es sich gezeigt bat, daß die Mehrheit des HauicS das Zu standekommen des ZollrarifgesetzeS will. Für die verbündeten Regierungen eröffnet sich dadurch eine angenehme Aussicht. In der auf den 6. Mai anberaumten Stichwahl zwischen dem nationalliberalen und dem welf ischen Bewerber in Erlle können die Welfen nur dann zum Siege gelangen, wenn Ire nicht nur von den Socialdemokraten, sondern auch von dem Bunde der Laudwirthe — von letzterem zum min desten durch Stimmenthaltung — unterstützt werden. Deshalb wendet sich da« welfiscbe Hauptorgan Hannover» gleichzeitig an beide Parteien. Den Socialdemokraten sagt eS, daß jeder Wähler, der „gegen Militarismus und Mari- niSmuS" wirken wolle, „selbstredend" den welsiscben Candidaten wählen müsse. Den bvndlerischen Wählern wird klar gemacht, daß jeder Wähler, der für die berech tigten Forderungen der Landwirthschaft eingetreten w fseu wolle, Herrn v. d. Decken seine Stimme geben müsse. Das welfische Blatt scheint nicht daran zu denken, daß es sich mit dieser Proclamation zwischen zwei Stühle setzt. So verlockend für die Socialdemokraten das Schlagwort „Gegen Militaris mus und MarinismuS" ist, so stutzig müssen sie durch die An kündigung Weiden, daß Herr v. d. Decken „für die berechtigten Forderungen der Landwirthschaft" eintreten wolle, denn die führenden Socialdemokraten erklären alle Forderungen der Landwirthschaft für unberechtigt. Umgekehrt ist für den Bund der Landwirtbe das offene Bekennmiß der Gegner- ichaft zu allen Forderungen der Wehrkraft höchst un bequem. Wobt stammt das Wort von der „gräßlichen Flotte" von einem gerade in der Piovinz Hannover gewählten bünd- lerischen Abgeordneten, aber dieser Abgeordnete batte durchaus nicht den Wunsch gehegt, daß dieses Wort in die Oeffentlich- keit gelangte. Sich durch die, wenn auch nur passive, Unter stützung eines Bewerbers, der finanziell gegen die Webr- sorverungen Stellung nimmt, zu comp omitliren, dürfte dem Bunde der Landwirthe doch nicht rälhlich erscheinen. Zu dem Ausfall der Wahlen in Frankreich schreibt die „Kölnische Zeitung" :„ De r Sie g deS klerikalen Nationa lismus in Pari- bat große Bedeutung für die weitere Beurtheilung der französischen Dinge. Er rückt die Möglich keit in den Vordergrund, daß wieder einmal ein kleri kales Ministerium die Leitung der politischen Geschäfte in Frankreich übernehmen kann, und er beweist, daß die Politik deS Vatikans, der unausgesetzt an der Arbeit ist, die älteste Tochter für die päpstliche Sache und die endlicve Wiederherste llung seiner weltlichen Macht am T ber zu gewinnen, bisher nickt umsonst gewesen ist. Auch iu der Provinz bat der Klerikali-mu- nicht zu verkennende Fortschritte gemacht, die den Bestand des antiklerikalen Elements in der republikanischen Regierung nicht gerade sehr gesichert erscheinen lassen. An dieser Unsicherheit wird der Ausfall der Siickwablenwenig ändern können." — Der„TempS", welcher bereits «eil längere, Zeil denZusammenschlußder ge mäß i g l e n Republikaner und der nicktsocialistisch gesinnten Radikalen befürwortet, erklärt, die Bevölkerung habe sich durch die gestrige Wahl deutlich für eine solche CoalitionS- polilik auSgeiprochen, welche den einzigen Ausweg aus der gegenwärtigen KrisiS bilden tönne. Während nämlich die Socia- listen und locialistsschen Radikalen eine Anzahl Sitze verloren lallen, hätten die gemäßigten Republikaner und nicktsocialisti- schen Radikalen ihre Stellung behauptet. Tiefer Darlegung entsprechend stellt der „Temps" folgende Wahlübei sich« auf: Von 4ll definitiv Gewählten sind 22 S cialisten, 150 Radi kale und socialisnscke Radicale, 28 ministerielle Republikaner, 1 14 oppositionelle Republikaner, 26 Ralliirie, 33 Nationalisten, 38 Royalisten und Bonapariisten und 172 Siichwablen. Der der Regie,ung nabeslebende „Ae Fran^ais" sucht nachzuweisen, daß das Ministerium in der nächsten Kammer über eine um 32 Stimmen stärkere Mehrheit verfügen werde als in der trüberen. " Pari», 28. April. (Telegramm.) Im Ministerium des Innern lagen bis heute Abend 7 Uhr 487 Wahlergebnisse vor. Gewählt sind »ach den Ausstellungen des Ministeriums: 88 Re publikaner, 95 Radikale, 41 socialistische Radikale, 22 Socialisten, 32 Nationalisten, 66 Lonjervative, 66 antiministerielle Republikaner, 2 dissentirende Socialisten, zusammen 412 Deputirle, davon 246 ministerielle und 166 antiministerielle. Von !75 Stichwahlen scheinen 125 günstig für die ministeriellen und 12 günstig für die antiministeriellen Candidaten zu stehen; bei 38 ist der Ausfall zweifelhaft. * Paris, 28. April. Aus der Insel Gouadeloupe wurden dec Radikale Gerville-RSache und der Chefredakteur der socialistischcii „Petite Rspublique" Görault Richard gewählt. Die Angelegenheit der für den geplanten überseeischen Verkehr so überaus wichtigen maritimen Verbindung des atlantischen mit dem parisische« Ocea« ist noch immer in -er Schwebe, und besonders darüber herrscht nach wie vor Unsicherheit, ob für den Canal die Panama- oder die Nica- ragua-Noute gewählt werden wird. Immerhin sind jetzt die Verhandlungen mit Columbia, soweit sie die staat liche Oberhoheit der Vereinigten Staaten und die Zustim mung der columbischen Regierung zu dem Panama-Pro- ject betreffen, zu einem gewissen Abschlüsse gelangt. Rach -em von den beiderseitigen Staatssekretären des Auswär tigen, Hay und Concha, geschlossenen Uebercinkommen würden die Vereinigten Staaten das ausschließliche Recht erhalten, den Bau des Canals auszuführen und die Auf sicht über den Verkehrsbetrieb auszuüben. Die Anlage von Eisenbahnverbindungen, telegraphischen und telepho nischen Leitungen u. s. w. längs des Canals und in einer Entfernung bis zu 10 Kilometer ist ebenfalls den Vereinig ten Staaten zugestandcn, während alle aus dem Betriebe oder sonstwie innerhalb dieses Gebietes auftauchcnden rechtlichen Fragen von einer aus Angehörigen beider Staaten zusammengesetzten Gerichtscommission entschieden werden sollen. Ferner tritt Columbia den Thcil seines Grund und Bodens, der durch die Anlage und Jnbetrieb- haltnng des Canals in Anspruch genommen wird, für alle Zeiten an die Vereinigten Staaten ab, erklärt sich mit der Uebernahme -er Besitzrechte der Panamagescllschast durch die Bereinigten Staaten einverstanden und gewährt diesen bezüglich des Waarenverkehrs innerhalb des Canal gebietes völlige Befreiung von den Einfuhrzöllen. Als Gegenleistung bezw. Entschädigung beansprucht -er Staat Columbia einen einmaligen Betrag von 7 Millionen Dol lars, zahlbar nach Ratifikation des Vertrages, und eine nach Verlauf von 14 Jahren eintretende jährliche Ent schädigung, deren Höhe nach Maßgabe des während dieser Zeit seit Eröffnung der Canalstraße beobachteten Verkehrs umfanges bestimmt werden soll. Es erscheint nicht ausge schlossen, daß auf Grund dieser Vereinbarungen, die jeden falls den Vereinigten Staaten außerordentliche Vortheile bieten, eine Verständigung erzielt und damit auch eine bal dige Entscheidung über die Routenfrage herbeigeführt wird. Wenn auch nach den Meldungen amerikanischer Blätter die Regierung der Bereinigten Staaten einen ähn lich lautenden Vertrag mit dem Staate Nicaragua be sitzt, aus diesem Umstande also für die endgiltige Ent scheidung, ob der Canal durch Nicaragua ober über den Isthmus von Panama zu führen sei, nichts Positives ge folgert werden kann, so sind doch die Gründe und Er wägungen, welche für die letztere Route sprechen, so zahl reich und schwerwiegend, daß die Entscheidung in diesem Sinne erfolgen dürfte. Die Canalstrecke ist wesentlich kür zer, die Banarbeiten sind hier nicht unbeträchtlich geför dert, eine große Menge brauchbarer Maschinen und werth volles Material ist vorhanden, so daß die Fertigstellung der wichtigen Wasserstraße in kürzerer Frist und voraussicht lich auch mit erheblich geringeren Kosten erreicht werden könnte, als auf der nördlichen Route durch Nicaragua. Nach alledem dürfte die Annahme, daß der Washingtoner Congreß, der sich demnächst über diese Angelegenheit schlüssig zu machen haben wird, der Ausführung des Panamaprojectes seine Zustimmung ertheilen werbe, einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit beanspruchen können. Fauillaton. Eva oder Anneliese? 2Lj Roman von Ernst Georg y. viachtruck »krboltn. Unbekümmert über bas Urtheil, welches über ihn er ging, legte sich Baron Viktor Löwen-Polling bald zur Ruhe nieder. Er schlief den Schlaf übermüdeter Schweizer Wanderer und erwachte am anderen Morgen erst sehr spät. Die Sonne schien klar und heiter am stahlblauen Himmel. Bon seinem Bett aus sah er die bläulich trahlenben Eisberge in wunderbarer Deutlichkeit. Er- lischt macht« er Toilette und trank dann auf der Terrasse einen Morgenkaffee. — In einen der tiefen Stühle ge- lagert, rauchte er eine Cigarre und genoß bequem die köstliche Luft, die unbeschreibliche Aussicht. — Neben ihm rauschten plötzlich seibengefütterte Gewänder. Eine hohe, schlanke Frauengestalt ging an ihm vorüber, eilte schräg durch, zu einem -cltübcrspannten Plätzchen, gefolgt von einem etwas taprigen alten Manne, der Schreibgcräthe trug. — Gleich darauf eilte der eine Kellner auf ihn zu: „Herr Baron, verzeihen Sic, aber da» ist die Frau Gräfin Brandau!" raunte er ihm zu. — „Danke!" entgegnete >er also Belehrte kurz. Ein« tiefe Falte hatte sich zwischen einen Augen «tngegraben, s«tn braungebranntes Gesicht chimmerte kabl. Nachdenklich kaute er an seinem Schnurr bart. Er behielt die Gräfin im Auge. Also jene schöne, weißhaarige Dam« mit der mädchenhaften Figur und dem vergrämten Gesicht war die Mutter Brandau»! Sie glichen sich auch,- aber der Sohn war wett schöner. Der Sohn — seine Hände krampften sich —, der ihm die Liebe de» vergötterten Mädchen» geraubt hatte! Da mals hatte er eine furchtbare Zeit durchzumachen. Gram und Enttäuschung hatten ihn derart mitgenommen, baß er sich vou aller Welt »urückzog. Erst nach und nach war er genesen. Sein Zorn wallte nur noch einmal aus, als sein Onkel Warell gebrochen au» BrrSlau zurückkehrt«. Sva, die elegante, verwöhnte, gefeierte Eva Diakonissin! Mit zwanzig Jahren Wcltflucht, so ein Wahn ¬ sinn!! — Abend für Abend hatte er mit dem Grafen in der verödeten Wohnung gesessen und philosophirt. Selbst Eva'S ruhige Briefe, die Verheuerungen ihrer Zufrieden heit, waren ihnen kein Trost gewesen. Und Stephan, sein Vetter, wie hatte er in bvgcnlangen Schreiben über den Entschluß der Schwester getobt! — Die Zeit stand vor ihm, so klar, als hätten sich die Ereignisse erst gestern vollzogen und nicht vor fast ein und einem halben Jahre. Der Onkel war erst nach Linden-Aue zurückgekchrt, als Bernd von Brandau außer Lebensgefahr war. Ein schweres typhöses Fieber hatte den armen Kerl an den Rand des Grabes gebracht. Man hatte es Eva ver schwiegen. — Aber die Gräfin da, sie war herbeibepeschirt worben. Wochenlang schwebte Brandau zwischen Erbe und Himmel, ehe er genaS. Dann diente er weiter, und seine öffentliche Verlobung mit der blinden Anneliese Blau müller wirbelte viel Staub auf. Alle Welt sprach von der unbegreiflichen Verbindung. — Schließlich wurde es wieder still. Er hatte nichts mehr von den Brandau'S gehört. Vielleicht war Bernd bereits verheirathet. Und er! Löwen- Polling hätte fast laut gelacht! — Eva war noch immer in dem Krankenhaus und pflegte ihre kleinen Krüppel in hin gebender Aufopferung. Er hatte sie besucht, und die bleiche, ernste „Schwester Eva" mit der weißen Haube über dem schwarzen Scheitel kam ihm so fremd, so unpersönlich vor, daß sich kein Wunsch mehr in ihm geregt hatte. Wie liebende Verwandte waren sie geschieden. Jetzt sah er sie wieder vor sich, so still, so süß und durchsichtig. Auf dem Arme trug sie ein kleines, krankes Wesen, das sein banda- girtes Köpfchen vertrauensvoll an die gütige junge Pflegerin geschmiegt hatte. Nein, er begehrte sie nicht mehr, die Cousine Eva! — Vor der Reise hatte er die Schwester eines Kameraden kennen gelernt, einen reizenden Kobold, vielleicht wurde Alice von Tannenberg im kommen den Winter doch noch Baronin Löwen-Polling?! Zufrieden reckte und dehnte er sich, dann sprang er auf. Der GreiS kam wieder an ihm vorbei. „Hören Sie 'mal, mein Freund, mit wem habe ich da» Vergnügen?" „Mein Name ist Kahle! Ich bin Hausmeister der Frau Gräfin Brandaul" entgegnete der Alte nach kurzer Muste rung deS Fremden. „So, also nehmen Sie, bitte, hier meine Visitenkarte und bringen Sie dieselbe Ihrer Herrin! Ich lasse fragen, ob cs der Frau Gräfin ange nehm wäre, wenn sich ein Nesse deö Grafen Warell ihr vor stellte?!" Kahle verneigte sich nach einem schnellen Blick ans die Karte: „Sehr wohl, Herr Baron!" Er kehrte um und kam nach einigen Tecunden wieder zurück: „Die Frau Gräfin würde sich außerordent lich freuen!" meldete er. Victor eilte nach jener Stelle. — Marie kam ihm einig« Schritte entgegen. Sie lächelte verbindlich und streckte die Hand aus. Er verbeugte sich tief und ergriff die Hand, einen ehrfurchtsvollen Kuß darauf drückend: „Steh da, eine ttnvermnthete Begegnung, Herr Hauptmann! Aber ich freue mich aufrichtig, Ihre Bekanntschaft zu machen, wirk lich! Nicht nur, weil Sie ein Verwandter unserer alten lieben Freunde sind, sondern weil ich schon so viel von Ihnen persönlich gehört habe. Bitte wollen Sie nicht hier neben mir Platz nehmen?" Sie schob einen Stuhl zurecht. Beide ließen sich nieder. Löwen- Polling sah mit unverhohlenem Wohlgefallen in ihr liebe- Gesicht. Ihre herzige Art bestrickte ihn. „Ihr Empfang, meine hochverehrte gnädigste Gräfin, ist ein so liebens würdiger, daß ich den glücklichen Zufall vreise, der mich in dieses Hotel geführt hat!" meinte er. Ste senkte lächelnd den Kopf. „Wtr liegen allerdings ein wenig von -er allgemeinen Heerstraße seitab; jedoch gerade bas reizte mich, diesen Auf- enthalt zu wählen. Meine Schwiegertochter braucht und ich liebe die Ruhe!" „Fürchten Ste nicht da- Allein ¬ sein mit Old-England hier oben? Ste sind ihnen rettungs los an-geliefert, F-ran Gräfin!" — — Sic lachte herzlich: „Oh, nein, ich liebe sogar die Engländer, da» heißt, die wirklich gebildeten! Wir haben sogar eine Engländerin mehr als achtzehn Jahre im Hause, ein ausgezeichnetes Mädchen!" Entweder ist di« Dame eine rühmliche Ausnahme, wie sie gar nicht wieder vorkommt, ober sie ist eine Abnormität!" meinte er. — „Ich habe ste jetzt kennen gelernt!" — Und er begann von seinen Reiseabenteuer» zu erzählen. Gräfin Marie horchte amüsirt. Sie kannte diese Klagelieder, denn sie hörte ste von allen Seiten und von jeder Nation. Eine angeregte Unterhaltung kam in Gang. Die Schönheiten der Schweiz, die Ausflüge, bas Wetter, alles bot ja Gesprächsstoff genug. — Die Zeit verflog. — Als Marie wieder Anneliese als Schwiegertochter erwähnte, erlaubte sich Löwen-Polling eine Frage: „Wie befindet sich Ihre Fran Schwiegertochter jetzt? Ich hörte da ¬ mals mit so großem Bedauern von dem Unglück, das ste be troffen hatte!" — „Meine Anneliese ist vorläufig noch immer Fräulein Blaumüllcr, Herr Hauptmann!" sagte die Angercdctc ruhig. — „Ach! Noch nicht ver- heirathct?" dachte der Baron unwillkürlich laut. Er war etwas betroffen. Die Gräfin schien harmlos. „Nein, noch immer nicht!" erwiderte sie. — Als mein Sohn seine Dienstzeit als Offtctcr abschloß, wünschte ich eigentlich eine sofortige Verbindung des jungen Paares. Aber Bernd war sehr angegriffen, die Aer-re sanden eine unbedeutende Erweiterung des rechten Lungenflügels. Um nun diese Sache gleich im Anfangsstadium zu beseitigen, riethen ihm die Professoren zu großen Seereisen. Er hat denn auch gleich eine Reise um die Welt angctrrten!" „DaS ist ebenso vernünftig, wie interessant!" ries der Zu hörer. — „Seit wann ist Ihr Herr Sohn unterwegs, und wie gefällt es ihm?" „Bernd ging im Januar nach JtaUeu, von dort über Sizilien und Aegypten nach Arabien. Bon überall sandte er un» in der That recht interessante, ja sogar völlig begeisterte Reisebericht«. Ich fürchte bereits, daß es der Eindrücke zu viele werden. Er wird bas Gesehene nicht verdauen können! So ließ ich ihm denn durch Stephan rathen, nur Indien und Japan noch mitzunehmcn und dann heimzukehren. Bernd soll lieber in jedem Jahr eine große Reise machen " „Sic sprachen von Stephan, Kran Gräfin! Meinen Sie Stephan Warell?" — — Ja!" „Nun, wieso können Sie dem Grafen Brandau durch meinen Vetter et was mittheilen lassen?" fragte der Baron überrascht. — „Dissen Sie denn nicht, Herr Hauptmann, daß sich die
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