Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.05.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020502011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902050201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902050201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-05
- Tag1902-05-02
- Monat1902-05
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs «Preis 1» der Hauptrxpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.80, — zweimaliger täglicher Zustellung in» Haus >l 8.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlicher6, für die übrigen Länder laut Leitungspreisliste. Nedaction und Expedition: JohanniSgasse 8. Fernsprecher 153 und L22. Alfred Hahn, Buchhandlg., Uutversitättstr.S, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. KäntgSpl. 7. Haupt-Miile Dresden: Strehlenerstraße S. Fernsprecher Amt I Nr. 171». Haupt-Filiale Serlin: Küniggrätzerstraß« 116. Fernsprecher Amt VI Nr. 88SS. Morgen-Ausgabe. MMer TagMM Anzeiger. NmksMLk deS königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes nnd Polizei-Amtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter demRedactionSstrich (4 gespalten) 78 H, vor den Famlliennach- richten (6 gespalten) 80 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe. ohne Postbesörderung 60.—, mtt Postbesörderung 70.—. Armahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgeu-AuSgab«: Nachmittags 4 Uhr. Anzeige« find stet» an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Druck uad Verlag von L. Pol- iu Leipzig. Nr. 220. Freitag den 2. Mai 1902. 96. Jahrgang. Päpstliche Proteste. —ö— In einer feierlichen Allocution an die Cardinale Hai Leo XIII. vor einiger Zeit Protest erhoben gegen daö von der italienischen Regierung geplante Gesetz über Einführung der Ehescheidung in Italien. Der Papst hat keinen Zweifel darüber gelassen, daß er von allen maß gebenden, streng katholischen Kreisen erwarte und wünsche, ist mochten den der Curie verhaßten Gesetzeiltwurf zu Falle bringen. Ed ist nicht das erste Mal, daß sich die Curie in die politischen Rechte -es modernen Italien hineinmengt und der weltlichen Staatsgewalt Steine in den Weg wirft. Das Wahlvcrbot Pius' IX. für alle italienischen Katho liken: „Xo elsttori, ne elvtti!" ist seiner Zeit durch den gegenwärtigen Papst erneuert worden. In einer Audienz vom 30. Juni 1889 und in dem nachmaligen Schreiben vom iö. Mat 1895 hat Leo XIII. die ganze Schärse des „Xon oxpeckit" hervorgekchrt, so daß irn Mär- 1897 der Vor- s'yendc des Ausschusses zur Vorbereitung der Katholiken- Congrefse sich ausdrücklich auf päpstliche Anordnung be rufen konnte, wenn er in einem Rundschreiben sagte: „Die den führenden italienischen Katholiken klar vorgezetchnetc Pflicht ist, sich in jeglicher Weise der politischen Wahlen zu enthalten und ebenso die anderen Katholiken alle zu über reden, das Gleiche thun." Da natürli challe päpstlichen Proteste gegen die Staatsgewalt im Namen der Religion erhoben werden, so ist es begreiflich, daß sich viele treue Katholiken dadurch überrumpeln lassen und als Werkzeuge Roms dessen internationale Interessen über die eigenen nationalen stellen. Nicht immer war das Papstthum mit Protesten so rasch bei der Hand wie heutzutage. Ja in -er alten Kirche hätte es dem päpstlichen Stuhle geradezu als ein Ver brechen gegolten, gegen Gesetze der höchsten weltlichen Obrigkeit irgend wie zu oppontren. Noch gegen Ende des 5. Jahrhunderts versichert Gelasius I. in einem devot ge haltenen Briefe -en Kaiser Anastasius -er vollsten Loyali tät des obersten Bischofsamtes, weil „die Vorsteher -er Religion Deinen Gesetzen unterthan sind auf weltlichem Gebiete, und in weltlichen Dingen einer von Dir ver worfenen Ansicht entgegenzutretcn nicht einmal den An schein haben wollen." Ein ander Mal hat der gleiche Papst ine unzweideutige Erklärung abgegeben: „Christus wollte, daß die christlichen Fürsten für das ewige Leben der Hohen priester bedürfen, und die Hohenpriester für die weltlichen Angelegenheiten (pro temporali oursu rerurn) an die kaiser lichen Verordnungen sich hielten. Sö sollte Niemand, der ausschließlich Gott dienen will, sich in weltliche Händel ver wickeln." Hatte ein Papst Veranlassung, gegenüber welt lichen Eingriffen ins kirchlich-religiöse Gebiet Stellung zu u'hmcn, so geschah dies ursprünglich nicht in Form eines sonrcrän gehaltenen Protestes, sondern mit jener Be scheidenheit, die dem Untergebenen vor dem Höhergestellten zulommt. Gregor I., dem die Kirche -en Beinamen des „Großen" gegeben hat, hielt das Gesetz des Kaisers Mauritius für ungerecht, wonach Staatsbeamten und Sol daten der Eintritt ins geistliche Amt verboten sein sollte. Gregor schrieb hierüber an -en Kaiser: „WaS bin ich aber, der ich so zn meinem Herrn rede, als Staub und Asche! Weil ich dies Gesetz als gegen Gott verstoßend erachte, durfte ich meinem Herrn meine Ansicht nicht verschweigen. Da ich Deiner Herrschaft unterworfen bin (jussioni 8vb- se<tus), so habe ich dies Gesetz in die verschiedenen Pro vinzen (zur Verkündigung) verschickt. Daß aber dieses Gesetz nicht mit Gottes Gebot übereinstimmt, das habe ich durch dies Schreiben meinem erhabenen Herrn vcrkündet. So habe ich nach beiden Seiten meine Pflicht erfüllt: Dem Kaiser habe ich Gehorsam ge leistet und für Gott habe ich meine Stimme erhöbe n." Aber freilich nur allzu bald fuhr -er bekannte ultra- montane Geist in das Papstthum, -er -te schweren kirchenpolitischen Kämpfe -es Mittelalters und der Neuzeit zur Folge hatte. Wo man früher bat, da forderte man jetzt, und unbekümmert darum, ob man dazu auch ein historisches Recht oder eine thatsäckliche Macht hätte, protestirte Nom gegen jedes werdende oder schon abge schlossene Staatsgesetz, das Len klerikalen Herrschgelüsten gefährlich werden konnte. Jnnocenz HI. verwahrte sich und alle Gläubigen am 13. August 1218 gegen die englische „-Vagus obarts", „auf daß sie zu keiner Zeit irgend welche Geltung habe". Gin Protest gegen -en „Sachsenspiegel" er ging 1873 von Seiten Gregors XI. Die „Pragmatische Sanction" Karl s VH. von Frankreich wurde Lurch Leo X. kurzer Han- „annulltrt". Jnnocenz X. protestirte gegen den Westfälischen Frieden: „Aus eigenem Antrieb und kraft apostolischer Bollgewalt erklären wir die genannten Artikel für nichtig, irrig .verdammt, unwirksam". Der streitbare Pius IX. eiferte nicht minder heftig, al» er 1868 des österreichische Staatsgrundgesctz verdammte: „Wir verdammen kraft unserer apostolischen Autorität -ie er wähnten Gesetze und erklären, -aß sie mit all ihren Folgen gänzlich nichtig sind und sein werden". In ähnlicher Ton art wetterte derselbe Papst am 5. Februar 1875 gegen -le preußischen Maigesetze. Wie systematisch -ie Curie bet der artigen Protest-Erklärungen zu Werke gehen wollte, deutet schoit eine Kundgebung Urban'S IV. an, -er beispielsweise jedes städtische Statut von vornherein für „nichtig" er klärte, das -er Inquisition Hindernisse bereiten würde. In -icsem Zusammenhänge müssen auch zwei berüchtigte päpstliche Bullen erwähnt werben: „In «wns äomini^ und „l usiu ssnctsm". Die erstere, ganz im mittelalterlichen Stile gegen alle Ketzer gerichtet, protestirt gegen alle Ge setze, „die den Rechten beS päpstlichen Stuhle- btrect oder indirect, ausdrücklich oder stillschweigend präjubieiren". Die andere, von Bonifacius VIII. 1802 erlassene Kund gebung an die Christenheit ist jenes bekannte Schriftstück, in dem zum ersten Male eine dogmatische Fixtruna der päpstlichen Bollgewalt vorgenommcn und «e osiüedrs auch eine absolute, weltlich - politische Macht stellung für die Träger der dreifachen Krone gefordert wor den ist. Bei der hier präcisirten Theorie, wonach der Kirche neben dem geistlichen auch da» weltliche Schwert gebühre, ist daS Papstthum stehen geblieben. Diese durchaus nicht etwa „veraltete" Bulle „Onsm ssnaism" ist der Hinter grund für all -ie viele«, formell und inhaltlich unerhörten Proteste, mit denen Rom auch in neuerer nnd neuester Zeit dem modernen Staatsgedanken zu Leibe geht. Daß auch der „friedliche" Leo XIII. aus dem Standpunkte seiner mittelalterlichen Vorgänger steht, hat er n. A. durch die Encyklika „vinturuum. illuck" vom 20. Juni 1881 deutlich genug verkündigt. Nur wer auf dem Boden -er Boni- faeius scheu Bulle beharrt, kann, ja den aller geschichtlichen Wahrheit Hohn sprechenden Satz verfechten: „Als aber die bürgerliche Gesellschaft gleichsam ans den Ruinen des Römcrrciches sich erhob nnd znr Hoffnung christlicher Größe wieder auflebte, da gaben die römischen Päpste durch Schöpfung des heiligen römischen Reiches der politischen Gewalt eine ganz besondere Weihe." Dieses Märchen hat schon Luther in seiner letzten großen Streitschrift „Wider das Papstthum zn Nom vom Teufel gestiftet" gründlich und grell genug beleuchtet, indem er dem Papste zuruft: „Wo wollte -er Papst solch Reich nehmen, und wie wollte er geben, das er selbst nicht hatte? War er doch selbst zu Rom nicht sicher vor -en Longobardcn, die dazumal zweihundert Jahr in Italien regiert hatten! . . . Die Deutschen haben das Römische Reich nicht von Deinen Gnaden sondern von Carl dem ivroßen und von der: Kaisern zu Constantinopel. Du hast nicht ein Haar breit davon gegeben, aber uner meßlich viel hast Du davon gestohlen . . ." Man kann hieraus ersehen, mit welcher Vorsicht, ja mit welchem Miß trauen es anfzunehmcn ist, falls der heilige Stuhl sich auf sogenannte „historische" Rechte beruft und sie zur Grund lage von allerlei zweifelhaften Beschwerden oder Protesten macht. Das fortwährende Zetergeschrei gegen Italiens nationale That vom 20. September 1870 nimmt sich doch recht seltsam aus, wenn man bedenkt, daß die einstige „Constanttnische Schenkung", woraus sich dann der „Kir chenstaat" entwickelte, weiter nichts von Anfang an gewesen ist, als eine zwar grandiose, aber eben notorische Fäl schung LeS wirklichen geschichtlichen ThatbcstandeS. Besonderen Eindruck auf gläubige Gemüther machen immer diejenigen päpstlichen Proteste, die sich mit Fragen befassen, deren streng staatliche oder kirchliche Abgrenzung in Praxi niemals völlig wird durchgeführt werben, wie z. B. in Sechen des Schulwesens oder des Eherechtes. Es ist sehr bequem und billig, wenn sich Leo XIII. gegenüber der in Italien projectirten neuen Ehcgesetzgebung auf das „göttliche Gesetz" beruft, -essen alleiniger Ausleger natür lich nur das römische Papstthum sein dürfe. Zum Glück haben sich durch derartige Expectorattonen so und so viele Staaten schon längst nicht mehr abhalten lassen, im Inter esse der allein souveränen weltlichen Gewalt und zum Schutze gewisser bürgerlicher Rechte eine angemessene Ehe- Gcsetzgebnng einzuführen. Nnr zelotisch angehauchte Geister werden behaupten dürfen, daß dadurch dem Volke seine Religion genommen sei) das wäre doch gerade das Letzte, was im Sinne eines modernen Staatswesens liegen könnte. Sehr richtig aber sagt einmal Heinrich v. Treitschke „Die Fragen des Eherechts, der Schule, des Eides be rühren sowohl die Kirche, wie den Staat. Hier muß also öfter eine Grenzberichttgung stattfinden, die allein SerStaat vornehmen kann." Freilich gerade gegen diese moderne Auffassung, die sich auf das Necht der geschicht lich gewordenen Staats-Souveränität stützt, polcmisirt das principiell immer noch in mittelalterlichen Bahnen wandelnde Papstthum mtt der ganzen Leidenschaft dieser nach früherer Herrlichkeit sich sehnenden Institution. Jeder päpstliche Protest gegen staatliche Maßnahmen bedeutet gewissermaßen eine klerikale Machtprobe, nnd es ist dabei herzlich gleichgiltig, ob dem Proteste ein dogma tisches oder irgend ein anderes Mäntelchen umgehängt wird. Der Krieg in Südafrika. Srie-enSverhan-lungr«. Gegenüber den Nachrichten, die gestern in New Aork umliefen, und denea infolge Delarey sich ergeben baben sollte, erfährt da» Reuter'scke Bureau, daß die heute von Lord Kitcheuer eingetroffenen Meldungen von einer solchen Ueberzabe nickt» erwähnen, und daß auch nicht- auf eine solche hindeute. E» würden wahrscheinlich noch etwa vier Wochen vergeben, bevor bezüglich der FriedeuSauSsichten eudgiltige Nachrichten eintreffen, aber in gut unterrichteten Kreisen wird geglaubt, daß die Friedens aussichten günstig (?) seien. Wie verlaute, stelle die Frage der Caprebellen gegenwärtig ein Henrniß dar. Dem Blatte „Daily Telegraph" wird aus Johannesburg vom 28. April gemeldet: General vrnre Hamiltan'S Kesseltreiben, da- am Sonnabend von Haartebeestefontein unweit Bal moral (etwa 60 km östlich von Pretoria an der Bahn uach der Delagoa-Bai) begann, endete gestern Abend in der Nachbarschaft von Greylingstadt. Es waren sech» Colonnen betheiligt. Han» Botha und Albert Pretoriu» der Jüngere Warrn mit 200 Boeren innerhalb der britischen Linien, entkamen aber. E» wnrden nur wenige Boeren von den Engländern gefangen. Die bei diesen Unternehmungen betheiligten Boerenabtheilunzen sind nunmehr von Botha aufgefordert worden, au den Be- rathungen über einen etwaigen FriedrnSschluß Theil zu nehmen. Deutsches «eich. -r. Verli«, 1. Mai. (Das deutsche Reich und di« Juteruatioaal« Bereinigung für gesetzlichen Ar beiterschutz.) Die ReichSregierung ist bekanntlich in die Reih« derjenigen Regierungen «inaetreteu, die sich die Förde rung und Unterstützung der Internatioualen Ver einigung sür gesetzlichen Ardeiterschutz angelegen sein lassen. Da» Reich gewährt nicht nur «inen Geldbeitrag für dir Arbeiten der Bereinigung, sondern e» stellt auch die amtlichea Drucksachen und Publikationen, soweit sie den Arbeiterschutz be treffen, zur Verfügung and wird durch Au»kunft»erth«ilnng die Bestrebungen der internationale« Bereinigung fördern. Go außerordentlich dankeasswerth die» Entgegenkommen ist, so habe« di, dentschrn Mitglieder der Bereinigung doch noch eisen weitere« Wunsch, tz 7 der Gtatuteu der Bereinigung sieht vor, daß in ihrem Comitö die unterstützenden Staaten sich durch Delegirte vertreten lassen können. Hiervon laben bereits mehrere Regierungen Gebrauch gemacht. In der coostituirenden Versammlung in Basel Ende Septem ber 1901 batten die Schweiz, Frankreich, Holland, und Italien amtliche Vertreter entsandt, die sich lebhaft an den Verhandlungen betheiligten. Im Hinblick hieraus weist die „Sociale Praxis" nach, wie sehr es im Interesse der Position, die die Deutschen innerhalb der Internationalen Vereinigung haben, gelegen ist, daß auch das deutsche Reich einen amtlichen Vertreter in der Person eines sachverständigen hohen Beamten entsendet. Damit würde den Bemühungen der Delegirtcn der deutschen Section nicht nur, sondern den deutschen Anschauungen, Wünschen und Forderungen im Ralhe deS Comitöö der Bereinigung die nützlichste Förderung zu Theil. Denn daS Zusammenwirken von amtlicher und privater Vertretung fällt natürlich viel schwerer in die Wag- ichale, als die Bestrebungen einiger Privatleute, die des amtlichen Rückhalts entbehren. Staatssekretär Graf Posa- dowsky hat am 30. Januar im Reichstage auseinandergesetzt, wie wichtig es für taü deutsche Reich sei, daß auf dem Ge biete des Arbeiterschutzcs internationale Ausgleichungen statt fänden, und er hat damit die Unterstützung der Internationalen Bereinigung unter allgemeiner Zustimmung deS Reichs tags begründet. Zur vollen Geltung können aber diese an erkannten Bestrebungen nur dann kommen, wen» daS Reich amtlich durch Delegirte seinen Standpunkt in den Comit«- berathungen vertreten läßt. Sonst ist zu gewärtigen, daß andere Länder, die dies thun, ein beträchtliches Uebergewicht gewinnen. Im Herbste dieses Jahre» bält die Internationale Vereinigung in Köln abermals eine Tagung; hoffentlich ist bis dahin eine amtliche Vertretung des deutschen Reichs im Comit6 geschaffen. DaS ist um so wünsckenswerther, als außer den obengenannten Staaten dem Vernehmen der „Socialen Praxis" nach auch noch andere Staaten Delegirte entsenden werden. U Berlin, 1. Mai. (Polnische Agitation g^egen die preußische Schule.) Der Beginn deS neuen Schul jahres in den preußischen Volksschulen hat einem Theile der großpolnischen Presse Anlaß geboten, auf die Wrescheuer Vorgänge zurückzukommen und, unter völliger Entstellung der Tdatsache, daß die maßlose Ver hetzung des polnisch sprechenden TheileS der Wrescheuer Bevölferung den planmäßigen Widerstand der Kinder veranlaßt und die Eltern und Angehörigen zu llebergriffen angereizl hat, die preußiscke Regierung und ihre Vertreter der gewaltsamen Unterdrückung deS polnischen Nationai- HesühlS anzuklagen. Von dieser aus allen Gebieten des öffentliche» und des privaten Lebens geübten politischen Taktik der großpolnischen Agitation, die polnischsprechenben Bewohner der deutschen Ostmarken als Märtyrer einer rücksichtslosen und barbarischen GermanisirungSpolitik hin- zustrllen, scheint sich die großpolnische Propaganda auf dem Gebiete deS UnterrichtSwesenS, in erster Linie den deutschen Lehrern und Beamte» gegenüber, die nicht selten als „feile, gefährliche Spione" und „auSqemachte Hakatisten" gebrandmarkt werden, ganz besondere Wirksamkeit zu ver sprechen, denn immer wieder wird das Schicksal der be- klagenSwerthen „polnischen" Jugend, die hilflos den Martern der preußischen Schule ausgesetzt sei, und daS LooS der „armen unglücklichen Eltern, die ihren treuesten Schatz der Drangsalirung, der shstemalischen Entehrung preisgeben", zum Gegenstände der öffentlichen Erörterung gemacht. Wo> hin diese systematische Untergrabung der Autorität der Schule, die planmäßige Aufhetzung der urtbeilSlosen Volks menge gegen die Maßnahmen der preußischen Behörden, wohin die künstliche Eutfachuag und Vertiefung deS Hasses gegen da» Deutschthum und seiue Vertreter geführt hat und führen kann, dafür sollten die Wrescheuer Vorgänge den scrupel- losen großpolnischen Agitatoren ein bleibende», warnende» Bei spiel bieten. Dem scheint jedoch nicht so, denn trotz der Bestimmung de» CultuSministerS, daß diejenigen Kinder, welche den Anforderungen der Schule nicht genügen, über die gesetzliche Zeit in der Schule zurückbehalten werden dürfen, einer Bestimmung, die von der polnischen Presse als eine „empfindliche Straf« für Eltern und Kinder" bezeichnet wird, nimmt die Aufhetzung der Eltern und Kinder gegen die Autorität der Schule ungestört ihren Fortgang. „DaS preußisch« System", schreibt der „Goniec WielkopolSki", „war, ist und bleibt rücksichtslos. WaS müssen wir also thun? Unser« Kinder in Schutz nehmen, sie verthei- digen mit derselben Rücksichtslosigkeit und Verbissenheit, durch welche sich daS preußische System auSzeichnet, und mit energischer Thal unsere Gefühle zum Ausdruck bringen. .. . . Hilfe für unsere Schuljugend; so rufen wir. Möge daS polnische Elternhaus zu einer polnischen Nationalschule werd««, möge e» der polnischen Schuljugend eine polnisch nationale Erziehung angrdeihea lassen, welche sie verlangt, welche sie um jeden Preis, mag die» der deutschen Regierung und ihren loyalen und treuen Ünterthauen gefallen oder nicht gefallen, erhalten muß. Schutz sür unsere Schuljugend verlangen wirl Gestatten wir nicht, daß sie gemartert werde; protestireu wir auf gesevlichem Weg« gegen di« Politik der Peitsche und gegen die Eultur der Ruthe." Daß eine derartig« Kundgrbuug nicht gerade aeeignet ist, da» Aasrhea der Lehrer und die Autorttät der Schule unter der erwachsenen und Heranwachsenden Bevölkerung der gemischtsprachigen LandeStheile zu fördern, liegt auf der Hand. E» kommt eben der großpolnischen Agitation, da sie nicht wohl die hohe Entwickelung an den erzieherischen Werth der preußischen Volksschule anzweifcln kann., vor Allem darauf an, di« Unterrichtsmethode der deutschen Lehrer in den Augen der Ellern und der Kinder herab- rusrtzen und die Vorstellung wach zu erhalten, daß der Be such einer preußischen Schule einem Martyrium sür Kinder uad Litern gleich zu achten sei. Solange solche Anschauungen durch di« Leiter der großpolnischen Agitation immer aus» Neu« in da» Volk uad die Schuljugend aetraaeu werde», wird die preußische Regierung an dem Grundsätze fest-allen müssen, daß r» m erster Liuie die Aufgabe der Schule sei, diejenigen schädlichen Einflüsse, welche geeignet sind, Werth und Bestand einer sittlichen Erzirhuna in Frage zu stellen, nach Möglichkeit zu hes«iitge« uad zu bekämpf«. Reicht dazu die gesetzlich vorgeschriebenc Zeit nicht au», so wird eine Verlängerung des Schulbesuchs Platz greifen müssen. Es liegt daher im eigensten Interesse der polnisch redenden Bevölkerung, den verderblichen Einflüssen der den Widerstand gegen alles Deutsche predigenden großpolnischen Agitatoren sich selbst und vor Allem die schulpflichtige Jugend zu entziehen. * Berti«, 1. Mai. (Wenn der „Vorwärts" poetisch wird—) Der „Vorwärts" hat heute seinen Anfall — man weiß ja, warum und wieso. Nachdem ein mal den „Genossen" von der schwieligen Faust offenbart worden ist, daß es zur unentwegten Genofsenhaftigkeit ge hört, den 1. Mai „ganz nnd voll" zu feiern, verlangen diese natürlich von ihren „Genossen" vom sonst verpönten Geist, daß auch dieser bei solch' feierlicher Gelegenheit etwas strapaztret werde. Und das ist denn auch gründlich besorgt worden. Der „Vorwärts" leistet sich also gleich zwei Mai- Leitartikel, die aber nmgestellt werden müßten, denn der zweite ist noch viel schöner als der erste; es kommen sogar Verse in ihm vor, und überschrieben ist er „Mai-Gedanken". Es kann nicht bestritten werden, daß die Uebcrschrift ge rechtfertigt ist, nnd daß „Gedanken" in dem Artikel sind, denn nachdem die bekannte Iournalfrage „Jnstinct oder ttcberlcgung?" bei Dackeln z.B.zu Gunsten derUeberlegung entschieden worden ist, kann man ohne weitere Scheu auck> diesen Artikel als Jntcllcctsprvduct ansprcchcn. Aber cs ist leider nicht zu verschweigen, daß der Jnstinct den Geistes mann diesmal wohl besser berathen haben würde, denn -er hätte ihn sicher davor bewahrt, zu schließen: Kämpfen heißt Leben. Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben» Der täglich sie erobern muß. Wenn der selige (pardon) Liebknecht noch lebte, würde es dem Citaterich wohl schlecht gehen, denn eine größere Verherrlichung der Bourgeois- Weltanschauung und eine tiefere Verdammung der projectirten svcialistischen Bersorgungs- und Ent mündigungs-Anstalt, überhaupt eine größere Dummheit im „zielbewussten" Sinne hat der „Vorwärts" noch nicht in seinen Spalten gehabt, un dumm war der alte Revolutionär nicht. Da anzunehmcn ist, dass diese wohlüberlegten Mai-Gedanken einer inneren Ueberzcngung entsprungen sind, so schlagen wir dem „Vorwärts" vor, sich umtaufen und von jetzt an „Rückwärts" nennen zu lassen. D Berlin, l. Mai. (Telegramm.) Der Kaiser be gab sick heute Morgen nach dem Tempelhofer Felde, um den Balaillons-Besicktigungen des 8. Garderegiments z. F., deS Kaiser Franz-Garde-Grenadierregiments Nr. 2 und deS Garde- PionierbataillonS beizuwohnen und später daS Frühstück beim OfficiercorpS des Kaiser Franz-RegimentS einzunehmen. — Die Kaiserin war gestern bei der JabreS-Bcrsammlung desFrauen - Lazarcth-Vereins (Augusta-HoSpital) im königl. HauS Ministerium anwesend. — Heute Vormittag nahm die Kaisersn im königlichen Schlosse Vorstellungen von Delegirte» des Vater ländischen Frauen-Verein» entgegen und wohnte später mit der Prinzessin Heinrich von Preußen der Delegir- teu-Versammlung de» Vaterländischen Frauen- Verein S im Ministerium für öffentliche Arbeiten bei. — Für den sächsischen Albert-Verein wohnte Oberst Schneider der Versammlung bei. II. Berlin, 1. Mai. (Privattelegramm.) Bon der heutigen Maifeier merkt man hier absolut nichts; der Cbarakter der Stadt war in keiner Weise verändert, auf allen Bauten, in allen Fabriken wurde wie sonst gearbeitet. Die Zahl der Arbeiter, welche den 1. Mai durch vollständige ArbeilSruhe begehen, ist von Jahr zu Jahr geringer geworden. Die 30 GewerksckaftSversammlungen, welche am beutigen Vor mittag stattfanden, waren zum Theil nur recht schwach be sucht; in allen Versammlungen zusammen waren höchstens 15 000 Personen anwesend; m Berlin giebt eS ja zu jeder Zeit immer mehrere Tausend arbeitsloser Saisonarbeiter. Sine gleichlautende, langathmige Resolution gelangt überall zur Annahme. („Nat.-Ztg.") — Entsprechend einem preußischen Ministerialerlaß, der bestimmt, daß ehemalige Chinakrieger vorzugsweise im Eisenbahndieust auzustellen sind, auch wenn sie früher nicht bei der Eisenbahn oeschLftigt Ware», sind jetzt zahlreiche Einstellungen von Chinakriegern erfolgt. Es konuten sämmt- lickr Bewerbungen, die sehr zahlreich eingelaufen waren, be rücksichtigt werden. Die Betreffenden sind zunächst als Eisen bahnarbeiter anaestellt worden, können aber nach Ablegung eines Examens Nnterbeamte werden. — Der Gouverneur von Neo-Guinea v. Bennigsen wird nicht wieder ans seinen Posten in Herbert-Höhe zurückkehren. Wie die „Post" mittheilt, leidet er stark an Malaria, die große Blut- Veränderungen hervorbringt. Da der Gouverneur vor seiner Ueber- siedelong nach der Güdsee 1900 schon fast volle sieben Jahre, vom Frühjahr 1893 an in Ostafrika thätig war, so ist die Itrnsitüt seiner Krankheit begreiflich. Hinsichtlich der Ernennung eine» Nach- folger» für ihn besteht bereit» in allen betheiligten Kreisen die übereinstimmende Ueberzeagnog, daß sein jetziger Stellvertreter, der Bicegonvrraror vr. Hahl, Vie geeignetste Persönlichkeit dafür ist. * -a«dur», 30. April. Eiu Senat»antrag, betreffend Vertiefung der Uaterelbe auf der Strecke von Neu- mühleu bi» Lüher Sand uud Ankauf de» Hanöver-SandeS ist der Bürgerschaft zugegangen; Kostenanschlag 6 500 000.^ (-) rüffeltzarf, l. Mai. (Telegramm.) Der Kron- Prinz traf vormittag» gegen 11 Uhr hier ein. Im Fürsten zimmer wurde der Kronprinz vom Oberbürgermeister Marx mit einer Ansprache begrüßt. Der Kronprinz erwiderte und ließ sich daun die Stadtverordneten vorstelle«. Sodann fuhr er, von einer EScadron Ulanen begleitet, «ach der Aus stellung. Die Straße«, welch« der Kronprinz passtrte, tragen reichen Frstschmuck; überall wurde der Kron prinz von großen Menschenmengen herzlich begrüßt. Bor dem Hauptgebäude der Ausstellung war eine Ehren compagnie ausgestellt, der«« Front der Kronprinz abschritt. Hierauf begav er sich uach dem Kuppelsaale de» Aus- stellungSgebaude». Dort waren u. A. anwesend: Der Reichskanzler Graf Bülow, die Minister v. Thielen, v. Rheiabadeo, Studt, Frbr. v. Hammerstrin und Moeller, Staatssekretär Kraetke, Oderpräsident vr. Nasse, Ober-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite